Pátek 9. února 1849

Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Sechsundachtzigste (XXXIV.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremsier am 9. Februar. 1849.

Tagesordnung.

I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 7. Februar 1849.

II. Berichte über Wahlacte und beanstandete Wahlen.

III. Berathung über den Antrag des Abg. Kapusczak, betreffend die Wahl eines Ruthen in

den Ausschuß zur Verfassung eines Entwurfes über das Gemeindegesetz.

IV. Bericht des Finanzausschusses über die Depositen, und

V. Bericht des Ausschusses in der Angelegenheit des Abg. Kaim.

Vorsitzender: Präsident Smolka

Minister: Thinnfeld.

Anfang der Sitzung 10  1/2 Uhr.

Präs. Die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl Abgeordneter ist anwesend; ich erkläre die Sitzung für eröffnet. Der Herr Schriftf. Streit wird das Protokoll der letzten Sitzung verlesen. (Schriftf. Streit verliest das Protokoll.) Ist rücksichtlich der Fassung des Protokolls etwas zu erinnern? (Es meldet sich Niemand.) Da gegen die Fassung des Protokolle Nichts eingewendet wird, so erkläre ich dasselbe als richtig aufgenommen. Es haben sich als unpässlich melden lassen die Herren Abg. Königshofes, Anton Beck, Jachimovicz und Kaim. Dem Herrn Abg Pienczikowski habe ich einen 8tägigen Urlaub ertheilt. Es wurden mehrere Wählen in verschiedenen Ausschüssen vorgenommen, an die Stelle mehrerer angetretenen Mitglieder, und zwar: an die Stelle des Herrn Abg. Spangher würde in den Finanzausschuß der Herr Abg. Cerne Joseph gewählt, in den Entschädigung Ausschuß der Herr Abg. Pitteri; an die Stelle des ausgetretenen Herrn Abg. Gobbi wurde in den Constitutionsausschuß der Herr Abg. Vlach gewählt; der Finanzausschuß hat zu seinem Vorstande den Herrn Abg. Schmitt und zum Vorstandstellvertreter den Herr Abg. Szábel gewählt. Die 9. Abtheilung wählte zur Redaction der stenographischen Berichte den Herrn Abg. Wildner. Es sind einige Interpellationen angemeldet, und zwar: eine Interpellation der Herrn Abg. Anton Kutschers und Franz Skoda an das Ministerium des Innern und der Landeskultur.

Abg. Kutschers (liest) 

Interpellation an die Herren Minister des Innern und der Landeskultur.

Unter die notwendigsten Lebensbedürfnisse gehört nebst dem täglichen Brote auch das Holz.

Bei der von Jahr zu Jahr steifenden Bevölkerung, bei der Vermehrung der Industrialwerke, insbesondere der Eisenbahnen hat sich seit zwei Dezennien der Holzverbrauch so gesteigert, daß der Preis des Brenn und Nutzholzes eine ungewöhnliche, für viele Staatsbürger schon jetzt eine unerschwingliche Höhe erreicht hat.

In Folge dieser hohen Holzpreise und da der größere Theil der Landbewohner nicht gewohnt oder nicht in der Lage ist, sich seinen Holzbedarf gegen Entgeld zu verschaffen, sind schon seit längerer Zeit Holzdiebstähle und Waldfrevel aller Art an der Tagesordnung, welche auf eine nationeller und gedeihliche Forst und Waldkultur um so nachtheiliger einwirken, als die Waldeigentümer nicht in der Lage sind, ihre Waldungen gegen solche widerrechtliche, dazu noch meist zur Nachtzeit verübte Waldfrevel wirksam zu schützen.

Diese widerrechtlichen Angriffe des Waldeigentums, wodurch die Forste sehr devastirt werden, haben sich in der jüngsten Zeit auf eine so betrübende Art vermehrt, daß in vielen Provinzen diesen an Communismus grunzenden Eigentumseingriffen nur mit Anwendung der Militärmacht Einhalt gethan werden kann.

Es ist höchste Zeit, diesem Übel mit der größten Energie entgegenzutreten und das Waldeigentum, diesen so wichtigen Zweig der Nationalwirtschaft, gegen derlei widerrechtliche Eigenthumseingrisse durch zeitgemäße Forstgesetze wirksam zu schützen, wenn nicht der Rechtsschutz, auf den doch jeder Staatsbürger gleichen Anspruch hat, zur Illusion werden soll.

