Pátek 11. èervna 1920

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid!

Posl. dr. Lodgman (pokraèuje): Und ich werde mir die Pausen, die mir weggenommen werden, zurechnen. Ich bitte daher mi ch nicht zu stören. Ich stelle also fest, daß wir kein Interesse daran haben, und sofern es sich um öffentliche Schulen handelt, welche überflüssig sind, die kann man ja auflassen. Aber dann darf man ja nicht so vorgehen, wie Sie es getan haben, das ist eine unerhörte Schande für Ihr Volk, für Ihre Regierung. Das ist eine Vergewaltigung. Nicht nur, daß Sie unsere öffentlichen Schulen mit Beschlag belegen, haben Sie uns auch die privaten Schulen weggenommen. (Souhlas nìmeckých poslancù.) Und, meine sehr geehrten Herren, das ist keine Enteignung, das ist Aneignung. Sie hätten sich ohne weiters mit dem deutschen Volk darüber ins Einvernehmen setzen sollen, welche Schulen gesperrt werden, und wir werden zustimmen, wenn es sich um überflüssige Schulen handelt. Aber daß Sie in unser Schulwesen diktatorisch eingreifen, das werden wir niemals dulden. (Potlesk na levici.)

Sehen Sie, meine Herren, Sie verfolgen die Absicht, möglichst vielen Deutschen das Èechische beizubringen. Nun, ich stehe auf dem Standtpunkte und ich stand auf dem Standtpunkte, daß es nur ein Vorteil ist, wenn man fremde Sprachen kennt. Und ich wäre sehr froh, wenn ich sehr viele Sprachen beherrschte. Und sich einer fremden Sprache zu bedienen, das habe ich niemals für etwas Entwürdigendes gehalten, denn ich stand niemals auf dem Standtpunkt der Minderwertigkeit von Nationen. Aber, meine Herren, etwas anderes ist es doch, ob ein Èeche deutsch, oder ein Deutscher èechisch lernen muß. Das ist eine einfache Tatsache, die arithmetisch berechnet werden muß. Wenn Sie heute uns auferlegen, daß wir englisch oder französisch lernen müssen, bitte, das sind Weltsprachen. Aber bei uns einem jeden imputieren zu wollen, er müsse èechisch können, meine Herren, das ist ein kindisches Beginnen. Damit, meine sehr geehrten Herren, werden Sie die Sprachenfrage in diesem Staate nichtlösen. Das ist unmöglich. (Hluk.)

Pøedseda (zvoní): Prosím, aby pan øeèník nebyl stále vyrušován.

Posl. dr. Lodgman (pokraèuje): Und Sie können sich, meine sehr geehrten Damen und Herren, dagegen wehren wie Sie wollen, die natürliche Vermittlungssprache dieses Staates nach außen und innen ist die deutsche Sprache. (Souhlas a potlesk na levici.) Wir haben gestern eine Probe èechischer Staatskunst erlebt. Es hat sich um die ostschlesische Frage gehandelt und um die Tatsache, daß nunmehr derartige Verhältnisse eingetreten sind, daß der hohe Oberste Rat in Paris beschlossen hat, in Ostschlesien die Arbitrage einzuführen u. daher den Plan des ursprünglich von Ihnen abgelehnten, dann aber angenommenen Plebiszites zu verwerfen. Meine hochgeehrten Damen und Herren, es ist das zwar nicht die erste, ich befürchte dafür aber auch nicht die letzte Blamage Ihrer Politik und ich könnte ja über diesen

Punkt zur Tagesordnung übergehen, denn mir als Demokraten bereitet die Lösung derartiger territorialer Fragen gar keine Schwierigkeiten und ich erkläre, daß für mich vor allem der Wille der in Betracht Kommenden maßgebend ist. Da allerdings haben Sie diese, die in Betracht kommen, vor eine Zwangslage gestellt, Sie haben ihnen nur die Wahl gelassen zwischen dem polnischen und dem èechischen Staat. Nun hätten aber doch auch die Betroffenen eine dritte Möglichkeit ins Auge fassen können. Und ich glaube, diese dritte Möglichkeit ist auch geltend gemacht worden, nämlich die Neutralisierung dieses Gebietes und seine Stellung unter den Völkerbund. Sie sehen, Sie hätten sich auch damals und Herr Dr. Kramáø hat es mit Stolz betont, daß die èechischen Vertreter in Paris sich gegen das Plebiszit gewendet haben, weil sie es für überflüssig und mit ihrer Stellung nicht vereinbar hielten - Sie hätten sich damals diese Blamage, die heute eintreten wird, ersparen können, wenn Sie sich als wirkliche Demokraten betätigt hätten und wenn Sie sich nicht in Dinge eingemischt hätten, die vor allem die Anderen angehen und nicht Sie.

