Hohes Haus! Wir haben soeben den Generalberichterstatter über ein Milliardenbudget gehört und ich gebe zu, daß das eine so eminent wichtige Sache ist, daß sie die geraume Zeit rechtfertigt, mit welcher er das Haus in Anspruch genommen hat. Ich setze aber voraus, daß das hohe Haus nicht zu ermüdet ist von diesen sachlichen und wichtigen Ausführungen, um auch Aufmerksamkeit für das zu haben, was heute an dieser Stelle ausgesprochen werden muß im Interesse dieser Republik in erster Linie, im Interesse der Wohlfahrt ihrer Völker.
Nicht das Budget allein ist es, welches heute die Aufmerksamkeit der Bevölkerung dieses Landes in Anspruch nimmt, es sind ganz andere Sachen, die uns berühren, die tief eingreifen in das Volksleben dieses Staates. Wir haben hier eine Republik. Diese ist bewohnt von einer Anzahl von Völkern. Alle diese Volksstämme sind ausgesprochene Kulturvölker. An der Spitze der Bevölkerung dieses Staates marschieren zwei Nationen, die beide nach Millionen zählen, die Kulturnationen sind und die seit Jahrzehnten auf dem Gebiete unserer herrlichen Landwirtschaft, auf dem Gebiete des Gewerbes, der Arbeit, der Industrie um die Palme ringen. Wir haben in diesem Staat aber auch das Bewußtsein, daß wir einen Weltkrieg hinter uns haben, der das Volk ins Elend und in die Not gebracht hat, und wir haben daher in weiten Schichten unserer Volkskreise hüben und drüben den Willen und verlangen, daß endlich eine friedliche Arbeit platzgreife, um die Schäden zu heilen, um den Menschen wieder ein würdiges Dasein, ein Familienleben möglich zu machen.
Und trotz dieser Tatsache, trotz dieses Verlangens breiter Schichten, das nicht abzuleugnen ist, insbesondere des Arbeiterstandes, des Landvolkes und Gewerbestandes haben wir hier Erscheinungen, die unbegreiflich sind. Denkmäler werden niedergebrochen, Kulturstätten verwüstet, Kunstinstitute unmöglich gemacht, einfache Landleute aus dem Dorfe, die am Pfluge arbeiten und die Nahrung für alle schaffen, werden nächtlicherweise aus den Betten gerissen und als Gefangene fortgeführt. Ja, meine Herren, wenn aus einem wirklich demokratischen Lande, etwa aus der großen amerikanischen Republik ein unparteiischer Mann da herüber käme und dieses sähe, er aus dem Lande der Arbeit, der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Wohlstandes, so müßte er sagen: In Mitteleuropa ist eine Republik errichtet worden, aber die Republikaner sind irrsinnig geworden.
Wenn in Rom - und es hat überall Krisen gegeben - der alte Cato das Forum verließ, da gab es eine Zeit, es war vor dem Ausbruch eines blutigen Krieges, da er jedesmal mit den Worten schloß: Im Übrigen aber sage ich, Karthago muß zerstört werden. Meine Herren! Setzen Sie an Stelle des Wortes Karthago das Wort Völkerfrieden, und dieser Satz beleuchtet die Zustände, in denen wir heute zum größten Unglück in dieser Republik leben müssen. Muß das sein? Wir werden jetzt vor die Frage gestellt, nachdem diese Ereignisse sich vollzogen haben. Wo ist die Regierung, wo ist die Macht, warum hat sie das nicht gehindert? Und da kommen wir zu weiteren Fragen und deren Beantwortung, was wir heute hier in diesem Staate haben. Wir haben in diesem Staate das ganze Volk organisiert in politische Parteien. Auf Grund dieser Parteiorganisationen sind die Wahlen erfolgt und aus den Wahlen ist dieses Parlament hervorgegangen und ich stelle nun die Frage: Haben die politischen Parteien, und ich wende mich an die Mehrheit hier, haben sie die Macht und haben sie die Einigkeit gezeigt, um eine starke Volksregierung hier in dieser Republik einzusetzen, die all diesem Unglück wehrte? Die Antwort lautet: Nein! Und nun frage ich Sie: Wo ist die Regierung? Ja, da sitzt sie auf dieser Bank, die Beamtenregierung. Aber diese Beamtenregierung ist abhängig vom Parlament und diese Beamtenregierung hat deshalb, weil die Parteien keine Mehrheit haben und keine Machtmittel entwickeln können, ebensowenig Macht wie das Parlament, und für die Machtlosigkeit dieser Regierung und für die Haltlosigkeit dieser Zustände ist einzig und allein in einer Republik verantwortlich die Mehrheit des Parlamentes selbst.
