Úterý 30. ledna 1849

Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Einundachtzigste (XXIX.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremster am 30. Jänner 1849.

Tagesordnung.

I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 29. Jänner 1849.

II. Zweite Lesung der Grundrechte. 

Vorsitzender: Präsident S m o l k a. Die Ministerplätze leer.

Anfang: 10 3/4 Uhr.

Präs Die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl Abgeordneter ist anwesend.

Ich erkläre die Sitzung für eröffnet. Der Herr Schriftführer Gleispach wird das Protokoll der gestrigen Sitzung verlesen. (Schriftführer Gleispach verliest das Protokoll der Sitzung vom 29. Jänner 1849.)

Präs. Ist etwas gegen die Fassung dieses Protokolls einzuwenden?  Da nichts eingewendet wird, so erkläre ich das Protokoll für richtig aufgenommen.

Die Wahl für den Ausschuß zur Vorlage einer Gemeindeordnung würde von den Abgeordnetenderb Gouvernements Mähren und Schlesien, sodann Dalmatien vorgenommen. Für Mahren und Schlesien wurde gewählt der Herr Abg. Weiß, Cart Richter und Prazak; für Dalmatien Ivichievich, Petrovich, Grabovaz.  Ich würde die Herren, welche für diesen Ausschuß gewählt sind, ersuchen, Nachmittags um 5 Uhr zusammen zu treten, um sich zu constituiren, und die Wahl des Vorstandes und der Functionäre vorzunehmen, und sie dann im Vorstandsbureaus anzuzeigen. Diese Wahlen könnten allenfalls in der Section Nr. 1 vorgenommen werden.

Es wurden Mandate zurückgelegt, und zwar hat sein Mandat zurückgelegt der Herr Abg. Franz Zöpft für Wien 3. Wahlbezirk, Vorstadt Landstraße, und Erdberg, aus Dienstes und Familienrücksichten mit der Bitte, seinen Sitz so lange in der hohen Kammer einnehmen zu dürfen, bis der neugewählte Abgeordnete eingetroffen sein wird. Sodann der Herr Abgeordnete Carl Engelhafer für Leoben in Steiermark, ohne diesen Vorbehalt. Es wird an das Ministerium das Ersuchen wegen Ausschreibung neuer Wahlen gestellt werden.

Der Vorstand des Finanz  Ausschusses hat mir den Bericht wegen der Depositen überreicht. Derselbe wird zufolge §. 47 der Geschäftsordnung dem Drücke übergeben und sodann unter die Mitglieder vertheilt werden. Es sind einige Urlaubsgesuche vorliegend, welche der hohen Kammer vorgetragen werden müssen.

Schriftf. Ullepitsch. Der Herr Abg. Spangher bittet zur Besorgung dringender Geschäfte um einen achttägigen Urlaub vom 26. d. M., ohne Einrechnung der zur Hin und Rückreise erforderlichen Zeit.

Präs. Wünscht Jemand über diesen Gegenstand zu sprechen? (Niemand.) Diejenigen Herren, die sich für die Bewilligung des Urlaubs aussprechen, wollen aufstehen. (Majorität.) Der Urlaub ist bewilligt.

Schriftf. Ullepitsch. Der Herr Abg. Alexander Dzieduszycki ersucht um Verlängerung des ihm von der hohen Kammer bereis erteilten Urlaubes bis Ende Februar, weil seine zerrüttete Gesundheit es nicht erlaubt, gegenwärtig die Reise nach Kremsier anzutreten, und weil er bemüßiget ist, sich einer längeren Kur zu unterziehen.

Präs Wünscht Jemand über dieses Urlaubsgesuch zu sprechen? (Niemand.) Diejenigen Herren, welche den Urlaub bewilligen wollen aufstehen. (Minorität.) Der Urlaub ist nicht bewilligt.

Abg. Ziemialkowski. Ich glaube, es ist Sitte, daß denjenigen, welcher eine Erkrankung nachweisen, ein Urlaub nicht bewilligt, sondern bloß diese Anzeige zur Kenntniß genommen wird. Ich glaube daher, daß es hier ganz ordnungswidrig war, darüber abzustimmen, ob dem Abg. Dzieduszycki ein Urlaub zu bewilligen ist oder nicht.

Präs. Ich mußte ihn zur Abstimmung bringen, weil der Abg. Alex. Dzieduszycki diese Bitte gestellt hat; es liegt auch kein Krankheitszeugnis bei, und ich konnte die Sache nicht anders erledigen.