Ich bitte, ich stelle fest, daß meine Redezeit abgelaufen ist, aber ich bin durch 5 Minuten aufgehalten worden und ich bitte mir, diese 5 Minuten zuzugeben. Was, meine Damen und Herren, aus den Verhältnissen herausgekommen ist, wissen wir ja, wie gesagt, zur Genüge. Ich verweise zum Beispiel darauf, daß der demokratischen Union in London erst dieser Tage ein Hilferuf zugekommen ist aus Thrazien, in welchem Lande die Bulgaren und die Türken die Mehrheit der Bevölkerung bilden, aber den Griechen ausgeliefert werden sollen. Sie sind nunmehr gezwungen, weil sie unter dieser Herrschaft nicht verbleiben können, mit Hab und Gut auszuwandern. Alle diese Verhältnisse fallen auf diejenigen, die diesen Friedensvertrag geschaffen haben.

Und fragen Sie sich selbst, ob er mit den demokratischen Prinzipien und Grundsätzen wirklich in Einklang zu bringen ist. Freilich der Herr Minister des Äußern Dr. Beneš ist nunmehr vom Obersten Rate in Paris zum Referenten für den Minderheitsschutz bestellt worden. (Smích na levici.) Ich weiß freilich nicht, in welchem Sinne Herr Dr. Beneš dort von diesem Amte Gebrauch machen wird. Aber nach den Erfahrungen, die wir bisher geschöpft haben, möchte ich schon sagen, daß es mir nicht nur ein schlechter Griff zu sein scheint, den der Oberste Rat gemacht hat, sondern daß ich glaube, daß sich alsbald von den Betroffenen ein starker Widerstand bemerkbar machen wird. Denn der Vertreter eines Herrenvolkes, welches ja Sie nach Ihrer Verfassung und nach Ihren Erklärungen sind, kann doch nicht die Interessen der armen Unterdrückten vertreten. Sehen Sie, in diesem Staate gibt es der ungelösten Probleme eine ganze Reihe und Sie können auch nach außen die weiß-rot-blaue Fahne schwenken, so viel Sie wollen; Sie und dieser Staat bleiben innerlich schwarzgelb bis in die Knochen (Veselost na levici.), es macht keinen Unterschied, wie er heißt und was er will, sondern maßgebend ist uns, was ist. Und über diese harten Tatsachen werden Sie nicht hin wegkommen. Ich weiß, gestützt auf Ihre Bajonette, fürchten Sie diese Tatsachen nicht. Aber Sie sind nicht endgiltig ausschlaggebend und trotz der Verfassung und trotz der Verankerung ihrer Bestimmungen durch alle möglichen Sicherungen läßt sich nicht hinwegleugnen, daß dieser Staat an sich von der europäischen Konstellation abhängt, wie kein zweiter und daß seine strategische und militärische Lage absolut unmöglich ist. Sie mögen Regimenter und Kanonen aufstellen, soviel Sie wollen. Das kann Ihnen ein jeder sagen, der sich halbwegs mit Strategie beschäftigt hat, daß der Staat im Kampfeswege nicht verteidigt werden kann, und es bleibt Ihnen keine andere Wahl, wenn sie den Staat erhalten wollen, Sie müssen die Mittel der wahren Demokratie ergreifen, Sie müssen abschwenken von Ihren imperialistischen Irrtümern, Sie müssen anerkennen, daß die in diesem Staate befindlichen Nationen das gleiche Recht haben wie Sie - aber nicht auf dem Papier sondern in lebendiger Wirklichkeit. (Sehr richtig! Potlesk na levici.) Und nur dann können Sie über sein Schicksal beruhigt sein, denn das Eine ist und bleibt in unserer modernen Entwickelung das Wahre: die einzige verläßliche Grundlage der modernen Staaten ist der Wille der Regierten. (Bouølivý potlesk. - Výkøiky: Heil!)