So stehen die Sachen und wenn wir fragen, was da helfen kann, so sage ich, da wird nichts anderes übrig bleiben, als Einkehr und Rückkehr zu den Grundlagen, auf denen dieser Staat aufgebaut worden ist. Er ist aufgebaut worden auf den Friedensverträgen von Paris. Und was steht dort drinnen? Und was herrscht jetzt? Blicken Sie hinaus nach Teplitz, Eger, Asch und jetzt zuletzt auf das tiefbeklagenswerte Ereignis gegenüber den deutschen Landwirten, den friedlichen Menschen des Leipaer Bezirkes, die in nächtlicher Stunde überfallen wurden, und Sie werden sich die Antwort geben. Es ist jener böse Geist, der schon das alte Rom in einen Krieg hetzte, es ist jener böse Geist, der sein Programm als Nationalhaß aufgestellt hat, es ist jene Richtung in diesem Staate, die nach der Macht strebte schon vor Jahrzehnten und die, um diese Macht zu erreichen, das Bestehende stürzte und die heute wieder nach der höchsten Macht in diesem Staate strebt und in diesem Streben, weil diese Politik nichts Reales enthält, sondern nur den nationalen Chauvinismus der Hetze, diese Politik auf die Gasse trägt und unter dem populären Schlagwort des Deutschenhasses das tut, was eine solche Partei und eine solche Richtung haben muß, um politisch zu leben. Es muß immer etwas geschehen. Denn eine solche Richtung, die ein positives Programm nicht hat, die müßte sterben unter normalen Verhältnissen, weil unter normalen Verhältnissen das Programm der Arbeit und der Vernunft die Oberhand gewinnen müßte.
Und bei diesem Kampfe, der in diesem Staate um die Macht geführt wird, der das Bestehende stürzen will, soll das deutsche Volk und sein Volksrecht das Opfer sein. Wären es nicht die Standbilder Kaiser Josefs, so würde ein anderer Anlaß gesucht werden müssen. Die Gasse muß heraus. Und das deutsche Blut, das ist der Preis für diese Herrschgelüste, die hinaufgehen bis zum Präsidentenstuhl.
Meine Herren von den Parteien dieses Parlamentes, einigen Sie sich zur rechten Zeit gegen diese Richtung! Denn mit dieser Richtung ist noch eines verbunden. Es ist sehr heikel hier darüber zu sprechen. Auch die militärischen Kreise sind in diese Richtung eingespannt und wir haben sie an der Arbeit gesehen. Ich will nicht behaupten, daß sie sich schon so tief in das politische Getriebe eingelassen haben, um im Vollbewußtsein der Verantwortlichkeit solcher Handlungen vorzugehen. Es kann im Siegesrausch und in der Vollkraft des Erfolges ein Tätigkeitstrieb sein, der gegenüber den Deutschen nach außen ringt. Aber, meine Herren, hüten Sie dieses Feuer! Blicken Sie auf den Staat, der soviele Erschütterungen ausgehalten hat, auf das alte Österreich; als das Militär gegen ihn aufstand, ging er zugrunde. Und wohin Sie mit dieser Richtung in dieser Republik kommen, wenn es Ihnen nicht gelingt, auf einem Wege zu schreiten, den ich bezeichnen möchte als einen Weg, wo die maßgebenden Führer des Volkes vorgehen mit Weisheit und Kraft in starker und befestigender Art, so wird dieser Ihr junger Staat daran zugrunde gehen. Darüber ist gar keine Frage.