Der Herr Vorstand der 3. Section ersucht die Herren, die dieser Abtheilung angehören, sich morgen um 9 Uhr zu versammeln, weil einige Wahlacte zu prüfen sind. Der Herr Schriftführer Ullepitsch wird einen vom Abg. Borrosch eingebrachten Protest verlesen.

Schriftf. Ullepitsch (liest):

Protest.

In der gestern den 29. d. M. beendeten Reichstagsverhandlung über die Todesstrafe leitete der Herr Berichterstatter seine ihm obliegende Verteidigung des vom Constitutionsausschusse gestellten, auf Abschaffung der Todesstrafe bloß für politische Verbrechen lautenden Antrages mit dem Bemerken ein, daß er für seine Person gleichfalls die Todesstrafe gänzlich aufgehoben wissen wolle; aber als Anwalt des commissionellen Antrages die Beweggründe des Ausschusses geltend machen müsse. In einer glänzenden, die wiederholt bekundete Freisinnigkeit des Herrn Berichterstatters abermals entschieden aussprechenden Rede entkräftete er nach dieser treulich erfüllten Amtspflicht die in ihrem Namen vollbrachten Gründe als Abgeordneter für Eisenbord durch eben so viele schlagende Gegengründe, und machte so den Nachtheil für die darauf folgende Abstimmung wieder gut, welchen außerdem seine zweimal dem Constitutionsausschuß in den Mund gelegte Behauptung, daß der hohe Reichstag selber während der Oktoberereignisse in Wien einen die Todesstrafe anerkennenden Beschluß gefaßt habe, nothwendig hätte herbeiführen müssen. Ein zweifacher Irrthum muß hier obgewaltet haben: 1. daß der geehrte Herr Abgeordnete durch irgend einen ungenau berichteten Zeitungsartikel einen falschen, der tatsächlichen Wahrheit widersprechenden Eindruck unwillkürlich aufgenommen, und ihn 2. zufolge einer Gedächtnistäuschung mit einzelnen vielleicht im Constitutionsausschusses gefallenen Äußerungen verwechselt habe. Als ein Motiv jedoch konnte eine solche Behauptung im Constitutions Ausschusse niemals sich geltend gemacht haben, weil er zur größeren Hälfte aus Mitgliedern besteht, welche sich an den Verhandlungen und Beschlüssen des Reichstages im October betheiligt hatten, folglich eine so irrige Beweisführung pflichtgemäß würden widerlegt haben.

Hinsichtlich der stattgefundenen, durch eine ansehnliche Stimmenmehrheit für die gänzliche Abschaffung der Todesstrafe so höchst erfreulichen Abstimmung könnte man nun jenen unfreiwilligen Irrthum des geehrten Herrn Abgeordneten auf sich beruhen lassen; da jedoch die stenographischen Berichte als authentische Aktenstücke der Reichstagsverhandlungen in die Öffentlichkeit und auf die Nachwelt übergehen, so wird es zu einer Pflicht, eine irrige Behauptung nicht unwiderlegt zu lassen, welche nicht nur den Reichstag als im Widerspruche mit sich selber befangen darstellt, sondern auch nachträglich bei der Sanction dieses Paragraphen der Grundrechte zu einer nachtheiligen Berufung auf jenen vermeintlichen Widerspruch Anlaß geben könnte.

Die bald veröffentlicht werdenden Oktoberprotokolle des Reichstages liefern aber den Beweis, daß 1. die Grundrechte damals gar nicht in Verhandlung kamen, folglich auch weder für, noch gegen die Abschaffung der Todesstrafe irgend ein legislativer Reichstagsbeschluß gefaßt werden konnte; 2. daß der Reichstag in seinem loyalen Wirken, die unseligen Wirren ohne Blutvergießen und Verletzungen der constitutionellen Freiheit einer versöhnlichen Lösung entgegen zu führen, vor Allem bestrebt sein mußte, die innere Sicherheit der Hauptstadt des Kaiserreiches aufrecht zu erhalten, und die in Waffen stehende Bevölkerung jener Disciplin zu unterwerfen, wodurch allein die Möglichkeit gegeben war, jene Hoffnungen segensreich erfüllt zu sehen, wozu die den Reichstagsdeputationen Allerhöchst erteilten Erwiderungen und namentlich noch das kaiserliche Manifest vom 19. October den Reichstag berechtigt hatten. Dieser war sonach verpflichtet, dem vom Obercommando der Nationalgarde in demselben loyalen Sinne gestellten Verlangen nach einem strengen, den Umständen angemessenen Disziplinargesetze zu entsprechen. Ein solches wird aber in Ausnahmefällen ähnlicher Art auch nach der Abschaffung der Todesstrafe, für das gewöhnliche Zivilverfahren von keiner legislativen Körperschaft jemals gänzlich beseitigt werden können, ohne daß hierdurch dem Principe selber irgend zu nahe getreten würde.

Kremsier, 30. Jänner 1849.

Alois Borrosch, Reichstagsabgeordneter.

Präs. Ich glaube, daß dieser Protest dem heutigen Protokoll beigefügt werden kann.

Abg. Strobach. Ich glaube, dieser Protest gehört nicht in das Protokoll, denn unter den Vorgängen, die in der Reichstagssitzung stattfinden, gegen welche nach der Bestimmung der Geschäftsordnung ein Protest eingelegt werden kann, kann man nicht Äußerungen der einzelnen Redner, insofern sie Thatsachen betreffen, verstehen; wohin kämen wir dann, wenn aus allen einzelnen Reden unserer Redner der Anlaß herausgenommen würde zu Protesten; ich bin also dafür, daß der Protest in das Protokoll nicht aufzunehmen sei

Präs. Ich war der gegenteiligen Ansicht, nachdem sich Widerspruch findet, so werde ich die Sache zur Beurtheilung der Kammer vorlegen.

Abg. Borrosch. Der verehrte Herr Artpräsident würde vollkommen Recht haben, wenn der Protest nur eine Äußerung eines Redners überhaupt beträfe, und nicht zugleich die wiederholte Behauptung, es sei ein Reichstagsbeschluß gefaßt worden, der den Reichstag mit sich selbst in Widerspruch fetze. Da nun, wie auch im Proteste erwähnt ist, die stenographischen Berichte als authentische Actenstücke der Reichstagsverhandlungen gelten (Ruf: Schluß der Debatte), und damit diese Behauptung nicht nachträglich irgend benützt werden könne, so erachte ich es für vollkommen geschäftsordnungsgemäß, daß dieser Protest dem Protokolle einverleibt werde. (Häufiger Ruf: Schluß der Debatte.)

Präs. Es haben sich als Redner vorschreiben lassen die Herren Abg. Trojan, Schuselka, Jonak, Neuwall und Klaudi.  Es wird der Antrag auf Schluß der Debatte gestellt, wird er unterstützt? (Unterstützt.) Diejenigen Herren, die dafür sind, wollen aufstehen. (Majorität.) Die Debatte ist geschlossen. Wollen die Herren sich erklären, ob sie für oder dagegen sprechen?

Abg. Trojan. Gegen die Aufnahme des Protesten.

Abg. Schuselka. Gegen die Aufnahme des Protestes in das Protokoll, aber natürlich für die Aufnahme in die stenographischen Berichte.

Abg. Jonak. Gegen Beides. (Heiterkeit)

Abg. Neuwall. Gegen.

Abg. Klaudi. Gegen.

Präs. Wollen also die Herren alle untereinander einen Generalredner wählen.

Abg. Borrosch. Und ich kündige einen Protest (Gelächter) gegen diesen geschäftsordnungswidrigen Vorgang an, denn es heißt im §. 99 ausdrücklich: "Debatten über Proteste werden nicht zugelassen. "

Präs. Wollen also die Herren Abg Trojan, Schuselka, Jonak, Neuwall, Klaudi untereinander einen Redner wählen. (Die Wahl wird vorgenommen.) Haben die Herren sich auf einen Generalredner geeinigt?

Abg. Neuwall. Es ist der Abg. Schuselka.

Abg. Schuselka. Ich glaube, im Sinne der ganzen Versammlung zu sprechen, wenn ich sehr kurz spreche. Es ist meiner Ansicht nach vollkommen unzulässig, einen Protest gegen einen Ausdruck, der in einer Rede vorkömmt, einzubringen, und ich theile da ganz die Ansicht des Herrn Abg. Strobach, daß wir da in unendliche Proteste hineinkommen würden.

Die Worte des Herrn Abg. Rieger sind auch nicht ein Gegenstand des Protokolles folglich folgt schon daraus nach der Ansicht des Herrn Abg. Borrosch selbst, daß auch seine Entgegnung darauf nicht in das Protokoll kommen kann. Dagegen kommt Alles, was hier geschieht, die Zeichen des Beifalls, der Heiterkeit in die stenographischen Berichte. Wir alle wissen, daß wir für jedes Wort, was wir hier sprechen, durch die stenographischen Berichte verantwortlich sind, für alles, was hier vorgeht, und ich glaube, die hohe Versammlung wird nichts dagegen haben können, daß dieser Vorgang, weil er einmal schon vorgegangen ist, in die stenographischen Berichte aufgenommen wird, und damit könnte die Sache beendigt sein.

