Pátek 17. prosince 1920

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 35. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromázdìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pátek dne 17. prosince 1920.

1. Øeè posl. dr. Keibla (viz str. 1427. protokolu):

Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Verhandlung steht ein Gesetzesantrag, der ein hervorragendes Prinzip der modernen Verfassungsgesetzgebung auf das Wesentlichste tangiert, das Prinzip der Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit der Richter. Es geht bis auf die französische Revolution zurück und wurde von jeher als ein eminenter Fortschritt begrüßt, daß die Verwaltung von der Justiz getrennt und daß die Justiz ausgebaut wurde zu einem Instrument, das objektiv das. Recht handhaben soll und unabhängig von allen Strömungen, welche sich unter dem Volke wie im Staate sonst bemerkbar machen, die geraden Pfade eines objektiven Rechtes sucht und findet. Und um dies zu ermöglichen, hat man den Stand der Richter mit der Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit bekleidet und hat damit auszudrücken gemeint, daß der Richter sich erheben soll über das Getriebe des Alltages, daß er von einer höheren Warte aus die Ereignisse zu überschauen hat und daß er tatsächlich ohne Ansehung der Person, des Standes und der sonstigen Verhältnisse das objektive Recht anzuwenden verpflichtet ist und auch in die Lage versetzt werden soll, es zu tun.

Dieses Prinzip, das heute wohl unanfechtbar dasteht, hat aber im Laufe der Zeit verschiedene Wandlungen in der Anwendung selbst erfahren. Als die Verfassung des Jahres 1867 im alten Osterreich gemacht wurde, hat man auch an dieses Recht insoferne gedacht, als man es nicht nur wieder neu konstruiert und in einem eigenen Staatsgrundgesetz ausgesprochen hat, sondern daß man auch gesagt hat, dieses Recht der Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit könne unter gewissen Umständen beschränkt und aufgehoben werden; man hat diese Umstände beschränkt auf jene außerordentlichen Verhältnisse, die sich ergeben durch eine Umänderung in der Organisalion der Gerichte oder durch eine grundlegende Umänderung der Gesetzgebung selbst, die einen Zustand des Provisoriums schafft, innerhalb dessen der Justizverwaltung freie Hand gelassen werden muß, um die nötigen Maßnahmen auch in persönlicher Beziehung zu treffen.

Nun möchte ich untersuchen, ob diese Voraussetzungen und dieser Geist der alten Verfassung, der sich ja schließlich auch im § 99 unserer Verfassung wiederspiegelt, auf die gegenwärtigen Verhältnisse anwendbar ist oder nicht. Ich möchte noch vorausschicken, daß wenn man von Unabhängigkeit und Unversetzbarkeit spricht, man alle Seiten der allgemeinen persönlichen Freiheit meint und so wie diese eine objektive und eine subjektive ist, so ist auch die Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit des Richters, seine Unabhängigkeit eine objektive und eine subjektive. Es genügt ja nicht, daß man sich frei fühlt, daß der einzelne in sich soviel Selbstüberwindung und Selbstachtung aufbringen kann, um aus den verschiedenen Gefahren, die sein Beruf und das gewöhnliche Leben mit sich bringen, rein und makellos herauszukommen, er muß auch tatsächlich durch Gesetzgebung und Verwaltung geschützt sein; in dem Augenblicke aber, wo ihm die Verwaltung diese Stütze entzieht, in dem Augenblicke, wo er sich nach rückwärts nicht verankert fühlt im Staatsgrundgesetze, wo er fürchten muß, daß sein Auftreten, daß seine Betätigung im öffentlichen Leben - und, meine Herren, wo fängt das öffentliche Leben an und wo hört es auf? - daß seine Betätigung auch als Richter selbst, durch seine Rechtssprüche, ihn in die Gefahr bringt, seine Stellung vertauschen zu müssen, ihn also in eine Zwangslage bringt, in diesem Augenblicke hört auch das Gefühl der Unabhängigkeit auf. Das ist ein ungeheuerer Schaden, denn das bringt Folgen, die sich nicht ohne weiters manifestieren lassen und nicht nachweisbar sind, aber welche vorhanden sind und welche schließlich dazu führen, daß, wie wir ja auch tatsächlich in der letzten Zeit sehen, so manche Sprüche unserer Gerichte nicht so ausfallen, wie wir sie aus früherer Zeit her gewohnt sind, daß wir Konzessionen sehen, die gemacht werden, die aber eigentlich nicht gemacht werden sollten; ich könnte, wenn es mir nicht an Zeit gebräche, eine ganze Reihe von Fällen anführen, aus denen zu ersehen ist, daß sich tatsächlich der Richter unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht so frei bewegen kann und bewegt, als es eigentlich in einem modernen und zivilisierten Rechtsstaat selbstverständlich und für das allgemeine Rechtsgefühl auch entscheidend ist.

