Hohes Haus! Es ist schwer, nach den Ereignissen der letzten Tage in diesem Hause sowie außerhalb desselben sachlich zu bleiben und sachlich zu den Gesetzesvorlagen zu sprechen. Aber gerade die Sache ist es, welche uns bestimmt, ruhiges Blut zu bewahren, uns nicht hinreissen zu lassen und alles Mögliche zu unternehmen, um den auf der Tagesordnung befindlichen Gesetzen ihre Härte zu nehmen und Verbesserungsanträge zu stellen. Sollten jedoch alle unseren Bemühungen vergeblich sein, so wird es uns freistehen, unsere Taktik zur gelegenen Zeit zu ändern.
Das gegenwärtig auf der Tagesordnung befindliche Gesetz benennt sich Kleinpächterschutzgesetz und tatsächlich, Zehntausende, ja Hunderttausende Kleinpächter haben mit Bangen und Sorgen ein solches Gesetz erwartet. Aber diese Vorlage ist eine bittere Enttäuschung für sie geworden. Wir haben uns seinerzeit in den bezüglichen Fachausschüssen alle mögliche Mühe gegeben, um eine Besserung herbeizuführen. Es ist jedoch den èechischen wie auch den deutschen Agrariern gelungen, unsere Anträge niederzustimmen. Da waren sie sich einig, die deutschen und die èechischen Agrarier, und wenn die deutschen Agrarier hier wären, so würde dies zum zweitenmal bestätigt werden.
Es ist eigentlich keine Klasse wirtschaftlich so abhängig, wie die Kleinpächter. Sie sind heute noch die Leibeigenen der Großbauern, denn sie müssen für den verpachteten Boden nicht nur Zins und Robot entrichten, sondern auch ihrer Freiheit und ihrer politischen Rechte, die ihnen von der Verfassung gewährleistet sind, entbehren. Hunderte Briefe laufen ein, in denen die Kleinpächter gegen ihre Unterdrückung protestieren. Zum Beweise will ich Ihnen einige solcher Beschwerden, die, wie gésagt, täglich einlaufen, vorlegen.
So schreibt z. B. aus der Daubaer Gegend die bezügliche Kleinbauernorganisation (ète): "Es haben uns sämtliche Großbauern das Feld bis 1. Oktober 1921 gekündigt. Ich ersuche die Herren Parteivertreter dahin zu wirken, daß wenigstens die Pachtdauer auf 6 Jahre festgesetzt werde, da diese Herren den Grund ja nicht zu ihrem Unterhalte brauchen, wie wir Häusler. Nun wurde uns jetzt von diesen Herren durch einen Advokaten das Feld abermals gekündigt mit dem Bedeuten, daß wir dasselbe nicht mehr düngen und auch keinen Kleesamen aussäen dürfen, da uns diese Herren dafür keine Entschädigung leisten. Wenn wir nicht düngen, können wir keine Kartoffeln ernten und kein Kraut, da, wie jeder Landwirt weiß, diese Fruchtarten ohne Dünger nicht gedeihen. Wenn wir keinen Klee aussäen, so ist unsere Viehhaltung für das kommende Jahr gefährdet, auch wenn wir das Feld auch weiterhin in Pacht behalten. Dringende Hilfe ist notwendig; wenn nicht unser Untergang unvermeidlich sein soll, möchte das Gesetz so rasch wie möglich zur Durchführung gelangen. Noch einen anderen Trick wenden heute bei uns diese Herren vom Bunde der Landwirte an. Sie wollen nämlich das verpachtete Feld verkaufen, um die Pächter zu verdrängen, aber zu Preisen, welche den Kleinbauern und Häuslern Hohn sprechen, 4000 bis 5300 K per Strich. Bei solchen Wucherpreisen kann kein Kleinbauer oder Häusler einen Strich Feld kaufen. Ich frage daher: Gibt es da nicht ein Mittel, diese Wucherer eines anderen zu belehren? Wenn ein Strich Feld 4000-5300 K wert ist, so möchte nach diesen Zahlen unser Finanzminister die Vermögensabgabe einschätzen lassen, da vom Bund der Landwirte Wirtschaften bis 100 Strich Grund höchstens mit 70.000 bis 80.000 eingeschätzt wurden. Wenn den Herren des Bundes der Landwirte das, was sie erstreben, nämlich, uns das Feld zu entziehen, gelingen sollte, so würden allein in unserem Bezirke Hunderte Familien erwerbslos sein, da sich hier keine andere Erwerbsmöglichkeit für sie bietet. Was dies für Folgen haben kann, kann man nicht beurteilen, denn die Erbitterung gegen die uns bedrückende Klasse ist jetzt schon auf das Höchste gestiegen. Bezüglich der Verlängerung der Pachtdauer ersuche ich die Herren Vertreter und Abgeordneten im Namen aller Ortsgruppen, dieselbe sobald als möglich zur Durchführung zu bringen, da wir alle mit größter Sehnsucht darauf warten."
Wir sehen also, auf welche Art und Weise diese Kleinpächter und kleinen Landwirte bedrückt werden. Ein zweites Schreiben, ich will nur einen Auszug bringen, denn die Verlesung des ganzen Schreibens würde zu lange dauern (ète):
"Ein stets anwachsender Teil der Kleinpächter kommt sich immer häufiger mit der Beschwerde, daß ihnen die Bauern Pachtfelder entziehen, die sie schon Jahrzehnte lang ununterbrochen gepachtet hatten. Dabei bildet es die Regel, daß die Bauern diese Felder nicht etwa in Eigenwirtschaft übernehmen, sondern wieder anderweitig verpachten. Diese Pachtentziehungen haben regelmäßig die Notwendigkeit zur Folge, eine, wenn nicht beide Kühe des Kleinpächters zu verkaufen. Nicht nur lösen sie bei derartigen Mußverkäufen und bei der ihnen so sehr überlegenen Schlauheit der Fleischhauer unverhältnismäßig wenig, sondern sie sind hiedurch buchstäblich in ihrer Existenz bedroht. Hat doch der Großteil der Kleinpächter den Verdienst durch Fabriks- oder Heimarbeit eingebüßt und lebt mit seiner oft zahlreichen Familie, - worunter häufig Kriegskrüppel sind, - ausschließlich von der Pachtwirtschaft mit seinen 1 bis 2 Kühen.
Heute habe ich beispielsweise folgendes festgestellt: In der Gemeinde Dörfles bei Gewitsch (Gerichtsbezirk Gewitsch) hat die Erbgerichtsbesitzerin Frau Emilie Schwab (Besitzerin noch eines zweiten Bauerngrundes) vergangene Woche ihre Äcker neu verpachtet. Hiebei hat sie 8 oder 10 Kleinpächtern mit je 6 bis 12 Metzen Feld den Pacht ohne Begründung entzogen. Es handelt sich durchwegs um Pächter, welche diese Felder seit 30 bis 40 Jahren ununterbrochen angebaut haben und mit der Erbgerichtsbesitzerin bisher keinen Verdruß gehabt haben."
Sie sehen also, wie gegen die Kleinpächter vorgegangen wird und wie notwendig es ist, ein gutes Pachtgesetz zu schaffen.
Warum sind aber speziell die Großbauern gegen ein gutes und gerechtes Pachtgesetz? Ihre Existenz ist doch durch die Verpachtung einiger Metzen schlechten Bodens - denn die Großbauern verpachten in der Regel nur den schlechtesten Boden - nicht bedroht. Die Frage ist nicht schwer zu beantworten. Die Agrarier wollen die Kleinlandwirte weiter in Abhängigkeit erhalten, was ihnen auch bisher zum großen Teil gelungen ist. Das kleine Landvolk muß heute noch in seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit so handeln und denken, wie es die Verpächter eben wollen. Wenn es sich dagegen auflehnt, wird ihm das verpachtete Grundstück entzogen, auf welchem er seine Existenz aufgebaut hat. Der Kleinbauer muß sein Stück Vieh verkaufen und auswandern. Durch die Abhängigkeit des kleinen Landvolks vom Verpächter ist es den Agrariern heute noch möglich, die Landgemeinden und Bezirke zu beherrschen, und zwar zu ihrem persönlichen Vorteil.