Präs. Diejenigen Herren, welche der Ansicht sind, daß der Protest nicht in das Protokoll aufgenommen werde, wollen aufstehen. (Majorität.) Der Protest wird also nicht in das Protokoll aufgenommen.  Als nächster Gegenstand der Tagesordnung erscheint die weitere Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte. Ich fordere den Herrn Berichterstatter auf, zum weiteren Verlesen derselben zu schreiten.  Früher wünschte ich jedoch noch nachstehenden Gegenstand zur Sprache zu bringen.

Der Herr Abg. Schuselka hat einen Antrag gestellt, den ich gestern verlesen habe. Es ist ein Antrag, welcher geschäftsordnungsmäßig vor dem eigentlichen Gegenstand der Tagesordnung angekündigt werden muß, und dem Herrn Antragsteller wird eine kurze Begründung gestattet. Der Antrag des Herrn Abg Schuselka lautet:

"Dringlicher Antrag des Abg. Schuselka.

In Erwägung, daß es dem humanen Zwecke des Reichstagsbeschlusses vom 29. Jänner entgegen wäre, wenn in der Zwischenzeit von nun bis zur Sanction der Grundrechte Todesurteile vollstreckt würden; in Erwägung ferner, daß dadurch bei politischen Verbrechen die volle segensreiche Wirkung einer gewiß nahe bevorstehenden Amnestie vereitelt würde, legt der Reichstag den Beschluß vom 29. Jänner sofort Sr. Majestät dem Kaiser zur Sanction vor, und fordert unter Einem das Ministerium auf, die Vollstreckung der Todesurteile sogleich zu sistiren. "

Wünscht der Herr Antragsteller den Antrag zu begründen?

Abg. Schuselka (von der Tribune). Der gestrige Reichstagsbeschluß wird ein ewig denkwürdiger in der Geschichte Österreichs sein, er hebt den ersten österreichischen Reichstag auf einen hohen, ehrenvollen Standpunkt unter allen Parlamenten Europas, er wird das Gedächtniß dieses Reichstages ehrenvoll auf die Nachwelt bringen, und die Nachwelt wird den Beschluß, den Sie gestern gefaßt haben, dankbar segnen. Mitten in einer Zeit, wo die Leidenschaften so aufgeregt sind, wo durch einen langen, andauernden, blutigen Kampf in sehr vielen Gemüthern jene Abstumpfung erzeugt worden ist, die es dahin bringt, daß man das Blut seines Nebenmenschen mit Gleichgültigkeit, ja oft sogar mit Wohlgefallen fließen steht; mitten in einer Zeit, wo eine verwerfliche Presse nicht nur jedem neuen Todesurteile Beifall zujauchzt, sondern mit einer wahrhaft verabscheuungswürdigen Blutgier immer fort nach neuen Opfern schreit, und wirklich mit Fingern auf diejenigen hinzeigt, die sie noch geschlachtet wissen will; in einer Zeit ferner, wo selbst viele von denen, die berufen sind, das Wort der Liebe und Versöhnung zu predigen, in Gotteshäusern von der Kanzel herab den Hass der Leidenschaften, den Hass der Parteien aufstacheln (Beifall); in einer Zeit, wo der constituirende Reichstag vorzüglich das Ziel maßloser Schmähungen, Verdächtigungen und wahrhaft hochverbätherischer Angriffe ist  in einer solchen Zeit haben Sie, unbeirrt vom Getöse der Leidenschaft und Aufreizung des Hasses, in Ruhe und stolzem Selbstbewußtsein Ihrer Würde und Pflicht einen Beschluß reiner Humanität gefaßt, und haben diesen Beschluß inmitten der streitenden Parteien hinausgestreut als einen Wegweiser zur Versöhnung, und haben dadurch, wenigstens so viel an Ihnen ist und in Ihren Kräften liegt, versucht, den streitenden Parteien den Weg abzuschneiden, die unter dem Scheine des Gesetzes und des Rechtes der Rache Raum geben, und die Zügel schießen lassen wollen. (Beifall.)

Sie haben diesen Beschluß mit einer großen Majorität gefaßt, und gewiß auch diejenigen, welche dagegen gestimmt haben, thaten es nicht deßhalb, weil sie mit der Hauptsache, mit dem Wesen des Antrages nicht einverstanden waren. Es haben viele von Ihnen es öffentlich ausgesprochen: sie haben dagegen gestimmt, weil sie vielleicht eine andere Fassung gewünscht, weil sie vielleicht einige Ausnahmen gewünscht haben, die nothwendig erscheinen in Kriegsfällen, in Fällen der Meuterei zur See u. dgl.  Allerdings würden diese Herren sich damit trösten können, daß sich diese Ausnahmen theils von selbst verstehen, theils dadurch vorbehalten sind, daß wir gleich anfangs bei der Berathung der Grundrechte über den Antrag des Herrn Abg. Zbyszewski den Grundsatz, das Princip anerkannt haben, daß namentlich für die militärischen Verhältnisse zum Schlusse der Grundrechte die unumgänglich notwendigen Ausnahmen werden festgesetzt werden müssen. Ist nun dieser Beschluß von einer so großen Majorität der verschiedenen Völker, die hier vertreten sind, gefaßt worden, und muß sich jeder Menschenfreund darüber im Herzen freuen, daß er gefaßt worden ist, so muß naturnotwendig unmittelbar, ich möchte sagen, der sehnlichste Wünsch aufkeimen, daß dieser Beschluß so bald als möglich, ja, daß er sogleich lebenskräftige Wirkung habe.

Es ist dieß allerdings bei allen unfern Beschlüssen der Fall, allein in Betreff der Grundrechte müssen wir wünschen, daß sie sobald als möglich ins Leben treten, und das Leben reinigen und neu gestalten. Freilich, bei allen andern Beschlüssen können wir uns über die Unmöglichkeit ihrer sofortigen Inselebentretung damit trösten, daß wir sagen: haben wir uns diese verworrenen und schlechten Zustände schon so lange und zu Zeiten gefallen lassen, als wir nicht die Hoffnung des Besserwerdens hegen konnten, so können wir sie jetzt mit der sichern Hoffnung des Besserwerdens wohl noch einige Monate ertragen. Allein, bei dem gestrigen Beschlusse handelt es sich um etwas ganz anderes, denn es handelt sich um das Leben von Mitmenschen, mögen sie noch so tief gefallen sein, es sind doch unsere Mitmenschen. Es muß hier jeder Menschenfreund wünschen, daß dieser Beschluß, so wie er gestern gefaßt wurde, lebendig werde. Er ist gefaßt worden mit den Worten: "Die Todesstrafe ist abgeschafft; " soll nun bloß der Form Geschäftsordnung wegen dieser Beschluß in Wirklichkeit die Deutung bekommen, daß die Todesstrafe erst nach vielen Monaten abgeschafft sein wird, so begreifen Sie gewiß alle, daß dadurch gerade mit Rücksicht auf unsere Zeit die nächst nothwendige und dringendste Wirksamkeit dieses Paragraphes, dieses Gesetzes aufgehoben ist, und ich erlaube mir zu behaupten, daß, wenn während der Zeit, als wir noch die zweite Lesung und die dritte Lesung der Grundrechte zubringen werden, daß, wenn während der Zeit, die verstießen wird, bis die ganze Constitution beschworen sein wird, auch nur ein einziger Mensch, dem die Wohltat dieses Gesetzes schon bestimmt ist, sein Leben verliert, daß wir das Leben dieses Menschen auf unserem Gewissen haben. 

In dieser Voraussetzung glaube ich nicht, daß irgend ein Mitglied mir den Einwurf machen wird, der aus der Geschäftsordnung herausgenommen werden kann: es ist noch nicht die dritte Lesung. Ich kann mir nicht denken, daß wir der Geschäftsordnung wegen ein Menschenleben, auch nur ein einziges aufs Spiel setzen wollen; wollen Sie die Geschäftsordnung aufrecht erhalten wissen, so liegt es ja in Ihrer Machtvollkommenheit, diese Frist zu verkürzen, und die dritte Lesung schon morgen eintreten zu lassen. Und wenn Sie diesen Paragraph nochmals lesen, und nochmals darüber abstimmen, so bin ich überzeugt, daß Sie nach jener Verständigung über die Militärausnahmen, die sich von selbst versteht, eine noch größere Majorität haben werden, als Sie gestern gehabt haben. Allein, einen andern Einwurf fürchte ich, wenn auch nicht in diesem Haufe, so vielleicht außerhalb demselben, und so schwer es mir auch ankommt, darauf einzugehen, so halte ich mich dennoch verpflichtet es zu thun, und ich glaube, Sie werden mich mit Nachsicht anhören, wenn ich es thun werde.

Es wird mir schwer, die Ruhe eines Grabes in dieser Beziehung nochmals zu stören, denn ich habe mit tiefen Herzleiden es hier wahrgenommen, wenn die Ruhe dieses Grabes von andern Seiten so oft gestört worden ist; allein ich muß darauf eingehen Man wird vielleicht sagen: es ist nicht möglich, die Todesstrafe schon jetzt als abgeschafft gelten zu lassen, denn es sind noch nicht die Mörder Labours bestraft. Ich bin nun weit entfernt, das Verbrechen, welches an dem Grafen Labour begangen wurde, vielleicht als ein politisches Verbrechen darstellen zu wollen, ich nenne es ein ganz gemeines Verbrechen, ein sehr beklagenswertes ein im höchsten Grade strafwürdiges Verbrechen, wenn ja ein Verbreiten dadurch im höheren Grade strafwürdig ist, weil es unselige Folgen nach sich gezogen hat, in Österreich hat noch niemals ein Verbrechen schrecklichere Folgen nach sich gezogen, ich fasse dieses Verbrechen in einem Worte zusammen: es ist dadurch das Bild, das steckenlose Bild der Österreichischen Freiheitsbewegung auf ewige Zeiten befleckt worden. (Beifall) Allein, meine Herren, wenn die Mordet Latour's Strafe verdienen  sie verdienen sie, sie sollen sie haben  so glaube ich doch nicht, daß wir nur deßhalb verpflichtet wären, und ich halte mich wenigstens für nicht verpflichtet, nur deßhalb, dieser Verbrecher wegen eine Ausnahme machen zu sollen von dem gestern gefaßten Beschlusse. Die Manen Labours, sie sind wahrlich in fürchterlicher Weise gesühnt worden, Strome von Blut sind geflossen, Haufen von Leichen sind aufgetürmt über seinem Grabe, und die herrliche Stadt Wien hat 3 Nächte hindurch als Leichenfeuer für ihn gebrannt. Ich glaube, wenn der edle Graf Latour seine Willensmeinung uns äußern, und wenn er denen sie äußern könnte, die seine Rächer sind, er würde ihnen zurufen: Lasset ab, es ist genug geschehen! (Bravo, Bravo!)

Ist nun dieses, was bisher ich zu sagen mir erlaubte, in Betreff der gemeinen Verbrechen schon anerkennungswürdig, so muß es um so mehr in Betreff der politischen Verbrechen sein. Mehrere vorzügliche Redner, vor allem der Herr Abg Machalski bat jenen Standpunkt dargestellt, von welchem aus man überhaupt und namentlich in Zeitpunkten, wie der unsere, politische Verbrechen beurtheilen müsse Ich bin überzeugt, es hätte der vielen Worte nicht bedurft, um sie über diesen Standpunkt in's Klare zu bringen Ich bin vollkommen überzeugt, daß die Abschaffung der Todesstrafe für politische Verbrechen in dieser ganzen Versammlung gewiß einhellig beschlossen worden ist Es ist Ihnen aber auch dargethan worden der grelle Unterschied, der herzzerreißende Contrast, der zwischen dem, was draußen geschieht, und dem, was Sie hier einhellig beschlossen haben, waltet, es ist Ihnen dargethan worden, wie schrecklich die Wirklichkeit mit dem gesetzlichen Worte, welches Sie hier ausgesprochen, im Widerspruch steht Ich will nicht sagen, daß dieser Widerspruch in der Art aufzufassen sei, wie er aufgefaßt worden ist, aber auf einen Umstand will ich Sie aufmerksam machen Der §. welcher ausspricht, daß für politische Verbrechen ganz besonders die Todesstrafe abgeschafft ist, wurde, wenn er erst in Wirksamkeit treten sollte, bis etwa die Constitutionsurkunde fertig und ins Leben getreten sein wird, vielleicht seine ganze, gewiß seine nachtsnotwendige Wirksamkeit verlieren, denn wir alle wünschen ja, daß wir durch Vollendung der Verfassung die Epoche des Friedens, das Glück der brüderlichen Einigung herbeiführen mögen, wir alle wünschen und sehnen uns darnach, daß darin durch brüderliche Eintracht alle Völker Österreichs vereint seien, daß dann keine politischen Verbrecher mehr in Österreich sein werden; jetzt, in einer Zeit des Zweifels, des Kampfes, Ringens und Wagens, jetzt haben wir politische Verbrecher, haben wir sie fast in allen Provinzen Heute hat sie die eine Partei, vielleicht hat sie morgen die andere Für diese Zeit ist die Wohltat des Gesetzes, welches Sie gestern beschlossen haben, zunächst bestimmt, für diese Zeit soll es zunächst wirksam sein Man wird mir einwenden, daß ich in dieser Beziehung nur für die Todesstrafe spreche, nur für die Todesstrafe den Beistand Ihres gestern gefaßten Beschlusses anrufe. Mein Herz blutet mir allerdings, wenn ich auch von den anderen Verurteilungen höre, wenn ich höre, daß die armen Wiener Studenten scharenweise unter kroatische Regimenter gesteckt werden, und ich würde ihnen mit meinem Herzblut helfen, wenn ich könnte, allein ich habe nichts für sie, als das Wort, welches ich hier ausspreche (Beifall) Es blutet mir mein Herz, wenn ich die Verurteilungen lese, welche wegen geringfügiger Verbrechen mit schwerem Kerker, mit schwerem Eisen verhangt werden, wenn ich höre, daß diese politischen Verbrecher ganz im Gegensatze zu dem Gebrauche aller Civile sirten Staaten, ja im Gegensatze zu der früher in vormärzsicher Zeit in einigen Stücken wenigstens bei uns in Österreich gerbten Schonung, ganz und gar wie gemeine Verbrecher behandelt werden, daß sie geschoren werden, daß sie mit schweren Ketten belastet, daß sie gänzlich in die Gesellschaft gemeiner Verbrecher hineingestoßen werden, allein, wie schrecklich dieses auch ist, so tröstet uns doch der Gedanke: es wird, es kann nicht lange dauern. Allein bei der Todesstrafe müssen wir uns aussprechen: es ist für immer und ewig aus Bei allen anderen Verurteilungen tröstet mich die sichere Hoffnung einer gewiß nahe bevorstehenden Amnestie (Beifall) Millionen der österreichischen Seelen denken diesen Gedanken der Amnestie; Millionen Herzen sehnen sich längst darnach Ich erlaube mir, in dieser gesetzgebenden Versammlung diesem Wunsche der Millionen den Ausdruck zu geben 