Ich habe vorhin erwähnt, daß diese Außerkraftsetzung der richterlichen Unabhängigkeit gedacht ist für eine Zeit der inneren Organisation, der Umänderung der Gesetzgebung usw. Ich finde aber, daß eigentlich eine derartige innere Notwendigkeit nicht besteht, sondern diese Gesetzesvorlage wird seitens der Regierung gefordert und seitens des Herrn Berichterstatters namens des Rechtsauschusses unterstützt mit dem Hinweis darauf, daß es zu wenig Richter gibt für die in der Slovakei und in jenen Teilen des Staates, die aus dem alten Königreich Ungarn herausgeschnitten sind, neu zu errichtenden Gerichte, beziehungsweise für die volle Besetzung dieser Gerichte und daß es infolgedessen notwendig ist, aus dem Reservoir, das sich in dem ehemaligen Königreiche Böhmen, in Mähren und Schlesien befindet, den Ersatz herauszunehmen. Das ist eine Ausdehnung der hiesigen Organisation auf die andere und dies ist nach meiner Ansicht nicht vollständig im Sinne jener gesetzlichen Bestimmung, die die Außerkraftsetzung dieser richterlichen Unabhängigkeit zum Gegenstande hat.

Aber selbst wenn man diese Konzession machen könnte, so erlaube ich mir doch die schüchterne Frage: Es muß doch auch vorher, ehe die èechoslovakische Republik ihre Hand auf die Slovakei gelegt hat, daselbst eine richterliche Organisation gegeben haben, es müssen daselbst doch auch Gerichte gewesen sein und Richter, und ich möchte mir heute die Frage erlauben, wo denn diese eigentlich hingekommen sind, denn es hat, soviel ich mich erinnern kann, die Rechtspflege bis zum Umsturz auch dort vollständig funktioniert und es ist nicht zu erklären, warum jetzt auf einmal eine Stockung stattgefunden haben soll. Sind vielleicht die dortigen Richter davon gelaufen, haben sie vielleicht, davonlaufen müssen, sind sie vielleicht genau so davongejagt worden, wie ein großer Teil unserer deutschen Beamten, welche durch den Umsturz brotlos geworden sind und dem neuen System weichen, das neue System bezahlen mußten durch ihre eigene persönliche Existenz? Oder sind vielleicht die Straffälle in der Slovakei gar so übermäßig zahlreich geworden, daß mit den bestehenden Richtern nicht mehr das Auslangen gefunden wird? Wir haben ja in diesem hohen Hause des öfteren die Herren aus der Slovakei ihre Wünsche und Beschwerden vortragen gehört und es ist aus allen den Reden das eine hervorgeklungen, daß gerade das Benehmen der Machthaber der èechischen Nation die Ursache war, daß dort so mancher im Gefängnisse schmachten mußte. Wenn es wahr ist, daß dort die Gerichtsfälle in der letzten Zeit so unendlich zugenommen haben, so ist diese Ursache nicht so sehr in der dortigen Bevölkerung zu suchen, als in dem System, das auch wir Deutsche hier bekämpfen, dem System der Gewalt und der Mißachtung der Rechte fremder Nationen. Ich glaube ja, daß bei der jetzigen Justizverwaltung wirklich der Wunsch rege ist, diese Maßnahmen nur zu dem angegebenen Zwecke zu benützen, und daß diejenigen, welche berufen sind, diese Änderungen vorzunehmen, sich vielleicht derzeit tatsächlich an das objektive Bedürfnis halten wollen. Aber, meine Herren, wir wissen ja ganz genau, daß in diesem Staate nicht alles so geht, wie es die Regierenden sich vorstellen und daß diejenigen, die an der Macht sitzen, vielfach nicht einmal die Macht haben, alles das so zu ordnen und zu schaffen, wie sie selbst es sich vorstellen, daß ganz andere Kräfte mit hineinspielen, vielfach die Kräfte der Gasse, vielfach auch die Gedankenfolge der politischen Parteien, und infolgedessen haben wir abgesehen von der theoretischen Ansicht, die wir diesbezüglich besitzen, auch sonst die Befürchtung, daß wenn wir eine derartige Verletzung der Unabhängigkeit zulassen, schließlich sich wieder Fälle ereignen, wie sie sich in der Vergangenheit ereignet haben, daß auch diese Möglichkeit gegen unsere deutschen Richter ausgenützt wird, und daß eine Menge deutscher Richter wiederum pensioniert, davongejagt, versetzt wird gegen ihren Willen und zum Schaden ihrer Familie.