Und welche Mittel haben Sie, um das zu verhindern? Nur eines: Hinweg mit dem Siegesrausch, begnügen Sie sich mit dem großen Erfolg, den Sie errungen haben, erinnern Sie sich an eine Zeit, wo ein großer Führer Ihres Volkes ausgerufen hat: Das èechische Staatsrecht, es ist kaum eine Pfeife Tabak wert! Und mit welch unerhörten Erfolgen sind Sie mit diesem Staatsrecht als freier Staat, als eine Volksrepublik aus diesem Weltkrieg hervorgegangen! Daraus folgt die Lehre, daß eine weise Volksführung sich zu bescheiden hat und daß sie den anderen Völkern das geben muß, was nach göttlichem und nach menschlichem Recht ihnen gebührt, wozu Sie verpflichtet sind durch den Vertrag, welchen Ihr Staat in Paris aufgerichtet hat. Dort hat die Vertretung Ihres Volkes in humaner Weise gesprochen, dort haben Sie sich Achtung und Ansehen erworben, indem Sie die Grundsätze der Ehre und der Freíheit der Völker vorangestellt haben. Und auf diesen Grundsätzen und in diesem Glauben ist der Friedensvertrag gemacht worden. Und was ist nach der Rückkehr dieser Vertreter nach Prag geschehen? Da erscheint wieder der alte Cato auf der Tribüne: Ceterum autem censeo, der Friedenvertrag mit dem deutschen Volke muß zerstört werden. Und sehen Sie, welch unheilvollen Einfluß dies schon in der ersten Nationalversammlung auf die Geschicke dieses Landes genommen hat!
Paris ist die Hauptstadt Frankreichs und ein altes politisches Sprichwort sagt: Wer Paris hat, hat Frankreich. Das, was dem Franzosen Paris ist, das ist Ihnen Ihr herrliches Prag. Ich kann mich da sehr gut hineindenken und zum Teil, wenn auch nicht ganz, gilt das Wahrwort! Wer Prag hat, hat zwar nicht ganz Böhmen, aber er hat viel. Und was Prag bedeutet, das haben wir in dem Rummel - ich will es mit einem milden Ausdruck bezeichnen, denn in Wahrheit war es mehr - den wir hinter uns haben, gesehen. Parlament und Regierung waren machtlos dagegen und ich stelle an Sie die Frage: Wer und in welcher Richtung war Herr von Prag? Denken Sie darüber nach. Eine Hilfe dagegen ist nur der Friede mit den Völkern dieser Republik, in erster Linie der Friede mit dem deutschen Volke, einem Volke von weit über 3 Millionen Ihnen auf allen Gebieten der menschlichen Arbeit und Kultur in jeder Beziehung ebenbürtigen Menschen. Und glauben Sie denn im Ern st, daß es möglich ist, in dieser Republik, wo Ihre Mehrheit über uns ja nicht gar so groß ist, mit dem Grundsatze der Knechtung zu bestehen?
Hohes Haus! Wir haben nach dem Zusammenbruche, wir, das deutsche Landvolk, den ersten Schritt getan, um hier in diesem Staate die Ordnung möglich zu machen. Erinnern Sie sich daran, wie schwach auch Sie waren. Was wäre geschehen, wenn das deutsche Landvolk nicht friedlich zu seiner Arbeit zurückgekehrt wäre? Sie wären im ersten Jahre Ihres Bestandes nicht im Stande gewesen, mit der Ernährungsfrage durchzukommen. Was wäre entstanden, wenn wir mit den Waffen in der Hand und mit Blutvergießen unsere gewaltsame Beschlagnahme bekämpft hätten? Wir haben es nicht getan. Wir haben auf dem Gebiete der Steuerleistung, der Produktion, der Lieferungen, der Arbeit, in allem haben wir Sie geradezu verwöhnt.
