Pátek 11. bøezna 1921

Hohes Haus! Die Regierung hat im Jahre 1920 am 13. Novem ber im Hause einen Antrag unterbreitet, in welchem sie eine Verlängerung des damals beschlossenen Ermächtigungsgesetzes verlangt in der Form, daß ihr freigestellt bleiben soll, weiterhin so wie bisher Gemeinden zu trennen und diese zusammenzulegen. Der § 1 des damals von der Regierung eingebrachten Antrages ist an und für sich bezeichnend, denn in diesem § 1 sollte nichts anderes zum Ausdruck gebracht werden, als daß der Regierung das Recht zusteht, eigenmächtig und willkürlich, nach ihrem Gutdünken, ohne jemanden zu befragen oder die Gemeinden zu hören, ohne sich mit ihnen darüber zu verständigen, einfach nach ihrer Meinung, nach ihrer Anschauung die Veränderung, die Verlegung und die Grenzberichtigung vorzunehmen. Es ging in dem ersten Vorschlag, der am 13. November seitens der Regierung unterbreitet wurde, so weit, daß selbst die betreffenden Gemeinden, also jene Gemeinden, um deren Schicksalsfrage es sich handelte, nicht einmal zu hören gewesen sind, im Gegenteil, daß die Regierung kein Gutachten einzuholen, sondern einfach nach ihrer Anschauung, nach gewissen Einflüsterungen die Frage zu lösen veranlaßt werden sollte.

Im Laufe des vergangenen Jahres, solange die Regierung auf Grund dieses Gesetzes die Ermächtigung gehabt hat, solcheVeränderungen vorzunehmen, haben wir wahrnehmen können, daß dieses Recht ausgenützt wurde zu Unrecht und daß es in sehr vielen Fällen geradezu eine nationale Vergewaltigung gewesen ist, die man mit den deutschen Gemeinden vollzogen hat. Die Anwendung des Gesetzes war nicht so sehr den wirtschaftlichen Verhältnissen der einzelnen Orte angepaßt, sondern es war vor allem das Leitmotiv bestimmend, daß in gemischtsprachigen Gebieten eine èechische Mehrheit und in jenen deutschen Gebieten, wo es nur halbwegs möglich sein sollte, eine èechische Minderheit geschaffen werde. Das war der Grundgedanke, von dem sich die Regierung leiten ließ, und es gibt eine ganze Reihe von Fällen, die angeführt werden könnten, aus denen hervorgeht, daß nichts anderes als das der Gedanke bei der Anwendung des Gesetzes war. Es wurden Orte zusammengelegt, die selbst mit einander gar keine Verbindung hatten, bei denen die grundverschiedensten Wirtschaftsverhältnisse herrschten, Wirtschaftsverhältnisse, die nicht einmal annähernd in Einklang gebracht werden konnten. Ich will nur auf einige verweisen, die besonders hervorgehoben zu werden verdienen. Ich verweise auf die Schaffung von Großbrünn. Dort wurden Orte mit ausgesprochenem Dorfcharakter mit der Großstadt zusammengelegt und es wurden dort Orte, die zwei Eisenbahnstationen von einander entfernt sind und wirtschaftlich und lokal gar keine Verbindung haben, zusammengelegt, wo man nicht sagen kann, daß dies aus kommunalen Notwendigkeiten erfolgt ist. Und es wurde diese Zusammenlegung nur vorgenommen, um nach außen hin die èechische Zweidrittelmehrheit zu erzielen. Fast dasselbe kann man bei der jetzt im Vordergrund stehenden Frage der Schaffung von Großostrau beobachten. Dort soll diese Arbeit gleich ausgiebiger gemacht, dort sollen 15 Gemeinden zusammengelegt werden, Gemeinden, die genau so wie fast überall in gar keinem lokalen Zusammenhang stehen, Gemeinden, wo die einzelnen förmlich Großstadtcharakter, die anderen Dorfcharakter tragen, keinen Verkehr mit einander haben, grundverschiedene wirtschaftliche Verhältnisse, deren Zusammenlegung geradezu unsinnig erscheint, wenn man bedenkt, daß eine solche Gemeinde die kommunalen Au fgaben der ihr angegliederten Gemeinden zu erfüllen hat.

Es ist also vor allem deshalb schon ein besonderes Beispiel, weil in Mähr.- Ostrau sich solche Gegensätze ergeben, daß die Gemeinden selbst schon dagegen Stellung nehmen, gewisse Bedingungen stellen, die, wenn man sie erfüllen würde, einfach eine Wirtschaftsgemeinschaft unmöglich machen und diese Zusammenlegung gar keinen anderen Zweck haben könnte, als die Schaffung von Wahlgemeinden, um die deutsche Minorität zu kürzen oder künstlich eine èechische Majorität herbeizuführen.

Es ist aber nicht nur an diesen zwei besonderen Fällen wahrzunehmen, sondern es gibt noch andere Fälle, die sehr bezeichnend sind und deutlich zeigen, welcher Geist bestimmend ist bei der Anwendung dieses Gesetzes. Das ist Rokitnitz in Böhmen; dort verlangt eine èechische Minorität, man kann nicht sagen èechische Minorität, sondern der derzeitige Regierungskommissär und der frühere Národní výbor-Obmann hat sich in den Kopf gesetzt, daß eine èechische Mehrheit geschaffen werden müsse, und infolge dessen war er auch die treibende Kraft. Er hat auch trotz entgegengesetzter Beschlüsse der Bezirksverwaltung, trotzdem die gesamte Bevölkerung sich dagegen ausgesprochen hat, die Akten dem Ministerium überwiesen, und wie der Národní výbor-Obmann vor kurzem stolz erklärt hat, werden alle Proteste nichts daran ändern. Er hat schon die Zusage, die Zusam menlegung ist eine fertige Tatsache.

Verzeihen Sie, meine Herren, wenn solche Dinge vorkommen, dürfen Sie jedenfalls nicht darüber ungehalten sein, wenn man der Mehrheit und den Regierungsorganen vor allem sagt, daß es nicht wirtschaftliche Motive sind, sondern daß es eine offenkundige Vergewaltigung der anderen Gemeinden ist und daß dieses Gesetz nicht dem gedachten, sondern anderen Zwecken dienen soll. (Místopøedseda dr. Hruban pøevzal pøedsednictví.)

Aber noch krasser ist ein Fall, den anzuführen ich mir erlaube, der Fall der Gemeinde Tschechen. Diese Gemeinde soll strafweise eingemeindet werden, u. zw. soll die Eingemeindung eine Strafe für folgenden Vorfall sein: Anläßlich der Assentierungen marschierten einige deutsche Rekruten auf der Straße und haben gesungen. Es kam ein èechischer Bürger, der die Rekruten aufforderte, das "Kde domov mùj?" zu singen. Da sich die Rekruten dagegen gewehrt und den Bürger durchgeprügelt und dann noch in ihrem Eifer das Schild eines Gasthauses, auf dem "Hostinec" stand, heruntergerissen haben, entstand eine furchtbare Aufregung, man hat eine Vergewaltigung der èechischen Minderheit herausgelesen und zur Strafe nicht nur den Gemeindevorsteher seines Amtes enthoben, sondern es soll auch als Strafe dafür nun die Eingemeindung erfolgen, damit die Deutschen solche Dinge nicht mehr machen können. Damit will man in rein deutschen Gebieten künstlich eine èechische Mehrheit schaffen. Ich könnte noch eine ganze Reihe von Gemeinden anführen, Krumpisch bei Hohenstadt, Olmütz, viele Gemeinden in Südmähren, wo in jedem einzelnen Falle nachgewiesen werden kann, daß es sich nur darum handelt, eine èechische Mehrheit oder eine èechische Minderheit in jenen Gebieten zu schaffen, wo es bisher nicht möglich war.

Im Ministerium des Innern liegt derzeit noch eine ganze Reihe solcher Anträge, teils gestellt von den Gemeinden, teils von Einzelpersonen. Über diese Anträge soll nun das Mi nisterium entscheiden. Es konnte dies nicht, weil das famose Ermächtigungsgesetz am Ende des Jahres abgelaufen war. Es ist nun mit einem neuen Antrage gekommen, mit einem neuen Vorschlage, den ich bereits gekennzeichnet habe. Der § 1 dieses Gesetzes der Regierung ging selbst den èechischen Mehrheitsparteien über die Hutschnur. Der Antrag wurde dem Verfassungsausschusse übermittelt, dort hat man sich im Kompromißwege auf eine Formel geeinigt, der Vorschlag kam wiederholt ins Haus und wieder zurück in den Verfassungsausschuß, bis wir endlich jetzt die fertige Vorlage vor uns haben, die das Haus heute beschließen soll.

Wir sehen gewiß ein und begreifen es, daß es unter Umständen notwendig werden kann, auch gewisse Widerstände zu brechen, wenn einzelne Gemeinden sich aus Gott weiß welchen Gründen gegen die Zusammenlegung stellen, die vielleicht wirtschaftlich unbediugt notwendig erscheint, aber das ist nicht die Triebkraft bei Schaffung dieses Gesetzes gewesen, sondern, wie viele Fälle beweisen, war die Triebkraft nichts anderes als nationales Unrecht und nationale Vergewaltigung.

Wir werden daher diesem Gesetze unsere Zustimmung versagen und unsere Fraktion, der deutsche sozialdemokratische Klub, wird gegen dieses Gesetz stimmen.

Ich hätte noch auf eine Bestimmung im Gesetze selbst zu verweisen, auf den § 3. Dieser § 3 behandelt die Einsetzung von Verwaltungskommissionen. Es ist bezeichnend, daß in diesem Paragraphen, obwohl wir mit den Verwaltungskommissionen schon die schlimmsten Erfahrungen gemacht haben, die Regieru ng und die Mehrheitsparteien, denen doch das Unrecht, das mit diesen Verwaltungskommissionen geschaffen wurde, nicht unbekannt sein kann, diese Kommissionen wieder einführen wollen. Wiederholt haben wir in diesem Hause dieses ganze Unrecht gekennzeichnet, haben auf die Gewaltakte hingewiesen, die in Hultschin und in Oberschlesien vollzogen worden sind, und wiederum kommt man mit solchen Verwaltungskommissionen, mit dem § 3, welcher es vollständig der Regierung, resp. ihren Organen, den Bürokraten überläßt, nach ihrem Gutdünken Verwaltungskommissionen zusam menzusetzen, ohne auf Parteien oder wirtschaftliche Verhältnisse Rücksicht zu nehmen, sondern einfach, wie man es bisher gewohnt war, eigenmächtig diese wichtige Frage zu lösen.

Wir haben heute Verwaltungskommissionen in Ostschlesien und Hultschin, in denen Leute sitzen, die überhaupt keinen Anhang haben; man hat niemanden gefragt, man hat weder die Bevölkerung, noch die Parteien verständigt, sondern die Leute einfach ernannt; sie wurden dazu bestimmt, obwohl die ganze Bevölkerung im schärfsten Gegen satze zu diesen Personen in den Verwaltungskommissionen steht. Meine Herren, wenn Sie glauben, daß das Demokratie ist - und Sie bilden sich doch immer sehr viel darauf ein, - wenn Sie glauben, daß das auch nur annähernd der Demokratie entspricht, werden Sie mit dieser Anschauung wohl vollständig allein dastehen.

Aber es dreht sich nicht nur um die Verwaltungskommissionen der Gemeinden, es gibt auch noch ganz andere Verwaltungskommissionen. Wir haben auch Landesverwaltungskommissionen und Bezirksverwaltungskommissionen. Wir haben eine solche Landesverwaltungshommission in Böhmen, in Mähren und in Schlesien. In der schlesischen Kommission sind, obwohl die Deutschen die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung bilden, nur drei Deutsche, dagegen sechs Èechen und ein Pole. In der Landesverwaltungskommission in Böhmen, glaube ich, gibt es überhaupt noch keine Vertretung der deutschen Arbeiter, der deutschen Sozialdemokratie. Aber noch krasser sind die Dinge in Mähren, die geradezu ei nen Skandal darstellen und zeigen, mit welcher Oberflächlichkeit sehr wichtige Fragen gelöst werden. In Brünn waren beispielsweise beim Umsturze drei Deutsche im Landesausschusse. Bald nach dem Umsturze ist eine Veränderung vor sich gegangen, aus den drei Deutschen sind zwei Deutsche geworden, die Zahl der deutschen Vertreter ist also reduzieft worden; und die deutschen Sozialdemokraten, die stärkste deutsche Partei in Brünn und überhaupt im Lande, die 35% der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt hat, haben in diesem Landesausschusse kein einziges Mandat, während die Deutschbürgerlichen zwei solche Mandate haben. Also ein Unrecht nach allen Seiten. (Pøedseda Tomášek ujal se pøedsednictví.)

