Pátek 18. èervna 1920

Die Frage Ostschlesiens steht ja vor der ganz nahen Entscheidung. Sie hätten es in der Hand gehabt oder Sie haben es noch in der Hand, zumindest die Sympathien der deutschen Ostschlesier und auch vielleicht der slonzakischen Ostschlesier für sich zu gewinnen, Sie haben es aber auch in der Hand, diese Sympathien dauernd zu verlieren. Es ist ein ganz ureigener Zufall, daß wir in der starren Ablehnung dieser Vorlage mit ihren schärfsten Oppositionsparteien zusammentreffen.

Allerdings, wenn zwei dasselbe tun, ist es bekanntlich nie dasselbe. Es sind ja verschiedene Motive maßgebend. Auf der Seite Ihrer Opposition - verzeihen Sie das harte, herbe Wort - ist es die Abneigung gegen unsere finanzielle Stärke, die Ihre Stellungnahme beeinflußt, auf unserer Seite ist es eine tiefwurzelnde Unzufriedenheit, die nicht bloß von der Lippe, die vielmehr vom Herzen kommt. Denn glauben Sie mir, ich kenne das Volk. Ich lebe mit ihm, ich bin mit ihm seit meiner Jugend verwoben. Unsere Volksseele ist durch diese Vorlage aufgewühlt, wie noch nie. Es lastet auf diesem herrlichen Lande, oder Staat, wenn Sie sagen wollen, der Fluch, daß hier seit Jahrhunderten alles mit dem Gradmesser des Gefühles, des Temperamentes und niemals mit dem Gradmesser der kühlwägenden Vernunft gemessen wird. Die wirtschaftlichen Zusammenhänge - Sie wissen es ja auch, es hieße Eulen nach Athen tragen, wollte ich Ihnen dies schildern - sind ja so enge, daß auch die wirtschaftliche Kraft Ihres eigenen Volkes durch diese Vorlage Schaden leiden wird und der Staatskredit sinken muß. (Místopøedseda dr. Hruban pøevzal pøedsednictví.)

Die Wiedergeburt unseres Wirtschaftslebens wird auf diese dilettantische Art und Weise nie und nimmerm ehr erreicht. Es ist ein schlimmer Fehlgriff, ein Irrweg, auf den Sie vielleicht das Temperament, die Rücksichtnahme auf die demagogische Straße teilweise drängt. Glauben Sie aber ja nicht, daß es Gnade ist, auf die wir warten, dazu sind wir doch zu stolz, dazu sind wir doch zuviel Männer - es ist kein Geschenk das wir wollen, es ist unser blankes Eigentum und auch das Eigentum des èechischen, des slovakischen und magyarischen Zeichners, für das wir heute eintreten (Posl. dr. Lelley: Ungarisch, nicht magyarisch!.) Ungarisch, bitte, ich akkomodiere mich und wenn Sie dieses unser ehrliches Eigentum uns vorenthalten, andererseits aber selbst mit Amnestien Steuern rückwirkend ausschreiben, so spricht daraus kein gerechtes menschliches Empfinden, nicht der Geist, jenes selten hohen Mannes, den Sie so oft bei jeder Gelegenheit zitieren, der Geist jenes A. Komenius, den auch wir verehren, so spricht hieraus einzig und allein der Geist des nackten unverhüllten èechische Adelige, jener èechische Graf uralten Gedenkens vor schier hundert Jahren im alten Prager Ständehaus dem Kaiser den entwerteten Groschen in die Höhe reckte und ihm diese Entwertung zum Vorwurfe machte, so laden auch Sie in der heutigen Stunde den großen geschichtlichen Vorwurf eines Millionenvolkes auf sich und Sie erweitern die Kluft, die Sie heute mit einer gesunden Vorlage hätten schließen könnten. (Souhlas na levici.)

Aber eines können wir Ihnen sagen, eines ist gewiß: Draußen in unserem Volke ist in dieser ernsten Stunde jeder Parteihaß, jeder Parteihader, alles trennende verstummt. Wir sind einig auf der ganzen Linie - schauen Sie sich den ganzen linken Block an, ohne Unterschied der Parteien - und wir werden in dieser Frage einig bleiben, bis Sie das Unrecht, das Sie heute verbrochen haben, völlig gesühnt haben werden. Wir stehen nicht auf der Zinne der Partei, wir stehen höher, die Devise, die uns heute in unseren Empfindungen, in unseren Handeln und unseren Worten leitet, ist in den drei Worten geprägt: "Volk in Not!"