3. Øeè posl. Pohla (viz str. 291 protokolu):

Geehrte Damen und Herren! Der Herr Ministerpräsident hat an uns, sowie an Alle die Einladung gerichtet, sich an der Mitarbeit zu beteiligen. Soweit auf diese Einladung Bezug zu nehmen war in politischer, verfassungsmäßiger und staatsrechtlicher Hinsicht, hat mein Klubvorsitzender Seliger in seiner Erklärung und in seiner Rede ausführlich darauf Bezug genommen. Ich beabsichtige diese Mitarbeit, die Möglichkeit der Mitarbeit zu untersuchen auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiete. In seiner Erklärung sagte der Ministerpräsident, daß die Wahlen ein Fingerzeig sind, daß die Völker wirtschaftliche und soziale Arbeit verlangen. Ich darf für unsern Klub, für unsere Partei in Anspruch nehmen, daß wir uns dieser Aufgabe unseren Wählern gegenüber bewußt sind und stets dessen bewußt waren. Ich möchte nun untersuchen, ob die Möglichkeit zur Mitarbeit auf diesem Gebiete besteht, und da werden Sie mir gestatten, daß ich diese Möglichkeit abhängig mache von den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen und von der Lage in diesem Staate und zu untersuchen versuche, ob diese Zustände und Einrichtungen so kommen mußten, wie sie sind, oder ob und inwieweit ein Verschulden der Herrschenden dieses Staates festzulegen ist. Die wirtschaftlichen und sozialen Zustände sind besonders für die Arbeiter und Angestellten, die auf feste Bezüge angewiesen sind, unerträglich. Das ist allgemein bekannt. Wachsende Teuerung, steigender Mangel, keine Hoffnung auf Besserung, verursacht durch die Weltteuerung, Weltknappheit an Waren, das sind allgemeine Erscheinungen und es wäre sicher verfehlt, wollte man für diese Allgemeinerscheinungen, die in der ganzen Welt zu beobachten sind, einen Staat, und sei es auch diesen Staat mit seinen Einrichtungen, allein verantwortlich machen.

Zu untersuchen bleibt allerdings, inwieweit die Zustände in diesem Staate sich von den Zuständen der anderen Staaten unterscheiden, und zu untersuchen und festzustellen bleibt, ob hier in diesem Staate auf diesem Gebiete durch verfehlte wirtschaftliche, verfehlte soziale Maßnahmen beigetragen wurde, diese Verhältnisse über das Maß hinaus, das notwendig wäre, zu verschärfen. Der Krieg hat mit der völligen Zer rüttung der kapitalistischen Wirtschafts ordnung geendet. Fünf Jahre Zerstörungs arbeit lassen sich nicht in wenigen Mo naten und auch nicht in wenigen Jahren völlig ausgleichen. Wie nun die zerstörten Güter ersetzt werden sollen, und wie die Wirtschaftsordnung aussieht und die Gesellschaftsform, das ist die große Frage heute in der ganzen Welt und daher auch bei uns. Die Regierungserklärung ist ziemlich leicht und ziemlich oberflächlich - muß ich sagen - an dieser ganzen Frage vorbeigegangen. Wir können vom Standpunkt unserer Partei nicht so dar über hinwegkommen, sondern müssen die Frage gründlicher behandeln. Ich habe gesagt, daß die Teuerung eine internatio nale Frage ist. Eine allgemein anerkannte Indexziffer der Steigerung der Lebens mittel und anderer notwendiger Bedarfs artikel aus den Monaten März bis Mai 1920 beweist uns, daß die Indexziffer der Stei gerung in Italien 406, in Frankreich 320, in Großbritannien 235, in Holland 205, in den Vereinigten Staaten 196, in Spanien 130 beträgt, daß sie dem gegenüber bei uns 1803 beträgt, also diese Zahl, die die Teuerung graphisch darstellt, diese Index-Zahl wird in ihrer Höhe nur von einem einzigen Staat übertroffen und das ist Deutsch-Osterreich, aus Ursachen, die Ihnen Allen bekannt sind und die hier nicht erörtert zu werden brauchen.