Wenn ich sage: zu ihrem persönlichen Vorteil, so ist es nicht vielleicht ein übereiltes Wort, sondern ich erkläre, daß Gemeinden durch die sogenannten altansässigen Bauern, durch die Rustikalisten, um Tausende Millionen bestohlen wurden. Sie haben sich Tausende Hektar von Wald, Wiesen und Ackerboden wie auch Gebäude, die der Gemeinde gehörten, auf unrechtmäßige Weise angeeignet. Sie wenden alle möglichen Tricks an, um Gemeindegut ins Privateigentum umzuwandeln. Ich will Ihnen einen Fall erzählen. In der Gemeinde Stich, Bezirk Dobrzan, sind Kleinpächter und Häusler daran gegangen und haben verlangt, daß sie Mitnutznießer des Gemeindeguts werden sollen. Ihre Beschwerde wurde von der Gemeinde sowie vom Bezirk abgewiesen, mit der Begründung, die wohl berechtigt war, daß das Gemeindegut der Allgemeinheit zugute komme und das Gemeindegut in der Gemeinde verrechnet werden solle. Nun gut! Dieser Beschluß und diese Entscheidung waren recht. Aber in 2 Jahren - und das ist charakteristisch - hat die betreffende Gemeinde, in welcher nur Rustikalisten und altansässige Bauern saßen, den Antrag bei der Bezirksvertretung eingebracht, daß das Gemeindegut herrenlos sei, daß sich niemand darum kümmere - sie selber saßen ja drin in der Gemeindevertretung -, die Bezirksvertretung hat dem Ansuchen stattgegeben und hat auf diese Art und Weise das Gemeindegut den altansässigen Bauern zugeschrieben. Auf diese Art und Weise sind Hunderte Gemeinden um das Gemeindegut gekommen. Das ist also hauptsächlich der Grund, warum man die kleinen Landwirte in Abhängigkeit von den Großbauern erhält: um dann die politischen Rechte an sich zu reißen. Wenn heute von den èechischen Parteien soviel geredet wird über die Erhaltung und Stärkung dieses Staates, so können sie dies durch dieses Gesetz bestätigen, indem sie ein gutes Pachtgesetz schaffen. Denn das Landvolk hauptsächlich ist es, welches der Stadt und der Industrie immer neue Kraft und neues Leben zuführt. Es wird sich zeigen, ob Sie einer solchen Überwindung fähig sind. Wir hegen berechtigten Zweifel, daß dem nicht so sein wird. Denn es werden die bereits bestehenden Kleinpächtergesetze auf jegliche Art und Weise umgangen, die Kleinpächter geschädigt und um ihre Existenz gebracht.
Es ist charakteristisch, daß in diesem Staate, der alle Merkmale des kapitalistischen Klassenstaates an sich trägt, auch das Gute in das Böse umschlägt. Wir haben ein Baugesetz geschaffen, wir deutschen Sozialdemokraten haben dafür gestimmt und wir köunen sagen, das Baugesetz war notwendig, und in dem guten Glauben, daß dieses Gesetz eingehalten werden wird, haben wir dafür gestimmt. Aber auch durch dieses Baugesetz sind bereits viele Kleinpächter um ihren Besitz gekommen. Ich will Ihnen ein Beispiel anführen.
In Pilsen ist eine Baugenossenschaft gegründet worden von der sogenannten Menšina; der Macher in dieser Baugenossenschaft ist der Abgeordnete Lukavský. Diese Baugenossenschaft enteignet Grund und Boden ohne auf die Gesetze Rücksicht zu nehmen. (Výkøik: Wer gab ihnen das Recht?) Um das Recht kümmern sie sich nicht. Der Bezirkshauptmann Kozlanský, von dem hier im Hause schon die Rede war, unterstützte es, aber ich gebe dem Bezirkshauptmann viel weniger Schuld, sondern der Terror des Dr. Lukavský ist es, der dazu führte. Und so ist es eben gekommen, daß man in der benachbarten Gemeinde Tuschkau ausschließlich Kleinpächter enteignete, deren Existenz gefährdet ist, die direkt an den Bettelstab gebracht werden, u. zw. auf die ungesetzlichste Weise. Denn man kann nur den Grund enteignen, wenn die Existenz des Betreffenden nicht gefährdet ist und wenn man den Grund zum Bauen enteignet, so soll der Zweck der sein, um die Wohnungsnot durch die Bauten zu beseitigen. Aber in Tuschkau war der Fall so: Dort wurden, ohne die Gemeinde zu befragen, acht villenartige Häuser hingebaut, die Gemeinde weiß nicht einmal, wer in diesen Häusern wohnen soll, man hat keine Baulinie, kein Niveau eingehalten, keine Seitengassen angelegt, es ist keine Kanalisierung dort möglich, sondern es wurde ohne Baubewilligung willkürlich gebaut. Nun kommt das Charakteristische. Der dortige Bürgermeister hat dagegen Verwahrung eingelegt und der Abgeordnete Dr. Lukavský hat ein Schreiben an das Bürgermeisteramt gerichtet des Inhaltes, wenn die Gemeinde Hindernisse in den Weg legen sollte, werde er trachten, daß die Gemeindevertretung auf gesetzliche Art und Weise aufgelöst werde. Wie diese gesetzliche Art und Weise aussieht, wissen wir ja. Nun, ich war selbst zugegen, wie es bei einer solchen Enteignung zugeht, und habe selbst gesehen, daß das Gesetz nicht in der primitivsten Weise eingehalten wurde. Es ist daher notwendig, daß diese Abänderungsanträge, die wir eingebracht haben, angenommen und bei diesem Gesetz einige Nachteile beseitigt werden.
