Pátek 11. èervna 1920

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 6. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pátek dne 11. èervna 1920.

1. Øeè posl. Jablonitzkého (viz str. 271. protokolu):

Geehrte Damen und Herren! Jede Regierung ist politisch so viel wert, als ihr Programm selbst. Mangelt es dem letzteren an Wahrhaftigkeit, so muß jeder Regierung die moralische Befähigung zur Führung des Staatsbetriebes abgesprochen werden. Ich beabsichtige mich mit der uns hier mitgeteilten Regierungserklärung von diesem Stand punkte und Gesichtspunkte aus zu be fassen. Ich bedauere, daß ich die Regierungserklärung nicht in extenso unter suchen kann, weil ich durch die mir freiwillig auferlegte Pflicht, Ihre Geduld nicht überaus in Anspruch zu nehmen, mir Beschränkung auferlegen muß, aber ich glaube, meine Herren, daß ich Ihnen einen genügenden Beweis dessen erbrin gen werde, daß die Regierungserklärung vom Standpunkt, den ich hier so eben vorgetragen habe, und zwar vom Standpunkt der Wahrhaftigkeit, eine Kritik nicht verträgt. (Souhlas.)

Bevor ich in die Untersuchung der Regierungserklärung eintrete, erlauben Sie mir, daß ich eines Intermezzos Er wähnung tue. Als wir in dieses Parla ment eingezogen sind und unsere pro grammatische Erklärung hier vorgebracht haben, wurde uns von der Gegenseite zugerufen, wir wären Avaren. (Hlasy: Slyšte, slyšte!) Nun, meine Herren, ich freue mich dessen, daß man uns gesagt hat, daß wir Avaren sind, denn Sie dür fen nicht vergessen, welche politischen Perspektiven uns die Zugehörigkeit zum Avarentum eröffnet. (Smích nìmeckých poslancù.) Wo waren andere Nationen, als die Avaren schon da waren? (Potlesk.) Und, meine Herren, ich glaube, daß, wenn es uns gelingt, eine Entente zu finden, die unsere avarischen historischen Rechte anerkennt (Smích a souhlas na levicí), dann stecken wir die ganze Ceskoslovenská Republika ein und so Manches. (Potlesk na levici.)