Die Produktion vieler moderner Juristen ist - wir sehen dies besonders in diesem Staate - schier reicher an Novellen, als an Gesetzen. Und hier wird die Novellierung früher kommen müssen als Sie glauben. Allerdings, der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe werden Sie an eine Novellierung schreiten. Aber die Riegel- und die Drohparagraphe, die in dieser Gesetzesvorlage enthalten und festgelegt sind, werden verpuffen, die eiserne wirtschaftliche Notwendigkeit wird die Novellierung dieses Gesetzes erzwingen, wie sie die Novellierung vieler Gesetze in diesem Staate bereits erzwungen hat. (Výkøiky.)

Das innerste Motiv für diese Gesetzesvorlage ist, daß wir als Vorspann für die neue Staatsanleihe dienen sollen. Das wirkt aber - und das ist wieder ein Naturgesetz - nach keiner Seite. Der beabsichtigte Doppelzweck wird nicht erreicht werden, denn zweien Herren kann man wunschgemäß nicht zu gleich dienen. Uns bringt dieses Gesetz den Zusammenbruch tausender Existenzen, Ihnen wird es nie und nimmer den erhofften Goldbeide werden als Geschädigte hervorgehen. Nur bei einer Gesetzesvorlage, wo die Vernunft als Pate steht, und hier ist das nicht der Fall, kann das Glück des Volkes gezimmert werden. "Wie sich Vernunft und Glück verketten, das fällt den Toren niemals ein, wenn sie den Stein der Weisen hätten, der Weise mangelte dem Stein." Und es war eine Torheit, die Sache zum Politikum zu stempeln und durch dieser Torheit werden deshalb auch Sie als Geschädigte am Kampfplatz bleiben. Auf der Strecke liegt mit der Annahme dieser Vorlage nicht allein das deutsche Volk.

Wer tiefer sieht, wer den psychologischen Gründen dieser Vorlage nachgeht, der muß sich sagen, daß auch der èechoslovakischen Republik eine tiefe Wunde geschlagen wurde. Mit dem heutigen Tage wurde dem deutschen Volke der Staatsgedanke, wurde dem deutschen Volke der Glaube an Recht und Gerechtigkeit aufs Neue zertrümmert. Ihr Ungluck ist in allen Dingen, und auch in dieser Sache ist die Entente, die die Lösung des Kriegsanleiheproblems verschleiert hat. An dieser Liebe der Entente werden sie sterben. Es ist die englische Krankheit, wie ein Herr vorhin gesagt hat. Es wäre aus naheliegenden Gründen, es wäre aus Vernunftsgründen viel besser gewesen, wenn sie eine Vorlage geschaffen hätten, durch die Sie das Zutrauen Ihrer deutschen und anderssprachigen Volksgenossen voll und ganz erworben hätten. Sie haben den Zeitpunkt versäumt. Dieser Zeitpunkt wird nicht so bald wiederkommen. Denn eine Novellierung wird von uns nicht mehr als eine Herzenssache angesehen werden. Leid und Not, Elend und Qual hat der Krieg in die Hütten, in die Häuser unseres Volkes gebracht. Noch sind diese Wunden nicht verharrscht. Neues Leid und neue Qual bringt dieses Gesetz, und das, was in diesem Gesetz niedergelegt ist, soll das vielleicht die Linderung der Kriegs schäden sein, die die Regierungserklärung in so epischer Breite uns ausgemalt hat? Ich wiederhole es, es ist der dauernde Fluch dieses Landes, daß jene Männer, welche Vernunft, welche billige Rücksicht nahme predigen, in den Hintergrund ge drängt werden und dem Scherbengerichte der urteilslosen Menge verfallen. Aus allen diesen Gründen, und aus allen diesen Erwägungen heraus müssen wir aus vol lem Gewissen die vorstehende Gesetzvor lage entschieden ablehnen. Wir müssen sie ablehnen aus zwei Gründen: Unseret wegen und vielleicht auch Ihretwegen. Für uns wird sie zum finanziellen Zusammenbruch, zum finanziellen Königgrätz, für Sie, meine Herren, wird sie unweigerlich zum finanziellen, zum traurigen Lipan werden! (Souhlas a potlesk na levici.)