Wir vertreten daher die Auffassung . . . . (Posl. Èermak: In der böhmischen Landesverwaltungskommission haben die Deutschen überhaupt niemanden!) Die große Zahl der Deutschen Böhmens, diese ungeheuer große Zahl arbeitenden Volkes hat überhaupt keine Vertretung darin, und trotzdem kommt die Regierung mit diesem Gesetz, und es soll in Zukunft wiederum solchen Organen überlassen bleiben zu bestimmen, wer in diese Verwaltungskommissionen zu berufen ist und wer nicht.

Wir werden daher gegen dieses Gesetz stimmen, und ganz besonders deshalb, weil dieses Gesetz nicht dem Geiste der Demokratie entspricht, sondern autokratisch über wichtige Lebensfragen wirtschaftlicher und finanzieller Natur der Gemeinden entscheidet und weil wir die Auffassung vertreten, daß eine solche Frage nicht autokratisch, nicht bürokratisch, sondern vor allem durch die Gemeinden selbst gelöst werden muß. Deshalb werden wir dem Gesetz unsere Stimme versagen. Wir erlauben uns aber trotzdem, um einigermaßen das krasse Unrecht, das hier an vielen Beispielen gekennzeichnet wurde, aus der Welt zu schaffen, einige Abänderungsanträge zu stellen.

Wir beantragen zu § 3, nach dem 2. Absatz folgende Bestimmung einzuschalten: "Die Verwaltungskommissionen sind nach dem Ergebnis der letzten in ihrem Verwaltungsgebiet nach dem Verhältniswahlrecht durchgeführten Wahlen auf Grund der Anträge der Parteien zusammenzusetzen. Die Zusammensetzung der bereits bestehenden Verwaltungskommissionen ist binnen einem Monat nach der Kundmachung des Gesetzes diesen Bestimmungen anzupassen."

Der letzte Satz des § 3 soll gestrichen und durch folgende Bestimmung ersetzt werden:

"In solchen Fällen sind die Wahlen binnen drei Monaten auszuschreiben". Außerdem liegt bereits eine von uns beantragte Resolution vor, die sich vor allem mit der Zusammensetzung der Verwaltungskommissionen in den Bezirken und Ländern beschäftigt. Wir nehmen an, daß Sie wenigstens insoweit unsere Anträge berücksichtigen und dem Gesetze doch teilweise einen demokratischen Zug geben, daß Sie wenigstens diese von uns gestellten Abänderungsanträge annehmen. Unsere Fraktion selbst ist aus all' den genannten Gründen gezwungen, gegen dieses Gesetz zu stimmen. (Souhlas na levici.)

4. Øeè posl. Böllmanna (viz str. 2579. protokolu):

Hohes Haus! Als Mitglied des Untersuchungsausschusses bitte ich alle diejenigen Damen und Herren des Hauses, die nicht Gelegenheit hatten, dem Untersuchungsausschusse anzugehören, mit mir im Geiste die Reise nach Krompach mitzumachen und auf Grund meiner objektiven Mitteilungen sich selbst das richtige Bild zu verschaffen, das nötig ist, um sich über diese Angelegenheit ein Urteil bilden zu können.