Bei diesem Anlaß kann ich doch nicht umhin, aus der Vergangenheit einige Fälle zu erzählen, welche demonstrieren sollen, wie auf Grund von ganz unkontrollierbaren Anzeigen amtsgehandelt wurde und alte verdiente Richter in Pension geschickt oder versetzt wurden. So habe ich hier z. B. einen Fall, der sich im J. 1919 ereignet hat, den Fall des Landesgerichtsrates Machatý, der ohne daß er irgend einen Anlaß zu einer Disziplinierung gab, ohne daß der zuständige Oberlandesgerichtspräsident gefragt wurde, einfach deswegen in Pension geschickt wurde, weil er dem Národní výbor seines Dienstortes nicht genehm war. Alles, was bis jetzt in diesem Falle unternommen wurde, war fruchtlos. Es wurde wiederholt versprochen, den Fall zu untersuchen, ihn eventuell einer Überprüfung und neuerlichen Beschlußfassung zu unterziehen. Leider Gottes ist bis jetzt nichts geschehen und der Mann, der auf diese Weise zwangsweise und gewiß unrechtmäßig um seine Stellung kam, erleidet einen großen maleriellen Schaden, ist mit seiner Familie dem Elend preisgegeben. Auch hier in Böhmen sindgenugsolcherFällegeschehen. So wurde z. B. der Bezirksrichter von Lobositz einfach über Anzeige des dortigen Národní výbor, dem jede objektive Berechtigung gefehlt hat, von seinem Posten als Gerichtsvorsteher enthoben und nach Reichenberg versetzt, über sein Ansuchen zwar wieder nach Lobositz zurückversetzt, aber die Stelle als Gerichtsvorstand blieb nach wie vor von einem anderen besetzt. Es war ihm nicht möglich in seine alte Stellung zurückzukommen, trotzdem nichts gegen ihn vorlag und vorliegt, trotzdem er beider Landessprachen mächtig ist und sich in der Bevölkerung des besten Ansehens erfreut. Sind derartige Versetzungen einmal ausgesprochen, so ist es ungemein schwer diese Dinge wieder rückgängig zu machen, weil, wie ich ja ganz gerne zugebe, ein Teil des Prestiges der Regierung damit verbunden ist. Aus allen diesen Gründen ist es für uns umsomehr Pflicht, gegen eine derartige Möglichkeit zu opponieren und einer Ausdehnung des Gesetzes, wie sie in der jetzigen Vorlage wieder auf ein Jahr vorgeschlagen ist, die Zustimmung zu verweigern.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch bemerken, daß es auch eine Forderung unserer Organisationen ist, daß wir aus dieser Zwangslage herauskommen und daß es nicht mehr angeht, daß das Damoklesschwert der sofortigen Versetzbarkeit über unseren Köpfen schwebt. Es ist derselbe Geist, der aus dieser Gesetzesvorlage spricht, wie er sich auch in dem bereits von mir zitierten Gesetze geltendmacht, welches bestimmt, daß auch Notare ohne Angabe von Gründen von ihren Posten entfernt werden können. Wir werden trachten, daß auch dieses Gesetz, wenn es möglich ist, abgeändert wird. Auch der Bericht des Rechtsausschusses kann sich der Empfindung nicht erwehren, daß hier etwas Unrechtes und etwas geschieht, was mit dem gewöhnlichen modernen Leben nicht übereinstimmt, und es wird im letzten Absatz der Wunsch ausgesprochen, daß mit möglichster Schonung vorgegangen werde. Es wird ersucht, diese bittere Pille irgendwie zu versüßen. Das sind aber Augenauswischereien gegenüber Außenstehenden und auch die èechischen Richter werden von diesen matten Sachen sich einen praktischen Erfolg wahrscheinlich nicht versprechen. Mir ist sehr genau bekannt, daß auch die èechischen Richter sich gegen eine Verlängerung dieses Gesetzes vom 29. Feber 1920 entschieden aussprechen.