Meine Herren, es könnte auch anders sein! Wir, dreieinhalb Millionen Deutsche, wir brauchen nicht die Waffen zu ergreifen. Stellen Sie sich vor, was geschieht, wenn heute nur das deutsche Landvolk als solches auf den Standpunkt der Verzweiflung getrieben wird, daß es trotz seiner Liebe zu seiner heimatlichen Scholle an diesem Staate kein Interesse mehr hat und daß es ihm feindselig gegenübertreten muß. Das Ende ist gar nicht abzusehen. Wir brauchen keine Waffen. Denken Sie an die passive Resistenz! Sie sind nicht einmal im Stande, mit Ihrer ganzen Regierungsgewalt den Streik der Eisenbahner zu zwingen. Wie wollen Sie das deutsche Landvolk zwingen?. Dazu werden Sie nie und nimmer die Mittel in den Händen haben. Und wenn ein Mann wie ich Ihnen heute eit, wenn er Ihnen aber hinzufügt, zum Guten ist es nie zu spät, so möchte ich noch über die Tür dieses Verhandlungssaales ein zweites Wort schreiben neben der Wiedergutmachung, auf die wir heute noch warten, das Wort: Abkehr vom Völkerhasse, vom nationalen Hasse!
Volles Recht allen Nationen dieses Staates nach dem Muster der Schweiz im Sinne und im Geiste des Friedensv ertrages und an Stelle des nationalen Hasses, der mit Aufopferung deutschen Blutes nach der Macht in diesem Staate strebt, Zusammenschluß aller wirklich arbeitswilligen Parteien zu einer Politik der Arbeit und Vernunft! Das allein ist das Mittel, welches helfen kann.
Die Aufzählung der Ereignisse, die in den letzten Wochen das deutsche Volk bis zur Siedehitze erregt, gequält und gekränkt haben, all das, was in Prag geschehen ist und dessen Sie auch nicht Herr und Meister werden konnten, das hier aufzuzählen kann nicht meines Amtes sein. Ich brauchte nur eine deutsche und eine èechische Zeitung zu verlesen, die Tatsachen sind ja in aller Munde, im Inland und leider auch im Ausland. Sie, meine Herren von der Mehrheit, haben jetzt das Wort und es wird an Ihnen liegen, ob Sie auch den Willen haben, den rechten Weg zu gehen. Wenn es sich um das Wohl des Volkes handelt, darf uns kein Opfer zu groß sein. Aber, meine Herren, es handelt sich besonders auf Ihrer Seite auch sehr viel um den Willen der Gasse und nicht allein um das Wohl des Volkes. Und da müssen die ernsten Führer des Volkes in einer so ernsten Stunde den Willen haben, eine Zeit lang auch das zu tun, was heute nicht in der öffentlichen Meinung liegt, was gerade momentan nicht populär ist, müssen nicht der Meinung der Gasse nachgehen, sondern jeder nach seiner Überzeugung handeln, wenn erkannt wird, daß das im Interesse des Volkes notwendig ist. Ich kann Ihnen erklären, daß das meine Überzeugung schon immer gewesen ist, daß ich keine Popularitäthascherei betrieben habe und daß diejenigen, welche an der Spitze unserer Klubs hier stehen, den festen Willen haben, daß dasjenige, was für unser Volk notwendig ist, von uns geschehen muß um jeden Preis. Denn uns steht das Wohl des Volkes höher als alles andere. Ich kann namens einer Minorität und namens einer Opposition, die heute ernst und würdig zu Ihnen spricht, nicht weitergehen. Ich wiederhole: Sie, meine Herren, haben das Wort.
Sie sind ein Volk und eine Nation,
die vielleicht wie keine zweite den großen Geistern Ihres Volkes,
den Künstlern und Gelehrten, denen, die sich durch Geist und Wissen
über das Niveau in Ihrem Volke erheben, alles tut, viel mehr tut,
als Künstler und Gele hrte in einem anderen Volke jemals erreichen
können, denn Sie sind es, die solchen führenden Geistern, auch
wenn sie keine Fachmänner sind, ja in überschwänglicher Verehrung
oft hohe und verantwortungsvolle Ämter in die Hände legen. Sie
beweisen dadurch nur, wie hoch bei Ihnen geistige Arbeit und Überlegenheit
steht und das gereicht Ihnen zur Ehre. Ich möchte Sie daher auffordern,
mir zu gestatten, daß ich heute aus der Vergangenheit solche Geister
zitiere, an erster Stelle ihren Vater Dr. Rieger, der Worte gesprochen
hat, die auf die heutigen Verhältnisse geradezu golden passen.
Dr. Rieger sprach: So wie der Wiener konstituierende Reichsrat,
so hat die in Frankfurt 1848 nach der Revolution tagende Nationalversammlung
beschlossen, daß den nichtdeutschen Völkerstämmen - und darunter
waren Sie - auf deutschem Bundesboden in Bezug auf die innere
Verwaltung, auf die Rechtspflege, auf das Kirchenrecht, den Unterricht
und die Literatur die Gleichberechtigung ihrer Sprache gebühre,
soweit ihre Sprache reicht. Und Dr. Rieger sprach nach dem Revolutionsjahre
die denkwürdigen Worte, wieder im Hinblick auf sein Volk: Der
Starke - und da meinte er sein Volk nicht - der Starke bedurfte
keiner Schutzmauer, wohl aber die Schwachen, die durch die Verhältnisse
in eine ungünstigere Lage gekommen sind. Und er schloß mit dem
Satze, daß es in der Nationalitätenfrage keine Majorisierung gäbe,
daß sie nur auf Grund eines freien Vertrages einverständlich gelöst
werden könne und nur bei beiderseitiger Rechtsachtung. Das ist
der Mann, der lange Zeit Ihr Führer war und heute im Grabe ruht.
Aber in dieser hohen Versammlung gibt es auch noch Männer, die
sich im gleichen Sinne geäußert haben. Mein hochgeehrter Kollege
Udržal hat dies in anerkennenswerter Weise getan, indem
er schrieb: "Die großen Aufgaben, welche nach dem Kriege
an unsere Staatslenker herantreten werden, vertragen die parlamentarische
Anarchie keinen Tag länger und deshalb muß für die Gesundung der
unhaltbaren Zustände gesorgt werden. Mögen auch die wilden Wellen
nach dem Kriege noch so hoch gehen, die Èechen müssen immer unerschütterlich
an der einzigen Staatsidee, an der Gleichberechtigung aller Völker
festhalten; wer immer an dieser Staatsidee zu rütteln versucht,
wer die nationale Gleichberechtigung verletzt, der unterwühlt
die Basis dieses Staates." Solche ehrenwerten und staatsmännischen
Äußerungen sind geeignet, eine Bahn zu machen. Ich wiederhole
zum dritten Mal: Die Herren Führer des èechischen Volkes haben
das Wort. Ich rufe zum Zeugen dieser Stunde alle Ihre großen Geister,
die toten und die lebendigen Großen Ihrer Nation herein und in
ihrer Gegenwart möchte ich mit einem großen Genius zu Ihnen sprechen:
Heben Sie die Macht und das Ansehen dieser Volksvertretung, denn
Sie allein sind es imstande. Die Würde des Parlaments ist in Eure
Hand gegeben, bewahret sie, sie sinkt mit Euch, mit Euch wird
sie sich heben! (Potlesk na levici.)
Meine Damen und Herren! Die Worte des Herrn Vorredners, die er mit der Geschwindigkeit eines durchgegangenen Elektromotors ins Haus warf, haben zwar nicht sehr einladend geklungen, und standen in dieser Hinsicht in gewaltigem Gegensatz zu den Ausführungen des ersten Redners. Aber ich möchte trotzdem das eine feststellen, daß gelegentlich von der anderen Seite des Hauses Aufforderungen zur Mitarbeit an uns Deutsche ergangen sind. Freilich bleiben diese Aufforderungen solange problematisch, solange sie nur in schönen Gesten bestehen und ihnen nicht Handlungen folgen, welche uns beweisen, daß es den Herren von der anderen Seite dieses Hauses mit ihren einladenden Worten auch ernst ist.