6. Øeè posl. dr. Lehnerta (viz str. 419. protokolu):

Hohes Haus! Verehrte deutsche Kollegen! Sie wundern sich wahrscheinlich, daß ich mich als Redner für den vorliegenden Gesetzesantrag eintragen ließ, aber das hat seine guten Gründe. Erstens einmal sind wir Mitbürger dieses Staates geworden. Wir sind heute Staatsbürger, wenn auch nicht vollberechtigte Staatsbürger geworden. (Hlas: Siebenter Klasse!) Erster, zweiter, dritter Klasse, es gibt ja viele Klassen, ich weiß nicht, an welcher Stelle wir kommen. Wir haben einfach, den Verhältnissen Rechnung tragend, uns auf den Boden dieses Staates gestellt. Das ist der eine Grund, weil es auch dem Knecht schließlich zukom men muß, zu den Gesetzesvorlagen, die die Regierung einbringt, Stellung zu nehmen und weil auch ein Knecht gegenüber der Herrennation das Recht hat, sich vielleícht für das auszusprechen, was der Herr will. Wir sind nach der Meinung der Èechen in ihren Staat gekommen, weil wir besiegt worden sind. (Výkøiky.) Besiegt und gedemütigt sind wir und von unserer stolzen Höhe hinuntergeworfen. Aber Sie sind die Sieger nicht. Das Schicksal, die . Übermacht, die ganze Welt konnte uns besiegen, Sie niemals. (Souhlas na levici. - Výkøik: Vy jste poøád ješte pyšní!) Gewiß sind wir stolz und wir werden noch stolzer werden! (Nepokoj. Místopøedseda dr. Hruban zvoní.) Gewiß werden wir dafür, daß wir besiegt und gedemütigt worden sind, bestraft. Und als Strafrichter, Kerkermeister und Henker über uns hat man Sie bestellt. Die Entente hat Sie als einen von den Kettenhunden Deutschland an die Seite gesetzt mit
den Polaken. Meinetwegen können Sie diese Rolle schön oder nicht schön finden, es ist heute einmal Ihre Rolle. Und da wir Ihnen von dem deutschen Volke als der zunächst liegende Teil gegenüberstehen, und da wir heute ohnmächtig sind, uns gegen die Mißhandlungen, die uns von Ihnen zuteil werden, entsprechend zu wehren, so müssen wir diese Demütigungen erdulden und tragen. Wir müssen sogar eingestehen, daß wir schlecht waren, daß wir die Strafe als gerecht empfinden, daß es vielleicht noch zu wenig Strafe für unsere Schlechtigkeit ist. Denn bedenken Sie nur, was wir alles verbrochen haben: Wir haben verraten, wir sind Verräter, Landes- und Reichsverräter. Wir sind während des Krieges, als sich der Staat, dem wir früher angehörten, in großer Not befand, zu Hochverrätern geworden und im Kriege übergelaufen. Wir haben unsere alten Eide, die uns an den mehrhundertjährigen Staat banden, gebrochen. Wir verdienen Strafe. Das ist die Ethik des Weltgeschehens und darum leidet unser Volk. (Sehr gut!) Diejenigen, die auf der guten Seite standen, die sich auf die Seite der Demokratie, auf Seite des Rechtes und der Freiheit der Völker und aller sonstigen hohen menschlichen Ideale gestellt hatten, wie sie Wilson in den 14 Punkten gepredigt hat, die sind jetzt unsere Kerkermeister und die Vollstrecker der Strafe an uns. Ja, wir sind grundschlecht. Darum weil wir schlecht sind, hat man uns auch nicht getraut, als wir hereinkamen. Früher galt ein Eid als ein Eid und ein Wort als ein Manneswort. Heute hat man geglaubt, ein Eid sei für einen Deutschen zu wenig und für einen Andersnationalen als einen Èechen selbstverständlich auch. Und man nahm uns darum einen doppelten Eid ab: Erst einen schriftlichen, den kann man einmal schwarz auf weiß zeigen, dann einen mündlichen, den wir hier "slibieren" mußten. Unser Sprachschatz ist eigentlich nicht reich genug, um das zu bezeichnen, was wir dabei gedacht haben, als wir hier " slibieren" mußten.

Wir haben das so ungefähr unserem Volke zurechtgelegt mit dem Ausdruck: dem èechischen Staat èechische Treue! Diese Treue werden wir Ihnen halten (Smích na levici.) und wenn Sie wollen, schwören wir es noch mit zehn Eiden, selbstverständlich mit zehn èechischen Eiden. In dieser Beziehung sind wir ja noch jung, obgleich wir sonst an Kultur, an Gesittung und sonstiger Zivilisation Ihnen voraus waren und - ohne daß ich deswegen Ihre Nation zurücksetzen will, aber die geschichtlichen Verhältnisse sind einmal so Sie waren in der Kultur unsere Schüler, Sie waren sogar sehr gelehrige Schüler, Sie haben uns in dieser Beziehung übertroffen; ich beglückwünsche Sie zu der Entwicklung, die Sie in den letzten 50 Jahren unter der österreichischen Regierung genommen haben und hoffe nur, daß Ihre Entwicklung im eigenem Staate in demselben Tempo weiterschreiten wird, in Ihrem Interesse. Also: endlich hat man uns hereingelassen und wir sind nicht mehr stumme Hunde, wie wir es bis jetzt 1 1/2 Jahre lang gewesen sind. Und wenn ich jetzt hier spreche, dann schwindet dieser Saal, der mit deutschem Geld erbaut ist und Kunstzwecken gewidmet war und dem gegenüber Sie in Ihrer bekannten Art zur Requisition gegriffen haben - ich weiß nicht ob Sie dafür eine Entschädigung gezahlt haben oder heute noch zahlen, das geht mich auch nichts an und unser Volk draußen geht es auch nichts an also dieser Saal mit seinen Säulen schwindet vor mir und ich sehe nur die Berge und Täler meiner Heimat, dii mich hieher geschickt hat und für die ich spreche. Ich weiß, daß meine Worte auf die Èechen gar keinen Eindruck machen können, da Sie mich nicht verstehen oder unseren Gedankengang nicht verstehen können, daß Sie auch gar nicht gewillt sind, mit uns zu verhandeln. Sie haben nur gezwungenermaßen, um den Schein der Demokratie aufrecht zu erhalten, uns hierhereingenommen in diesen Saal und zur Mitberattung eingeladen. Denn wäre es Ihnen darum zu tun gewesen, mit uns zu verhandeln, dann hätten Sie sich in den ersten Sitzungen ganz anders benehmen müssen, meine Herren. Ich gebe Ihnen zu, daß Sie sich ungeheurer bemüht haben, wie soll ich sagen, gentlemanlike zu sein, ruhig zu bleiben, auch wenn Sie angegriffen wurden, nicht auffahrend zu werden und das angeborene Temperament zu zügeln. Aber was ist in der ersten Sitzung geschehen? Mit allen diesem Stimmen hier von unserer Seite ist der Präsident Tomášek gewählt worden. Wenn sonst einer von uns draußen im deutschen Gebiet in einer Körperschaft gewählt wird, wo verschiedené Parteiungen sind und er wird einstimmig gewählt, so ist es selbstverständliche Pflicht des Taktes, daß er sich für das Vertrauen bedankt, das ihm zum Ausdruck kommt, daß er verspricht, unparteisch die Geschäftsordnung zu handhaben, und nach Möglichkeit rechts und links nicht zu unterscheiden. Hat einer ein Wort des Dankes dafür gehört, daß wir ihn gewählt haben? (Posl. dr Rada: Wir verzichten darauf!) Wir hätten schon verzichtet, aber es wäre schön auf seiner Seite gewesen, wenn er sich bedankt hätte (Výkøik: Anständig!)

Ich sage nicht, daß er unanständig war, wenn er es nicht tat, aber wir haben das Gefühl gehabt, daß es nicht besonders fein war. Und in der zweiten Sitzung, als Sie feierlich Ihre Staatlichkeit nach außen hin vor den Diplomaten der Entente und der Neutralen manifestieren wollten, als Sie den Präsident Masaryk hier wählten und ihn angeloben ließen, haben Sie diese kindische Verballhornung unserer Namen durchgeführt und damit der ganzen Feierlichkeit eine lächerliche Note aufgedrückt. (Výkøik: Vy byste byli našli nìco jiného!) Wenn ich Sie verstände, lieber Herr, wäre es mir sehr lieb. (Veselost.) Ich habe auseinadergesetzt, daß wir uns als Staatsbürger fühlen, daß wir als Abgeordnete selbstverständlich die doppelte Pflicht in uns fühlen, für das Wohl dieses Staates zu sorgen und doppelte Treue zu halten. Es könnten vielleicht einige im deutschen Volke sein, die glauben, daß man diesem Staate zu grollen hätte, daß man ihn nicht lieben könne; er ist von den Èechen aufgerichtet, die Èechen waren bis jetzt nicht unsere Freunde und wir waren ja schon vorher im alten Österreich Verschiedenes gewohnt. Da waren wir noch beisammen unter einem gemeinsamen Oberhaupte, unter dem österreichi schen Staate, der weder unser noch Ihr Staat war, sondern ein Staat für sich. In diesem Staate hatten wir die Rolle der Frau und sie hatten die Rolle des Dienstboten. Die Frau hat den Vorteil, daß sie nicht kündigen kann, der Dienstbote aber setzt dem Herrn den Stuhl vor die Tür, wenn ihm etwas nicht paßt. Wir hatten diesen Vorteil nicht und lebten unlösbar ist, und wo sich der Mann besonders viel herausnehmen kann, eine Frau zu traktieren, weil er weiß, daß sie nicht los kann. In dieser Rolle waren wir.

Sie waren in der glücklichen Lage des Dienstboten, der jederzeit kündigen konnte, und darum wurde Ihnen zugelegt, darum wurden Ihnen ihre Wünsche erfüllt, während wir stets nachgeben mußten. Und was haben wir erst während des Krieges erlebt? Sehen Sie sich z. B. nur die Bevölkerung im deutschen Gebiete Böhmens und die im èechischen Gebiete an, ich möchte sagen, sehen Sie sich unsere Abgeordneten und die Abgeordneten von dieser Seite an. Der Durschnitt ist mindestens ein Fünftel besser genährt. (Veselost.) Draußen ist das noch viel schlimmer Wenn man bei uns in die Städte kommt, die Hungerdemonstrationen sieht, das ist nicht ein derartiges Markieren wie in Prag, wo man einmal auf und ab zieht und dann nach Hause geht. Dort sieht den Leuten der Hunger aus den hohlen Augen heraus und jetzt haben wir schon zwei Jahre Frieden. Früher hat der Krieg das verschuldet, man konnte das dem Krieg zur Last legen, heute aber legen wir es Ihnen zur Last und der Regierung, die diesen Vorschlag heute eingebracht hat, sie ist dafür verantwortlich, daß unser Volk hungern und leiden muß; obwohl der Krieg zu Ende ist, obwohl wir besiegt sind, obwohl wir Ihre Knechte sind und obwohl wir unsere Nacken beugen, füttern sie uns nicht einmal. Im Gefängnis wird man besser behandelt.

Man kriegt wenigstens zu essen. Unser Volk ist halb verhungert. Heute gibts in Reichenberg nur ein Viertel Laib Brot. Lassen Sie in Prag das vor sich gehen. (Výkøik: Sokolkongreß!) Ich habe das Sokolfest nicht im Auge, ich will es Ihnen auch nicht mißgönnen, denn Sie sollen Feste feiern, denn Sie sind ja die Sieger, aber sie sollen dabei uns nicht verhungern lassen. Des klagen wir Sie an, daß Sie uns im Kriege ausgehungert haben, systematisch unter den verschiedensten Vorwänden nichts abgeliefert haben, daß Sie jetzt, wo es Ihr Staat ist, wieder dasselbe betreiben, daß Sie wieder nicht abliefern, damit das deutsche Randgebiet nicht versorgt werden könne, denn wir haben nur den schlechten Boden bekommen, den Ihre Vorfahren nicht mochten; den besten Boden haben Sie erhalten, die alten Wälder haben unsere Vorfahren genommen zum Ausroden. Dort wächst nichst, dort ist nur eine tüchtige Industriebevölkerung, die Gewerbe treibt, daß sie leben und verdienen kann.

Nun sollen wir wieder gestraft werden, wir, die wir während des Krieges gehungert, die wir geopfert, gezeichnet haben. Unser Volk, unser Volk soll nun in der Gänze bestraft werden, draußen, hoch und niedrig, alle Leute, durch den Vorschlag, den die Regierung hier eingebracht hat.

Es soll nun die Axt an die Wurzel, unseres Wirtschaftslebens gelegt werden. Da Frage ich die Èechen: Können Sie uus nicht nachempfinden, mit welcher Liebe wir Ihren Staat umarmen möchten, wie wir förmlich begeistert sind und uns nicht helfen können vor Freude, daß wir mit Ihnen z. B. eingesperrt sind in diesen Käfig? Wenn Sie sich die Gedankengänge eines anderen überhaupt überlegen, so muß ich sagen, mit einer staunenswerten Konsequenz führen Sie uns zu immer größerer Liebe, zu immer größerer Begeisterung für diesen Staat. Als der Krieg vorüber war und der Zusammenbruch Österreichs erfolgte, als die èechischen Soldaten in unser von den Kriegern entblößtes Heimatsland einmarschierten, da kosteten wir ja gleich von Anfang an die Süßigkeiten, die uns bevorstehen würden, in reichlichem Maße aus. Wir alle waren vogelfrei. Mehr Freiheit kann man sich wirklich nicht wünschen. Wir waren vogelfrei auf unserem eigenen Boden, den wir durch Jahrhunderte besessen haben, da wurden wir vom Fleck weg verhaftet, wurden aus dem Eisenbahnwagen herausgezerrt, wenn es irgend einem von Ihren Heldensöhnen, der mit Lederschienen an den Beinen, die noch aus der österreichischen Zeit stammten, sich nun nachträglich Verdienste für die Siege erwerben wollte, die er vielleicht draußen im Felde nicht errungen hatte. Wir wurden von Ihren Heldensöhnen eingesperrt, verhört oder nicht verhört, angeklagt oder nicht angeklagt, verurteilt oder nicht, je nach Laune und Willkür.

Und warum konnten Sie das mit uns so leicht machen? Weil Sie uns die Waffen abgenommen haben, als wir von der Südfront heraufkamen, nicht bloß die Waffen und Munition abgenommen haben, sondern auch die eigenen Bekleidungsstücke, die Zivilmonturstücke . . . Da haben Sie natürlich sofort eine wunderbare Freude empfunden, als Sie den heimatlichen böhmischen Boden betreten haben. Was die Südslaven, die Italiener und Österreicher ihnen gelassen hatten, das wurde ihnen hier weggenommen, denn hier ist der richtige Ort gewesen, wo sie frei sein konnten, frei von allem, von allem. Sie haben dann unsere Farben verpönt. Gut, es ist eine Außerlichkeit, aber was für Folgen hat dieses Farbenverbot gehabt? Wer hat meist die Farben getragen? Kinder tragen Farben am liebsten, das ist bei Ihnen so wie bei uns. Und wie sind da Ihre Heldensöhne eben auch wieder in Verfolg der nachträglichen Erwerbung des Sieges gegen uns vorgegangen? Meine Kinder haben Sie blutig geschlagen. Ich will nicht davon erzählen, daß ich zweimal verhaftet und einmal zu zwei Tagen Arrest verurteilt war. (Hlas: Alle waren wir verurteilt!) Das ist nämlich jetzt eine Ehre, ganz etwas anderes als früher. Was früher als eine Schande gegolten hätte, gilt jetzt als Ehre. Und hunderte von Kindern haben Sie blutig geschlagen und was in Znaim geschehen ist, werden Sie noch einmal erzähhen hören, denn wir haben uns vorgenommen, Ihnen das Sündenregister einmal litaneienweise vorzubeten.

Místopøedseda dr. Hruban (zvoní): Žádám pana øeèníka, aby se držel vìci, o níž jednáme.

Posl. dr. Lehnert (pokraèuje): Ich spreche zur Sache. Ich will den Beweis erbringen, daß wir hier verpflichtet sind, für den Staat einzutreten. Das muß ich erst beweisen, weil ich doch beweisen will, warum ich mich "pro" gemeldet habe. Es ist ganz gewiß nicht angenehm, für den Herrn Präsidenten, ich kann aber nicht dafür, wir haben das nicht getan, Ihre Leute haben das getan und wenn wir das erzählen, muss ich das . . .

Místopøedseda dr. Hruban (zvoní): Žádám pana øeèníka, aby nepolemisoval s pøedsednictvem.

Posl. dr. Lehnert (pokraèuje): Ich kritisiere nicht den Herrn Präsidenten, ich bemerke nur, daß ich nicht dafür kann, wenn ich das erzählen muß. Diese Kindermißhandlungen und das, was in Znaim geschehen ist, wird Ihnen später einmal erzählt werden. Nun sind Sie so weit, daß Sie alles das fortsetzen wollen, was Sie damals angefangen haben bei Ihrem Einzug und Ihrer Herrschaft während der 1 1/2 Jahre parlamentsloser Zeit, die Tötungen, die Sie auf dem Gewissen haben, die auf das Konto Ihrer Regierung kommen. In meinem Heimatsort, in meinem Geburtsort, in Zinnwald - ich meine nicht den 4. März, - sind allein vier Personen von der Grenzwache angeschossen und zwei von ihnen getötet worden. (Hört! Hört!) Und so ist es längs der ganzen Grenze gegangen. Wenn wir einmal das Material herausgeben werden, wird Europa staunend sehen, welchen schönen Balkanstaat wir hier im Herzen Mitteleuropas haben. Nun freilich, wir haben alle Ursache, mit dem Staat zufrieden zu sein und ihm in jeder Weise entgegenzukommen. Ich glaube, es genügt einstweilen dieses, um zu beweisen, warum es notwendig ist, daß von unserer Seite für diese Vorlage gesprochen werde.

Der Staat wird wahrscheinlich bankrott werden. Ich weiß nicht, ob das im stenographischen Protokoll verzeichnet wird oder ob es den Interessen des Staates schaden wird und infolgedessen gemäß der berühmten Geschäftsordnung, die Sie geschaffen haben, von dem Präsidenten zensuriert und ausgestrichen werden wird. Sollte das der Fall sein, so werden wir dafür sorgen, daß das durch unsere Kollegen draußen mündlich kolportiert wird. Übrigens ist es gar nicht notwendig, das zu kolportieren, denn das ist eine allgemein bekannte Tatsache, die ich feststelle, und wenn sie keine Angst hätten, daß er bankrott wird, hätten sie keine Anleihevorlage eingebracht. Sie brauchen Geld, können nicht weiter und müssen Geld borgen. Der Staat muß also Geld borgen, sonst wird er bankrott, denn mit den Steuern kann er wahrscheinlich nicht auskommen, denn sonst würde er nicht Geld borgen, sonst käme die ganze Staatsanleihe gar nicht in Betracht. Der Staat steht vor dem Bankrott, wenn er nicht Geld bekommt. Nun, ich glaube, er wird auch mit der neuen Anleihe bankrott werden (Veselost na levici), nur gglaube ich, daß er mit der Anleihe, wie sie in dieser Vorlage vorgebracht wird, etwas früher bankrott wird. Er wird bankrott; Gott, vielleicht waren andere Staaten auch bankrott. Unser Nachbar, Deutschösterreich, steht unter Kuratel. (Posl. dr. Rašín: Když zaplatíme váleèné pùjèky, mohlo by se to státi!) Also gut, Sie werden hier diesen Staat auch nicht halten, wir können nichts dafür, wir leiten und lenken ihn nicht, die ganze Verantwortung für alles, was geschieht, haben Sie. (Posl. Koudelka: Protože jsme pøed bankrotem, máme vám dáti 150 za váleèné pùjèky? Proto chcete, abychom vám je zaplatili, aby to bylo døív! My jsme menšina a vy jste vìtšina.) Also: Wir können nichts dafür. Wenn wir etwas beantragen, das ist immer die "menšina" und wenn Sie etwas machen, ist das immer die "vìtšina". (Výkøiky.) Sie haben die Verantwortung für alles was geschieht, und darum spreche ich dafür, daß Sie diese Anleihe aufnehmen sollen u. zw. in dieser Form, wie Sie sie eingebracht haben, und darum halte ich es für günstig. Ich bin der Meinung, wenn irgend jemand unheilbar krank ist und man sieht ihn offenbar Selbstmord begehen, dann soll man ihn nicht aufhalten. Das wäre eine Grausamkeit, ihn länger den Qualen zu überantworten, die der langsame Tod mit sich bringt. Wenn er ins Verderben rennen will, kann man ihm nicht helfen. Und man soll ihn gehen lassen. Meine Herren Kollegen von der deutschen Seite! Sie haben sich sehr bemüht, den Kollegen von der èechischen Seite Vernunft einzureden. Sie sagen: Das ist schlecht, ihr werdet Euch selbst schaden, aber Sie wollen nicht hören und wer nicht hört, der soll fühlen. Das werden Sie sehr bald zu fühlen bekommen, wohin das führt.

Daß der Staat bankrott wird, hat auch seine Gründe. Warum! Weil er mehr ausgibt, als er einnimmt. Sie sind durch einen - ich möchte sagen, Glückszufall, wie Hans in Glück - auf ein paar Tage einmal König geworden. (Hlasy: Kriegsgewinner!) Das auch. Aber nicht so sehr. Es ist ein Zufall gewesen. Der Kriegsgewinner kann sein Geld zusammenhalten, er kann es verjuxen, aber auch beisammen halten, und später auch noch etwas davon haben, aber Hans in Glück kennt sich nicht aus. Er hält sich Militär, mehr als Österreich, er bezahlt in glänzender Weise fremde Generale, ich brauche Ihnen nicht Namen zu nennen, sehen Sie nur die vielen Autos, die im Prag herumfahren, die Staatsautos - das kostet alles Geld - und sehen Sie nur das Beamtenheer. Es war eine solche Überproduktion an Intelligenzproletariat bei Ihnen vorhanden, das drängte sich hungrig an die Krippe und Sie haben ein Beamtenherr, vor dem Sie später Angst bekommen werden.

Und dann zum Schluß die liebe alte Bekannte aus Rußland und Österreich: die Korruption. Wie ich heute Herrn Beneš hier hereinkommen sah, habe ich sofort an Jirák gedacht. Ich glaube, daß Jirák nicht ein Einzelwesen bei Ihnen ist, und daß es in diesem Staate noch viele Jirák's geben wird, die gerade auf keinen Beneš treffen. Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen. Bei uns ist allgemein die Meinung verbreitet, daß der Jirák's mehr herumlaufen. Es ist das die Natur des Emporkömmlings. Er kennt sich nicht aus vor Glück, und weiß nicht, was er damit anfangen soll, und natürlich ist auch seine ganze Denkweise die eines Emporkömmlings. Das kann man ihm nicht verargen, das ist nun einmal so. Sehen wir uns einmal die Geschäftsordnung an; das ist eine reine Kammerdienermoral, die daraus spricht: Einschüchtern! Wenn wir nicht parieren, dann schließen sie uns aus. Das genügt aber nicht. Sie bezahlen uns kein Geld. Da werden wir aber, denken Sie, still sein und uns alles ruhig gefallen lassen; denn Sie würden uns einfach das Geld sperren. Das ist eine Kammerdiener-, ich möchte schon ságen Unterkammerdienermoral, die aus diesen Paragraphen der Geschäftsordnung spricht. Es ist dies einfach lächerlich von unserem Standpunkte aus. Wenn wir uns denken sollten, daß wir eine solche Geschäftsordnung hätten schaffen sollen, würden wir es einfach nicht begriffen haben, solche Paragraphen hineinzunehmen und zu glauben, daß ein Mann von Ehre und Anstand darauf etwas geben werde. Das ist nun einmal die èechische Mentalität und Denkweise, die die Volksseele derzeit beherschen. Wenn dieser Antrag durchgeht, dann erhoffen wir - ich wollte sagen, befürchten wir - den Staatsbankrott etwas früher. Und es macht sich ganz schön, daß wir, wo wir gefesselt auf einen Wagen geworfen worden sind, dessen Kutscher das èechische Volk, vielmehr die èechische Regierung ist, daß wir mit ingrimmiger, ich möchte sagen, mit fatalistischer Ergebenheit zusehen können, wie der Kutscher dem Abgrund zutreibt, Kutscher, Pferde und vielleicht wir gehen zugrunde; es wird die Zukunft erweisen, wer sich noch aus dem Abgrund heraus retten wird. Wenn es uns gelingt, unsere Fesseln zu brechen und zu zerreißen, würden wir selbstverständlich vorher abspringen.


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP