Hohes Haus! Der Staatsvoranschlag muß heuer unter der Nachwirkung sehr ernster Begleitumstände verhandelt werden. Wir waren hart am Kriege. Das ist eine furchtbare Tatsache! Über Nacht ist der Staat in eine Situation verwickelt worden, von der niemand sagen konnte, wie sie ausgehen werde. Aber - abgesehen von den politischen Möglichkeiten - hätte die eben erst einsetzende mühsame wirtschaftliche Konsolidation nach dem Kriege, die durch unseren Bürokratismus, durch unsere wenig systematische Wirtschaft, durch die überstürzten einseitig sozialistischen Experimente ungeheuer schwierig sich gestaltet, wenn das Abenteuer länger angedauert hätte, oder wenn es gar zum Kriege gekommen wäre, einen furchtbaren Stoß erhalten, dessen Folgen für den Staat und für den Einzelnen unabsehbar gewesen wären. Wer unersetzbare Jahre im Krieg oder in der Gefangenschaft verlebt hat, wer sich erst jetzt wieder mühsam durchringen muß zu seiner Existenz, von dem konnte man sei er nun Deutscher oder Èeche - wahrlich keine Kriegsbegeisterung erwarten; und tatsächlich war auch von einer Begeisterung für den Krieg nichts zu spüren, trotz der Anläufe zu einer Hurrahstimmung, die diesmal von einer ganz merkwürdigen Seite ausgingen. Aber es wirkte der Ernst der Situation, es wirkte, um ein Wort Friedrich Naumanns zu zitieren, die "magnetische und reale Gewalt jedes sich zum Kriege erhebenden Staates", es wirkte die politische Situation der drohenden Habsburger-Reaktion, die auch von uns nicht gewünscht wurde, es wirkte der kategorische Imperativ der Pflicht, dem das merkwürdige deutsche Volk sich eben nie entziehen kann, und es wirkte schließlich - es wäre töricht, dies nicht zu sagen - auch die Autorität des Staates. Und so hat diese Mobilisierung, die die große Eigentümlichkeit besitzt, daß ihr Anlaß schon vor ihrem Inkrafttreten eigentlich beseitigt war, genügt, um das Abenteuer des letzten Habsburgers, der sich von seinen Ententefreunden so riesig leicht verführen läßt, definitiv zu liquidieren, dank dem akzessorischen Momente, daß die Standpunkte der Großen und Kleinen Entente sich schließlich doch glücklich genähert haben.
(Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. Hruban.)
Nun, es ist für uns Deutsche kein Grund zur Schadenfreude vorhanden, aber der Wahrheit gemäß müssen wir doch gestehen, daß wir auch die bittere Galle im Honig schweben gesehen haben, und daß wir der Meinung sind, daß unseren führenden Staatsmännern von diesem Abenteuer doch auch ein teilweise bitterer Nachgeschmack zurückgeblieben ist. Der Sprecher der èechischen Sozialdemokratie hat auf dem Meeting auf dem Altstädter Ring aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht. Er hat, als er von der Politik der Entente sprach und von den Noten, die Paris nach Budapest senden werde, ein Dichterwort zitiert, daß sehr pessimistisch klang: "Vertrauen wie in diesem Augenblicke gar niemandem auf der weiten Welt!"
Nun, es mag mit diesem Pessimismus stehen, wie es wolle; Karl wurde liquidiert, die Magyaren haben sich gefügt und an uns liegt es nun, Schlußfolgerungen aus den Ereignissen zu ziehen und Nutzanwendungen zu machen.
Bei uns Deutschen war keine Kriegsbegeisterung, es konnte auch keine gegenüber einem Staatsregime sein, daß seit dem Umsturze gegen unsere vitalsten Lebensinteressen wirksam ist; und doch hat unsere deutsche Jugend dieser mobilisierten Jahrgänge ihre Pflicht dem Staate gegenüber mindestens in demselben Ausmaße erfüllt, wie die èechische Jugend dafür liegen ja amtliche Zeugnisse vor und es haben die deutschen Mitglieder des Budgetausschusses zugestimmt, daß die Wehrmacht dieses Staates zum Schutze dieses Staates und der demokratischen Ordnung entsprechend gut ausgerüstet werde. Est ist also ein guter Teil des politischen Erfolges der Mobilisierung auf das deutsche Konto zu buchen. Würdigen wir die vorangegangenen Hemmungen, an denen nicht wir schuld sind, und die doch überwunden wurden, würdigen wir die Genütslage unserer einrückenden jungen Leute, mit der bitteren Erfahrung der vier Kriegsjahre, mit den bedauerlichen und unnötigen Zurücksetzungen, die sie in der èechoslovakischen Armee mit ihrem vielfach noch ungeklärten Verhältnis zur Wehrmacht des jungen Staates erfahren haben, würdigen wir, daß diese jungen Leute den Staat in seiner kritischen Stunde schließlich doch nicht im Stiche gelassen haben, würdigen wir, daß in die Einrückungszeit das Echo der Schüsse von Graslitz hineingellte, und daß dadurch die Erinnerung an den 4. März 1919 wiederum aufstieg, würdigen wir all diese Momente, dann haben wir es mit der Befolgung der Mobilisierung durch die Deutschen, mit einem Faktum von hohem politischen Ernst zu tun.
Es fällt uns schwer, in dieser Stunde, wo wir gleichsam einen Strich unter die Mobilisierung ziehen, das Gefühl der maßlosen Kränkung und Verbitterung zu unterdrücken, unter dem wir Deutschen ohne Rücksicht auf die Parteizugehörigkeit seit dem Umsturze leiden.
Wir werden uns in dieser Stunde des Charakters unserer Opposition bewußt, die sich nicht gegen den Bestand dieses Staates richtet, sondern gegen die Art und Weise, wie hier regiert und verwaltet wird.
Gegen die Art des Staatsregimes haben wir alles einzuwenden, vom nationalen, politischen, wirtschaftlichen, ja sogar vom freiheitlichen Standpunkt aus. Das ist ein Vorwurf, der doppelt schmerzlich ist, wenn er einem Staat gegenüber gemacht wird, der bei jeder Gelegenheit sich als demokratisch bezeichnet. Die Freiheit des deutschen Volkes in diesem Staate, die läßt nicht viel, sondern sie läßt alles zu wünschen übrig. Denken wir nur in welcher Weise Sie, in welcher Weise das Staatsregime eine der wichtigsten und größten Institutionen der Nachkriegszeit in die Hand genommen und wie es diese wichtigste Institution den politischen èechischen Parteien ausgeliefert hat: das Bodenamt. Ich kann es heute als Vertreter der Landwirtschaft und im Namen meiner Partei aussprechen: Solange Sie hier nicht Gerechtigkeit walten lassen, solange Sie dem deutschen Volk auch auf diesem Gebiete sein Recht und auch das Recht der Anteilnahme verweigern, ist die Brücke einer Verständigung schwer zu finden.
Denken wir in dieser Stunde auch an die Verwaltung und an die Rechtsprechunf Heute ist es ein Jahr, daß die Rotte von Demonstranten das deutsche Landestheater mit Beschlag belegt hat, und wir haben es bisher noch nicht zurückbekommen. Das ist traurig, aber noch trauriger ist der Richterspruch, der gefällt wurde, und am allertraurigsten ist, daß die èechische staatswissenschaftliche Gesellschaft diesen revolutionären Akt sanktioniert hat. Mit solchen Sachen, meine ich, darf man nicht vor das Gesicht von Europa treten.
Unwillkürlich kommt einem da der Gedanke, daß in der Verwaltung, in der Justiz, besonders in der Finanz, einfach der Einschlag deutscher Arbeit fehlt.
Ist es denn zu weit gegangen, wenn ausgesprochen wird, daß es für die finanzielle Lage des Staates von enormem Vorteil wäre, wenn deutsche Beamte mit ihrer in der ganzen Welt anerkannten und erprobten, um es milde auszudrücken, Gewissenhaftigkeit und Pünktlichkeit mitwirken würden in all jenen Stellungen, wo sie heute fehlen, und wo ihr Fehlen auch von èechischer fachmännischer Seite als eine eingestandene Lücke bezeichnet wird?
Wir wollen heute nicht zu Tendenzzwecken, sondern als warnende Tatsache feststellen, daß die Verhältnisse in Mitteleuropa noch lange nicht konsolidiert sind, nicht durch die Bereinigung des habsburgisch-magyarischen Abenteuers und auch nicht durch den trotz der heutigen Erklärungen des Ministerpräsidenten immer noch recht schleierhaften polnischen Vertrag. Ich meine, bei diesem Vertrag war doch zu bedenken, ob es denn unbedingt notwendig war, durch das ausgesprochene Desinteressement an Ostgalizien den Staat in eine schiefe Lage gegenüber dem ukrainischen Volk zu bringen, diesem schwergeprüften und so sympatischen, slavischen Volk, und ob es denn notwendig ist, den Staat einem in Zukunft vielleicht doch nicht unmöglichen Konflikt mit Rußland doppelt auszusetzen. Bei dieser Unkonsolidiertheit der mitteleuropäischen Verhätnisse sind Mobilisierungen und selbst Kriege für alle Zukunft noch nicht ausgeschaltet, und so kann es auch kritische Stunden geben, in welchen auch dieser Staat wiederum an die Mitarbeit aller seiner Völker wird zu appellieren haben.
Aber ich meine: Schweigen wir im Augenblick über unsere Beschwerden, schweigen wir über Möglichkeiten, die eine nähere oder fernere Zukunft vielleicht einmal bringen wird. Halten wir uns an die Gegenwart und vor allem an das Positive!
Ich behaupte: Wenn diese Mobilisierung den Herren von der Gegenseite gar nichts gebracht hat, als daß ihnen die Schuppen won den Augen gefallen sind, und sie die Dinge so gesehen haben, wie sie in Wirklichkeit sind, dann ist es sehr viel. Und wenn diese Herren von der Gegenseite imstande sind, diese Erkenntnis des Tatsächlichen auch richtig anzuwenden und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, dann ist das ungeheuer viel, und dann behaupte ich, daß die Mobilisierung zu mindest in dieser Beziehung so viel ge leistet hat wie mit der Entfernung der Habsburger.
Erlauben sie mir, daß ich hier ein wenig rekapituliere und den Faden anscheinend etwas abbreche. Herr Abgeordneter Bechynì, der Hauptredner der èechischen sozialdemokratischen Partei, hat in seiner Rede zur Regierungserklärung sich ein gehend auch mit dem deutsch-èechischen Verhältnisse befaßt. Er sagte, daß alle fühlen, "daß unsere Deutschen, ohne Unterschied des politischen Bekenntnis ses und der Klassenzugehörigkeit, sich in unserem Staate als etwas fühlen, was or ganisch mit uns nicht zusammenfließt, was eine Besonderheit bildet, was sich mehr weniger deutlich als Bestandteil einer anderen Welt betrachtet; und diese andere Welt ist das große deutsche 60-Millionenvolk, das aber das furchtbare Erbe des verlorenen Krieges mit allen seinen Folgen auf sich hat nehmen müssen. Die deutschen unseres Staates" - sagte Kollege Bechynì - "könnten als namhafter Bestandteil dieses Staates eine Politik führen, die ich als Sendung bezeichnen möchte; diese Sendung haben sie aber bis jetzt nicht erfüllt, denn sie zeigen sich uns immer so, wie der deut sche Geist oder eigentlich der Geist des deutschen Volkes gar nicht aussieht. Die Deutschen mögen ihre bisherige Politik sein lassen, der Weg ist frei, es liegt an ihnen, wie die künftige Einrichtung der Dinge in diesem Staate ausfallen wird." Meine Herren! Der erste Teil dieser Ausführungen ist richtig. Wie fühlen uns wirklich als Zugehörige des großen deut schen 60-Millonenvolkes, weil uns mit die sem Volke die Sprache und eine Kultur verbindet, die zu einem integrierenden und charakteristischen Bestandteil der Menschheitskultur gehört, und die wir uns aus der Menschheitskultur gar nicht weg gewischt denken können. Wir fühlen auch mit jedem unseren Herzschlag die furcht baren Leiden mit, die der Wahnwitz der Friedensverträge über breite Schichten des deutschen Volkes ausgegossen hat, die unschuldig sind an dem, was deutsche Fürsten, Staatsmänner und Generäle angeblich begangen oder verbrochen haben. Aber neben diesem Ideale der unzerstörbaren Zusammengehörigkeit, die alle Grenzpfähle überfliegt, steht bei uns Deutschen dieses Staates doch auch die reale Erkenntnis der tatsächlichen Dinge. Wir verkennen nicht die Urtatsachen der Natur, die uns den böhmischen Kessel und das sudetenländische Massiv als Wohnsitze angewiesen hat. Wir verkennen nicht, daß gemeinsame wirtschaftliche, soziale, verkehrsgeographische Momente, daß eine tausendjährige Symbiose der beiden Völker vorliegt, voll gegenseitigen Gebens und Nehmens. Wir verkennen nicht, daß sich hier in der engsten Nachbarschaft des deutschen Volkes, dieses stärksten wirtscha ftlichen und kulturellen Motors Mitteleuropas, ein kompaktes Konglomerat von wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Beziehungen herausgebildet hat, das durch die Wege, der Wirtschaft aufs Innigste mit diesem mitteleuropäischen Motor und mit dem Donaulande verbunden ist. Ich möchte sagen, daß sich hier in Mitteleuropa und hier in unseren Ländern ein ineinandergewebter bunter Teppich gebildet hat, bei dem man, wenn man ihn zerschneidet, zugleich auch das kostbare Muster vernichtet. So denken wir, und doch fühlt Herr Kollege Bechynì etwas Fremdes an uns, das organisch nicht zusammenfließen will, und er denkt sicherlich nicht an den verschiedenen Rassegeruch, wie er ja schließlich zwischen dem mittleren kultivierten èechischen Menschen und dem mittleren kultivierten deutschen Menschen in unseren Himmelsstrichen gar nicht mehr vorhanden ist.
Ich frage nun, was hat Kollege Bechynì mit dem Worte "Sendung" gemeint? Wir sind durch das Schicksal des Weltkrieges machtlos geworden, Sie, meine Herren, haben die Macht und die Mehrheit. Wenn nun Herr Kollege Bechynì von der Sendung gesprochen hat, die unsere deutsche Politik in diesem Staate erfüllen soll, so stelle ich die Frage: Wem fällt denn eigentlich die Erfüllung der Sendung in der Politik zu? Es ist eine Forderung des gesellschaftlichen Lebens, daß Besitz und Macht verpflichtet; und es ist eibe Forderung des politischen Lebens und der geschichtlichen Wahrheit, daß politische Macht und politische Mehrheit doppelt verpflichten. Wie haben Sie es bisher mit dieser Verpflichtung gehalten? Wie haben Sie sie aufgefaßt? In dieser heutigen Stunde, wo Sie uns um die Bewilligung eines Milliardenstaatsvoranschlages angehen, ist diese Frage gestattet. Was haben Sie bisher getan, damit dem deutschen Volk, das unstreitig Sinn für reale Politik und für eine Politik der Tatsachen hat, damit diesem Volke das ihm gebührende Recht auf allen Gebieten in dieser angeblich so demokratischen Republik gesichert werde? Wenn wir jetzt bei dieser Frage mit Ihnen ins Gericht gehen, so werden Sie vor der geschichtlichen Wahrheit schlecht bestehen. Dieses harte Wort mu ßte gesprochen werden.
Wenn ich die Sendung einer Politik so auffasse, wie ich sagte, so gestehe ich, daß ich diese Worte bei Herrn Kollegen Bechynì nur dann verstehe, wenn ich annehme, daß er sie mit einer gewissen reservatio mentalis ausgesprochen hat, daß er gemeint hat, wir Deutschen müßten unsere Politik, unsere Sendung nur auf dem Boden des èechischen Nationalstaates einrichten, und wenn wir dies nicht täten, dann würde eben die künftige Einrichtung der Dinge dementsprechend ausfallen. Liegt diese reservatio tatsächlich vor, dann muß ich zu meinem lebhaften Bedauern gestehen, daß mich dieser Ausspruch aus dem Munde dieses bedeutenden Parteiführers sehr überrascht, von dem ich zwar nicht ein Bekenntnis zum Anationalismus oder gar Internationalismus erwarte, aber von dem wir alle erwarten, daß gerade er von seinem Standpunkt als sozialdemokratischer Führer für den Begriff der Gerechtigkeit und der wahren Demokratie nicht unempfänglich sein kann.