Wir haben zu § 1, den Antrag eingebracht, daß bei Ziffer 3 bezüglich der Pachtdauer diese von 3 auf 6 Jahre verlängert werden soll. Wir wissen ja, daß es den Kleinpächtern kaum gelingen wird, die Pachtdauer noch einmal zu verlängern, aber es ist nicht anders als recht und billig, daß man wenigstens diese Frist noch um 3 Jahre weiter verlängert, damit sich der Kleinpächter eine neue Existenz schaffen kann; denn in drei Jahren wird er kaum in der Lage sein, sich eine neue Existenz zu schaffen.
Der § 2 ist zur Gänze zu streichen. Auch der § 10 muß gestrichen werden. Wenn man diesen Paragraphen in seiner Fassung annimmt, so ist das Gesetz überhaupt wertlos. Denn es sind so viel Chikanen in diesem Paragraphen enthalten, daß überhaupt von einem Pächterschutz nicht die Rede sein kann. Ich will Ihnen nur den ersten Absatz verlesen: "Der Verpächter ist berechtigt, von der erneuerten Pacht zurückzutreten, wenn der Pächter (Subpächter) mit der Zahlung des Pachtschillings länger als drei Monate im Verzug ist, oder auf dem gepachteten Grundstück in einer Weise wirtschaftet, daß die Ertragsfähigkeit desselben bedeutend herabgesetzt erscheint, oder die begründete Befürchtung besteht, daß sie bedeutend herabgesetzt werden kann." Also wenn nur die Befürchtung vorhanden ist - und das wird immer der Verpächter konstatieren - so kann schon dem Betreffenden das Grundstück entzogen werden. Wer drei Monate mit dem Pachtzins im Rückstand ist, dem kann ebenfalls das Grundstück entzogen werden. Solange noch der alte Adel und der Großgrundbesitz die Grundbesitze verpachtet hatten, haben sie oft den Pachtzins ein Jahr gestundet und haben ihn eventuell bei Dürre auch nachgelassen, aber gegenwärtig, im modernen èechoslovakischen Staat, soll schon bei dreimonatlichem Pachtrückstand dem Pächter das Feld entzogen werden.
Ich ersuche daher, diese drei
Anträge anzunehmen. Ich weiß, daß sich bei diesem Gesetze die
èechischen Sozialdemokraten diese Verbesserungen mit durchzudrücken
bemühten. Wir erwarten, daß sie auch bei dieser Abstimmung für
diesen Antrag stimmen werden. (Potlesk na levici.)
Sehr verehrte Herren und Frauen! Lassen Sie mich meine Ausführungen mit den Worten beginnen: Ein Volk, das große Männer ehrt, ehrt sich selbst. Dieser Grundsatz muß meiner Ansicht nach bei jedem Volke vertreten sein, das Anspruch erhebt, als eine Kulturnation zu gelten. Dieser Grundsatz wird auch von jedem Sozialdemokraten vertreten, und so wird unsere Partei niemals dagegen sein, wenn es die Ehrung großer Männer gilt. Nicht nur den Heroen des Geistes, die dem eigenen Volke angehören, bringen wir Bewunderung und Ehrfurcht entgegen, sondern auch wie Sie es in dem vorliegenden Falle tun, den großen geistigen Kapazitäten aller Nationen. Dabei hat die Arbeiterklasse in allen Ländern bisher und selbst heute noch an der Geisteskultur der Jahrhunderte nur in beschränktem Maße Anteil nehmen können, obwohl die Arbeiterklasse so oft befruchtend in geistig-kultureller Beziehung gewirkt hat, obwohl aus der Arbeiterklasse große Männer hervorgingen, Gelehrte, Künstler, Erfinder und Entdecker, deren geistiges Wirken in Zukunft noch fortleben wird.
Ich hielt es für notwendig, dies vorauszuschicken, um dem Mißverständnis vorzubeugen, als würden wir unseren ablehnenden Standpunkt gegenüber dieser Vorlage aus Unverständnis und Ignoranz gegenüber kulturellen Forderungen eingenommen haben. Das ist durchaus nicht der Fall. Die Gründe, die uns zur Ablehnung dieses Gesetzentwurfes bewegen, sind durchaus nicht prinzipieller Natur, sondern sie sind in den gegenwärtigen Verhältnissen begründet und in den technischen Mängeln, die diese Vorlage sowohl in legislativer, wie auch in budgetärer Hinsicht aufweist. Was will man mit dieser Vorlage bezwecken? Vor allem zwei Dinge. Die Herren von der Regierung im Verein mit der èechischen Majorität in diesem Hause wollen die große geistige Bedeutung des französischen Gelehrten Ernst Denis würdigen und sein Andenken ehren. Es ist dies schon einmal geschehen. Wir haben hier in Prag ein öffentliches Gebäude, das den Namen Ernst Denis trägt. Das genügt Ihnen noch nicht, Sie wollen mehr tun und eine Ernst Denis-Stiftung begründen. Sie wollen aber außerdem noch mit dieser Stiftung die wissenschaftlichen Beziehungen mit dem Auslande fördern und vertiefen. Wir haben bereits im Budgetausschuß erklärt, daß wir volles Verständnis haben für die kulturellen Zwecke, die Sie zur Begründung der Vorlage anführen, und ich wiederhole ausdrücklich, sowohl als Angehörige einer großen Kulturnation, sowie als Vertreterin der Kulturbewegung, die der Sozialismus darstellt; wir werden immer eintreten für die kulturellen Forderungen des èechischen Volkes und dieselben unterstützen. Ich weiß, wir befinden uns da in einem wohltuenden Gegensatz zu Ihnen, die Sie für die kulturellen Forderungen des deutschen Volkes nicht dasselbe Verständnis und dieselbe Objektivität aufbringen, wie wir. Das sehen wir täglich. (Výkøik: Tomu sama nevìøíte!) Oh, ich kann Ihnen Beispiele anführen!
Als ich neulich im Kulturausschuß verlangt habe, über unseren Antrag auf Errichtung einer Tierärztlichen Hochschule zu verhandeln und zu sprechen, hat Herr Prof. Srdínko dies abgelehnt und erklärt, alle Hochschulforderungen der Deutschen seien hochpolitische Fragen. Und es wurde nicht darüber gesprochen. Wenn es sich aber um klerikale Schulforderungen handelt, da nehmen Sie einen ganz anderen Standpunkt ein, was wir von Herzen bedauern müssen. Wir haben Ihren Antrag mit anderen Augen, mit Objektivität betrachtet, aber wir kommen um den Eindruck nicht herum, daß man hier gewissermaßen mit Kanonen nach Spatzen schießt, das heißt, daß man hier eine große Summe für eine Sache ausgeben will, der die kulturelle Bedeutung, die Sie in sie hineinlegen wollen, durchaus nicht zukommt. Diese Ernst Denis-Stiftung in der Höhe von 1 Million Frs. soll verwendet werden zur Errichtung einer Lehrkanzel für slavische Geschichte und Kultur in Paris und zum Ankaufe eines Hauses für Zwecke des slavischen Studieninstituts. Es handelt sich also hier ganz offensichtlich um eine Einrichtung, welche nur einer kleinen Oberschicht von Studierenden Gelegenheit zur Ausbildung geben wird, der größeren Masse der mittellosen Studenten wird diese Einrichtung durchaus nicht zu gute kommen. Nur diejenigen, die es sich materiell leisten können, nach Frankreich zu gehen um zu studieren und die französische Sprache zu erlernen, werden etwas davon haben. Die Minderbemittelten werden davon ausgeschlossen sein und selbst wenn Sie die Absicht hätten, auf Staatskosten arme Studenten nach Paris zu senden, würde deren Lebensunterhalt so hoch sein, daß es sich gar nicht rentieren würde. Man kann auch hier zu Hause französisch lernen und mit viel billigeren Mitteln als in Paris. Es wird also in Wahrheit nur eine Bildungsstätte sein für eine Anzahl vom Glück begünstigter Menschen, für die Angehörigen der privilegierten Klassen. Dem stehen so viele unerfüllte Kulturforderungen der Allgemeinheit gegenüber, über die man einfach zur Tagesordnung übergeht, während diese Sache zu einer großen Wichtigkeit aufgebauscht wird. Das muß uns auf den Gedanken bringen, daß es sich Ihnen hier nicht bloß um die verdiente Ehrung eines großen Mannes handelt, sondern um ein politisches Machtbekenntnis.
Ich bin überzeugt, daß das nicht die letzte und geringste Absicht ist, die sie mit diesem Antrag verbinden. Beim Studium der Vorlage hat sich mir unwillkürlich der Gedanke aufgedrängt, daß es sich in erster Linie darum handelt, die Großmachtstellung unseres Staates nach außen hin zu dokumentieren, in den Augen der französichen Freunde eine imponierende Rolle zu spielen. Solche Augentäuschungen waren einmal im alten Osterreich ein beliebtes Mittel, eine Attrappe der Staatsweisheit Österreichs. Das Großtun lag den Österreichern im Blute und Sie haben es ihnen getreulich abgeguckt. Das Großtun nach außen hin und die Vogelstraußpolitik im Innern, haben den Bankrott des alten Österreich herbeigeführt und sein Schicksal sollte eine Warnung, das Memento mori für Sie sein, einzuhalten auf dem Wege, auf den Sie unselige Großmannssucht getriebenhat und weitertreibt. Daß die Absicht der Wirkung auf das Ausland maßgebend war, beweist die ganze Art und Weise, wie diese Vorlage gemacht ist.
Wir vermissen ja bei vielen Gesetzentwürfen jene Gründlichkeit, die der Arbeit des Gesetzgebers erst Wert verleiht, aber so salopp, wie diese Vorlage, so überstürzt ist nicht bald ein Gesetzentwurf gemacht worden. Auch wir sehen in Ernst Denis die große Persönlichkeit, deren Bedeutung über die Grenzen Frankreichs hinausgeht, und wir würden gegen die geplante Ehrung dieses Gelehrten von Weltruf nichts einzuwenden haben, aber wir können die Art und Weise durchaus nicht billigen, wie diese Angelegenheit in Szene gesetzt wird. Was würden Sie sagen zu einem Kaufmann, der einen Wechsel auf eine ihm unbekannte Summe unterschreibt? Sie würden an seinem Verstand oder an seiner Solidität zweifeln und das mit Recht.
Im Grunde genommen, tun Sie nichts anderes. Sie verpflichten sich mit dieser Vorlage zu einer Ausgabe in der Höhe von einer Million Francs. Nun wäre das auf den ersten Blick nicht zu viel, aber in unserer Währung sind das sechs Millionen Kronen. Wieviel diese Summe ausmacht an dem Tage, an dem sie zu zahlen sein wird, das wissen Sie ja heute noch gar nicht, denn unsere Valuta ist durchaus noch nicht gefestigt. Selbst in normalen Zeiten wäre es etwas Außergewöhnliches gewesen, die Bedeckung in fremder Währung anzufordern. In den Zeiten, in denen wir heute leben, wo die ganze Art der Geldwirtschaft so schwer ins Gewicht fällt, muß das Befremden erregen. Sie wissen, daß wir täglich Überraschungen aufdem Geldmarkt gewärtigen müssen und dieses Moment ist ausschlaggebend für unsere ganze Handelspolitik.
In allen handels-politischen Maßnahmen kommt das zum Ausdruck; unser Wirtschaftsleben wird geknebelt durch allerlei Maßnahmen, die Sie uns plausibel machen mit dem Hinweis auf den Valutastand. Der Lebensnerv so mancher Industrie wird unterbunden und die Arbeitslosigkeit vermehrt. Hier aber bei dieser Vorlage nehmen Sie gar keine Rücksicht auf die valutarischen Umstände, hier sind Sie so großzügig, als würde es gar keine Not, gar kein Elend in unserem Lande geben. Leider vermissen wir diese Großzügigkeit dort, wo es sich um wirkliche soziale Vorlagen handelt, die im Interesse der Arbeiter beschlossen werden sollen. Als die Vertreter der Arbeiterklasse im sozialpolitischen Ausschuß die Erhöhung der Arbeitslosenunterstützung beschlossen, da hat der Vertreter des Finanzministeriums gesagt, er hätte dafür absolut keine Bedeckung; für die Arbeitslosen seien keine Mittel vorhanden. Es ist nicht das erste Mal, daß für soziale Notwendigkeiten nichts da ist, wir sind das gewohnt. Aber wir sehen auch, daß man niemals verlegen ist, wenn es sich darum handelt, der Welt Sand in die Augen zu streuen, wenn es sich darum handelt, mit großer Geste nach außen hin die Not und das Elend im Innern des Landes zu übertünchen. Was könnten Sie zum Beispiel an Kulturarbeit leisten für die Summen, die Sie für Auslandpropaganda zum Fenster hinauswerfen? Diese Vorlage ist nichts anderes als eine solche große Geste nach außen hin, und wir wissen nicht einmal, wie sie in Paris aufgenommen werden wird. Wenn in Paris Interesse und Bedürfnis nach so einer Lehrkanzel vorhanden ist, was ich gar nicht in Zweifel ziehen will, so brauchen wir Frankreich nicht vorzugreifen. Frankreich, das als Sieger aus dem Weltkrieg hervorgegangen ist, dessen Wirtschaftsleben auf ganz anderer Grundlage beruht, als in den Ländern, die als Besiegte das unglückselige Erbe Österreichs antreten mußten, das um so vieles reichere Frankreich braucht diese Unterstützung wahrlich nicht.
Für Frankreich ist diese Summe eine Kleinigkeit, für uns jedoch ein Opfer, eine drückende Last, die den Bürgern dieses Staates auferlegt wird. Und diese Last ist nicht kleiner, wenn der Herr Schulminister erklärt, daß diese Summe aus dem Extraordinarium genommen werden soll. Selbst wenn diese Summe vorhanden wäre, würde ich Ihnen sehr zu bedenken geben, sie zu dem angestrebten Zwecke zu verwenden, in einer Zeit, wo soviele andere Kulturforderungen unberücksichtigt sind, wo noch immer die Vermittler der Kultur, die Lehrer, so aussichtslos um die Verbesserung ihrer Existenz kämpfen müssen, in einer Zeit, wo die Bildungsstätten unseres Volkes, unsere Schulen, nicht erhalten werden können, wo man deutsche Schulen sperrt, um èechischen Schulen Platz zu machen, weil keine Mittel da sind, um die erforderliche Anzahl èechischer Schulen zu erbauen. Infolge des finanziellen Notstandes wurde so vieles nicht berücksichtigt, was zum Kapitel kulturelle Notwendigkeiten gehört. Für diese Million Francs könnten Sie z. B. die Not der Kindergärtnerinnen beseitigen. Seit Jahr und Tag hat der Herr Schulminister versprochen, drei Millionen für die Kindergärtnerinnen zu spenden, allein trotz aller unserer Bemühungen war es bisher nicht möglich, diese Summe aufzubringen. Wenn der Herr Schulminister nur da so großzügig wäre, wie er bei dieser Vorlage ist.