Ich will bei diesem Anlaß nur kurz mit einem Worte das eine immer und immer wieder vorgebrachte Argument streifen und zu widerlegen versuchen, daß nämlich die Steigerung der Löhne der Arbeiter auf die Steigerung der Ge hälter der Angestellten irgend einen Ein fluß hat oder die Ursache der Teuerung wäre. Es wurde im Laufe dieser Debatte und so weit ich den èechischen Reden folgen kann, zwar von keinem Redner die Behauptung aufgestellt und eine solche Meinung geäußert. Ich muß aber doch an der Hand von nur 2 Ziffern nachweisen, daß dies ganz unmöglich und ausge schlossen ist. Ich will Sie nicht langweilen, besonders nicht mit Ziffern, aber eine Ziffer bitte ich Sie doch im Gedächtnis zu behalten: Eine bestimmte Menge von Nahrungsmitteln, die der Arbeiter im einfachen Haushalt braucht - die Menge ist ganz gleichgültig - hat im Juni 1914 4 Kronen und 1 Heller gekostet. Das war damals der Durchschnittsverdienst eines Arbeiters. Um den Lohn eines Tages konnte er sich diese Lebensmittel kaufen. Diese selbe Menge Lebensmittel, nicht zu Wucher- und Schlei chhandelpreisen, sondern zu Preisen, wie die staatlich bewirtschafteten Artikel den Approvisationsanstalten gegeben werden, kostete im Jänner 1920 53 Kronen 50 Heller und kostete am 31. Mai 1920 69 Kronen 50 Heller. Und, meine sehr geehrte Damen und Herren, erst dann, wenn der Durchschnittsverdienst aller Arbeiter 69 Kronen 50 Heller übersteigt, dann hat jemand die Berechtigung zu sagen, daß die Steigerung der Löhne in irgend welchem Zusammenhang, in einem kausalen Zusammenhang mit der Teuerung steht. Die Teuerung hat andere Ursachen. Die Steigerung der Löhne ist im Gegenteil eine Folge der Teuerung. Die Lohnbewegung ist niemals nachgekommen, sondern immer weit hinten geblieben und sie sind im Nachhinein sehr verspätet, ein allzu magerer Ausgleich der bereits längst überholten Preise. Es ist auch in diesem Staate üblich, die hohen Löhne der Arbeiter verantwortlich zu machen für die wirtschaftlichen Erscheinungen. Ja, es wird öffentlich vom Regierungstisch gesagt, von Parteien und Blättern, die die kapitalistische Wirtschaft stützen und ausbauen wollen. Dem gegenüber gestatten Sie mir nun wieder wenige Gegenüberstellungen. (Místopøedseda Buøíval se ujímá pøedsednictví.) Im heurigen 1. Vierteljahre hat der Durchschnittslohn des Bergarbeiters in den Vereinigten Staaten 6 Dollar und 64 Cents betragen, das sind 276 Kronen nach unserem Geld. Der Durchschnittslohn eines Häuers in Großbritannien 19 Shilling oder 170 Kronen. Der Mindestlohn in Frankreich 92 Kronen per Tag, für einen gelernten Metallarbeiter in Amerika 6 Dollar oder wieder 255 Kronen, in Frankreich ist der Stundenlohn eines Schlossers durchschnittlich 10 1/2 Kronen nach unserer Währung und einer der höchsten Löhne, die wir derzeit in der èechoslovakischen Republik haben, sie sind nicht die ganz höchsten, aber sie werden als solche ausgegeben, der Durchschnittsverdienst eines Bergarbeiters in den Nordwestböhmischen Bergbaubezirken im Monat Mai beträgt für den Häuer 42 Kronen, für die Regie arbeiter 28 Kronen und samt allen Zulagen im Gesamtdurchschnitt 39 Kronen oder nicht einmal 5 Kronen per Stunde. Dagegen bitte ich zu vergleichen die Steigerung der Indexziffern 200, 300, 400 bis 130 herab in den anderen Ländern, und bei uns 1803 und es ist wohl interessant und ich fühle mich verpflichtet, das besonders anzuführen, wie die Indexziffer bis zum Zusammenbruch und wie sie seit dem Zusammenbruch sich verändert hat. Bis zum Zusammenbruch stand die Indexziffer der Preissteigerung in Böhmen hier im Jahre 1916 432, 1917 610, 1918 am 31. Dezember 933, Mitte 1919 1312, Ende 1919 1581 und Mitte 1920 1803. Wir müssen daher feststellen, daß in keiner vorhergegangenen Zeit der Kriegszeit die Steigerung der Teuerung eine so wahnsinnige und eine so rapide war als gerade in der Zeit seit dem Zusammenbruch und seit dem Bestande Ihres Staates. Und das zeigt sich ja besonders an einem Kapitel, über das ich einige Worte sprechen muß, nirgends so deutlich, wie bei dem Kapitel der Ernährung. Ja, meine Herren, ich weiß nicht, was Sie für ein Gefühl für Ihren Staat haben, aber ich muß schon sagen, wenn Sie als Siegerstaat, als Staat, der mit wirtschaftlichen Bedingungen sein Staatswesen aufgerichtet hat wie keiner der umliegenden andereren Staaten - Sie hatten eine Landwirtschaft, die mindestens 10 Monate, wenn sie auf der Höhe wäre, die Menschen ernähren müßte, Sie haben 82% der Kohlenversorgung vom alten Österreich übernommen - Sie, die wirtschaftliche Bedingungen und wirtschaftliche Existenzfähigkeiten besaßen wie kein anderer Staat, wie müssen Sie sich jetzt vorkommen in einer Situation, wo Ihr Ernährungsdienst total zusammengebrochen ist und wo in allen anderen Staaten, die Sie immer als Besiegte hinstellen, der Ernährungsdienst gesichert ist. In der Sitzung der deutschösterreichischen Nationalversammlung vom 14. Mai konnte der Ernährungsminister Löwenfeld-Ruß mitteilen, daß im Monat Mai die normale Brotration ausgegeben wird und daß im Juni die Brotration erhöht wird.