Mit dieser Ausführung darf ich meinen unterbrochenen Faden wieder aufnehmen. Wir Deutschen haben dem Staate in einer Stunde der Gefahr dasselbe gegeben, wie seine Bürger èechischer Zunge. Wird diese Tatsache richtig erkannt und werden aus ihr die richtigen Schlüsse gezogen, dann hat die Mobilisierung nicht nur Böses gebracht. Ich frage: Was ist das Wesen dieses Staates? Wie es für uns Deutsche, wie ich sagte, unbeschadet unserer politischen Zugehörigkeit ein großes Deutschland des Herzens und der Kultur gibt, so gibt es für Sie, meine Herren der Gegenseite, einen èechischen Nationalstaat nach der Art der Entstehung dieses Staates, wie Sie sie gewollt und wie Sie sie herbeigeführt haben. Es gibt einen èechischen Nationalstaat für die Gemütsauffassung des èechischen oder slovakischen Teils seiner Bürger. Dieser Nationalstaat wird aber bei jedem Schritte, den er in die Praxis des staatlichen Lebens macht, zu einem Nationalitätenstaat. Sie können in wichtigen äußeren und inneren Fragen, in Fragen, wo die ganze Kraft der Bevölkerung dieses Staates in Betracht kommt, anfangen, was Sie wollen, Sie werden, wenn Sie auf dem Nationalstaat beharren, stets nur auf dem Papier Ihrer Verträge und Ihrer Verordnungen stehen, mit dem Nationalitätenstaat aber werden Sie in der realen Wirklichkeit der Tatsachen Fuß fassen. Es ist gar kein anderer Ausweg: Wenn ein gemeinsamer Staat in den drei Sudetenländern und in der Slovakei existiert, so kann er unter dem Drucke der bestehenden Bevölkerungsverhältnisse einzíg und allein ein èechisch-deutsch-slovakischer Staat sein. In diesem Staate sind wir eingeschlossen mit unseren Körpern, mit unserer Wirtschaft, mit unserer Arbeit, in diesem Staate als einer gegebenen realen Größe müssen wir nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte in Anspruch nehmen, und wir verlangen nach den Grundsätzen der Demokratie für den einzelnen Deutschen und für unseren ganzen Volksteil jene Stellung, deren wir zur lebensfähigen Erhaltung dieses unseres Volksteiles bedürfen. Das, meine Herren, ist der Sinn und das ist das Ergebnis unserer deutschen Mobilisierung.
Und wenn Sie dieses Ergebnis Ihrer Staatsraison applizieren, so entsteht dar aus ein Gewinn, wie ich sagte, nicht wert loser als die Bereinigung des karlistischen Abenteuers, denn erst damit stellt sich der Nationalstaat auf den Boden der Tat sachen, er wird, wenn er befriedigte Völker in seinen Grenzen umfaßt, zu einem fest fundierten Nationalitätenstaat werden. Die Befriedigung der Völker setzt aber voraus die Bereinigung des größten Gegensatzes dieses Staates, des deutsch-èechischen. Ohne diese Bereinigung ist die innere Kon solidierung in diesem Staate ebenso un möglich, wie seine internationale Geltung. Nehmen die Herren von der Gegenseite diese Erkenntnis auch nach dem Erlebnis der Mobilisierung nicht an, dann bleibt ihnen nichts anderes übrig, als unsere pri mitivsten demokratischen Lebenskräfte ruhig weiter zu negieren, zunächst jetzt schon bei derAbstimmung über den Staats voranschlag; aber dann müssen Sie das Kind beim richtigen Namen nennen: Ge walt und nationaler Imperialismus! Ich frage, meine Herren, auf was für einen Boden - um dieses vielgebrauchte Wort zu gebrauchen - sollen wir uns noch stel len nach diesem Ergebnis? Wir sind nicht ausgeglichen, meine Herren, wir sind nicht einmal schlecht abgefertigt. Das Wort: "Wir brauchen keinen Ausgleich mit den Deutschen, mit denen sind wir fertig," das gehört haargenau auch in jenes Ka pitel, mit dem der Präsident vor einiger Zeit gewisse politische Gewaltmethoden charakterisiert hat, das gehört haargenau in jenes Kapitel vom politischen Anthropomorphismus.
Meine Herren! Wir stehen vor dem
Budget. Solange Sie uns die selbstverständ lichsten und natürlichsten
Rechte als Volk und Nation nicht gewähren, sind wir nicht in der
Lage, für diesen Staatsvoranschlag zu stimmen. (Souhlas a potlesk
na levici.)
Hohes Haus! Ich muß beginnen mit der Erneuerung einer bei gleicher Gelegenheit schon im Vorjahr vorgebrachten scharfen Verwahrung gegen die Art der Budgetberatung, die mit einer unerhörten Durchpeitschung, bei der eine sachliche Beratung von Einzelheiten nahezu ausgeschlossen ist, im Ausschusse beginnt und sich zu einer geradezu zur Hetzarbeit ausgedehn ten Behandlung im Hause selbst steigert eine Behandlung, von der man wohl sagen muß, daß sie die Budgethoheit des Parlaments zur Karrikatur und zur Fratze macht, so daß Sie, meine Herren, sich nicht wundern dürfen, wenn da und dort in der Öffentlichkeit vielleicht manchmal etwas weniger parlamentarische Ausdrücke fallen und wenn von "Affenkomödie" und dergleichen Dingen die Rede ist. Darüber müssen wir uns klar sein: was wir mitsammen machen, ist keine Festsetzung des Staatsvoranschlages durch das Parlament. Die Regierung setzt die Ziffern vor und die Herren von den Mehrheitsparteien, ut aliquid fecisse videatur, um den Schein einer parlamentarischen Demokratie zu wahren, ändern ein paar Ziffern, damit sie nicht den Voranschlag der Regierung direkt kopieren, und dann fällt der Vorhang und das Spiel ist aus. Ich- habe das Gefühl, es müßte sich auch bei so manchem der Kollegen auf den èechischen Bänken etwas gegen die Art aufbäumen, die z. B. mit der französischen Art der Behandlung des Voranschlages - sonst ist Frankreich ja immer Ihr Vorbild, - in schreiendem Widerspruch steht, wo wirklich das Parlament oder zumindest der betreffende Ausschuß Post für Post durchberät und sogar den Voranschlag an die Regierung zurückweist, wenn eine Vereinbarung nicht erfolgt.
Nun ein paar Worte zur heutigen Rede des Herrn Ministerpräsidenten als Minister des Äußern. Man ward bei seinen Darlegungen an das Talleyrandsche Wort von der Sprache erinnert, nur mit der Modifikation, daß ihm die Sprache ein Mittel zu sein scheint, nicht Gedanken zu verbergen, sondern dieWahrheit zu verbergen. Ich werde Gelegenheit nehmen, das in einigen Einzelheiten, wie ich meine, wohl recht lückenlos nachzuweisen. Zunächst war es fesselnd, daß der Herr Ministerpräsident das, was wir seit Tagen sagen und was uns von èechischer Seite halb und halb bestritten wurde, bestätigt hat, daß nämlich die Mobilisierung beschlossen und verfügt wurde in einem Augenblick, da es feststand, daß die offizielle ungarische Regierung mit den schärfsten ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen Herrn Karl Lothringen eingeschritten ist. Ich bitte, der Herr Ministerpräsident hat heute selbst gesagt, daß die Mobilisierung erfolgt ist, nachdem bekannt war, die ungarische Regierung habe sich scharf gegen Karl Habsburg gewendet, sodaß wir annehmen müssen, die Fortsetzung der Mobilisierung habe diesem einzigen nach unser aller Meinung herzlich wenig bedeutenden Menschen gegolten. Herr Dr. Beneš hat dem Hause Habsburg heute sozusagen das politische Zügenglöcklein geläutet. Wir Deutschnationalen haben nichts dagegen, wenn sich das in jeder Hinsicht bewahrheitet. Denn, meine Herren, eine vielhundertjährige geschichtliche Erfahrung sagt - wenigstens uns Deutschnationalen - daß unsere Nation vom Hause Habsburg viel schwerer und viel böser geschädigt wurde als die èechische Nation (Souhlas na levici.) trotz verschiedener Begebenheiten der Vergangenheit und selbst trotz der Hinrichtungen auf dem Altstädter Ring, deren Opfer bekanntlich auch hervorragende Vertreter des deutschen Protestantismus in diesem Lande waren. Aber wir stellen fest, daß heute übereinstimmend die Tatsache anerkannt worden ist, daß gegen Karl Habsburg, beziehungsweise gegen die karlistischen Umtriebe in Ungarn die Mobilisierung in jenem Augenblicke nicht mehr notwendig war. Ich will dabei in einer Hinsicht unseren Standpunkt wiederholen. Wir lehnen mit unserer vollen Überzeugung jeden Versuch einer Wiederherstellung der Herrschaft des Hauses Habsburg auf Gebieten, in denen Teile unserer Nation wohnen, ab. Das was Sie aber gegenüber Ungarn getan haben, ist eine Verletzung des Standpunktes der Selbstbestimmung, mit der Sie vor 3 Jahren so viel herumkokettiert haben, und Sie dürfen sich nicht wundern, wenn Sie in dieser Richtung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates eingreifen, daß Sie dann von denen, die Sie zu Hilfe rufen, bei anderen Gelegenheit wieder selbst nicht als souveräner, sondern als souzeräner Staat behandelt werden, wie es auch in den Angelegenheiten, die mit Ungarn zusammenhängen, in letzter Zeit mehr als einmal geschah.
Es scheint aber, daß die Fortsetzung der Mobilisierung in diesem Augenblick nicht bloß, wie Sie sagen, der Beseitigung der Habsburgischen Gefahr für immer galt, sondern daß Sie dabei andere Absichten verfolgten, und das waren - Sie mögen es noch so sehr bestreiten - territoriale Absichten. Und gerade in dieser Frage hat sich wieder gezeigt, wie böse es ist, wenn man sich immer und immer wieder zum Spielzeug und Werkzeug anderer macht. Und gerade in dieser Frage haben Sie eine böse Niederlage erlitten. Wenn aber die Mobilisierung vielleicht nur hauptsächlich dazu bestimmt gewesen sein sollte, um einmal gegen die Große Entente aufzutrumpfen, - meine Herren, dann war das ein etwas kostspieliges Vergnügen. Denn Sie dürfen doch nicht glauben, daß die ganze Öffentlichkeit, und auch die èechische wohl nicht, so rasch vergißt, daß Sie gleich am ersten Tag der Mobilisierung ihr einzureden versuchten, die Kosten werde Ungarn bezahlen, während Sie jetzt, wiederum infolge einer freundlichen Mitteilung aus Paris, eingestehen müssen, daß unsere eigene, gemeinsame Wirtschaft in der Republik die Kosten dieses bösen Abenteuers bezahlen muß.
Nur noch ein paar Worte zu einigen anderen außenpolitischen Darlegungen. Der Herr Ministerpräsident hat sich gerühmt, die Regierung der Èechoslovakischen Republik sei die erste gewesen, die in der Öffentlichkeit mit Nachdruck den Standpunkt vertrat und eine Politik befürwortete, daß Deutschland nur leben könne im Einvernehmen mit den Nachbarn, vor allem mit Frankreich, und daß er also auch in dieser Richtung tätig war. Wir werden uns darüber ein wenig klar werden, ob nicht auch hier die Sprache ein Mittel war zur Einschränkung oder, sagen wir, zu einer irrigen Frisierung der wirklichen Geschehnisse, der Wahrheit.