Ich kann im Namen meiner Partei erklären, daß wir gegen dieses Gesetz stimmen werden, weil es wieder nur ein Teil jenes Gewaltregimes ist, welches diesen Staat beherrscht und ihn aufgebaut hat und mit dem wir uns niemals zufrieden geben können. (Potlesk na levici.)

2. Øeè posl. Kostky (viz str. 1434. protokolu):

Geehrte Versam mlung! (Hluk na levici.)

Místopøedseda Hruban (zvoní): Neraète vyrušovati pana øeèníka!

Posl. dr. Kostka (pokraèuje): Wenn ich zu diesem Programmpunkte das Wort ergreife, so liegt mir vor allem daran, in dieser Debatte eines zu betonen: es kommt hier zum ersten Male zum Ausdruck ein System unserer Handelspolitik, das von den weitesten Kreisen in Industrie, Handel und Gewerbe nicht gebilligt werden kann. Stellen wir uns einmal die Entstehung dieses Automobilzolles vor. Sie ist mir ganz genau bekannt. Es hat ein mit uns in sehr naher Beziehung stehendes Land, Frankreich, uns einen Handelsvertrag vorgeschrieben. Frankreich hat merkwürdigerweise die ersten Handelsverträge mit Polen und der Èechoslovakei abgeschlossen. Wir haben nun diesen Handelsvertrag in der Hand gehabt und finden darin das erste Mal merkwürdigerweise ganz abweichend von den bisherigen Handelsverträgen Kontingente, welche wir zu übernehmen haben. Es ist doch vom Standpunkte der Handelspolitik aus recht interessant zu sehen, welche Waren wir aus diesem Lande vor allem übernehmen müssen, und da finde ich darauf möchte ich die Aufmerksamkeit heute gerade bei diesem Punkte besonders len ken - z. B. folgende Positionen: Kakao 2500 Tonnen. Es ist sehr interessant, gerade bei dieser Position zu bemerken, daß im alten Österreich die gesamte Kakaoeinfuhrpost 406 q betrug, also ein ganz minimales Quantum, und die normalen Handelsbeziehungen haben sich bei diesem Import in ganz anderer Richtung entwickelt. Nun gehen wir weiter. Wir haben 500 Tonnen Pfeffer zu beziehen, wir haben etwas weniger Vanille zu beziehen, die wir bisher aus Frankreich gar nicht bezogen hatten, wir haben weiters 40.000 hl Wein in Fässern, 10.000 hl Wein in Flaschen und 10.000 hl Schaumwein zu beziehen. Merkwürdigerweise war früher auch in diesen Posi tionen die Einfuhr aus Frankreich nicht in dieser Höhe im gesamten alten Österreich. Ich will Sie nicht weiter damit langweilen, es reicht auch meine Zeit nicht dazu aus, daß ich Ihnen diese Liste noch weiter vorlege. Ich halte es allerdings für wichtig, daß man es ziemlich weit bekannt macht, denn es ist heute noch nicht überall im ganzen Lande bekannt. Wir finden hier auch Chokolade, Ölsardinen, weiters Seidengarne, und nun kommt eine interessante Post - Automobile für Sport, andere Automobile, sowie Motore für Automobile, u. zw. 1200 Stück von den ersten beiden und 5000 Tonnen Motore für Automobile. Nun, was hat sich daraus entwickelt? Natürlich, als unsere Unterhändler - ich will es ihnen gar nicht übel nehmen - nach Frankreich kamen, da mußten sie mehr oder minder diese Positionen schlucken, denn Frankreich hat tatsächlich uns andere Waren in großen Mengen - eine Position ausgenommen, die Rohphosphate, die wir vielleicht noch heute besprechen werden, nicht zu liefern. Wir müssen also, wenn wir beginnen, mit Frankreich unsere Handelsbeziehungen zuerst aufzunehmen, diese Luxuspositionen schlucken. (Posl. dr. Kafka: Die wurden mit echt französischer Seife eingeseift.) Davon habe ich vergessen zu erzählen, denn auch die echte französische Seife steht ja hier, und zwar gar nicht wenig. Sie haben dazu an feiner Seife 1000 Tonnen, an anderen Seifen auch 1000 Tonnen gebraucht. Im alten Österreich sind solche Mengen feiner Seife überhaupt nicht cingeführt worden. Wir werden also wahrscheinlich in Zukunft wenigstens in der Richtung ein sehr wohlriechendes Land sein. (Veselost na levici.)

Was ist nun aber in diesem Augenblick eingetreten? Es hat unsere inländische Industrie, und zwar zuerst die èechische Industrie dagegen demonstriert und gesagt: Unsere heimische Industrie geht zugrunde, wenn wir so kaltweg diese Dinge, die uns hier durch so merkwürdige Handelsverträge diktiert werden, schlucken müssen, und wir verlangen - und es war auch ein ehemaliger Minister bei diesen Unterhandlungen, Minister Hampl - daß hier ein Schutzzoll für unsere Industrie eingeführt werde. Sie sehen, es stellt sich ganz von selbst ein, was wir so befürchten müssen, daß wir in dem Augenblicke der ungeheueren Verteuerung aller Artikel auch noch ungeheuere Schutzzölle au fstellen müssen, um unsere in ihrem Lebensinteresse verletzte Industrie überhaupt erhalten zu können. Ich nehme es, meine verehrten Herren, der Automobilindustrie gar nicht übel, daß sie diese Forderung gestellt hat. Sie war ja dazu berechtigt. Denn der Zollschutz für Automobile ist ja bis heute verhältnismäßig sehr gering. Man hat bei Automobilen 7 % vom Werte eingehoben. Es kostet heute ein Automobil 200.000 K und der Zoll beträgt im Verhältnis dazu nicht einmal 7 % vom Werte. Aber die Voraussetzungen für die Einführung dieses Zolles sind sehr merkwürdige. Es ist doch ganz merkwürdig, daß wir heute, wo wir uns in diesem Staate bei Handelsvertragsdingen noch in den Kinderschuhen befinden, wo wir natürlich mit den Ländern, mit denen wir bisher die innigsten Beziehungen hatten, also mit unseren Nachbarländern hier herum noch keine Verträge haben und diese Verträge sich von Tag zu Tag durch alle möglichen Schwierigkeiten verzögern, plötzlich mit einem derartigen Schutzzoll kommen müssen. Was werden Sie sagen, wenn eine Firma, die hier Seife erzeugt, morgen an das hohe Haus herantritt und sagt: Auch ich verlange 50 % Wertzoll für meine Artikel, weil ich mich vor der französischen Industrie schützen muß.

Sie werden mit dem gleichen Rechte und aus den gleichen Gründen sagen müssen, wir müssen auch diese zweiten Zölle schlucken, und in dem Falle wird es uns nicht so gleichgültig sein können, wie bei den Automobilen. Bei den Automobilen wird es heute wahrscheinlich den Betreffenden, die 200.000 Kronen für ein Automobil bezahlen, ziemlich egal sein, ob sie noch 100.000 dazulegen. Es gibt aber auch andere Automobile, Geschäftsautomobile, die wir sehr notwendig brauchen und die wir auch einführen müssen, weil unsere Produktion ja nicht so viel im Inland erzeugen kann. Wir haben ja nur zwei leistungsfähige Fabriken in dieser ganzen Industrie. Es werden aber auch andere Verbrauchsartikel an die Reihe kommen. Die Seife ist ein solcher Artikel. Vielleicht kommen aber auch noch andere Industrien, vielleicht kommt auch die Teigwarenerzeugung und sagt: wir können es nicht mehr ertragen; vielleicht kommt auch die Malzindustrie, vielleicht noch eine andere und sagt, was in diesem Vertrage steht, sei nicht zu ertragen. Die Gerbstoffextraktindustrie ist auch in ähnlicher Lage. Sie sehen also, daß das System in diesem Augenblicke sich unbedingt selbst zunichte machen muß.

Wir können nicht in der Art und Weise Handelsverträge machen, daß wir zuerst denjenigen, welchen wir vielleicht aus politischen Gründen dankbar sind, auch sofort unsere Bezahlung durch einen derartigen leoninischen Vertrag gewähren, denn es ist ein durchaus leoninischer Vertrag, der hier abgeschlossen werden mußte.

Ich möchte auch hier nochmals darauf hinweisen, daß ich es der Industrie durchaus nicht übel nehme, daß wir aber eine sehr gefährliche Frage heute anschneiden, wenn wir Wertzölle bewilligen. Ich weiß ja wohl, daß heute in einer ganzen Reihe von Industrien sich bereits Bewegungen bemerkbar machen, daß man in Zukunft von den Gewichtszöllen abgehen und zu den Wertzöllen übergehen möge, aber das ist eine besonders schwierige Frage, die man nicht in 10 Minuten abtun kann. Wir sollen heute in dieser prinzipiellen Frage in aller Raschheit entscheiden, ob wir überhaupt in unseren Handelsverträgen zu Wertzöllen schreiten können. Warum wurde denn das hier gemacht? Wir haben diese 1200 Automobile als Kontingent übernommen, und nun hat Frankreich denselben Wertzoll von 45% und wir sind der Meinung, daß wir von Frankreich keine Remonstrationen bekommen werden, wenn wir denselben Zoll auch bei uns einführen. Das kann in dem Falle vielleicht möglich sein. Ich kenne die Unterhandlungen über diesen Punkt noch nicht. Es kann aber auch sehr leicht möglich sein, daß, wenn wir die Wertzollfrage auf andere Artikel ausdehnen, die größten Schwierigkeiten bei Abschluß von Handelsverträgen sich einstellen. Ich möchte darauf hinweisen, daß wir in der letzten Zeit gerade in der Wertzollfrage innerhalb der Industrie selbst die größten Schwierigkeiten haben. Die Wertzollfrage ist zu allererst hi er aufgetaucht und in den Beratungen, die in den verschiedenen Vereinigungen, auch im Svaz, bei der chemischen Industrie durchgeführt worden sind. Diese ist durch die verteuerung der nicht besonders benannten Artikel, die im Zolltarif stehen, in große Schwierigkeiten geraten. Heute bei der hundertfachen Verteuerung einzelner Artikel bedeutet es nichts, wenn überhaupt ein Zoll nicht vorhanden ist. Es können sich aber im einzelnen Fall die Verhältnisse sofort ändern, wenn wir ein Konkurrenzland bekommen und wenn sich die Kriegswirtschaft auf die Friedenswirtschaft umstellt. In dem Augenblicke kann für irgend ein Rohmaterial, nehmen wir an für Salzsäure, für Schwefelsäure, welche zu den unbedingten und unerläßlichen Artikeln in der gesamten chemischen Industrie gehört, oder für ein anderes Rohmaterial die Frage des Wertzolles auftauchen. Wir haben in dem Augenblicke durch den Automobilwertzoll ein derartiges Präjudiz geschaffen, daß ich glaube, wir werden in der nächsten Zeit die Geister nicht mehr loswerden. Es werden derartige Forderungen immer mehr und mehr gestellt werden, wir werden zu guterletzt nicht mehr wissen, ob wir noch überhaupt unter solchen Verhältnissen zu einem Zolltarif, den wir heute noch nicht besitzen, kommen können und in den Zolltarif auch vernünftige Grundsätze hineinnehmen können.

Ich möchte hier noch auf eine weitere Sache hinweisen, die indirekt mit dem Automobilzoll und direkt mit dem Vertrag mit Frankreich zusammenhängt. Der Vertrag mit Frankreich hat ja gewiß sein Gutes: Er macht einmal ein großes Loch in die gebundene Wirtschaft des Staates. Wenn gewisse Kontingente eingeführt werden dürfen und eingeführt werden müssen - denn darauf wird schon auch der Franzose schauen, daß diese Kontingente auch hier abgenommen werden - so kann der Staat in dem Augenblicke eine Einfuhrbewilligung nicht mehr versagen. Denn in dem Augenblick ist die Sache so, daß ein Vertrag abgeschlossen ist ich glaube, er soll vorläufig für einen kurzen Zeitraum abgeschlossen werden und für diesen Zeitraum muß dieses Kontingent bewilligt werden, es kann der Staat nicht mehr sagen, wenn einer hinkommt und von diesem Artikel 100 q verlangt: ich gebe diese Einfuhrbewilligung nicht, weil die Valutaverhältnisse nicht entsprechend sind. Er muß die Bewilligung erteilen. Er wird natürlich in dem Augenblicke auch einen Großteil des Devisengeschäftes aus der Ha nd geben müssen, denn es gehen dann die Beschränkungen im Devisengeschäfte nicht so fort, wie es heute gehandhabt wird, daß man nur dann die Bewilligung erteilt, wenn eine höhere Weisheit glaubt, daß wir im Besitze von so und so viel Mark, Francs oder Dollars sind. Das bezeichnen wir als Vorteil derartiger Verträge, die aber allerdings auch wieder eine große Schwierigkeit in sich bergen, und sie werden es besonders uns Deutschen nicht übel nehmen, wenn wir diese hervorheben. Es ist in diesem Hause schon betont worden, daß man in allerletzter Zeit im deutschen Gebiet Kaffee nur noch bekommen kann mit neuen Zwischenhandelsgewinnen. Wo gehen die Zwischenhandelsgewinne hin? Sie gehen an die Händler, welche sich aufgetan haben in dem Gebiete von Prag. Sie suchen hier also das eigentliche Großhandelsgeschäft an sich zu reißen, und belasten natürlich den Konsum in der gesamten Provinz, nicht nur in der deutschen, sondern auch in der èechischen, mit neuen Zwischenhandelsgewinnen.

Meine Herren! Wir wissen, daß wir auch bei einer reorganisierten Wirtschaft in Zukunft nicht dazu kommen werden, derartige Gewinne auszuschalten, daß wir im Gegenteil den gesunden, alten legitimen Handel wieder einschalten müssen in Gebieten, wo er früher gearbeitet hat, aber nur in dem Gebiet, wo er früher gearbeitet hat. Wenn also in Zukunft Kakao verkauft werden muß, so ist es sehr leicht möglich, daß eines schönen Tages eine Großhandelsgesellschaft sich hier in Prag bildet, sich durch irgendwelche Vereinbarungen ein Großteil dieser Kontingente, welche in dem Vertrag stehen, sichert und in dem Augenblicke die gesamte Provinz, auch die èechische, mit diesen Zwischenhandelsgewinnen belastet; und es wird der einzelne draußen in der Provinz, der kleine, unerfahrene Händler, der heute den Vertrag überhaupt nicht kennt, welcher noch nirgends veröffentlicht worden ist, nicht imstande sein, in der Zukunft überhaupt seine direkten Beziehungen mit dem Aus ande wieder neu zu beginnen, zu verwirklichen und ins Leben umzusetzen.

Nun bleiben wir einmal bei unserer Frage, sprechen wir weiter von den Automobilen, denn hier handelt es sich nicht um allgemeine Fragen, die ich nur kurz erwähnen muß, es handelt sich um die Automobile. Wir haben hier in der Èechoslovakei äußerst leistungsfähige Betriebe, welche aber keine fertigen Automobile, sondern nur Bestandteile herstellen. Merkwürdigerweise waren sie bisher nicht in der Lage, diese Bestandteile nach Frankreich zu liefern, ich bezweifle auch sehr, daß in der Zukunft Frankreich diese Halbfabrikate und Bestandteile abnehmen wird; sondern sie haben nach Wien und, wenn es hoch ging, nach Italien geliefert, um sie dort den Automobilfabrikanten zur Verfügung zu stellen. Was tritt heute ein? Es tritt heute eine vollständige Zerrüttung dieser Geschäfte ein; wir sind heute nicht imstande, weil wir die notwendigen Beziehungen mit diesen Ländern nicht haben, einen Ausgleich zu schaffen, daß wir diese Halbfabrikate wiederum dort an Ort und Stelle in die Fabriken bringen. Es sind die größten Beschwerden erhoben worden und einzelne große Halbfabrikatsindustrien haben gesagt: wir werden nun sperren müssen in diesem Staate, wir können nicht mit Frankreich konkurrieren, wir werden auswandern müssen. Das ist die Folge, wenn in dieser Richtung unüberlegt derartige Verträge abgeschlossen werden, und das ist natürlich auch die Folge, wenn derartig hohe Zölle festgesetzt werden müssen. Denn die notwendige Konsequenz davon ist, daß wir von den fremden Staaten boykottiert werden und wir bei den Abschlüssen von Handelsbeziehungen die allergrößten Schwierigkeiten haben werden.