Wie mögen Sie sich vorkommen, wenn Sie wissen müssen, daß in den letzten Wochen fünf Bezirke in den Streik treten mußten, um ein bischen Erleichterung im Ernährungsdienste zu erzwi ngen. Fünf Bezirke, 75.000 Menschen haben 300.000 kostbare Arbeitstage verloren mit einem Lohnausfall von über 7 Millionen Kronen, aus dem einfachem Grunde, weil, wie auch die Ernährungsbehörden feststellten, im Monate Mai der Bezirk Eger 12%, Ellbogen 12%, Falkenau 20%, Graslitz 20%, Karlsbad 23% und Neudek 16% der rationierten Menge der zugewiesenen Nahrungsmittel erhalten haben. 80 bis 88% haben gefehlt, 3 bis 5 Wochen ein Viertel Brot und kein Gramm Mehl und keine Kartoffeln seit Monaten in diesen Bezirken! Und wie mögen Sie sich vorkommen, wenn in derselben Zeit in einer Zeitung des èechoslovakischen Staates deutsche Staatsbehörden annonzieren und sagen: Kartoffeln frei, ohne Marke, auch für auswärts, der Zentner für 45 Mark. Wie mögen Sie sich vorkommen, wenn dieser Staat selbst die Kartoffeln in kurzfristigem Verkehre einkaufen muß, wenn Sie daran denken, was Sie vielleicht nicht Alle eingestehen wollen, daß diese Kartoffeln auch bei uns sein könnten, wenn Sie nicht zu Tausenden Waggons absichtlich und künstlich dem Verderben ausgeliefert worden wären, um daraus teueren Spiritus zu erzeugen. Ein typisches Beispiel dafür: Heuer im März ist die Spirituszentrale an die Bergbauarbeiter herangetreten und verlangte außer ihrem Kontingent Kohle, noch Tausend Waggon Kohle im März und tausend Waggon Kohle im Mai als Extrazuschuß, und auf die Frage, warum und wozu hat sie erklärt, die Mengen der verdorbenen Kartoffeln, der verdorbenen Rüben seien so groß, daß wir diese 2000 Waggons Extrazuschuß haben müssen.

Und wir sehen es ja praktisch. Seit Monaten werden keine Kartoffeln ausgegeben, 5, 10, 13 Kg. wurden in manchen Bezirken an die Bewohner ausgegeben; also keine Kartoffelbelieferung. Aber wir lasen in der Zeitung, daß die Spirituszuweisung an die Schnapsdestillationen um 30 bis 50 Prozent erhöht wurde. Wir haben keine Kartoffeln bekommen, dafür aber ein überreichliches Maß von Fusel, wir haben kein Brot, kein Mehl, dafür aber teueres Schweinefleisch und Fett, das sich aber die armen Menschen zu den hohen Preisen nicht kaufen können. Und das nennt der Herr Ministerpräsident "unerfreuliche Zustände"! Ich muß schon sagen, das ist für solche Zustände ein recht harmloser Ausdruck. Ich könnte mir nicht mehr vorstellen, daß es ei nen noch vollständigeren Zusammenbruch der Ernährungswirtschaft geben kann als der in diesem Staate. (Souhlas na levici.) Wie Bankerotteure haben Sie gewirtschaftet bis zum letzten Moment, bis Sie vor dem blanken Nichts standen, so daß jede Stunde Verspätung eines Schiffes oder ein Tag, wo ein Schiff nicht rechtzeitig anlangt, Sie in die Lage versetzt, daß Sie die Lebensmittelkarte in den einzelnen Bezirken nicht einlösen können. Sie haben keinen Ernährungsdienst, und, was vor allem das Schlimmste ist, keinen Ernährungsplan, Sie haben im Vorjahre keinen gehabt und was von unserem Standpunkte aus das Bedauerlichste ist, wir finden auch für heuer in der Regierungserklärung keinen Ernährungsplan, der notwendig und genug großzügig wäre, um die nackte Existenz der Menschen sicherzustellen und zu erhalten. Wir wollen zugeben, daß bei Ihnen die Aufbringung zusammengebrochen ist, und das hat seine besonderen Ursachen. Das ist eine Verwaltungsfrage, und ein Staat, der keine geordnete Verwaltung hat, hat auch nicht die Möglichkeit, geordnet aufzubringen. Das hat in diesem Staate seit dem Bestande ganz besondere und auffallende Ursachen. Die Aufbringung hat seit der Zwangswirtschaft immer zu wünschen übrig gelassen. Was Sie vom alten Österreich bezüglich des Aufbringungsapparates übernommen haben, mag nicht vollständig genügt haben, aber feststellen müssen wir, dass in Ihrem Staat während Ihrer Herrschaft der Aufbringungsdienst verschlechtert worden ist. (Souhlas na levici.) Das liegt ja nahe. Die Aufbringungsbeamten sind ja die politischen Beamten, deren oberster Chef eben der Führer der Agrarier ist, und es wird so einem Aufbringungsbeamten, ganz abgesehen davon, daß der Chef gar keine Weisungen hinausgeben wollte, klar sein, "wenn ich es mir mit den Agrariern verderbe, besonders mit den èechischen Vertretern, so weiß ich, was passiert. Mein Chef ist ihr Führer, und ich benehme mich so, daß ich bei meinem Chef und meinen Agrariern in meiner Eigenschaft als Aufbringungsbeamter bestehen bleibe," und das Fazit ist eine 50 u. 60%tige AuFbringung statt 100 und 120%, wie es faktisch möglich gewesen wäre. Sie haben im Vorjahre die Verordnung herausgegeben, die Brot- und Mehlration zu erhöhen. Das haben Sie aber so dilettantisch und dekorativ gemacht, daß die wirklichen Verwaltungsbeamten die Verordnung erst in der Zeitung gelesen haben. Freilich konnten sie nicht ein einzigesmal einhalten und kaum war die Verordnung erchienen, mußte die Quote gekürzt werden, nicht nur auf dem Papier, sondern Sie haben schon seit Dezember 1919 an einer akuten Ernährungskrise gelitten.

Schon im Dezember konnte die Mehlmenge und Brotmenge nicht in allen Bezirken ausgegeben werden und das trifft uns als Vertreter der deutschböhmischen sozialdemokratischen Arbeiterschaft besonders und doppelt hart. Die geographische Lage dieser Bezirke ist derart, daß sie ausnahmslos Zuschußbezirke sind, denen Lebensmittel zugeschoben werden müssen, und wenn irgendwo der Ernährungsplan, die Ernährungswirtschaft ins Stocken gerät, wenn irgendwo Lücken entstehen, so bedeutet dies bei uns Hunger, Nichteinlösung der winzigen Brot- und Mehlquote. Wir Sozialdemokraten haben schon im Dezember, im Feber und im Mai bei der Regierung eindringliche Vorstellungen erhoben, wir haben konkrete Vorschläge erstattet, aber diese Vorschläge sind nicht beachtet worden.

Eine der wichtigsten und notwendigsten Maßnahmen auf dem Gebiete der Ernährungswirtschaft ist vor allem, daß die Ernährungsbehörden in ihrem Wirkungskreise mit Exekutivgewalt ausgestattet werden und getrennt werden von der politischen Verwaltung, auch ganz oben, und ich wundere mich, wie bei diesem Ernährungszustand, bei der totalen Erschöpfung aller Vorräte sich jemand findet, das Ernährungsressort in diesem Staate zu übernehmen. Ein Ernährungsamt, das nichts zu sagen hat, ist ganz dekorativ, denn entscheiden tut über diese Frage nicht ein mit Exekutivgewalt ausgestattetes Ernährungsministerium, entscheiden tut vielmehr vor allem das Finanzministerium, das sich in der Hand anderer Leute befindet, entscheiden tut über die Durchführung das Ministerium des Innern und nicht zuletzt das Ackerbauministerium. Und wir haben gesehen, daß im Vorjahr ein unserer Überzeugung nach richtiger Ernährungsplan vorhanden war, große Mengen einzukaufen im Zeichen der Ernte, damit kein Mangel entsteht. Dieser Plan wurde vom Finanzministerium aus valutarischen Gründen verschmäht, abgelehnt. Kaum war die Ernte da, hat sich dieser Ernte neuerdings der Schleichhandel bemächtigt und diese Maßnahmen, diese verfehlten finanzpolitischen Maßnahmen sind schuld an diesem kolossalen Ernährungselend in diesem Staate, das schärfer und schlechter ist als das in dem wirklich armen deutschösterreichischen Staate. Wir haben in unserem Antrage, der ja den Herren allgemein bekannt ist, augenblickliche Maßnahmen zur Linderung der Teuerung verlangt. Die Regierung wird dazu eine Erklärung abgeben und Stellung nehmen müssen, was sie zu tun in der Lage und bereit ist. Das, was wir gestern hier vom Herrn Ernährungsminister gehört haben, ist keine Antwort auf unseren ganz klar durch unsere Fraktion gestellten Antrag, das ist eine allgemeine Redensart und - ich nehme an - ein wahrer Bericht über den tatsächlichen Stand, der darauf hinauslauft, daß bis Mitte Juli die halbe Ernährung als gesichert angesehen werden kann. Weiter hinaus kann ich keine Garantie übernehmen. Wir haben nicht nur das Recht zu erfahren, was bis zu diesem Zeitpunkt, sondern auch das, was über diese Zeit hinaus geplant ist.

Und ich weiß nicht, ob die allgemeine Versorgung ganz auf den Umstand gestellt werden kann, daß die frühzeitige slovakische Ernte ausreicht, um die ganz riesigen Mengen von Bewohnern bis zur Zeit unserer Ernte ernähren zu können. Auch darüber hat sich die Regierung kein Urteil erlaubt, auch darüber hat sie uns im Unklaren gelassen. Die Landwirte sagen: Nun, Sie sehen ja, wohin es mit Eurer Zwangsbewirtschaftung kommt; wir verlangen die Aufhebung der Zwangsbewirtschaftung, den freien Handel und wir verlangen daneben die Einfuhr von überseeischen und ausländischen Nahrungsmitteln. Wenn die Landwirte für diese Politik, wenn die Landwirte für die freie Einfuhr der Nahrungsmittel sind, so muß das uns als Vertreter der Konsumenten zumindest sehr nachdenklich stimmen. Sie waren seit Jahrzehnten und immer und immer im alten Österreich das einzige Hindernis dafür, daß die Zollschranken und Einfuhrverbote fielen, weil sie in folge der verminderten Produktion ihrer rückständigen Betriebe die Konkurrenz des Auslandes fürchteten. Wir sind un bedingt dagegen, daß die Zwangsbewirt schaftung aufgehoben wird, wir sind der Ansicht, daß darüber, wie die Menschen zu ernähren sind, ob sie leben oder nicht leben, nicht der privatkapitalistische In teressenkreis zu entscheiden hat, daß es wirklich im ureigensten Interesse des Staates und seiner Völker ist, daß darüber nicht die Agrarier zu entscheiden haben, was sie anbauen und abliefern, sondern daß sie in Zeiten der Not sich genau so ein schränkenden Maßnahmen zu unterwerfen haben, wie alle übrigen Menschen. Wir sind für die volle Aufbringung und die gleichmäßige Verteilung und Einflußnahme auf den Anbau und eine gebundene strengste Bewirtschaftung unter der Kontrolle der organisierten Konsumenten. Wir wissen schon, daß die heutige staatliche Verwaltung schwere Mängel hat. Wen wird es wundern! Wie soll aus einem Bezirkshauptmann oder einem Kommissär über Nacht ein Kaufmann werden, wie soll der etwas vom Einkauf von Lebensmit teln für die Bevölkerung verstehen, wenn er sich in seinem Leben nicht darum ge kümmert hat, und darum muß die Zwangs bewirtschaftung nicht bürokratisch, son dern kaufmännisch und unter der Kon trolle der Konsumenten vor sich gehen.

Wir sind natürlich für alle Maß nahmen, die in der Regierungserklärung angekündigt wurden - zwar nicht im Detail - die darauf hinausgehen, die Pro duktion der Landwirtschaft zu heben.

Das ist eine alte sozial-demokratische Forderung, ein alter sozial-demokratischer Grundsatz, dem Boden an Früchten abzu gewinnen, was nur möglich ist, und wo möglich mit dem geringsten Aufwand von menschlicher Arbeitskraft. Das ist das so zialistische Problem der Bodenbewirt schaftung im Zusammenhang mit dem Grundsatz, daß der Boden denen gehört, die ihn wirklich bebauen. Und wenn wir von diesen beiden Grundsätzen ausgehend die Bodenreform des èechoslovakischen Staates, die in der früheren Nationalversammlung beschlossen wurde, beurteilen, so entspricht sie keiner dieser Bedingungen, weder der einen noch der anderen. Es ist keine Sozialisierung und es ist nicht sozialistisch, gut arrondierte Gründe mit schwerem Boden zu zerstückeln, weil dadurch naturgemäß und ganz selbstverständlich der Ertrag der Bodenproduktion zurückgehen muß. Es ist nicht sozialistisch, die Produktion auf 30 bis 40 Jahre hinaus so zu regeln, Sie werden bei Ihrer Bodenreform 30 Jahre brauchen, bis Sie 700.000 neue Besitzer aus dem Boden gestampft haben. Während dieser 30 Jahre weiß jeder Verwalter, der Gutsbesitzer: das Gut gehört nicht mehr mir und Sie werden den Gutsbesitzern so lange Zeit lassen müssen, bis er den Boden ganz devastiert hat und Sie werden statt bau- und ertragsfähigen Boden ausgeraubten, ertragsunfähigen Boden und statt in Stand befindlicher Objekte Ruinen vorfinden, wenn Sie Ihren Plan ausführen wollen.

Wir verbinden diese Grundsätze der möglichsten Ertragsfähigkeit unter Bearbeitung durch die Besitzer des Bodens mit der Bedingung, daß zunächst die den Boden Bebauenden, ob es Kleinbauern, Häusler sind, für schlecht arrondierte Großgrundbesitze und für Besitzer in höheren Regionen, oder ob es landwirtschaftliche Arbeiter oder landwirtschaftliche Beamte sind, in gut arrondiertem Boden gemeinsam arbeiten in gemeinschaftlichem Betrieb im Wege einer Genossenschaft, gemeinsam mit den Produzenten, mit den Selbstverwaltungs-Bezirken, das ist der einzig mögliche Weg und einzige Ausweg, um die Bodenreform nach diesem Gesichtskreis durchzuführen. Diesen Anlaß kann ich nicht vorbeigehen lassen, ohne gegen eine Einrichtung, die auf dieser Bodenreform fußt, scharfe Verwahrung und Protest einzulegen. (Pøedseda Tomášek ujímá se pøedsednictva).


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