Das polnisch-èechoslovakische Bündnis soll nicht gegen Deutschland gerichtet sein? Ja, ich bitte, meine Herren: vor wenigen Tagen hat das Organ des Herrn Ministers Udržal - ich glaube, er ist Kriegsminister - und des Herrn Ministers Stanìk - ich glaube, er ist Ackerbauminister - offen erklärt, das èechoslovakisch-polnische Bündnis sei eine Maßnahme gegen den gemeinsamen Todfeind, gegen Deutschland. Wenn das das offizielle Organ des Kriegsministers schreibt, wie soll man dem Außenminister glauben, wenn er der Öffentlichkeit einreden will, das Bündnis habe nicht die mindeste Ten denz gegen Deutschland? Wir wissen schon, daß auch die Èechoslovakische Re publik im Augenblicke gar keine Sehn sucht nach einem Handelsvertrag mit Po len hat, von dem soviel herumgeschwalbelt wird. Mit Polen schließt im Augenblick kaum jemand einen Handelsvertrag, und wir glauben auch wirklich nicht, daß die Èechoslovakische Republik die Absicht hat, über polnisches Gebiet französische Waffen in ihr Staatsgebiet einführen zu lassen. Wir wissen, daß der polnische Vertrag auch nur ein Beispiel ist von denen die ich nannte als Zeichen der Nichtsouveränität, sondern der - bloßen Souzeränität der èechoslovakischen Außenpolitik. Der èechisch-polnische Vertrag ist einfach ein Diktat Frankreichs, dem sich die èechische Regierung fügen mußte. Der Herr Ministerpräsident und Minister des Äußeren Dr. Beneš hält immer noch an dem Gedanken fest, die èechoslovakische Republik wolle der Nabel der Erde sein oder wenigstens der Nabel Mitteleuropas, um den herum sich vielleicht ein neuorganisiertes Mitteleuropa auf den Trümmern Deutschlands gruppieren soll. Aber, meine Herren, diese Neuorganisierung der Wirtschaft Mitteleuropas wird auch einem so ausgezeichneten Diplomaten und Politiker mit so stetig sich erneuernden Erfolgen, wie Min. Dr. Beneš, nicht gelingen, und wenn er nochmals solche Erfolge erreicht wie im Falle des Burgenlandes, wo er ebenfalls die Antipathie der Großen Entente in geradezu glänzender Weise besiegt hat! Über das, was wir vom polnisch-èechischen Abkommen in anderer Richtung zu halten haben, hat uns zwar nicht Dr. Beneš selbst, sondern sein Amtsgenosse in Warschau unterrichtet, der uns erzählte, was vorherging, der das Eingreifen der èechoslovakischen Sachverständigen in der oberschlesischen Frage etwas anders dargestellt und offen bekannt hat, welchen Dank die polnische Regierung der èechoslovakischen Regierung für die Haltung ihrer Sachverständigen schuldig ist, und die Äußerungen der Öffentlichkeit sind heute noch nicht widersprochen, daß es diese Sachverständigen dabei mit der Wahrheit jedenfalls nicht übertrieben genau genommen haben. Eines ihrer Hauptargumente war ja doch, und das ist etwas, was unserer Meinung nach allem dem widerspricht, was uns vor allem Herr Dr. Beneš auch im Ständigen Ausschuß im Vorjahre über die Teschener Frage erzählt hat, daß angeblich gewisse Teilungen ganz gut möglich seien und daß sich auch solche Arrangements in gewissen wirtschaftlichen Gebieten, einmal bereits im Teschener Gebiet, bewährt haben. Und da sagen wir, ich finde kaum einen höflichen parlamentarischen Ausdruck, daß mit leisen Irreführungen, sonst nennen wir es einfach Fälschungen, gearbeitet wurde. Denn es wurde im Teschener Falle kein ganzes Industriegebiet geteilt, sondern es ist - auch wir sind nicht böse darüber der wertvollere Teil der èechoslovakischen Republik zugeteilt worden, und gerade der Fall der Teilung der Stadt Teschen zeigt, welches Unheil eine solche widernatürliche Teilung mit sich bringt. Wir werfen also dem èechoslovakischen Bevollmächtigten und seinem Auftraggeber Dr. Beneš vor, daß sie in diesem Falle des Gutachtens in der oberschlesischen Frage nicht mit der Wahrheit, sondern mit Irreführungen operiert haben (Souhlas na levici) und wir möchten gern Auskunft haben, wie sich die Behauptung des Herrn Dr. Beneš, die Èechoslovakische Republik beabsichtige bei der Entscheidung der oberschlesischen Frage nicht irgendwelche territorialen Ansprüche zu erheben, mit dem in der Öffentlichkeit stark auftretenden Gerüchte vereinbaren und in Einklang bringen läßt, daß die Èechoslovakei doch auf ein kleines Gebietsdreieck Anspruch erhebt, was keinen anderen Zweck haben soll, als gewisse reichsdeutsche Verkehrslinien und Industrienotwendigkeiten von Oderberg abzuschneiden. Eine klare, von jeder diplomatischen Einseitigkeit freie Aufklärung in dieser Richtung wäre gewiß im Stande, die ausgezeichneten diplomatischen Beziehungen zwischen der Èechoslovakischen Republik und der deutschen Regierung noch mehr zu verbessern.