Der Herr Ministerpräsident hat in seiner programmatischen Erklärung erwähnt, daß die alte Zeit begraben wurde und die èechische Nation in einem glücklichen Augenblicke die neue Zeit erfaßt und einen demokratischen Staat gegründet hat. Nun, meine Herren, sehen wir uns einmal ein bischen diese neue Zeit an und wir werden hier unsere ganz besonderen Überraschungen erleben. Was hat der Herr Ministerpräsident unter der alten Zeit verstanden? Ich glaube, wir können darin ganz einig sein, daß er nur das alte Osterreich darunter verstanden hat. Jenes alte Österreich mit seinem Habsburgertum, seinem Militarismus, seinem Imperialismus, seiner Bürokratie und mit seinem bunten Kranz von verschiedenen Völkerschaften, die sich dort mehr minder mit Widerwillen eingelebt haben und eventuell hinauswollten. Der Herr Ministerpräsident fühlt sich glücklich, daß dieses Österreich begraben ist. Ist diese Behauptung wahr? Meine Herren, es ist wahr, die alte Firma ist in Konkurs geraten, die kleinen Sukzessionsfirmen haben auf ihre Firmatafel die Republik geschrieben und insbesondere diese Republik hat ihr Haus auch äußerlich wirklich ganz èechisch gefärbt. Aber fühlen sich vielleicht die Inwohner dieses Hauses glücklich und ist vielleicht, meine Herren, der Militarismus, der Imperialismus, die Bürokratie nicht da, und hat sich diese neue Republik nicht vielleicht auch einen hübschen Strauß von auseinanderstrebenden Völkerschaften herüber gerettet? (Souhlas na levici.) Nicht wahr, meine Herren? Nun ich behaupte, daß diese Republik viel militaristischer, viel imperialistischer ist, als das alte Österreich war. Und, meine Herren, das will ich nicht nur behaupten, das will ich Ihnen beweisen. Das alte Osterreich, respektive die alte österr.-ungarische Monarchie hat eine Ausdehnung von 647.000 km2, eine Bevölkerung von beinahe 50 Millionen und einen Friedensarmeestand von 450.000 Mann gehabt. Die Kosten für die Erhaltung dieser Armee haben in einem Jahr mit den zwei Landwehren zusammen 6 bis 700 Millionen Kronen betragen. So weit mir die Daten über die Ausdehnung dieser Republik bekannt sind, so hat die selbe eine solche von vielleicht 144.000 km2 und angeblich eine Bevölkerung von 13 1/2 Millionen, hat aber einen Armeestand - selbstredend kann ich auch nur nach Zeitungen reden, weil man ja doch in die Geheimnisse nicht eingeweiht wird - einen Armeestand, wie man sagt, von 600.000 Mann. Ich frage Sie, war die alte Monarchie in militärischer Beziehung diesem Zustand gegenüber nicht ein Paradies? Und wenn wir annehmen, daß diese 600.000 Mann pro Kopf - alles andere negligiere ich, Pferde, Geschütze u. s. w. - nur 30 K für den Tag beansprucht, so sind es in einem Monate 480 Millionen und in einem Jahre rund 6.400,000.000 K. Meine Herren, das leistet sich eine sozialistische Regierung und das duldet die sozial-demokratische Partei, deren Hauptprogramm seit jeher die Bekämpfung des Militarismus war und ist. (Nìmecké výkøiky.) Und ich frage: Wie wäre es heute mit der Altersversorgung, wie mit dem Mangel an Wohnungen, der Ernährungsfrage, der Beschaffung von Rohstoffen, dem Arbeitsmangel und außerdem auch noch mit der Beschäftigung der Industrie bestellt, wenn dieses Heer nicht diese Milliarden gebraucht hätte? Nein, meine Herren, alle Übel dieser Republik in sozialer Hinsicht wären überhaupt behoben. (Hlas: Brauchten eir dann eine Anleihe?)

Ganz richtig haben Sie erwähnt, dann hätten wir auch keine Anleihe gebraucht und wenn wir eine Anleihe gebraucht hätten, so hätten wir sie jedenfalls für soziale Fürsorge verwenden können, und nicht auf einen Frosch mäusekrieg, den sich die Imperialisten dieser Republik noch heute leisten. (Místopøedseda Buøíval pøevzal pøedsednictví.)

Und ich frage Sie weiterhin, meine Herren: Ist vielleicht die liebe Bürokratie nicht da? Ich glaube, daß sie noch in einem verstärkten und größeren Maße da ist als im alten Österreich. Und die Bürokratie des alten Österreich hat sich sehen lassen können, weil sie in alten Traditionen aufgewachsen und im großen ganzen unzugänglich war. Heute liest man und spricht man in der Öffentlichkeit immer mehr von einer immensen Korruption. Wo ist der Grund hiefür zu suchen? Ist es vielleicht in der schlechten Besoldung oder in der zu starken Lebensbejahung der Mitglieder dieser Bürokratie zu suchen? Wer soll das entscheiden? Und wird vielleicht der Herr Ministerpräsident angesichts dieser Tatsachen leugnen können oder richtiger bestätigen können, daß die alte Zeit vorüber und eine neue Zeit angebrochen ist? Ganz bestimmt wird er das nicht sagen können. (Nìmecké výkøiky.)