Ein ähnliches Bewandtniß hat es mit der Ausübung des Jagdrechtes. Durch das Patent vom 7. September würde der Unterethansverband und die auf den untertänigen Gründen haftenden obrigkeitlichen Lasten aufgehoben.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß durch Entlastung der Unterethansgründe auch das Jagdrecht der ehemaligen Obrigkeiten, welches sie auf den Unteräthansgründen ausübten, aufgehört hat, keineswegs lag es aber im Sinne dieses Patentes, die Ausübung der Jagdbarkeit ganz freizugeben.

Leider aber geben die ehemaligen Unterthanen diesem Patente eine solche Deutung, indem sie meinen, daß durch dieses Gesetz die allgemeine Jagdfreiheit eingeführt ist; daher sie von diesem Zeitpunkte an das Jagdrecht nicht nur auf ihren eigenen, sondern auch auf fremden Gründen, letzteres aber offenbar unberechtigt ausüben, und die dagegen von den Grundeigentümern erhobenen Einsprüche meist mit Gewalt zurückweisen

Welche bedauerlichen Jagdexzesse in der jüngsten Zeit vorgefallen sind, und wie durch solche in vielen Fällen die Sicherheit, ja selbst das Leben vieler Staatsbürger gefährdet wurde, ist nur zu sehr bekannt, und bedarf erst keines Nachweis. s. 

Schon in dieser Beziehung erscheinen zum Schutze des Eigenthums und der Sicherheit der Person gesetzliche Maßregeln dringend nothwendig. Aber selbst in nationalökonomischer Beziehung verdient die Jagd als eine nicht unbedeutende Quelle des Nationaleinkommens einige Beachtung 

Nach der landwirtschaftlichen Statistik beträgt allein der Werth des im Königreiche Böhmen erlegten Wildes jährlich die Summe von beinahe 400. 000 fl. C M Dieses Einkommen würde aber für die Folge ganz verloren gehen, wenn die Jagd gänzlich freigegeben werden sollte, weil sodann in kurzer Zeit die gänzliche Ausrottung des Wildes, welches doch eine bedeutende Menge Nahrungsmittel für das Publikum liefert, zu besorgen steht.

Diesen Jagdanfügen, wodurch die Landbewohner nur demoralisiert, Grund und Boden, besonders aber die Feldfrüchte häufigen Beschädigungen ausgesetzt wären, kann ebenfalls nur durch eine Jagdordnung vorgebeugt werden; wir stellen daher an die Herren Minister folgende Fragen:

1. Welche Verfügungen gedenkt das Ministerium zur Beseitigung dieser Übelstände zu treffen? und

2. Steht das baldige Erscheinen eines zeitgemäßen Forst Polizeigesetzes, insbesondere einer Jagdordnung in Aussicht? 

Mit mir hat diese Interpellation eingebracht der Herr Abg. Skoda.

Präs. Diese Interpellation wird dem betreffenden Ministerium zugemittelt werden.

Abg. Kutschera. Mit dieser Interpellation erlaube ich mir zugleich eine weitere Interpellation an den Herrn Vorstand des Petitionsausschusses wegen Erledigung der Petition des böhmischen Forstvereines, welche in einem gleichen Sinne eingebracht wurde und zwar unterm 14. September 1848 Reichstagszahl 1547 zu stellen; ich bin dazu notgedrungen, weil ich schon längere Zeit nachforsche, welche Erledigung diese Petition erlangt habe, aber bisher nichts erfahren konnte. Ich stelle daher die Frage, ob diese Petition schon erledigt ist, und welche Erledigung sie erhalten hat.

Abg. Kreil. Der Vorstand des Petitionsausschusses ist auf Urlaub, als Stellvertreter desselben habe ich die Ehre anzuzeigen, daß ich jetzt auf die gestellte Interpellation nicht antworten kann, weil ich erst seit dem 13. Janner in den Petitionsausschuss eingetreten bin, und zum Vorstandstellvertreter gewählt wurde. Ich werde es mir angelegen sein lassen, sogleich nachzuforschen, und werde das Resultat der Nachforschung dem Herren Abgeordneten mittheilen.

Präs. Eine weitere Interpellation bat der Abg. Schuselka an das Gesamtministerium angemeldet Abg. Schuselka (liest)

Interpellation an das hohe Ministerium, betreffend die zeitweilige Befreiung der Studenten vom Militärdienst und die gewalttätige Assentirung einiger Schriftsteller in Galizien.