Ich gebe ihm diesen Ausdruck, ich spreche diesen Wunsch aus, nicht etwa lediglich im Interesse derjenigen, die unter diesem Schreckensgerichte zittern. denn über diese Schrecken, über diesen Jammer könnte ich mich leichter trösten, ich weiß nämlich, die Zeit, die Erinnerung lindert jeden Schmerz; allein auf der anderen Seite, auf der Seite der Regierung, auf der Seite des Thrones wirkt die Zeit nicht in dieser Art, die Erinnerung am Blutgerichte, die Erinnerung an Schreckensherrschaft, die Erinnerung an harte Benützung und Ausbeutung des Sieges wird durch die Zeit nicht verlöscht im Gedächtnisse der Volker (Bravo), die Erinnerung an das Blutgericht auf dem Altstädter Ringe in Prag ist noch nicht ausgelöscht; die Erinnerung an die Schlachtbank von Esperies in Ungarn ist noch nicht ausgelöscht im Gedächtnisse der Völker, und ich fürchte, die Erinnerung an unsere jetzige Zeit wird auch nicht ausgelöscht werden durch das Walten der Zeit, und daher spreche ich im Interesse des Thrones, und in aufrichtiger Ergebenheit für die Monarchie den Wunsch nach einer baldigen Amnestie aus.

Allein, ich habe Ihnen nicht den Antrag gestellt, daß Sie die Amnestie beschließen sollen. Die Amnestie ist ein herrliches Vorrecht des Thrones, und ich als aufrichtiger Anhänger des konstitutionellen Thrones wünsche, daß dieses herrliche Vorrecht aus freiem Entschlusse vom Throne ausgehen möge. Ich habe diesen Antrag auf Amnestie nicht in die Kammer gebracht, damit nicht außer der Kammer oder vielleicht in derselben Jemand mit dem Einwurfe auftrete, daß von der Seite, der ich angehöre, dieser Antrag zu ihrem eigenen Schutze gestellt werde. Wir wissen, welche Beschuldigungen gegen diese Seite ausgesprochen werden, ich für meinen Theil  und ich thue dieß im Namen des größten Theiles der so hart beschuldigten Partei  nehme keinen Anstand zu erklären, daß, wenn diese Amnestie im Allgemeinen ausgesprochen wird, ich mich freiwillig von derselben ausnehmen, und mich jeder Verantwortung gerne unterziehen werde. (Großer Beifall von der Linken.) Allein, den Wunsch habe ich ausgesprochen, und an Sie durch meinen Antrag die Bitte gestellt, diesen Wunsch an den Thron zu bringen in der Form, die Ihnen belieben wird. Nehmen Sie meinen Antrag vielleicht in der Art, wie ich ihn gestellt habe, nicht auf, ich werde mich bescheiden, verbessern Sie ihn nach Ihrer besseren Einsicht, nach Ihrem besseren, praktischen Dafürhalten, ich werde gerne dazu stimmen; unterstützen, bekräftigen Sie ihn dem Wesen nach, und ich bin vollkommen überzeugt, Sie werden dadurch einen Beschluß gefaßt haben, der Ihnen nicht nur den Segen der Völker, sondern auch, ich sage es mit Zuversicht, den Dank der Krone erwerben wird. (Tritt unter Beifall ab)

Präs. Der Antrag des Herrn Abg. Schuselka ist der hohen Kammer bekannt, ich werde vor Allem die Unterstützungsfrage bezüglich des Antrages selbst, dann die Frage wegen der beantragten Dringlichkeit stellen. Wird der Antrag des Abg. Schuselka unterstüßt? (Zahlreich unterstützt.) Der Abg. Schuselka hat den Antrag gestellt, damit derselbe als ein dringender betrachtet, und demnach vor anderen Anträgen und mit Anwendung der Bestimmungen der §§. 53 und 54 der Geschäftsordnung zur Berathung kommen möge. Diejenigen Herren, welche wünschen, daß dieser Antrag als dringlich erkannt werde, wollen aufstehen. (Majorität.)

Es handelt sich nun darum, wann dieser Antrag zur Verhandlung kommen könne; der Antragsteller hat dießfalls keinen besondern Antrag gestellt.

Abg. Schuselka. Ich unterwerfe mich ganz den Regeln der Geschäftsordnung in Betreff der Dringlichkeitsanträge.

P r ä s. Er könnte demnach Donnerstag zur Berathung kommen, als an einem Tage, wo andere Geschäfte verhandelt werden können. Ich werde denselben dem Drucke übergeben, und wenn er morgen allenfalls ausgetheilt werden wird, sodann die Frage stellen, wann er zur Verhandlung kommen solle.

Als nächster Gegenstand der Tagesordnung erscheint die zweite Lesung der Grundrechte. Der Herr Berichterstatter wird die Lesung vornehmen.

Abg. Hein (liest.) "§. 7. Das Hausrecht ist unverletzlich. Eine Durchsuchung der Wohnung und der Papiere, oder eine Beschlagnahme der letzteren ist nur über richterliche Verordnung in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen zulässig.

Die Unverletzlichkeit des Hausrechtes ist kein Hinderniß der Verhaftung eines auf frischer That Betretenen oder gerichtlich Verfolgten. "

Präs. Es sind als Redner eingeschrieben: für den Paragraph die Herren Abgeordneten Stamm, Brestel, Schuselka, Goldmark, Dylewski, Mayer, Borrosch 

Abg. Borrosch. Ich habe mich für diesen Paragraph ganz löschen lassen, indem ich mein Wort an den Herrn Abg. Stamm unbedingt abtrat.

Präs. (fährt fort) Löhner, Kromer. Als Redner dagegen sind eingeschrieben die Herren Abg. Brauner, Strasser, Schmitt, Rulitz.  Es sind bereits einige Verbesserungsanträge vorgelegt worden, ich werde sie der hohen Kammer vorlesen. Der Herr Abg. Schmitt hat nachstehenden Verbesserung und Zusatzantrag vorgelegt, er lautet: "Das Familien und Hausrecht ist unverletzlich. Das Familienrecht wird durch das bürgerliche Gesetzbuch bestimmt und gewahrt, eine Durchsuchung der Wohnung und der Papiere"  sodann folgt die Textirung des Paragraphes selbst. Der Herr Abg. Kromer bat ebenfalls einen Verbesserungsantrag vorgelegt, jedoch diesen zusammengezogen mit den Bestimmungen der §§. 8 und 9. Ich werde ihn demnach vorlesen. §. 7 soll heißen: "Die Wohnung ist unverletzlich. Das Eindringen in dieselbe und Haussuchungen sind nur zulässig kraft eines richterlichen, begründeten, dem Betheiligten binnen 24 Stunden zuzustellenden Befehles; ausgenommen bei Verfolgung auf frischer That und der Verhaftung eines gerichtlich Verfolgten, oder in jenen Fällen, welche das Gesetz voraus bezeichnet, und in jener Form, welche es vorschreibt. " Als § 8: "Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf außer einer Haussuchung oder Verhaftung nur über richterlichen und mit Gründen versehenen Befehl vorgenommen werden, welcher dem Oetheiligten sogleich oder spätestens in 24 Stünden zuzustellen ist. " Sodann §. 9: "Das Briefgeheimnis ist unverletzlich. " Als


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