Wir traten die Reise am Samstag in der Nacht an, und zwar der eine Teil des Untersuchungsausschusses, der zweite trat seine Reise am Sonntag nach Krompach an und wir trafen uns dort am Montag früh. Die Reise begann in Begleitung einiger weniger Herren. Am Nachmittage näherten wir uns dem schönen Gebiete der Tatra. Unmittelbar aus dem flachen Lande steigen die 4000 Meter hohen Berge mit ihren Spitzen auf, bei unserer Vorbeifahrt verklärt vom milden Wintersonnenschein. Herr Kollege Svetlik, der in Rosenberg eingestiegen war, hatte die Liebenswürdigkeit, uns, die wir das erstemal in der Slovakei waren, auf die Schönheiten dieser Gegend aufmerksam zu machen. Und zu meiner großen Befriedigung stellte ich fest, daß auch er, der der kommunistischen Seite angehört, Liebe zu seinem Heimatslande bekundet, Liebe zu seinem Boden. Er erzählte uns dort von dem Reichtum der Berge, er erzählte uns von dem Fleiß der Leute, und demgemäß mußte man annehmen, daß er auch dort mit dem Boden verwurzelt sei. Er war es, der uns bis nach Krompach begleitete. In Krompach angekommen, wurde er von seinen Genossen empfangen und von uns getrennt. Wir, der andere kleinere Teil, begaben uns in das Kasinolokal, nahmen das Nachtmahl ein und wurden nachher unter dem Schutze der Bajonette in unsere Nachtquartiere geführt. Denn in Krompach herrscht seit dem 22. Feber Standrecht. Am nächsten Tage früh bot sich beim Gang in das Lokal, wo der Untersuchungsausschuß tagen sollte, für mich ein etwas merkwürdiger Anblick. Ausbiegend von dem Hause, wo ich wohnte, traten wir auf eine breite Straße heraus. Und was sah mein Auge? Einen Zug von Schulkindern, geführt von Lehrerinnen und Lehrern, ein Anblick, der uns in Böhmen schon lange nicht zu Teil wurde. Ich dachte schnell nach: Was soll das bedeuten? Ich erinnerte mich aber sofort, es ist doch heute Feiertag, der 7. März, der Tag des Geburtsfestes des Präsidenten der èechoslovakischen Republik. Der Tag wurde in der frommen Slovakei mit Kirchgängen gefeiert. Bei uns in Böhmen wurde die Feier ganz anders veranstaltet. Ich betrachtete die neben mir dahinziehenden Kinder und in der zwölften, der vierzehnten Reihe sah ich zwei kleine Mägdlein, von denen das hintere dem vorderen auf einmal scharf auf die Füße trat. Diese dreht sich um und versetzt der Füßetreterin zwei ganz kapitale Ohrfeigen. Sie sehen auf dem Gange zum friedlichen Kirchgang den Kampf. Und was sich da blitzartig bot, ist bezeichnend für das Bild in Krompach. Auf dem weiteren Wege zum Untersuchungslokale begegnete ich Frauen und Männern. Die Frauen, mit großen schweren Gebetsbüchern, begaben sich ebenfalls in die Kirche, wo auch die Spitzen der Ortsbehörden sich zum Gebete für das Wohl des Präsidenten eingefunden hatten.

Wie ich die Kinder so ziehen sah, da dachte ich mir: welche Gänge müssen bei uns in Böhmen die Kinder machen, denen man die deutschen Schulen geschlossen hat, um in die Schule zu gehen, um den Unterricht zu genießen, um den Kampf für das Leben aufzunehmen! Ich mußte an die bedrängten Eltern denken, die ihre Kinder Kilometer weit den Unbilden der Witterung aussetzen müssen, um ihnen einen deutschen Unterricht angedeihen lassen zu können. Das waren Erwägungen, die zu denken gaben, die ganz eigenartig in dieser Republik die Regierung ihre Macht, die Regierungsgewalt ausübt.

Hingegen zum Untersuchungslokale, kamen andere Herren vom Untersuchungsausschusse uns entgegen und wir begaben uns auf den Weg zum Bahnhofe, um unsere mit dem Frühzuge ankommenden Kollegen zu empfangen. Am Bahnhofe wurde uns die Mitteilung zuteil, daß der Zug eine Verspätung von mehr als zwei Stunden habe. Diese Gelegenheit wollte ich benützen, um an Ort und Stelle einen Lokalaugenschein für meine Person vorzunehmen. Demselben Ziele eilte auch der Präsident des Untersuchungsausschusses Pastyøík zu. Wir trafen dort zusammen. Ich war in Begleitung eines höheren Offiziers, und als wir uns dem Werksgebäude näherten, machte ich wieder eine besondere Wahrnehmung, und zwar die, daß man auch unten in der Slovakei zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung unsere deutschen Soldaten braucht. Denn der Posten, der vor dem Gebäude stand, machte dem Offizier die Meldung in deu tscher Sprache. Und auf mein Befragen bestätigte mir der Offizier, daß die deutschen Soldaten ihre Pflicht getreulich erfüllen. Sie sehen, daß unsere deutschen Soldaten ebenso wie in Oslavan auch in der Slovakei benötigt werden, um diese Republik nicht zugrunde gehen zu lassen.