Die allgemeine Wehrpflicht ist für freie Staatsbürger zugleich ein teures Recht, und indem die österreichischen Völker das Waffenrecht verlangten, haben sie dadurch auch die Pflicht eines jeden Bürgers anerkannt, zum Heile des Vaterlandes den Waffendienst zu leisten. Allein bevor wir aus den verworrenen Übergangszuständen zur festen Begründung der neuen Ordnung gelangt sind, bevor namentlich das Heerwesen zeitgemäß reformiert ist, wird es zeitweilige Ausnahmen von der allgemeinen Militärpflicht geben müssen, und das provisorische Recrutirungsgesetz anerkennt auch wirklich solche Ausnahmen. Wenn aber irgend eine zeitweilige Ausnahme sowohl gerecht als staatsklug ist, so ist es die der Studenten des Jahres 1848. Ich will zur Begründung dessen nicht das unsterbliche Verdienst geltend machen, welches sich die Studenten um die Befreiung und Verjüngung Österreichs erworben haben, obwohl die Völker wie der Thron dieses Verdienst anerkennen müssen, wenn sie nicht undankbar sein wollen. Aber ich weise zur Rechtfertigung der zeitweiten Ausnahme der Studenten nur auf das Staatsinteresse selber hin.

Jeder denkende Patriot muß es tief bedauern, daß man nach der ruhmvollen Erhebung der Studenten nicht sogleich wieder die Studien eröffnet, und ihnen durch Herbeirufung ausgezeichneter Lehrer einen Reiz verliehen hat, der dem Reize der politischen Agitation ein Gegengewicht gehalten hätte. Es ist dieß nicht geschehen, und die Nachtheile, die daraus entstanden sind, haben daher weit weniger die Studenten zu verantworten, als vielmehr diejenigen, welche die brausende Jugend soweit kommen liefen. Diese Nächteheile aber würden fortdauern und sich steigern, wenn der Wünsch dieser meiner Interpellation unerfüllt bliebe. Denn wenn ich zugebe, daß Österreich jetzt wirklich eine so große Heeresmacht brauche, so wird man mir von anderer Seite auch zugeben müssen, daß unser in allen Zweigen neu zu gestaltendes Staatsleben auch eine große Menge jugendlicher, aus der neuen Zeit selbst hervorgegangener Geisteskräfte brauchen wird Dadurch nun, daß die Studien schon so lange unterbrochen sind und namentlich in Wien noch länger unterbrochen bleiben sollen, wird sich in den nächsten Jahren ohnehin schon ein empfindlicher Mangel an solchen Kräften herausstellen. Viele der herrlichsten Jünglinge sind gefallen, viele geflüchtet, viele sind schon, gezwungen oder auch freiwillig, in die Reihen unserer Krieger eingetreten. Sollten nun bei der jetzigen großen Truppenaushebung noch viele Studenten auf mehrere Jahre ihrem geistigen Berufe entzogen werden (und viele Amtleute scheinen dieß wirklich zu beabsichtigen), so müßte es zum größten Nachtheil für den künftigen Staatsdienst ausfallen. Dieser reine Verstandesgrund für die zeitweilige Ausnahme der Studenten muß jedem politischen Verstande einleuchten, und ich unterlasse es daher, auch noch das namenlose Unglück anzuführen, welches ohnehin schon so viele Familien in tiefste Trauer versetzt hat; ich unterlasse dieß, weil ich erst neulich erfahren habe, daß Interpellationen an das Herz in dem sonst so gemütsreichen Österreich in der jetzigen grausamen Zeit keinen Anklang finden.

Ich stelle daher folgende Fragen: 1. Ob das Ministerium gesonnen ist, den Ministerialerlaß vom Mai vorigen Jahres, demzufolge behufs der zeitweiligen Ausnahme der Studenten vom Militärdienst die Frauenstationszeugnisse wie Vorzugsclassen gelten sollen, in Kraft zuhalten; und im hoffentlichen Bejahungsmalle, ob 2. das Ministerium jene humane und staatkluge Verfügung neuerdings allgemein kund machen und einschärfen und dort befreiend geltend machen wolle, wo sie etwa schon verletzt worden.

Im Zusammenhange mit dieser bringe ich eine andere Angelegenheit zur Sprache. Es sind in Galizien mehrere Männer der Wissenschaft, darunter die Journalisten Dobrzanski und Kaminski als gemeine Soldaten assentirt worden Man hat i weder das alte noch das neue Recrutirungsgesetz, man hat überhaupt gär kein Gesetz beobachtet, sondern ist lediglich gewalttätig verfahren.

Es stellt sich heraus, daß jene Assentirung als Strafe verhängt wurde, weil die genannten Schriftsteller freisinnig geschrieben, namentlich weil sie zu Gunsten des Reichstages geschrieben haben. Ein solches Gewaltverfahren ist in zivilisierten Staaten ohne Beispiel, und man scheint sich dabei lediglich den russischen Despotismus zum Muster genommen zu haben. Es ist dieses Verfahren eine offenbare Verhöhnung und Mistsüßentretung der von zwei. Kaisern anerkannten Pressfreiheit und eine völlige Vernichtung des Passgesetzes. Es stellt sich ferner dieses Verfahren auch noch in einer andern Beziehung als völlig verwerflich dar. Denn angenommen auch, jene Schriftsteller wären wirklich eines Pressvergehens schuldig, und ganz abgesehen von der Barbarei, ohne Untersuchung und Urtheil eine Strafe zu verhängen; wo ist, frage ich, in unfern Gesetzen eine Verfügung, daß für Pressvergehen der Soldatenrock die Strafe sein soll? Und heißt es nicht die Armee beleidigen und erniedrigen, wenn man sie auch im constitutionellen Österreich noch immer als Strafanstalt missbrauchen will, da doch unbefleckte Ehre aller ihrer Mitglieder ihr belebendes Princip sein soll!

Da ich nun als gewiß voraussetze, daß die Räthe der constitutionellen Krone im Einklange mit den Grundsätzen ihres Programms, im Einklange mit der feierlichen Versicherung, die sie dem Reichstage bei der Kreditbewilligung gegeben, und in pflichtschuldiger Achtung vor dem Gehetze jenes Gewaltverfahren nicht billigen können, so frage ich bloß: Ob das Ministerium in dieser die Ehre Österreichs besteckenden Angelegenheit eine strenge Untersuchung verfügen und dem Gesetze dadurch Achtung verschaffen will, daß den in ihrem constitutionellen Rechte so schwer Verletzten entweder sofort die volle Freiheit wieder gegeben, oder, falls sie wirklich vor dem Gesetze schuldig befunden werden, ihnen keine andere als die gesetzmäßige Strafe auferlegt werde?

Ich ersuche das hohe Ministerium um eine der Dringlichkeit des Gegenstandes entsprechende schleunige Antwort, und zwar um eine so ernsthaft gründliche, wie sie sowohl im Interesse des Ministeriums selber liegt, als auch der Würde des Reichstages entspricht, mit welchem Se. Majestät der Kaiser nach eigener Erklärung die Souveränität theilt, und welchem das Ministerium für alle seine Handlungen verantwortlich ist.

(Verlässt unter anhaltendem Beifall des Hauses die Tribüne.)

Präs. Es wird diese Interpellation dem Gesamtministerium übermittelt werden.

Es ist ein neugewählter Abgeordneter eingetroffen, und zwar der für den Wahlbezirk Humpoletz in Böhmen statt des ausgetretenen Carl Hawliczek gewählte Abg. Komers. Er hat sich mit seiner Legitimationsurkunde ausgewiesen. Er wurde der sechsten Abtheilung zugelost, und falls er anwesend ist, kann er an der heutigen Berathung Theil nehmen. Ich ersuche den Herrn Schriftführer der siebenten Abtheilung, diesen Wahlact zu übernehmen, indem er im Vorstandsbureau bereits vorliegt.

Es hat der Herr Abg. Sidon dem Vorstandsbureaus einen Antrag vorgelegt, welchen ich hiermit verkündige. Er lautet: "Der hohe Reichstag beschließt: einen eigenen Ausschuß für religiöse und kirchliche Angelegene ten zu creiren, in welchen aus jeder Abtheilung und aus jedem Gouvernement ein Mitglied gewählt werden soll. " Will der Herr Antragsteller von seinem Rechte, diesen Antrag zu begründen, Gebrauch machen?

Abg. Sidon. Zur Begründung dieses Antrages erlaube ich mir, in Kürze Folgendes anzuführen: Die hohe Wichtigkeit, welche die kirchliche Frage in der hohen Kammer vorgestern gefunden hat, gibt mich der angenehmen Hoffnung hin, daß die hohe Kammer die Wichtigkeit dieses Ausschusses nicht verkennen wird, und dieses um so weniger, als wir Ausschüsse und viele Ausschüsse haben, die wohl das Wohl des österreichischen Staatsbürgers in zeitlicher Beziehung berücksichtigen. Wir haben vor Kurzem auch einen Ausschuß für Schul und Unterrichtswesen creirt, aber wir haben noch keinen Ausschuß in kirchlichen Angelegenheiten, wo es sich doch um's Höchste des Menschen handelt. Die Petitionen von Seite der Episkopat  Geistlichkeit der katholischen Kirche und der anders Gläubigen bieten einerseits Material genug zur Berathung, andererseits gibt es Kräfte genüg in dieser hohen Kammer, welche bis heutigen Tages feiern, und welche doch in dieser Beziehung Treffliches leisten könnten und auch leisten werden. Ich empfehle Ihnen, meine Herren, diesen Antrag zur würdigen Berücksichtigung.

Präs. Wird dieser Antrag des Abg. Sidon unterstützt? (Geschieht.) Der Antrag ist unterstützt, wird dem Drucke übergeben, und sodann geschäftsordnungsmäßig behandelt werden. Den nächsten Gegenstand der Tagesordnung bilden die Berichte über Wahlacte. Ich ersuche den Herrn Referenten der ersten Abtheilung, zum Vortrage zu schreiten.

Abg. Rulitz. Das Ministerium des Innern übermittelte den Wahlact des Johann Schütz als Abgeordneten des Wahlbezirkes Neuhaus in Böhmen. Zu gleicher Zeit ist ein Protest, von 17 Wahlmännern gefertigt, eingelangt. Am 8. Jänner 1849 wurde die Wahl für die durch den Austritt des Abg. Hamernik erledigt gewordene Stelle eines Reichstagsabgeordneten für den Wahlbezirk Neuhaus in Böhmen vorgenommen. Zu dieser Wahl waren 130 Wahlmänner bestimmt, von welchen jedoch nur 125 erschienen sind, und sich als solche legitimiert haben. Es fanden zwei Scrutinien Statt, im ersten erhielt Johann Schütz 56, Pillersdorff 47 Stimmen, die übrigen waren unter zwei andere Candydaten vertheilt.

Im zweiten Scrutinium betheiligten sich bei der Wahl 122 Wahlmänner. Johann Schütz erhielt 70 Stimmen, somit die absolute Majorität, da diese die Ziffer 62 bildet.

Die Wahlprotokolle, die Gegenlisten und Stimmzettel liegen dem Wahlacte bei, und sind mit allen vorgeschriebenen Formalitäten versehen, nur bei drei Wahlzetteln ist statt Schütz einmal Schürsitz und zweimal Suchz geschrieben, beim ersten auch der Charakter statt Justiziar mit Jutzer bezeichnet. Wenn auch diese drei Wählzettel als den Schütz nicht bedeutend angesehen würden, so bleiben von den 70 auf ihn gefallenen Stimmen noch immer 67, somit noch immer die absolute Majorität; es läßt sich also gegen diese Wahl mit Grund nichts einwenden. Was den Protest anbelangt, frage ich die hohe Versammlung, ob ich denselben verlesen, oder ob Hochderselben der von mir gemachte Auszug genügen dürfte? (Ruf: der Auszug.)

1. Sei der Gewählte Justiziar mehrerer Herrschaften, die nicht viel weniger als die Hälfte des Neuhäuser Wahlbezirkes bilden, die Wähler, deren Richter der Abgeordnete als Justiziar sei, waren daher moralisch genöthigt, ihm ihre Stimmen zu geben, um nicht seinem Zorne anheim zu fallen.

2. Habe sich Schütz bei den Wählern im Geheimen um ihre Stimmen beworben, was einige der Protestierenden selbst gesehen haben wollen.

3. Habe Schütz als Führer der Gegenliste beim ersten Scrutinium des I. f. Commissärs Platz genommen, und somit bei diesem Scrutinium die Freiheit der Wähler beschränkt, sich jedoch, als dagegen von einigen Wahlmännern einige Einwendungen erhoben werden wollten, sogleich vom Platze entfernt und die Gegenliste einem der Protestierenden überlassen.

4. Seien zwei Kommissionsbeisitzer Gerichtsuntergebene des Candydaten Schütz gewesen, daher von diesen die Wahlmänner in ihrer freien Wahl wegen Möglichkeit des Verrathes in der Freiheit der Wahl beschränkt waren. 

5. Sei auf einigen Wahlzetteln der Name Pillersdorff durchstrichen und jener des Schütz beigesetzt worden, auch habe man mehrere unleserliche Namen zu Gunsten des Schütz gerechnet.

6. Habe ein Med. Doktor den bäuerlichen Wählern einen Artikel aus einem Zeitungsblatte vorgelesen, worin Pillersdorff geschmäht wurde, auch habe eben dieser Doktor einen der Protestieren ersucht, dem Schütz seine Stimme zu geben, was er auch, um einem Versrufe auszuweichen, gethan haben will. Endlich

7. Haben die Wahlzetteln von den Wahlmännern unterschrieben werden müssen.

Alle diese Gründe erscheinen jedoch unerheblich.

Ad. 1. Liegt der moralische Zwang, der in der Stellung des Gewählten seinen Grund haben soll, nicht erwiesen vor, und es ist nicht anzunehmen, daß heut zu Tage ein Justiziar an seinen Gerichtsuntergebenen Rache üben könne.

Ad. 2. Sich um Stimmen öffentlich und im Geheimen bei den Wählern zu bewerben, ist nicht verboten und geschieht bei den meisten Wahlen.

Ad. 3. und 4. Daß Schütz die Gegenliste beim ersten Scrutinium aufzunehmen begann, konnte die Freiheit der Wahl unmöglich beschränken, zumal Schütz, wie im Proteste selbst erklärt wird, sich vor dein ersten Scrutinium von der Gegenliste entfernte und dieselbe dem auf dem Proteste erst gefertigten Wahlmann übergab;  beim zweiten Scrutinium, das hier maßgebend erscheint, entfällt selbst diese Einwendung.

Eben so unerheblich ist der Umstand, daß Gerichtsuntergebene des Schütz Kommissionsbeisitzer waren.

Ad. 5. Der Name Pillersdorfs erscheint nur auf einem Wahlzettel und zwar des ersten Scrutiniums durchstrichen, und jener des Schütz beigesetzt; im zweiten hier allein maßgebenden Scrutinium wurde ein derlei Umstand nicht wahrgenommen, und wenn es auch wäre, so würde er unerheblich sein.

Was die vorgegebene Unleserlichkeit mehrerer Stimmzettel anbelangt, so wurde bereits im Eingange erwähnt, daß dieses und eigentlich die verschiedene Schreibart des Namens nur bei drei Stimmzetteln der Fall war, und daß selbst nach Abschlag derselben die absolute Majorität der Stimmen für Schütz vorhanden ist; übrigens sind Schreibfehler im Namen bei der Sprach und Bildungsverschiedenheit der Wähler unvermeidlich.

Ad 6. Der Umstand, daß der M. d. Doktor den Rivalen des Schütz bei den Wählern geschmäht, und selbst einen der Protestierenden um seine Stimme für Schütz ersucht haben soll, ist eines Theils nicht belegt, und andern Theils von keinem Belange, da es nicht verboten ist, für sich und einen Dritten Stimmen zu werben.

Ad. 7. Daß die Wahlzettel von den Wählern unterschrieben werden mußten, erscheint nicht erwiesen, im Protokolle kommt davon kein Wort vor, wohl aber wird daselbst gesagt, daß die Wahlmänner den vorzuschlagenden Abgeordneten mit Anführung seines Namens und Wohnortes am Wahlzettel zu bezeichnen, und letzteren der Commission zu übergeben haben.

Antrag.

Nachdem bei der vorstehenden Wahl alle Formlichkeiten beobachtet erscheinen, der Protest nicht belegt und mit unerheblichen Gründen versehen ist, die alle widerlegt und behoben find, so trägt die erste Abtheilung auf Grund ihres mit Stimmenmehrheit gefaxten Beschlusses an: Der hohe Reichstag beschließe: 1. Die Wahl des Johann Schütz als Reichstagsabgeordneten für Neuhaus in Böhmen als gültig anzuerkennen, und den Protest Exh. Nr. 4121 als unstatthaft ad acta zu legen. Dann 2. An das Ministerium des Innern das Ersuchen zu stellen, die l. f. Wahlcommissärs anzuweisen, in jedem Wahlaktprotokolle zu bemerken, daß die Wahlmänner vor der Wahl ausdrücklich belehrt wurden: die Unterschrift der Wahlmänner auf den Wahlzetteln sei, um dem Zwecke der geheimen Abstimmung zu entsprechen, nicht notwendig.

Präs. Wünscht. Jemand über den vorgetragenen Gegenstand das Wort zu ergreifen?

Abg. Selinger. Ich trage darauf an, den Antrag der Commission in zwei Theile zu trennen.

Präs. Wünscht noch Jemand über diesen Gegenstand zu sprechen?

Abg. Cavalcabó. Ich würde bloß den zweiten Antrag der Commission weglassen, weil meiner Erfahrung nach es bei Wahlacten bis jetzt sehr selten vorgekommen ist, daß die Stimmzettel von den Wahlmännern unterfertigt waren. Dieser einzelne Fall, der hier beim Wahlbezirke Neuhaus vorgekommen ist, ist zu wenig belegend, um daraus eine allgemeine Folgerung für alle Kreisämter ziehen zu können, um so mehr, als das Wahlgesetz ausdrücklich eine geheime Abstimmung verlangt, wo es sich von selbst versteht, daß die Wahlzettel von den Wahlmännern nicht mitgefertigt sind. Wenn derlei Fälle häufiger vorgekommen wären, könnte man wohl glauben, daß der landesfürstliche Commissär, der die Wähl leitet, Schuld daran ist; nachdem aber nur der vereinzelte Fall vorliegt, glaube ich nicht, daß es notwendig ist, eine solche Belehrung zu erlassen, nachdem es sich nach dem allgemeinen Wahlgesetze von selbst versteht. Ich würde daher beantragen, daß nur der erste Absatz des Antrages der Section angenommen werde, nämlich die Anerkennung der Wahl, der zweite Theil aber als überflüssig wegfallen solle.

Präs. Wünscht noch Jemand das Wort zu ergreifen?

Abg. Neumann Leo p. Ich unterstütze den Antrag des Herrn Abg. für Gratz ans dem Gründe, weil mir ein Fall vorgekommen ist, wo die Wahlmänner auf das ihnen zustehende Recht der geheimen Abstimmung freiwillig Verzicht geleistet haben, indem diese geheime Abstimmung keine obligatorische ist; wenn aus den vorliegenden Acten nicht hervorgeht, daß sie vielleicht durch unerlaubte Mittel zur Unterschrift ihres Namens genöthigt oder bewogen worden seien, so ist keine Veranlassung zu einer solchen Deduktion vorhanden.

Abg. Langie. Ich glaube im Gegentheile, daß der Antrag der Commission vollkommen gegründet ist. Es ist sehr ersprießlich, die Wahlmänner zu belehren, daß ihre Unterschriften auf den Wahlzetteln nicht nöthig sind; dadurch wird ihrem freien Willen, auf die geheime Abstimmung zu verzichten, durchaus nicht vorgegriffen, aber es wird der offenen oder geheimen Intrige vorgebeugt, daß man sie auf irgend eine Weise dazu, wenn auch nur moralisch nötige, und aus diese Art in sehr vielen Fällen, wo namentlich persönliche Verhältnisse der Wahlmänner und Candydaten gegen einander collidirt,  den freien Entschluß derselben beirre. Daß solche Fälle vorkommen können, ist eben dieser Fall ein Beweis, weil im Proteste namentlich angeführt ist, daß die Wahlmänner zur Fertigung der Wahlzettel genöthigt worden wären. In diesem Falle leuchtet aus den Acten wohl nicht die Nötigung, der Zwang als abgedrungen hervor, aber ich glaube, es ist hinlänglich Anlaß, um ähnlichen Fällen für die Zukunft in voraus vorzubeugen. Ich gestehe, daß die Ansicht des Abgeordneten für Gratz mich befremdet, wenn er meint, daß die beantragte Belehrung der l. f Commissäre deßhalb nicht nothwendig sei, weil erst Ein Fall der Art vorgekommen, und wir erst dazu genöthigt wären, wenn viele solche Fälle vorgekommen sein werden. Ich glaube, es ist doch immerhin die Aufgabe des Gesetzgebers, in vorhinein, wenn irgend ein Anlaß ist oder sich auch nur voraussehen läßt, Missverständnissen vorzubeugen, Umgehungen der Gesetze zu verhütten, und Ungebührlichkeiten jeder Art entgegen zu treten, nicht aber erst zu warten, bis Missdeutungen des Gesetzes vorgefallen sind, und sie erst hinterdrein reparieren zu wollen. Der Antrag der ersten Abtheilung, der daselbst über meine Anregung beschlossen wurde, ist in der That von großer Wichtigkeit, denn es können sich Fälle ereignen, wo die Wahlmänner durch Unkenntnis dessen, daß sie nicht verpflichtet sind, die Wahlzettel mit ihrem Namen zu unterfertigen, durch mannigfache Ränke beirrt werden könnten, und ein moralischer Zwang auf die Freiheit ihrer Entschließung bei der Wahl eines, ihrer Gewissensüberzeugung nicht genehmen Candydaten sehr häufig einwirken dürfte.

Abg. P i n k a s. Ich trage auf den Schluß der Debatte an.

P r ä s. Wird der Antrag auf den Schluß der Debatte unterstützt? (Unterstützt.) Diejenigen Herren, welche für den Schluß der Debatte sind, wollen aufstehen. (Geschieht.) Die Debatte ist geschlossen. Wollen der Herr Berichterstatter erwidern?

Abg. Rulitz. Auf die Bemerkung des Herrn Abgeordneten für Gratz muß ich bloß erwidern, daß der heute vorgekommene Fall doch nicht der einzige ist; ich habe im Augenblicke den Wahlact des Herrn Hamernik, früheren Abgeordneten für Neuhaus, vom Herrn Präsidenten versiegelt übergeben erhalten, und bei dessen Entsieglung gefunden. daß auch damals alle Stimmzettel, wie sie hier vorliegen, von den Wahlmännern unterschrieben worden sind. Ich muß daher glauben, daß wenigstens in diesem Theile des Landes der Wahn obwaltet, daß die Unterschrift der Wahlzettel nöthig sei. Ob indessen noch mehrere solche Fälle vorgekommen sind, darüber bin ich leider nicht im Stande mich auszusprechen, weil ich erst seit kurzer Zeit dieser hohen Versammlung anzugehören die Ehre habe. Allein dieser Fall bestätigt dasjenige, was eben heute auch vorgekommen ist, und somit ist es ein Grund mehr, daß die Commission anzutragen sich veranlaßt fand. diese Belehrung durch das Ministerium ergehen zu lassen.

Präs. Ich werde den Antrag der Abtheilung getheilt zur Abstimmung bringen. Der erste Theil geht dahin: Die Wahl des Abg. Schütz für unbeanständet zu erklären, und den Protest ad acta zu legen. Diejenigen Herren, welche sich für diesen Antrag aussprechen, wollen aufstehen. (Majorität.) Die Wahl ist für unbeanstandet erklärt, und der Protest beseitigt.  Der zweite Theil des Antrages lautet: Aus Anlaß dieses speciellen Falles an das Ministerium des Innern das Ersuchen zu stellen, die l s. Wahlcommissärs anzuweisen, in jedem Wahlaktsprotokolle zu bemerken, daß die Wahlmänner vor der Wähl ausdrücklich belehrt würden, die Unterschrift der Wahlmänner auf den Wahlzetteln sei, um dem Zwecke der geheimen Abstimmung zu entsprechen, nicht nothwendig. Diejenigen Herren, welche für die Annahme dieses Theiles des Antrages sind, wollen aufstehen. (Majorität) Der Antrag ist angenommen, und es wird demzufolge das betreffende Ersuchschreiben an das Ministerium des Innern gerichtet werden.  Der Berichterstatter der 2. Abtheilung.

Abg. Kreil. R. T. Z. 4187. Das Ministerium des Innern übergibt den Wahlact des Dr. Ovjiazh für den Bezirk Loitsch im Gouvernement Illirien. Mathias Dollschein hat seine Stelle als Abgeordneter des Wahlbezirkes Loitsch im Gouvernement Illirien niedergelegt, und es wurde von dem Kreisamte Adelsberg eine neue Wahl auf den 8. Jänner 1849 ausgeschrieben.

Die Kundmachung der Wahl erfolgte durch die Laibacher Zeitung, und es würden nach der Bemerkung des Kreisamtes Adelsberg alle Wahlmänner des Wahlbezirkes mittelst gedruckter Einladungen aufgefordert, rechtzeitig zur Wahl zu erscheinen. Die Empfangsbestätigungen der Wahlmänner über diese Einladungen liegen nicht vor Von den 104 Wahlmännern des ganzen Wahlbezirkes erschiene 90 bei der Wahl. Bei dem ersten Scrutinium ergab sich keine absolute Stimmenmehrheit, und es wurde zur zweiten Wahl geschritten, wobei wieder keine absolute Stimmenmehrheit sich herausstellte. Es mußte also zur dritten Wahl geschritten werden, an welcher sich aber nur 74 Wahlmänner betheiligten, und bei welcher auf Dr. Ovjiazh 44 Stimmen, somit die absolute


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