Es ist auch eine kulturelle Forderung, daß man die Kindergärtnerinnen, die Erzieherinnen von Tausenden Proletarierund Mittelstandskindern, nicht hungern läßt (Souhlas na levici). Ein Stallbursche, der ein Reitpferd zu pflegen hat, bezieht heute mehr Gehalt als die Hüterinnen und Pflegerinnen von zarten Kinderseelen. Und das, meine Herren, tangiert und geniert Sie durchaus nicht. Damit aber sperrt man sovielen Frauen, die sich zu Erzieherinnen berufen fühlen, den Weg zu diesem idealen Frauenberuf und läßt die, die ihn bereits gewählt haben, verhungern. Es wäre viel verständlicher, wenn Sie dieser Forderung nachkommen würden. ISie aber haben ganz andere Sorgen, Sie Segen uns eine Vorlage vor, mit welcher
Sie eine Verpflichtung eingehen, welche mit dieser einen Million Francs durchaus nicht gedeckt ist, Sie werden immer wieder mit Nachtragsforderungen kommen müssen, das wissen die Herren von der Regierung, die diesen Vorschlag gemacht haben, ebenso wie diejenigen, die für diese Vorlage stimmen werden. Ehren Sie das Andenken Ernst Denis' in einer andern Weise und versuchen Sie in erster Linie den kulturellen Forderungen im Innern des Staates gerecht zu werden. Sie werden für diese Summe Verwendungsmöglichkeiten genug finden, u. zw. solche, welche der Gesamtheit der Bevölkerung in unserem Staate zugute kommen. Seien Sie versichert, dabei werden Sie immer unsere Unterstützung finden. Für diese Vorlage bewilligen wir jedoch nicht einen Sou.
Ich bin der Ansicht, alle wahre Kultur muß zu Hause beginnen.
Ernst Denis hat Ihnen in seinen
Werken den Jahrhun derte langen Kampf vorgeführt, den die Èechen
um ihre nationale Selbständigkeit geführt haben. Er hat in fesselnder
Weise geschildert den Verlust der nationalen Selbständigkeit des
èechischen Volkes und hat die Ursachen dieses Verlustes klargelegt.
Wenn Sie das Andenken Ernst Denis' ehren wollen, dann trachten
Sie vor allen Dingen Ihre Politik so einzurichten, daß Sie sich
auch in Zukunft als Kulturnation behaupten können, dann machen
Sie keine Politik, welche zu Ereignissen führt, wie wir sie in
Aussig und Postelberg erlebt haben. (Souhlas a výkøiky
na levici.) Machen Sie keine Politik, welche Sie dem Abgrund
zutreibt und dahin führen kann, daß Sie ein zweitesmal Ihre nationale
Selbständigkeit verlieren, und ein neuer Ernst Denis kommen wird,
der die Geschichte der Èechen abermals in tragischer Weise schildern
muß. (Souhlas a potlesk na levici.)
Hohes Haus! Die Ereignisse der letzten Zeit haben klar bewiesen, daß große Teile der Bevölkerung dieses Staates immer noch von der Kriegspsychose erfaßt sind, daß die Nachwirkungen des Krieges immer noch bestehen, daß sich große Teile der Bevölkerung von den Nachwirkungen nicht befreien können. Wir mußten die bedauerliche Tatsache konstatieren, daß einflußreiche politische Kreise dieses Staates die Ereignisse, die sich in der Provinz vollzogen haben, gutheißen, daß Organe von einflußreichen politischen Richtungen wahre Kriegsberichte ausgegeben und die Taten der Legionäre als glänzende Waffentaten, als glänzende Siege über die friedliche Zivilbevölkerung erklärt haben. Und es wird offen bekannt, daß das Verhältnis zwischen Mehrheit und Minderheit in diesem Staate ganz noch auf den Standpunkt des Siegers gegenüber dem Besiegten eingestellt ist. Das eigene Volk, Teile der eigenen Staatsbürger, betrachtet man als Besiegte und behandelt sie auch darnach. Von derselben Stimmung, die sich in den letzten Tagen wieder besonders geäußert hat, sind auch die Majoritätsparteien und vor allem die Regierung beherrscht. Sonst wäre es nicht möglich, daß man seitens der Regierung versuchen würde, einen Militarismus aufzubauen, einen Militarismus, der weit über die Größe und die Bevölkerungszahl dieses Staates hinausgeht. Wir müssen sagen, daß das Ministerium für nationale Verteidigung dieser Psychose auch gänzlich unterlegen ist, daß das Ministerium für nationale Verteidigung alles unternimmt, um einen gewaltigen Militarismus zu errichten, um diesem Staate eine gewaltige militärische Rüstung zu schaffen.