Es mangelt mir an Zeit, Ihnen einzelne Blüten dieser Bürokratie hier vorzutragen, aber trotz des Mangels an Zeit kann ich einen Fall nicht unerwähnt lassen. Da lebt irgendwo im Osten, sag en wir in Preßburg (Hlas: Bratislava!) es ist bei uns noch Preßburg - ein Herr und dieser Herr hat noch von der Kriegszeit her ein Automobil in Wien stehen. Jetzt wollte er sich dieses Auto von Wien nach Preßburg herüber bringen lassen. Da geht er zu einer Behörde "Export- Import" und dort ist man ausnahmsweise ihm gegenüber zuvorkommend, man macht ihm sogar das Gesuch, klopft es ihm fünffach auf der Schreibmaschine ab und sendet es nach Prag, mit dem Bedeuten, daß er in 3 oder 4 Wochen eine Entscheidung zu gewärtigen hat. Die Entscheidung kam de facto überraschender Weise ausnahmsweise schon in 3 Wochen und zwar lautete sie folgendermaßen: Dem betreffenden Herrn wird bedeutet, daß das Gesuch nicht mit Maschinenschrift, sondern mit Tinte zu schreiben ist. (Smích nìmeckých poslancù.) Ist das, frage ich, die alte Zeit oder die neue? (Nìmecké výkøiky.)

Ich glaube, meine Herren, an der alten Zeit hat sich nichts anderes geändert, als daß die Habsburger fehlen. Die Habsburger haben eine Menge von Völkerschaften mit Gewalt niedergehalten. An ihre Stelle trat der èechische Imperialismus und Militarismus. Das ist der ganze Unterschied. Eine weitere Veränderung in der Zeit ist die, daß die Habsburger wenigstens so aufrichtig waren, um zu sagen, daß sie ihre Macht auf den Imperialismus und Militarismus stützen. Hier aber, sagt man, wäre Demokratie. Alles bekommt einen demokratischen und sozialistischen Mantel, um eben die Despotie verhüllen zu können. Ich glaube, Macchiavelli muß im Grabe Freudentränen vergossen haben, als er vernommen hat, wie diese Republik geschaffen wurde. (Veselost a potlesk na levici.) Und wir dürfen noch folgendes nicht vergessen: Wer hat eigentlich im alten Österreich regiert? Man hat immer gesagt: die Deutschen waren es. Meine Herren! Seit dem Jahre 1879 waren es die Deutschen nicht mehr. Sondern die Lieblinge der Habsburger waren eben die Èechen. Bei Hof, in den Ministerien, in der Bürokratie, im Generalstab, wer hat den Einfluß, wer hat die größten, besten und einflußreichsten Stellen gehabt? Nun, meine Herren, wenn jemand die einflußreichsten Stellen hat, so macht er seine Politik und wenn die alte österreichische Politik schlecht war, so sind nicht die Deutschen daran Schuld, sondern jemand anderer, und das dürfen wir doch auch nicht vergessen, sogar auch die Kammerdiener waren nicht deutsch. (Veselost.) Denn eben der Kammerdiener kann ohne Verantwortung beim Stiefelputzen oder beim Rasieren dem Herrn so manches eingeben. (Veselost.)

Und waren im alten Österreich die Deutschen irredentistisch? Wer hat Reisen unternommen nach dem panslavistischen Moskau, nach Petersburg, Belgrad? Und sind diese Reisen vielleicht zur Stützung der österreichischen Staatsidee unternomm en worden? (Posl. dr. Lodgman: Gleiches Recht für alle.) Ja, gleiches Recht für alle und wir freuen uns, daß wir in einem kontradiktorischen Verfahren in der Lage sind, unseren Gegnern alles das sagen zu können. Denn vielleicht ist es möglich, daß die Anhörung der Wahrheit die Leute doch umstimmen wird. Aber wenn ich auch keine Hoffnung habe, so ist es möglich, daß vielleicht doch eine Änderung in der einen oder anderen Beziehung geschieht.

Meine Herren, aus dem alten Österreich wollte die èechische Nation heraus. Ich anerkenne dieses ihr Recht. Jeder soll nach seiner politischen Facon selig werden. (Potlesk na levici.) Das ist meine Auffassung. Aber genau so wie die èe chische Nation diese politische Facon für sich in Anspruch nimmt, genau so verlangen auch wir unsere politische Facon. (Souhlas na levici.) Und was dann später zur Unterstützung dieser politischen Facon unternommen wurde, das mag von èechischem Standpunkte aus gerechtfertigt sein, aber eines darf man von uns nicht verlangen: die Achtung vor diesen Taten. Denn diese Taten haben sehr viel unverschuldetes Blut von unseren Konnationalen im Felde gekostet. Ich glaube, meine Herren, daß es mir durch diese Ausführungen gelungen ist, nachzuweisen, daß die ministerielle Erklärung von der neuen Zeit absolut nicht gerechtfertigt ist und daß in dieser Beziehung die Regierung schuldig gesprochen werden muß.