Wir gehen weiter. Wir gingen in in das Gebäude und begaben uns in das erste Stockwerk. Über die Stiegen gehend, wurde ich aufmerksam gemacht, daß über diese Stiegen der Oberstuhlrichter Lukacs noch lebend an den Füßen geschleift wurde, so daß sein Kopf jedesmal auf die Steine der Treppe aufschlug. Zum Schluß wurde Lukacs wie ein Stück Vieh oder wie ein Klotz neben die Leiche des draußen auf dem Vorplatz liegenden Podrazský geworfen. Eisiger Schauer erfüllte mich, die Majestät des Todes erfüllte das Haus, erfüllte den Raum, in den wir traten. Die Türe öffnend, sahen wir von Papier geschützt die Blutflecken. Wir wurden aufmerksam gemacht, in welcher Stellung Lukacs sich befand, als er von der eindringenden Meute mit Holzstücken und eisernen Stäben zu Boden geworfen wurde.

Doch auch ein anderes Bild will ich Ihnen zeigen und ich freue mich, daß es mir gegönnt ist, auch von diesem Platze aus das hohe Lied vom braven Manne Ihnen zu verkünden, der auch in der Stunde der größten persönlichen Gefahr - zuerst daran denkt, seine Pflicht zu erfüllen, und in dieser Pflichterfüllung aufgehend, Hunderten, vielleicht Tausenden das Leben zu retten. Es war, ich glaube, Herr Ingenieur Dr. Matoušek, der uns im Hause als Führer diente und dieser Mann war es, der am 22. Feber, als die Arbeiter ihre Arbeitsplätze verließen, mit Zuhilfenahme von 4 Meistern, die der Explosion nahen Kessel rettete, mit welcher Tat er das Leben vieler Hunderte, und, was noch mehr wiegt, die Arbeitsstätte dieser Arbeiter vor dem Untergang rettete. (Výkøiky.) Dieser Mann, ob er nun ein Deutscher, ein Slovake oder ein Ungar ist, ich weiß es nicht, er steht uns nahe. Es ist deutsche Wesensart, die sich da kundgibt, in treuer Arbeit und Pflichterfüllung aufzugehen.

Wir gehen weiter. Wir begaben uns von dort auf den Bahnhof zurück; in der Zwischenzeit sollte die andere Partie des Untersuchungsausschusses eintreffen. Sie können sich denken, daß ich, erfüllt von den Eindrücken des Hauses, den Platz vor dem Hause mir anschaute, auf dem sich die wüsten Szenen abgespielt haben, die auch Ihnen bekannt sind. Als nun der restliche Teil des Untersuchungsausschusses angekommen war, begaben wir uns sofort in das Kasino, da die Schule dafür nicht ausreichte. Der Untersuchungsausschuß begann sofort mit seiner Tätigkeit und vernahm die Zeugen ein. Es wurde natürlich dem Herrn Direktor des Ernährungsamtes von Pressburg der Vortritt gelassen. Dieser Mann erklärte uns, daß die Lebensmittel dem Werke ebenso zugemessen wurden, wie allen anderen Werken. Im Monat Jänner wurden pro Person 8 kg, im Monat Feber pro Woche 1 kg 85 dkg Mehlprodukte pro Person verteilt, davon 1 kg. 30 dkg weißes Mehl und 50 dkg. Kukuruzmehl und Kukuruzgries. Der Herr Oberbeamte Záborský, der dem Provi sorat, soviel wie Konsum, vorsteht, bestättigte das. Er gab uns auch noch Aufschluß, daß die Arbeiter mit Speck, Fett, Kartoffeln und mit Hülsenfrüchten beteilt werden, und zwar zu angemessenen Preisen, wobei die Unternehmung den Unterschied zwischen Einkaufs- und Verteilungspreis aus eigenem deckt. Ich will Ihnen nur sagen, daß der Speck um 24

Kronen gegeben wurde und das Kilogram Zucker um 3 K 30 h, während die übrige Bevölkerung in Krompach den Zucker mit 8 K 59 h bezahlen muß. Jeder Arbeiter bekam auch noch pro Monat 5 Meterzentner Kohle, den Meterzentner zu 3 K 20 h; die Wohnung wird den Leuten zwar nicht unentgeltlich in den Kolonien zugewiesen, sie bezahlen je nach den Räumlichkeiten monatlich 5 K bis 20 K, in welchem Preis jedoch die elektrische Beleuchtung inbegriffen ist.

Meine Herren! Wen ich damit die Mühsal vergleiche, unter welcher unsere Leute im Erzgebirge gedarbt haben und heute noch ihr Leben fristen, so konnte ich den Glauben nicht finden, daß das Auslangen zu finden in Krompach nicht möglich gewesen wäre. Es wurde uns auch durch Zeugen bestätigt, daß die Arbeiterschaft selbst mit diesen Zuweisungen bis zu jenem kritischen Tag förmlich zufrieden war. In der ersten, zweiten und dritten Woche (Posl. dr. Hahn: Ziehen wir alle nach Krompach, ins Paradies, dort weiß man nicht, was Hunger ist!) Vertauschen Sie das, Herr Doktor, mit Reichenberg, vielleicht finden Sie dort ein besseres Feld Ihrer Tätigkeit. Es ist dort mit dem Elend der Bewohner unseres Erzgebirges, des Riesengebirges und unseres Adlergebirges verglichen, wohl kein Wohlleben, aber doch ein gesicherteres Leben, als die es hatten. Monatelang hatten unsere Leute im Erzgebirge auch nicht eine Krumme Brot bekommen. (Výkrik: Deshalb können Sie es doch den anderen gönnen! Hluk.) Gewiss, wir gönnen es ihnen vom Herzen. Ich will ja nur feststellen, daß wir berufen waren, dort zu untersuchen, ob die Lebensmittelnot die Leute dazu getrieben hat. (Hluk. Posl. Cermak: Weil nicht alle verhungert sind, geht es gut dort, was?) Ich stelle nur fest, was meine Aufgabe war, und ich habe es den Herren anheimgestellt, es steht ihnen frei, sich ihr Urteil selbst zu bilden. (Výbornì!) Es liegt in unserer Natur, ich bin ein Deutscher, und bei uns siegt das Recht, wenn wir auch dadurch Unrecht leiden müssen. Wir haben das gesehen und bestätigt bekommen und ich möchte Sie nun sehr bitten, mit mir die verschiedenen Arten von Zeugen auch so objektiv zu beobachten, wie ich es getan habe.

Es wurden uns Vertrauensmänner verschiedener Art vorgeführt, Vertrauensmänner der levice, der Línkssozialisten, oder wie sie bei uns heißeu, der Kommunisten, und Vertrauensmänner der Rechten, verschiedene Frauen und andere Zeugen, die an Ihrem geistigen Auge so vorüberziehen werden, wie bei mir in Wirklichkeit.

Der erste, der auftrat - ich weiß heute nicht mehr, war es ein Anhänger der linken oder der rechten Seite, war ein Hauptvertrauensmann. Da nahm ich bei einer Frage die Gelegenheit wahr, um festzustellen, was der Herr Ministerpräsident in seiner Erklärung uns anheim gegeben hat, als gut zu finden, ob nämlich die Vorfälle auf staatsfeindliche Aktionen zuruckzuführen sind. Ich stellte an diesen Mann die Frage, er möchte mir den Widerspruch aufklären, der darin liegt, daß man von Regierungsseite sagt, die Aktion wäre eine staatsfeindliche gewesen, während doch die ersten Opfer, welche von Seite der zu 80% slovakischen Arbeiterbevölkerung ausgesucht wurden, Magyaren waren; und wenn in der Slovakei eine staatsfeindliche Aktion zu erwarten gewesen wäre oder zu erwarten ist - nach dem ja der Herr Minister des Äußern von dort immer den casus belli erwartet - meine ich, daß das nur von ungarischer Seite zu erwarten gewesen wäre, und es ist mir unbegreiflich, daß man dann Magyaren tötet. Er war auf diese Frage auch nicht vorbereitet und sagte, er verstehe diese Frage nicht.

Ich will weitergehen. Es kam als erste Zeugin unter den Frauen eine gewisse Žáková. Ich saß unmittelbar vor ihr, ich blickte ihr ruhig in die Augen. Es ist dies keine Frau gewesen, wie wir sie sonst sehen, eine Frau normalen Geisteszustandes, sondern eine Frau, die mindestens hysterisch veranlagt ist, und der Blick, mit dem sie alle dort in dem Untersuchungslokale maß, bezeugte das. Sie war sehr redegewandt, sie sprach sehr geläufig und gab uns kund, was sie bei diesen Versammlungen und Vorsprachen in dem Direktorat schon alles geleistet hätte. Eine andere Zeugin sagte von ihr, das war unsere Vertrauensperson, wir bauten auf sie, sie war für uns maßgebend. Eine dritte Zeugin - die Namen spielen ja keine Rolle, um sich das richtige Bild zu machen - war in ihren Aussagen so gemessen, so kühl, so zaghaft, daß der Herr Präsident des Untersuchungsausschußes fast jedes Wort aus ihr herausziehen mußte, was ihm sogar einen Tadel von Mitgliedern des Untersuchungsausschußes zuzog. Aber er mußte so verhören, weil wir sonst von dieser Frau gar nichts gehört hätten. Diese Frau war ruhig, gewiß nicht bedrängt, weil sie Zeit genug hatte, und diese Zeugin sagte aus, daß sie mit der Žáková dort gestanden wäre, sie hat alles gesehen, nur die Hauptsache nicht, daß nämlich die herbeigeeilten Männer Geräte, Stöcke, Eisenstäbe oder sonst was in der Hand gehabt hätten. Sofort nach den abgegebenen Schüßen des Kroupa ist sie vom Platze verschwunden. Auf meine Frage, wie sie die Verwundung des Kroupa bemerkt hat, sagte sie: "Die Verwundung geschah eine halbe Stunde nach dem Schießen. Da war ich noch da". So sind die Zeugeaussagen und auf diese Aussagen hin soll man sich ein objektives Urteil bilden!

Es traten noch verschiedene Frauen auf, die ebenso aussagten oder noch weniger günstig. Nun möchte ich einen anderen Zeugen vorführen. Es ist Herr Ztratil. Das ist die Hauptperson, die von der Regierungsseite angeführt wird, um tatsächlich zu zeigen, daß die Aktion und die Vorfälle staatsfeindlich waren. Auch diese Sorte Leute kennen wir, wir bezeich nen sie bei uns in Böhmen nicht anders, als Národní výbor-Leute; die gehen los gegen jedermann, der nicht ihrer Gesinnung ist. Es war ein Mann von der Èeskoslovenská Beseda, vom Sokol u. s. w., und das ist wohl die erste Schutztruppe für die èechoslovakische Regierung. Diese Leute werden gewiß immer so aussagen, wie es den Herren genehm ist. Aber trotzdem müssen wir es bewundern, daß von der Mann - das sage ich offen - der kommunistischer Seite vielleicht der bestgehasste ist, so ausgesagt hat; er trägt gewiß seine eigene Haut zu Markt. Dieser Mann sagte auch, daß die Verhältnisse so sind, wie ich sie Ihnen geschildert habe. Er sagte auch, daß er 1200 K monatlich ohne Uberstundeu hätte, daß die Arbeiterschaft in Pressburg besser bezahlt ist als in Krompach, aber die Begünstigungen nicht genieße, wie die Arbeiterschaft in Krompach und er es deshalb vorziehe, auf dieser Arbeitsstätte zu bleiben, obwohl er wo anders eine bessere Bezahlung hätte. Das ist Geschmacksache, wie es sich eben ein jeder einrichtet und wie es ihm beliebt, und ändert nichts an der Sache.


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