Ich möchte also noch einmal hervorheben und zusammenfassend sagen, daß man die Forderungen der Automobilindustrie ja wohl sehr gut verstehen kann, daß aber das System, auf dem das ganze aufgebaut ist und aus dem heraus sich diese hohen Automobilzölle entwickelt haben, unbedingt ein falsches ist. Ich bitte, wozu führt das, wenn wir diese Beschränkungen weiter aufrecht erhalten? Ein Fall ist mir vor wenigen Tagen mitgeteilt worden, der so charakteristisch ist, daß er hier erzählt werden muß: Ein Herr kommt aus Nordböhmen mit seinem Automobil nach Prag und hier wird er von einem Detektiv angehalten, der ihm sagt: Du fährst in einem Automobil, für das keine Einfuhrbewilligung gegeben worden ist. Der Mann sagt: Ich habe die Einfuhrbewilligung nicht bei mir, ich habe sie zu Hause und kann sie jederzeit vorzeigen. Er fährt am nächsten Tage in seine Heimat zurück. In der Nacht steigen drei Detektivs von Prag über den Zaun seines Gartens, dringen in seine Wohnung ein und verlangen um 1 Uhr in der Nacht von ihm das Dokument über die Einfuhrbewilligung des Automobils. Der Mann sagt, daß er es nicht da hat, es liege in der Fabrik, die eine Viertelstunde von da entfernt ist. Sie verlangen, daß das Automobil ihnen ausgeliefert werde. Er sagt, das tue er nicht, das Automobil bekommt Ihr nicht, es ist von großem Werte, und wenn Ihr es habt, wer weiß, ob ich es wiederbekomme. Er geht also mit den drei Detektivs um 1 Uhr nachts in seine Fabrik und dort zeigt er ihnen das Einfuhrdokument, worauf die 3 Detektivs, welche die Amtsreise zu diesem Zwe ke von Prag unternommen hatten, wieder befriedigt nach Hause fahren und sich hier überdies an Ort und Stelle überzeugen können, daß vom Ein- und Ausfuhramt dieses Dokument verlegt worden ist und deshalb nicht festgestellt werden konnte. Zu derartigen Dingen kommen wir, wenn man bei den Ein- und Ausfuhrbeschränkungen und bei unserer ganzen Ein- und Ausfuhrpolitik an den Grundsätzen festhält, wie wir es bisher getan hatten. Wir müssen zu einer freieren Auffassung kommen, wir müssen mit denjenigen Staaten, mit denen wir bisher in regelmäßigen Handelsbeziehungen gestanden sind, das sind die Staaten des alten Österreich, uns gute Verträge sichern. Wir müssen weiter diejenigen Staaten, welche uns benachbart sind, ebenfalls veranlassen, mit uns gute Handelsverträge zu schließen, und dann wird man in der Zukunft dazu kommen, daß wir nicht zur Erhöhung der Zölle werden schreiten müssen, sondern daß wir, was freilich demokratisch und einzig richtig ist, die Handelsbeziehungen der Staaten untereinander weiter vertiefen dadurch, daß wir sie ihre Waren austauschen lassen und daß wir uns selbst in die Lage versetzen, unsere Halbfabrikate in andere Länder zur Verarbeitung hinauszuführen und auf diesem Wege unsere Handelspolitik auf eine feste und gesunde Grundlage stellen. Schon aus diesem Grunde allein muß ich gegen das System, welches in dieser Vorlage zum Ausdruck gebracht wird, Einspruch erheben und betone noch einmal, daß ich wohl das Bestreben der Automobilindustrie voll verstehe, daß sie allein in dem Falle nicht der Leidtragende sein könne. Also, das System muß bei unserer Handelspolitik unbedingt geändert werden, wir müssen uns langsam zu Verträgen den Weg bahnen, die wirklich unseren wichtigsten Produktionsinteressen entsprechen.


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