Der Herr Ministerpräsident hat weiter behauptet, es sei hier ein demokratischer Staat gebildet worden. Nun, meine Herren, sehen wir uns diese Demokratie näher an. Was ist eigentlich Demokratie? Vor allem ist es die Freiheit der eigenen Entschließung in der Richtung, wo ich hingehören will. Haben wir das? (Hlasy: Absolut nicht.!) Nun also, der eine Grundpfeiler der Demokratie ist bereits nicht da. Zweitens, der andere Grundpfeiler der Demokratie ist die Gleichheit. - Über diese Gleichheit mag man hier vielleicht falsche Vorstellungen haben. Warum? Weil sie hier noch milde gehandhabt wird, diese Demokratie. Aber, meine Herren, gehen Sie über die March und ich fordere den Herrn Ministerpräsidenten auf, er möge sich als Ungar verkleiden, einen ungarischen Namen annehmen, nach Preßburg auswandern und sich dort niederlassen. Da wird er seine Wunder erleben. (Hlas: Das hätte er unter Šrobár machen sollen, der hätte ihn einsperren lassen! Smích.) Vor allem wird er auf ein famoses Wohnungsamt stoßen. Dieses Wohnungsamt steht ganz bestimmt über dem Ministerpräsidenten. Ich werde ihm sagen warum. Der Ministerpräsident sagt, wir seien alle vor dem Gesetze, wenigstens am Papier, gleich. Das Wohnungsamt straft diese Erklärung Lüge und sagt: Nein! Erste Kategorie: Èechische Beamte und ihre Angehörigen, èechische Unternehmer, ihre Angehörigen und ihre Hintermänner; zweite Kategorie: Slovakische Beamte und ihre Angehörigen, slovakische Unternehmer, ihre Angehörigen und ihre Hintermänner; dritte Kategorie: Alles Übrige, Objekte, Subjekte, das ist alles eins. So steht eben die Gleichheit hier am Papier, hier ist die Theorie und drüben in Preßburg ist die Praxis. Nun aber, meine Herren, jetzt nehmen Sie aber noch an, daß diese Demokratie auch noch andere Dekorationen hat. Da ist zum Beispiel die Militärdiktatur, die Zensur, die Aufhebung der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit (Posl. dr. Lodgman: Standrecht! Geschäftsordnung!) und das Standrecht. Alles das wird gedeckt durch das sogenannte Staatsinteresse. Ich frage Sie, ob seit den Zeiten des Tyrannen von Syrakus, wenn es jemandem gelang, die politische Macht in die Hand zu bekommen und seine Mitmenschen zu beherrschen, nicht alles mit Staatsinteressen begründet wurde? Haben Sie schon einen polit ischen Abenteurer oder Mach thaber gesehen, der gesagt hätte, daß er das, was er tut, für sich tut? Nein, er hat gesagt, der Staat und die beherrschten Mitmenschen haben es nötig, daß sie in ihren Freiheiten beschränkt werden. Dasselbe sehen wir hier. Die Zeiten haben sich nicht geändert. Vor 2000 oder 3000 Jahren waren die Machthaber dieselben wie heute, trotz Kultur, Demokratie und allen sonstigen hohlen Schlagworten. (Poslanec Knirsch: Früher waren es absolutistische Herrscher, jetzt sind es èechische Sozial-Demokraten!)

Meine Herren, ich muß Ihnen offen sagen, die Sprache der Offenheit würde mir besser gefallen, daß man absolutistisch regiert. Wenn schließlich dieser Absolutismus so wäre, wie er zum Beispiel im 18. Jahrhundert im Zeichen der Aufklärung war, wäre er viel leichter zu ertragen als eine vorgetäuschte Demokratie. Das ist meine Auffassung. Und vielleicht ist die Aufrechterhaltung eines Heeres von über einer halben Million eine demokratische Einrichtung? Und die Ausnützung der Steuerkraft der Staatsbürger für solche Zwecke, ist das demokratisch? (Hlasy: Zur Èechisierung! Das brauchte man ja bei den Gemeindewahlen!) Mag sein. Und wie gesagt, ich lasse mich überzeugen und diesbezüglich ist mein Standpunkt: die offene Aussprache Aug' in Aug' ist mir viel lieber als eine Vortäuschung, und daß diese Vortäuschung hier besteht, müssen wir festnageln, weil wir sie an unserem eigenen Leibe spüren. Zur weiteren Illustrierung dieser Demokratie wollen Sie noch zur Kenntnis nehmen, daß das, was östlich von der March liegt, mit unzähligen Spitzeln und agents provocateurs übersät ist und daß man seines Lebens und seiner Gedanken nicht sicher ist. Sie sollen nicht sagen, daß ich Demagogie treiben will, ich will Tatsachen anführen. Drei Tage vor den Wahlen hat man bei uns im ganzen deutschen und ungarischen Siedlungsgebiet ausschließlich ungarische und deutsche Staatsbürger massenhaft verhaftet. Man hat sie sofort in ein Zuchthaus für Schwerverbrecher geführt, nach Illava, und 11 Tage, ohne sie zu verhören, täglich 22 Stunden in Zellen von Schwerverbrechern gehalten. Die èechoslovakische Republik hat eine Militärstrafprozeßordnung und diese Militärstrafprozeßordnung besagt, wenn einer inhaftiert wird, so müsse er innerhalb 24 Stunden einvernommen werden. Wenn Verbrechen en masse geschehen, so müssen die Inhaftierten innerhalb 3 Tagen verhört werden. Ich will hier absolut nicht dem strafgerichtlichen Verfahren vorgreifen oder vielleicht gegen dieses Strafgerichtsverfahren hier Stimmung machen, es gibt aber gewisse Begleitumstände, die nicht unerwähnt bleiben dürfen, und diese Begleitumstände sind die, daß die Inhaftierung nicht vielleicht das Gericht angeordnet hat, sondern eine gemischte politische und militärische Polizei und diese Polizei hat erst am neunten Tage das Gericht verständigt, daß so und soviele Leute verhaftet worden sind und erst dann hat das Gericht - und das muß ich zur Steuer der Wahrheit sagen - von dem Tage an, wo es die Akten bekommen hat, in drei Tagen die Inhaftierten einvernommen. Das ist korrekt, dagegen läßt si ch nichts sagen. Nun mußte mich als Abgeordneten das Schicksal dieser Inhaftierten natürlich lebhaft interessieren und ich begab mich zum Untersuchungsrichter und fragte ihn: "Mein Herr, wie lautet die Beschuldigung?" - "Verschwörung." "Was sind die Beweise?" Da sagte er mir: "Vorläufig leugnen die Beschuldigten." (Hluèná veselost na levici.) Darauf erwähne ich:" Mein lieber Herr, daß ist nicht vi el." Und da sagte er mir: "Also die Berichte unserer Vertrauensmänner." (Nìmecké vykøiky.) Darauf war meine Antwort: "Entschuldigen Sie, daß ich Sie belästigt habe, es genügt für mich vollständig, ich brauche die Akten garnicht anzusehen, ich bin total informiert." (Veselost.) Meine Herren, das Gesindel und Lumpenvolk von Spitzeln und agents provocateurs hat gegen Bezahlung, für Geld anständige Leute in den Kerker gebracht. (Hlas: Kulturschande!) Und wenn ich auch sage, jeder, der schuldig ist, der soll seine Strafe büßen, aber Leute 30-40 Tage in Haft halten, ohne sie zu verhören, daß ist ein Kulturskandal. (Poslanec inž. Kallina: Der Herr Minister des Innern lacht! - Nìmecké výkøiky: Das ist ein Skandal, daß dazu jemand lachen kann! Das ist unglaublich, das ist eine Rohheit, eine Frivolität! - Velký hluk.)

Místopøedseda Buøíval (zvoní): Prosím o klid.

Posl. Jablonitzky (pokraèuje): Meine Herren, glauben Sie, daß ich durch meine Ausführungen vielleicht erreichen will, daß man den Leuten Amnestie gebe? Nein, wir haben soviel Ehrgefühl im Leibe, daß wir eine Amnestie zurückweisen. (Živý souhlas na levici.) Wir verlangen, daß das gerichtliche Verfahren durchgeführt wird. Wir wollen dieses Gesindel von Spitzeln und agents provocateurs ad absurdum führen und nicht nur dieses Gesindeln von Spitzeln, auch jene, von denen sie den Auftrag dazu erhalten haben. (Nìmecké výkøiky.)

Meine Herren! Der Herr Kollege Udržal hat Erwähnung getan von gewissen Kerkern, in denen èechische Angehörige im alten Österreich schmachten mußten: diese Kerker haben Füße bekommen und sind herübergewandert nach Ungarn, nach der Slovakei und in die deutschen Siedlungsgebiete. Die sind voll und wir protestieren dagegen, daß diese Kerker voll bleiben.

Dann besagt eben diese Militär-Strafprozeßordnung, daß, wenn jemand verhaftet werden und wenn bei jemandem eine Hausdurchsuchung vorgenommen werden soll, daß das mit möglichster Schonung der Ehre des Inhaftierten oder des zu Inhaftierenden geschehen soll. Wissen Sie, meine Herren, wie die Verhaftungen und Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden? In der Nacht ist man in die Schlafzimmer eingedrungen und man hat dort Damen, Frauen von Universitätsprofessoren und ähnlich gestellten Leuten gezwungen, sich angesichts dieser Soldateska anzukleiden und man hat ihnen alles genommen, nicht nur Schriften, sondern auch Zigarren, Zigaretten, Manchettenknöpfe u. s. w.

Meine Herren! Ist das Demokratie? (Nìmecké výkøiky.) Und diejenigen, die für solche Taten verantwortlich sind, hätten bedenken sollen, daß bei politischen Verbrechen zumeist die Hand, die auf die Schuldigen niedersausen will, viele andere Unschuldige mitreißt und daß eben diejenigen, die da mitkommen, nicht der Auswurf der Gesellschaft, sondern zumeist achtbare Leute sind. Dies Alles ist bei uns geschehen, und da verlangen Sie von mir, daß ich erklären soll, daß hier demokratische Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit herrscht? Meine Herren, das ist nicht Demokratie. Das ist ein neu inauguriertes Zeitalter der Rohheit. (Sehr richtig!)

Meine Herren, und dann die Schulfrage. Der eine und der andere Redner behauptet, daß diesbezüglich Gleichheit bestehe. Am Papier mag es sein. Die Theorie ist bleich und grau. Gehen Sie zu uns und gehen Sie zu den Deutschen, dort werden Sie Ihr Wunder erleben, dort werden Sie sehen, daß dort 30 und 40 nichtungarische und nichtdeutsche Schüler Räume haben, die für viele Hunderte bestimmt sind, und daß Tausende von deutschen und ungarischen Kindern nicht eingeschrieben werden konnten, weil man sie zwingen wollte, daß sie sich in èechische Schulen einschreiben lassen. (Posl. dr. Lodgman: Tout comme chez nous!) Ist das Demokratie?

Und dann will man uns das Wahlrecht der Bürgermeister und aller derjenigen Köpfe nehmen, die eben in einem Stadtwesen die Maßgebenden sind, und an ihre Stelle Regierungsbeamte setzen. Meine Herren, ist das Demokratie? Und ist hier nicht der Pferdefuß zu sehen? (Nìmecké výkøiky.) Dies aber sind staatliche Versuche zur Entnationalisierung der Ungarn und der Deutschen in der sogenannten Slovakei; wir aber fordern demgegenüber trotz allem unsere nationalen Rechte zurück und auf diese werden wir nie und unter keinen Umständen verzichten. Das muß die Gegenpartei zur Kenntnis nehmen. (Nìmecké výkøiky.)

Nun, meine Herren, nachdem ich Ihnen so anschaulich die Neuzeit und die Demokratie geschildert habe, so daß Sie jetzt einen Begriff davon bekommen haben, so will ich jetzt auf die Aufforderung des Ministerpräsidenten übergehen, in der er uns Deutsche und Ungarn aufgefordert hat, wir sollen uns zur Mitarbeit zusammenfinden. Ich muß sagen, ich verstehe es nicht, wieso der Herr Ministerpräsident dazu kommt? Insbesondere was uns Ungarn betrifft, muß ich Sie auf Folgendes aufmerksam machen. Als wir unsere programmatische Erklärung abgegeben haben, ist hier ein Herr erschienen, der Minister war, der früher ungarischer Reichstagsabgeordneter war und hat gesagt, unsere Erklärung gehöre in die " Fliegenden Blätter". Und es ist dann der zweite Fall hier geschehen, daß ein der èechischen Nation angehörender Kollege uns, als diese Erklärung vorgelesen wurde, zugerufen hat: Ungarische Schweine! (Nìmecké výkøiky.)

Meine Herren, Sie werden vielleicht nicht überrascht sein, wenn wir von einer so überaus freundlichen Einladung keinen Gebrauch machen. Nun hat dieser betreffende Herr, der früher Minister war, gesagt: "Was wollen die Deutschen mit den Ungarn? Die Ungarn haben ja die Deutschen entnationaùisiert. Die Deutschen haben in Ungarn gar keine Schulen gehabt und jetzt haben sie sie in Hülle und Fülle". Nun, mir stehen statistische Daten nicht zur Verfügung. Zufälligerweise habe ich trotzdem zu Ihrer Orientierung ein "Prager Tagblatt" in die Hand bekommen und dort steht von dem Deutschtum in Ungarn Folgendes. Ich habe erst nachträglich Kenntnis davon erhalten, man wird mir hoffentlich nicht Vorwürfe machen, daß ich es selbst gemacht habe, und daß es nur eine Mache ist (ète): "Durch die Bestimmungen des Friedensvertrages von Neuilly sind 3 1/2 Millionen Magyaren außer Landes gegangen, von 2,1 Millionen Deutschen in Ungarn sind 250.000 an Österreich, 260.000 an die Èechoslowakei, 450.000 an Jugoslawien, 560.000 an Rumänien gefallen. Das Banat und die Bacska allein bewohnen 578.000 deutschsprachige Schwaben. Sie haben den Magyaren, diesem Spätling der ostwestlichen Völkerbewegung, das Christentum gebracht, Kultur und Zivilisation, haben Handel und Gewerbe und damit den Wohlstand hieher verpflanzt, haben Ungarns Bergwerke geöffnet und aus Einöden und Sumpfland mit beispiellosem Fleiße Kulturstätten gemacht, 1869 gab es in Ungarn 1232, im Jahre 1872 aber schon 1810 Elementarschulen mit rein deutscher Unterrichtssprache, 957 Schulen nicht gerechnet, in denen das Deutsche neben anderen Sprachen gelehrt wurde. 1879 haben 271.513 Kinder deutscher Nationalität, daß ist 80 von 100 der schulpflichtigen die Volksschulen besucht."

Meine Herren, daß einer, der Minister und ungarischer Reichstagsabgeordneter war, hier herkommt und solche Tatsachen hier ableugnet und Tatsachen verdreht, das ist Demagogie und ist eben der Geist, der die Verneinung der Zusammenarbeit bedeutet. Nun will ich Ihnen über die Unmöglichkeit einer Zusammenarbeit aber auch meine ganz demokratische Meinung auseinandersetzen, und die besteht darin:

Die Aufforderung der Regierung zur Zusammenarbeit kommt mir beiläufig so vor: In einem Walde treffen sich zwei, der eine wird von dem anderen attakiert und halb erschlagen und es wird ihm alles, was er bei sich hat, weggenommen. Wie er wieder zur Besinnung erwacht, sagt ihm der, der ihn angegriffen hat: seien wir wieder gut und reicht ihm die Hand, aber was ich genommen habe, behalte ich mir. (Veselost na levici.) So kommt mir diese Aufforderung vor. Es ist absolut keine Aufrichtigkeit darin, man will ja gar nicht die Zusammenarbeit, außer man gibt seine nationalen Ideale preis. Das ist eben der Preis, den man verlangt und der nie zu erlangen sein wird. (Souhlas na levici.)