Sie, meine Herren Èechen, wollten uns haben, Sie haben uns aus politischen, geographischen und strategischen Gründen und unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht annektiert. Ihre Aufgabe ist es daher auch, alle Vorbedingungen für das Nebeneinanderleben - denn von einem Zusammenleben kann nicht gesprochen werden - beider Völker in diesem Staate zu schaffen! In dem Augenblicke, als Sie Ihren Staat schufen, mußten Sie sich auch des Ernstes der Lage bewußt sein. Sie mußten sich dessen bewußt sein, daß Sie das Erbe des alten Österreich mit übernehmen, daß die Frage, an der es scheiterte, die Grundfrage jedes Völkerstaates überhaupt, die Frage des reibungslosen Nebeneinanderlebens verschiedener Nationen, nun Ihre Frage geworden ist.
Auch im èechischen Lager gab es Stimmen, die davor warnten. Ich verweise nur auf Kollegen Bechynì. Aber die Masse war und ist heute noch vom rasenden Taumel des Siegerwahns erfaßt, der sie nicht klar die Grenzen ihrer Kraft erkennen läßt.
Vor fast einem Vierteljahrhundert hat das Staatsoberhaupt, Präsident Masaryk, in der damaligen Wochenschrift "Die Zeit", Band 7, Nr. 82, einen Aufsatz zur deutsch - èechischen Ausgleichsfrage geschrieben, in dem er die Bedingungen für einen Frieden zwischen Deutschen und Èechen aufstellte. Darin hat er unter anderem als formales Prinzip eines derartigen Friedens die Freiheit und als materielles Prinzip die soziale Gerechtigkeit genannt. Er hat weiters gesagt: "Wer im Ernst die Freiheit und soziale Gerechtigkeit will, der muß auch die politische Autonomie wollen; das Territorium der Kreise und Bezirke soll nach ihm sprachlich getrennt sein." Den Wiener Zentralismus erklärte er als etwas ganz Ungeeignetes, und zwar deshalb, weil er den Organismus durch einen Mechanismus ersetzen wollte, woraus dann vermutlich folgerichtig dasselbe für den Prager Zentralismus folgt. Endlich hat er als allernötigste Sprachenverordnungen folgende aufgestellt: daß in den böhmischen Ländern, also in den Sudetenländern, alle drei Sprachen: die deutsche, èechische und in Schlesien auch die polnische, Amtsprachen sein müßten; daß die Amtsprache sich nach der Mehrheit der Bevölkerung zu richten hätte und daß bei Ämtern erster Instanz einsprachige Beamte zugelassen sein sollten. Wie Sie sehen, lauter Sätze, gegen die dieser Staat nach allen Regeln der Kunst verstößt.
Der 4. März 1919, Teplitz, Eger, Asch und Prag sind Merksteine auf einem Wege, der nicht zum Frieden führt, sondern zu seinem Gegenteile. Die Art und Weise der Gesetzgebung, die vor dem Zusammentreten dieser Körperschaft in Schwang war und alle die Werke, die die Vorgängerin dieser Nationalitätenversammlung geschaffen hat, von der Verfassung angefangen bis zum letzten wirtschaftlichen Gesetz, das alles sind weitere Kennzeichen.
Seitdem wir in dieses Haus eingezogen sind, ist es um kein Haar besser geworden. Es beweisen dies ja auch schon verschiedene Vorlagen, die während dieser Zeit angenommen wurden, so das Kriegsanleihegesetz und die allerjüngste Regierungsvorlage, die uns zukam, über die Verstaatlichung der Privatbahnen. In demselben Sinne wie die Gesetzgebung arbeitet die Verwaltung. Wir haben es mit einem gut ausgeklügelten System der Enteignung, Entrechtung und Verknechtung unseres Volkes, mit der Verdrängung unserer Volksgenossen aus Brot und Arbeit zu tun, mit einem System, das mit aller Gewalt durchgeführt wird. Tausende von Staatsbediensteten haben daran glauben müssen und nun kommen auch die Privatbediensteten daran, die man aus den Betrieben verdrängen will. Stauding und Witkowitz, das Ostrau-Karwiner Revier bieten Beispiele dafür. Wirtschaftlich, politisch und kulturell arbeitet dieses System auf unseren Untergang hin!
Auch der Staatsvoranschlag selbst bietet in dieser Hinsicht Beispiele genug. Ich will hier, um nicht ins Lange und Breite zu kommen, nur hinweisen auf die Ziffern des Staatsvoranschlages, die das Hoch- und Mittelschulwesen betreffen und die in keinem Verhältnis zu unserem Anteil an der Bevölkerung stehen. Denn während wir Deutsche in den Sudetenländern 39 % der Bevölkerung zählen, haben die Èechen dreimal soviel Hochschulen als wir. Die Ausgaben für das Hochschulwesen sind bei den Èechen vierfach so groß, als bei uns Deutschen. Ein weiteres schreiendes Unrecht liegt in der Dotierung mit Lehrkräften. So stehen 1008 Lehrpersonen und anderen Kräften an den èechischen bloß 560 an den deutschen Hochschulen Prags gegenüber.
Ähnlich, wenn auch nicht so kraß, liegen die Dinge auf dem Gebiete des Mittelschulwesens. Dazu gesellt sich ein ausgesprochener organisierter Schulraub, der von den Volksschulklassen bis zu den Mittelschulen reicht und auch vor dem Hochschulwesen nicht Halt macht. Ich verweise bloß auf das Friedeker und Iglauer Gymnasium und die Troppauer Lehrerbildungsanstalt.
Was soll da die Phrase von der Demokratie und von der Gleichberechtigung? Was sie bedeutet, bezeugen auch verschiedene Einrichtungen. Zum Beispiel die Schlesische Landesverwaltungskommission, deren Zusammensetzung ebenfalls im krassesten Mißverhältnis zur Bevölkerung steht. Denn während die Deutschen 47 % der Bevölkerung des jetzigen Schlesiens einschließlich Ostschlesiens, die Èechen 30 % und die Polen 23 % ausmachen, so haben wir doch unter den 10 Mitgliedern nur deren 3, die Èechen 6, die Polen 1. Ginge es mit richtigen Dingen zu, so müßten wir 5 Mitglieder haben, und außerdem haben die Èechen unter ihren Mitgliedern noch den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter. Daraus ergibt sich, daß das ein System ist, das wir mit allen Mitteln zu bekämpfen haben, wenn wir nicht dem Untergang geweiht sein wollen.
Einer Regierung, die hinter diesen Gewalttaten steht, sie zumindestens deckt und nichts tut, um sie zu verhindern oder abzuschwächen, einer solchen Regierung sollen wir jetzt den Staatsvoranschlag genehmigen, also das Vertrauen aussprechen! Da fragen wir: Wer ist denn eigentlich diese Regierung? Ist es das Beamtenkabinett Èerný oder sind es die Legionäre und die Prager Gasse mit ihren geheimen Drahtziehern? Und wenn man sagt, es handle sich um den Staat, so müssen wir uns fragen, ob ein Gebilde, dessen Regierung sich außerstande erklärt, den von ihr anerkannten Rechtszustand wiederherzustellen, ob ein solches Gebilde, überhaupt noch als Staat zu werten ist! Trotz aller dieser Vorgänge und Erscheinungen waren wir jedoch bereit, mit den Herren von der anderen Seite dieses Hauses über die Bedingungen eines Nebeneinanderlebens zu sprechen. Auch wir Nationalsozialisten, die man als Irredentisten bezeichnet, waren dazu bereit. Nicht aus Schwäche, wahrlich auch nicht aus Liebe zum Staate, sondern deshalb, um unserem Volke die Möglichkeit zu geben, für andere Aufgaben frei zu werden.
Aber auf der andern Seite scheint man sich die Frage, wie Sie diesen Staat, Ihren Staat, aus der offenkundigen schweren Krise, in der er sich befindet, herausbringen können, noch gar nicht einmal ernstlich vorgelegt zu haben.
Die Bruchstücke der Ausführungen meines Vorredners, die ich verstanden habe, beweisen, daß man auf dieser Seite kein Verständnis dafür hat. Man muß sich daher fragen, ob ein Volk, das Anspruch erhebt, das Staatsvolk zu sein, das aber nicht einmal in der Lage ist, die Massen seiner Hauptstadt zu zügeln, sondern sie einfach gehen läßt, ob das überhaupt als ernstlicher Verhandlungsteil in Frage kommt.
Der èechische Staat hat sich vermessen, das Herz Europas zu sein. Alle Fragen, die es da gibt, wollte er lösen. Und er scheitert schon jetzt an den Josefsdenkmälern und an der aufgeregten Prager Gasse. Wie wird er erst die Ernährungskrise überstehen und wie will er die zwei großen Fragen, die jetzt die Welt bewegen, die Frage des Nationalismus und des Sozialismus wirklich und befriedigend lösen?
Beide sind nicht Fragen einzelner Klassen, sondern der ganzen Volksgesamtheit, deren Gedeihen in politischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht von ihrer gedeihlichen Lösung abhängt. Beide hängen auch ursächlich miteinander zusammen. Es gilt das vom Sozialismus gerade dann ganz besonders, wenn man ihn nicht bloß als das Problem einer gedeihlichen Lösung wirtschaftlicher Fragen ansicht, sondern in ihm auch die kulturelle Seite erkennt, die mindestens ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger ist als die wirtschaftliche Seite. Dann aber ist er auch eine der ersten nationalen Fragen, dann ist er die nationale Frage an und für sich, denn Kultur ist und bleibt national! Und auch aus diesem Grunde sind wir deutschen National-Sozialisten Verfechter jenes Gedankens, der erklärt, daß Nationalismus und Sozialismus ursächlich zusammengehören, und aus diesem Grunde stehen wir auf dem Standpunkt, daß solange es Staaten gibt, diese wichtigste aller Fragen eingehend und gedeihlich nur gelöst werden kann im nationalen Einheitsstaate. Das sage ich hier keineswegs aus Haß gegen die Èechen, sondern ich stelle es nur einfach als unsere Erkenntnis fest.
Aber wenn wir uns trotzdem für eine gewisse Zeit mit einem Völkerstaat abzufinden sollen, dann kann es nur ein Bundesstaat freier Völker sein. In diesem Sinne werte ich die Worte des Kollegen Tusar, die er am 2. Oktober 1918 im österreichischen Reichsrat über den künftigen èechischen Staat gesprochen hat und die da lauten: "Der künftige èechische Staat wird ein demokratischer sein. Er wird niemanden, der auf seinem Boden wohnen wird, unterdrücken, weil wir als kleine Nation sehr gut wissen, daß die Attraktionskraft unseres künftigen Staates darin wird bestehen müssen, daß er demokratischer, sozial-fortschrittlicher und freiheitlicher sein muß als die umliegenden Staaten." Es sind das Anklänge an Masaryks Ausführungen in der "Zeit".
Vergleicht man aber die Wirklichkeit mit diesem Idealbild, dann kommt einen das Grausen an. Die Partei, der der zitierte Kollege angehört, hat sich bei der Staatsgründung und nachher nicht durchzusetzen verstanden und damit auch die tragische Mitschuld an den jetzigen Verhältnissen auf sich geladen, ist dadurch mitschuldig geworden an allen Vergewaltigungen, denen wir deutsche ausgesetzt waren und sind.
Das Endergebnis aller dieser Dinge ist nun, daß dieser Staat krank ist, er ist berufen, in dieser Hinsicht in Mitteleuropa das zu werden oder zu sein, was die Türkei einmal war, der "kranke Mann". Er ist einfach von Konstantinopel nach Prag übersiedelt. Und die Krankheit rührt nicht erst von heute her und von gestern, sondern von der Geburtss tunde des Staates, weil man zwei Grundsätze miteinander vereinigen wollte, die Gegensätze sind: Freiheit und Gewalt, weil man die Freiheit des èechischen Volkes aufbauen wollte auf der Vergewaltigung und Unterdrückung aller anderen Völker, weil der Geist des Dr. Kramáø doch stärker war als der Geist Komenskýs und Masaryks, weil er eben der wirkliche Geist des èechischen Volkes ist, der Geist des rücksichtslosesten und brutalsten Imperialismus! Darauf ist wohl auch die geistige Verwandtschaft zwischen Ihnen und Frankreich und die daraus sich ergebende Freundschaft zu erklären und das Bündnis, das dieser Staat vielleicht einmal teuerer bezahlen wird als mit den 13 Millionen, die die französische Militärmission jährlich kostet.