Von nationaler Gleichberechtigung, vom Selbstbestimmungsrecht schweigt sich der Herr Ministerpräsident gehörig aus. Aber diese stumme Sprache ist auch eine Sprache. (Sehr gut!) Nicht wahr! Wir merken, daß man überall bestrebt ist, die nationalen Fragen auszuschalten, sie auf ein Nebengeleise zu schieben, und man bringt statt dessen soziale und volkswirtschaftliche Fragen, man will der internation alen Öffentlichkeit vortäuschen, daß es hier keine nationale Fragen gibt, daß hier ein Ausgleich wie in der Schweiz geschlossen wurde; denn diese Schweiz muß immer herhalten, wenn wir unsere nationalen Rechte fordern. Die èechische Nation hat seit der Schlacht am Weißen Berge in Österreich alles gehabt, was ihr Herz gewünscht hat. Sie hat sich national, kulturell und wirtschaftlich beispiellos entwickelt können, und diese Entwickelung wäre vielleicht nicht so groß, wenn sie die Schlacht am Weißen Berge nicht verloren hätte. Und trotzdem wollte die èechische Nation heraus und sie ist auch herausgekommen und hat einen eigenen Staat gegründet. (Výkøik: Sie hat aber zu viel mitgenommen!) So ist es, es ist so manches mitgegangen. (Výkøik: Sie werden es aber noch in der Schlacht am Roten Berge verlieren!) Und wir sollen für ein imaginäres Linsengericht volkswirtschaftlicher und sozialer Versprechen unsere nationalen Ideale preisgeben. Da möchten wir verdienen, daß diejenigen, die uns hergeschickt haben, uns erschlagen. (Souhlas na levici.) Oder sind wir Deutsche und Ungarn vielleicht Afrikaner, daß uns das Recht auf eigenes nationales Leben rundweg abgesprochen wird?

Es wird Loyalität und Ergebenheit und Anerkennung der Staatsidee von der Gegenseite verlangt, und zwar geschieht das vor der Öffentlichkeit. Wir freuen uns, daß das èechische Volk seine Freiheit errungen hat. Wir Ungarn waren immer ein freiheitsliebendes Volk. (Výkøiky.) Aber diese Freiheit wollen wir für Alle. In der Jurisprudenz ist ein Rechtssatz, der lautet: "Nemo plus juris transferre potest, quam ipse habet". Niemand kann mehr Rechte übertragen, als er selbst hat. Ich möchte das politisch bezüglich der Loyalität etwas ummodeln: Nemo plus loyalitatis transferre potest, quam ipse habuit! Aber auch: Nemo plus loyalitatis postulare potest, quam ipse habuit. Niemand kann mehr Loyalität verlangen als er selbst gehabt hat.

Und jetzt kommen wir anknüpfend an die gestrige herzliche Auseinander setzung, die meine Brüder, die Slovaken mit ihren Brüdern Èechen gehabt haben, zur Medizin. Die Medizin kennt ein Krank heitsbild von der Magenerweiterung. Wir sind nun so weit in der Erkenntnis, daß wir seit gestern feststellen müssen, daß dieser Staat bereits an politischer Magen erweiterung laboriert. (Veselost na levici.) Finden Sie es nicht? Mit der Magener weiterung kann man mit Hilfe von Dok toren, die nicht immer Recht haben, le ben, aber ein frühzeitiger Tod ist sicher; man muß aber inzwischen nur diätetisch leben, chauvinistische Speisen sind ver boten. (Veselost na levici.) Das mögen die Herren zur Kenntnis nehmen. Wenn Sie aber chauvinistische Speisen essen, wird der Tod früher eintreffen.


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP