Úterý 22. listopadu 1921

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 96. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v úterý dne 22. listopadu 1921.

1. Øeè posl. R. Fischera (viz str. 744 protokolu):

Meine Damen und Herren! Die Anforderungen des Staatshaushaltes sind in der Zeit nach dem Kriege in allen Ländern unvergleichlich höher geworden, als in der Vorkriegszeit. Die Regierungen anderer Staaten, welche ihren Parlamenten das Budget vorlegen, geben, diesen Verhältnissen Rechnung tragend, genauen Aufschluß über die Notwendigkeit dieser Lasten. Sie schaffen Klarheit über die Verwendung der Staatseinnahmen und sie versuchen einen Ausblick in die Zukunft zu tun, um die weitere Entwicklung der Staatswirtschaft zu kennzeichnen. Auch unser Parlament hat einen Voranschlag für 1922 erhalten, der eine ungeheuere Belastung der Bevölkerung bedeutet, eine Belastung, die nach unserem Ermessen weit über die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Völker dieses Staates hinausgeht. Wie sieht aber dieser Voranschlag aus? Er ist nichts anderes als eine Aneinanderreihung von Ziffern, deren Grundlagen sich schon bei oberflächlicher Prüfung als vollständig falsch erweisen, fiktive Ziffern, die zu der Wirklichkeit in schroffstem Widerspruche stehen. Unser Budget ist ungefähr so wahr, wie die Berichte des Generalstabs während der Kriegszeit wahr gewesen sind. Die Kollegen Taub und Kostka haben dafür schon den ziffernmäßigen Erweis erbracht. Aber die Regierung legt nicht nur einen Voranschlag auf, von dessen zahlenmäßiger Unrichtigkeit sie selbst überzeugt sein muß, sie versucht auch nicht einmal, die riesigen Lasten, welche sie den Bürgern auferlegt, zu rechtfertigen. Anstatt einer wirklichen Begründung finden wir bei den meisten Kapiteln die nichtssagende Redensart von der "erhöhten Regie", von der "Erhöhung der tatsächlichen Bedürfnisse". Diese immer wiederkehrende monotone Verlegenheitsphrase soll den Abgeordneten genügen, um Tausende von Millionen Kronen neuer Lasten zu bewilligen.

Über hunderte von Millionen Kronen, welche angefordert werden, findet es die Finanzverwaltung überhaupt nicht der Mühe wert, ein Wort der Begründung beizufügen. Und dieser Vorbereitung des Voranschlages entspricht vollkommen die Behandlung, welche die Mehrheitsparteien dieses Hauses und die Regierung diesem Voranschlage während der Budgetberatung zuteil werden lassen. Mit einer Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit und einem geradezu beneidenswerten Optimismus wird über das Budget weiter verhandelt, dessen grobe Unrichtigkeit auch jedem einzelnen Mitgliede der Mehrheitsparteien klar sein müßte; alle Einwendungen der Opposition sind in den Wind gesprochen, der Herr Finanzminister findet es äußerst selten der Mühewert, den Verhandlungen beizuwohnen, um so recht deutlich auszudrücken, wie bedeutungslos ihm die Verhandlung seines eigenen Entwurfes in der Nationalversammlung ist. Eine Last von 1576 Millionen direkter Steuern und 5993 Millionen indirekter Steuern wird der Bevölkerung aufgebürdet, und dazu kommen noch die Einnahmen aus den Monopolen mit 1844 Millionen, in der Totalsumme 9414 Millionen Kronen. Wir halten die Verteilung dieser Lasten und die Art ihrer Aufbringung für ein schweres Unrecht an den armen Schichten der Bevölkerung. Von den direkten Steuern entfällt der Löwenanteil von 633 Millionen auf die Einkommensteuer, die in den unteren Stufen unter den gegenwärtigen Verhältnissen namentlich den Verdienst und das Arbeitseinkommen der kleinen Beamten und Arbeiter belastet. Hingegen sind nach unserer Meinung die Millioneneinkommen, besonders die arbeitslosen Einkommen, lange nicht in dem Maße besteuert, als dies die Finanznot des Staates begründen würde.

Die Vorschreibung der Steuern läßt alles zu wünschen übrig; besonders die Erwerbssteuer der zu öffentlicher Rechnungslegung verpflichteten Unternehmungen ist in vielen Bezirken seit Jahren nicht vorgeschrieben worden. Die Gemeinden und Bezirke, welche auf Grund der alten Vorschreibungen ihre Wirtschaft aufbauen müssen und ihre Umlagen durch die Steuerämter einheben lassen, kommen in die schwerste finanzielle Bedrängnis. Sie müssen Kapitalien zu hohen Zinsen aufnehmen, um wirtschaften zu können, weil die Steuerbehörden und -ämter mit der Bemessung und Vorschreibung der Steuern nicht fertig werden. Wir haben eine solche Unmenge neuer Steuergesetze in den letzten drei Jahren zu verzeichnen, daß der Beamtenapparat, so groß er auch ist und so hoch die Ausgaben hiefür sind, mit der Durchführung dieser Gesetze nicht fertig werden kann. Das trifft ebenso auf die Vorschreibung der Vermögensabgabe zu, die nach dem Stand vom 1. März 1919 zu entrichten ist, und wir können bei den seither eingetretenen grundstürzenden Änderungen aller Verhältnisse die Schwierigkeiten ermessen, wenn jetzt erst an die Vorschreibung dieser Abgabe gegangen wird. Fast ebensoviel als die Einnahmen der direkten Steuern ausmachen, erfordern die Ausgaben für das Finanz ministerium selbst: 1724 Millionen Kro nen, davon an Ausgaben bei der Monopol bewirtschaftung 970 Millionen Kronen. Es wäre interessant und für unsere Steuer gesetzgebung äußerst wichtig, erfahren zu können, welcher Teil hievon auf die schwierige und umständliche Einhebung und Bemessung der direkten Steuern entfällt. An Diäten, Spesen und Übersied lungskosten weist das Finanzministerium für seine Beamtenschaft 43,259.000 K aus.

Von den direkten Steuern entfällt mehr als ein Drittel, 2200 Millionen Kronen, allein auf die Warenumsatzsteuer, jene Steuer, die der frühere Finanzminister Dr. Engliš selbst als die sozial ungerechteste bezeichnet hat, weil sie den Haushalt des Armen im Verhältnis zu seinem Einkommen ungleich schwerer belastet als den des Reichen, und deren Ungerechtigkeit durch Erhöhung der Abgabe von 1% auf 2% noch verdoppelt worden ist. Die Kohle bringt 1450 Millionen Kronen ein; unsere Volkswirtschaft bezahlt diese Steuer mit dem Verlust unseres Kohlenexportes und einer so starken Belastung unserer Produktion, daß ihre Leistungsfähigkeit immer geringer wird. Die Branntwein- und Getränkesteuer soll 730 Milllionen Kronen einbringen, was gegenüber dem Vorjahre allein eine Erhöhung um 443 Millionen Kronen bedeutet. Die Säufer stehen also in diesem Staate in hohem Ansehen. Ein Staat aber der aus der Branntw einsteuer allein 490 Millionen Kronen einnimmt, hat auch die Verpflichtung, sich der sozialen Fürsorge der untersten Schichten der Bevölkerung anzunehmen. Aber wenn da ein Vergleich gezogen wird, ist zu sehen, daß gerade diese Schichten zwar zur Steuerleistung am meisten herangezozen werden, der Staat sich aber an seine Verpflichtungen ihnen gegenüber nicht erinnert.

Die Zölle sind mit 528 Millionen Kronen eingesetzt, gegenüber dem Vorjahre um 336 Millionen mehr. Das bedeutet eine Verteuerung wichtiger Lebensbedürfnisse unserer Bevölkerung. Wir haben, um einige Posten herauszugreifen, an Zöllen zu entrichten: für Kaffee per 1 kg 9.50 K, für Kakao 20 K, für Tee 24 K, für Salz 26 Heller. Die Regierung gibt auf Grund des Gesetzes vom 12. August dieses Jahres einen neuen Zolltarif heraus, ohne darüber mit den Parteien dieses Hauses zu verhandeln. Sie befragt nur die Vertreter einiger èechischer Interessentengruppen, sie erinnert sich aber nicht daran, daß die Festsetzung der Zölle auch eine der wichtigsten Angelegenheiten für die deutschen Arbeiter dieses Staates ist, und sie befragt nicht einmal die Vertreter der deutschen Genossenschaften un ihre Meinung, obzwar diese Genossenschaften heute mehr als eine Million Köpfe umfassen. Wir protestieren auf das schärfste gegen dieses Beiseiteschieben, gegen diese Mißachtung der deutschen Arbeiterschaft die furchtbar schwer unter den Abgaben für diesen Staat leidet und von den Zöllen ebenso hart getroffen wird, wie die Industrie, welcher der Staat durch die Zoll- und Handelspolitik immer mehr den Absatz und Export nach dem Auslande erschwert. Die Regierung setzt in dem neuen Zolltarife auch Zölle auf die Einfuhr von Getreide und Mehl fest, und wenn die hievon ausgenommenen Waggons eingeführt sein werden, wird in unserem valutaschwachen Lande das Mehl nicht nur den Weltmarktpreis kosten, sondern diesen Preis zuzüglich des Zolles um 150 K pro Tonne übersteigen, die für jede eingeführte Tonne Mehl entrichtet werden müssen. Als ob der Getreidereichtum im Inland so groß wäre, daß wir nicht nur kein Getreide einführen müßten, sondern sogar ausführen könnten, werden hier Schutzzölle für Getreide den Großagrariern bewilligt, für dieselben Herren, welche während der gebundenen Wirtschaft nicht genug nach dem Freihandel schreien konnten. Wir warnen die Regierung, auf diesem Wege fortzufahren. Die Geduld der Massen könnte doch einmal zu Ende gehen. Wir warnen davor, ohne Befragung des Parlaments immer neue drückende Lasten der Bevölkerung aufzubürden.

Gestatten Sie bei dieser Gelegenheit eine kleine Abweichung. Der Herr Finanzminister hat die Èechoslovakei als eine Insel in dem Meer der Verschuldung und der valutaschwachen Staaten Mitteleuropas bezeichnet. Aber die Brandung dieses Meeres nagt und zehrt auch an dem wirtschaftlichen Fundament dieses Staates und furchtbar schwer leiden heute die Grenzbewohner unter den Verhältnissen der Nachbarstaaten. Ich denke da an die Zehntausende von Arbeitern in den Grenzgebieten des nördlichen und westlichen Böhmens und Schlesiens, welche in den Industrieorten des Nachbarstaates Erwerb finden und heute den Lohn in Mark ausgezahlt erhalten, denen es aber unmöglich gemacht wird, dafür auch ihre Bedürfnisse im Reiche drüben decken zu können, und die so in kurzer Zeit infolge des Sinkens der Mark einen Lohnausfall von 2/3 ihres Einkommens erlitten haben. Wir müssen an die Regierung das dringende Ersuchen richten, sofort in Verhandlungen mit der deutschen Reichsregierung einzutreten, damit es diesen Arbeitern ermöglicht werde, ihre Existenz dadurch aufrecht zu erhalten, daß sie ihre Bedürfnisse im Ausland einkaufen können.

Aber wenn wir die Kaufkraft unserer Krone gegenüber der Zeit, als im Vorjahre der Voranschlag beraten wurde, betrachten, wenn wir unsere Ein- und Ausfuhrziffern vergleichen, werden wir weiter finden, daß das Meer um unsere Inssl ein großes Stück unserer Küste schon überflutet hat. Wir sehen eines: In den besiegten Staaten, zuerst wieder in Deutschösterreich und in Deutschland, wo die Staatswirtschaft zusammenbricht und die Verschuldung dieser Staaten mit Riesenschritten vorwärts eilt, richtet sich neben der niederbrechenden Staatswirtschaft die Volkswirtschaft auf. Wir sehen dort eine Hochkonjunktur der Industrie und schwindende Arbeitslosigkeit, während in den Siegerstaaten mit hoher Valuta und allmächtiger Staatsgewalt gerade das Gegenteil der Fall ist und die Arbeitslosigkeit in England und Nordamerika Millionen von Arbeitern ergreift. Der Weisheit unserer Staatsmänner aber scheint es vorbehalten zu sein, beide, Staatswirtschaft und Volkswirtschaft, zu gleicher Zeit an den Rand des Abgrundes zu bringen. Unser Staat verschuldet in unheimlich rascher Weise. Unsere Volkswirtschaft aber liegt ebenfalls darnieder, die Arbeitslosigkeit ist ein ständiger unheimlicher Gast, unsere Industrie wird durch die Zölle und noch mehr durch unsere verkehrte Auslands- und Handelspolitik um ihren Absatz gebracht.

Wie wenig Verständnis die Regierung den wirklichen Bedürfnissen unserer Volkswirtschaft entgegenbringt, zeigt sich am besten bei Betrachtung des Investi tionsprogramms. Dort, wo das wirtschaft liche Leben am stärksten pulsiert, in den großen deutschen industriellen Gebieten, wird für die Ausgestaltung des Eisen bahnnetzes, des Post- und Telephon wesens und des Verkehrs fast gar nichts aufgewendet. Und doch ist es eine unabweisliche Notwendigkeit, hier Wandel zu schaffen. Statt dessen wird nicht einmal für die primitivsten Erfordernisse gesorgt. An wichtigen Bahnstrecken bleiben hunderte Postpakete tagelang unbe fördert, weil Einrichtungen zur raschen Verladung nicht vorhanden sind. Die Züge verkehren heute noch ungeheizt und unbeleuchtet wie mitten der Kriegszeit. Das deutsche Schulwesen wird fast gar nicht berücksichtigt, obzwar das Gesamterfordernis für diese Investitionen 3263 Millionen beträgt. Hingegen, um nur einige Ziffern herauszugreifen, sind für das Gebäude des Unifizierungsministeriums 6 Millionen Kronen vorgesehen, obzwar das Unifizierungsministerium doch nur einen sehr kurzen Bestand haben kann, denn die Gleichförmigkeit in der Verwaltung und Gesetzgebung für die Slovakei herzustellen, kann doch nicht allzuviele Jahre dauern. Es sind weiters 16 Millionen Kronen für den Ankauf von Gebäuden für unsere Vertretungen im Auslande vorgesehen, zum allergrößten Teil nur zu repräsentativen Zwecken, und weitere 6 Millionen Kronen für den Bau von Gendarmerie- und Polizeikasernen; soll doch die Gendarmerie um 1000 Mann vermehrt werden. Dazu kommen weitere 168 Millionen, die vom Ministerium für nationale Verteidigung angesprochen werden, ohne daß auch nur mit einem Worte gesagt wird, wo und wofür diese 168 Millionen verwendet werden sollen. Wir werden bald den Zustand erreicht haben, daß Militär, Polizei und Gendarmerie soviel verschlingen, daß pro Kopf der Bewohnerschaft und Tag eine Krone entfällt. Unsere Meinung ist die, daß kein Staat, und wäre er noch so reich, am wenigsten aber unser Staat in der Lage ist, derartige Ausgaben dauernd ertragen zu können.

Wir erheben gegen die beleidigende Zumutung, daß das Abgeordnetenhaus die Riesensumme von 168 Millionen bewilligen soll, ohne daß die Regierung es für wert findet, auch nur mit einem Wort die Notwendigkeit darzutun, unseren schärfsten Protest und legen ernstliche Verwahrung gegen die vorgeschlagene Ermächtigung der Regierung im Artikel III und VI des Finanzgesetzes ein und verlangen, daß bei allen wichtigen Veränderungen, die sich während des Verwaltungsjahres gegenüber dem Voranschlag ergeben, dem Parlamente berichtet wird und ebenso, daß das Parlament vor Abschluß der Kreditoperationen sein Urteil abgeben kann. Ferner verlangen wir eine unparteiische Verwendung des Kredites von 50 Millionen, wie der Voranschlag so schön sagt, "zum Zwecke der Beschaffung der unausweichlichen Bedürfnisse", und verlangen die Garantie des Staates aus diesem Kredite auch für die Genossenschaften der Arbeiter. Wir würden uns gegen die Beschaffung von Investitionskrediten nicht wenden, wenn dieselben zur Erweiterung der staatlichen Betriebe, zum Bau neuer Werkstätten, Eisenbahnen und Fabriken Verwendung finden würden und wenn die Möglichkeit der Amortisierung und Verzinsung durch diese Betriebe selbst gegeben wäre. Das ist aber nicht der Fall, und zu einem guten Teil sind diese Investitionen nichts anderes als eine Ausgabspost, die unter den ordentlichen Ausgaben der betreffenden Ministerien verrechnet werden sollte.

Wir lehnen dieses Budget grundsätzlich ab und verlangen, daß die indirekten Steuern abgeschafft, die Vereinfachung der direkten Steuern durchgeführt wird und die Lasten in weit höherem Maße als bisher den besitzenden Klassen auferlegt werden. Wir verlangen eine Reform der Staatsverwaltung an Haupt und Gliedern und an Stelle der immer stärker werdenden bürokratischen Verwaltung, die Schaffung demokratischer Verwaltungskörper unter Mitwirkung der gesamten Bevölkerung. Wir lehnen das Budget ab aus der Erwägung heraus, daß jedes Budget ein vollständiges Bild unserer gesamten Volkswirtschaft und Staatswirtschaft geben soll, daß wir aber aus dem Bilde, das dieser Voranschlag bietet, nur ersehen können, daß hier die Arbeiterklasse zu Gunsten der besitzenden Klasse vernachläßigt wird, daß das vorgelegte Budget das eines reinen Klassenstaates ist; aus dieser grundsätzlichen Erwägung heraus werden wir deshalb für die Bewilligung des Budgets nicht stimmen. (Potlesk na levici.)

2. Øeè posl. Patzela (viz str. 751 protokolu):

Hohes Haus! Nahezu ein jeder der Herren Finanzminister der Èechoslovakischen Republik hat sein eigenes Schlagwort, unter dem er die Staatsbürger und Steuerzahler beglücken will: der Eine sprach von dem Dorado der Währungstrennung, einer kam wieder mit einer Phantasmagorie des Gleichgewichtes und der Dritte will uns gar auf eine Insel der Seligen versetzen. Das Dorado, das aus der Währungstrennung entspringen sollte, ist nicht gekommen, das Gleichgewicht war sogleich eine Fiktion, und wir meinen, es wird auch mit der finanziellen Insel der Seligen nicht viel auf sich haben. Ich will nicht davon reden, daß heute wohl die Tatsache feststeht, daß ungeachtet aller politischen Trennungsbestrebungen Mitteleuropa wirtschaftlich und finanziell heute noch ein untrennbares Ganzes bildet, ich will auch nicht darauf hinweisen, daß auch in den sogenannten valutastarken Ländern, nicht bloß in Deutschland und Deutschösterreich, sich außerordentliche wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten geltend machen, die in einem engen Zusammenhang mit den Schwierigkeiten der sogenannten besiegten Staaten stehen; ich will nicht daran erinnern, daß man in England mit einer großen Arbeitslosigkeit kämpft, daß Amerika vor wenigen Wochen drei Millionen Arbeitsloser zählte; aber ich will daran erinnern, daß z. B. Italien, ein Siegerstaat, sich gezwungen sah, die Zuschüsse zur Brotversorgung einzustellen, um für das Wirtschaftsjahr 1921-22 das Defizit von über 10 Milliarden auf 5 Milliarden Lire herabzudrücken, ich verweise auf die außerordentlichen Schwierigkeiten, auf die Arbeitslosigkeit in der Schweiz, diesem Höchstvalutastaate, dessen Export- und Hotelindustrie vor einer schweren Katastrophe stehen, dessen landwirschaftliche Industrie ebenfalls unter der hohen Valuta außerordentlich leidet.

Hohes Haus! Wenn ich zu einer kurzen Besprechung der Finanzwirtschaft der Èechoslovakischen Republik übergehe, will ich mich nicht in der Vergleichung von Perzenten bewegen, weil die perzentuelle Vergleichung von Verhältnissen mit kor relaten Verhältnissen in anderen Staaten eine sehr gefährliche Unternehmung ist und weil wir ja wissen, daß die Kaufkraft der Valuta irgendeines Landes nicht gleichzusetzen ist mit dem Stand der Va luta auf den sogenannten internationalen Börsen und Märkten. Und auf etwas möchte ich vorher noch hinweisen: Wir haben im heurigen Sommer in der èechi schen Presse einen förmlichen Wolken bruch von Kritiken über uns ergehen las sen müssen, über die Staatswirtschaft der Republik und über den ungeheueren Über fluß an Beamten, über die Notwendigkeit von Ersparnissen, über die Protektions wirtschaft im Staate, die aus einer ungeheuerlichen Parteiwirtschaft entspringe, und dergleichen mehr. Wir hören auch hier, daß sogar von Angehörigen der Regierungsparteien an einzelnen Posten Kritik geübt wird, ob es nun am Militarismus ist, wie Kollege Špatný es getan hat, oder am Auswärtigen Amt, wie es andere taten. Die Folgerungen daraus aber, die werden nicht gezogen, und Sie müssen daher gestatten, daß wir es des wegen als eine ungeheuere Komödie an sehen, die für uns aufgeführt wird, eine Komödie, an der aber noch viel größere Götter nicht ohne Schuld sind, wie ich mir in wenigen Worten nachzuweisen erlauben werde. Man kann kein klares Urteil zum Voranschlag für 1922 gewinnen, wenn man nicht den Voranschlag für 1921 und - was uns jetzt sehr willkommen ist den Nachtragsvoranschlag für 1921 zum Vergleich mit heranzieht. Dabei hat uns eines befremdet: Über den Voranschlag, den ein Minister vorbringt, den sein Vor gänger ausgearbeitet hat, referiert - allerdings in sehr vorsichtigen Worten - ein ehemaliger Minister. Aber wir haben noch einige Finanzminister im Hause, die über die Finanzwirtschaft der Republik manch kluges Wort sagen könnten. Die aber reden nicht. Es scheint, sie dürfen gar nicht reden. Denn es wäre doch sehr interessant, wenn uns z. B. Herr Dr. Engliš erklären könnte, wieso es doch kam, daß sein berühmtes Gleichgewichtsbudget bald sehr zu einem Ungleichgewichtsbudget geworden ist. Aber der Herr Dr. Engliš darf nicht reden. Und doch wäre es gut, - nicht in unserem Interesse, sondern im Interesse der gesamten Republik - wenn die Herren einmal die Wahrheit über das Prestige setzen würden. Sonst werden Sie nicht nur bei uns, sondern auch in der èechischen Öffentlichkeit wahrscheinlich das Gefühl auslösen, daß in diesen Dingen eine Krähe der anderen nicht die Augen aushackt. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Tomášek.)

Nun ein paar Worte, u. zw. ein paar ernste kritische Worte zu den Ziffern, die uns hier vorliegen. Mit dem Nachtragsvoranschlag wird das sogenannte Gleichgewichtsbudget für 1921, wenn man auch die Investitionen hinzuzieht, in Wahrheit zu einem Voranschlag mit einem Abgang von 5-8 Milliarden. Da gestatte ich mir nun, folgende dreierlei Erwägungen daran zu knüpfen. Es ist eigentlich der Investitionsvoranschlag um die Summe von 120 Millionen erhöht, die zur Bezahlung der von Deutschland, Deutschösterreich und Ungarn an die Èechoslovakei abzutretenden Schiffe bestimmt sind. Es wäre sehr wertvoll, daß man das der èechischen Öffentlichkeit in klaren Worten sagt, weil da offenbar die Meinung herrscht, daß die Èechoslovakei die Schiffe so umsonst erhalten hat, wie man ihr eingeredet hat, daß sie auch die Mobilisierung umsonst hat. Die Regierung braucht also für die Investitionen im Jahre 1921 einen erhöhten Betrag. Es sind also offenbar die für die Investitionen in diesem Jahre bewilligten Gelder aufgebraucht worden. Oder nicht? Oder liegt vielleicht auch hier wieder eine unsaubere Fiktion, eine schlampige oder unmoralische Budgetierung vor? Die Posten sind erschöpft. Wir haben aber nicht gesehen, daß bei uns Bahnpostämter gebaut wurden und wir haben von den Herren aus der Slovakei im Budgetausschuß gehört, daß für die projektierten Bahnarbeiten nicht ein einziger Spatenstich getan wurde. Und doch sind offenbar die wichtigsten Kredite, wenigstens soweit die Kreditoperationen verwirklicht werden konnten, erschöpft.

Verehrte Herren! Wohin kam das Geld? Im Investitionsvoranschlag für 1921 wurden 2 Milliarden für Investitionen für das Eisenbahnministerium bewilligt. Was geschah mit dem Gelde, wenn es gewonnen wurde - oder wurde es nicht gewonnen? Dann bitten wir um Abrechnung, da doch im Nachtragsvoranschlag für 1921 für das Eisenbahnministerium, für Wagenbeschaffung u. dgl., ein Betrag von nicht weniger als 700 Millionen angesprochen wurden. Meine Herren! Was unterscheidet also in diesem Falle die Investitionen von einem ordentlichen oder, sagen wir lieber, außerordentlichen Voranschlag?

Ist hier nicht der Widersinn dieser Manipulation, dieser unmoralischen Manipulation mit dem vorgeblichen Investitionsbudget klipp und klar nachgewiesen? Aber freilich, es müsen solche Fiktionen aufrecht erhalten werden, um andere Dinge zu decken. Denn wir finden, daß unter den nachträglichen Ausgaben, die da im Nachtragsvoranschlag für 1921 genehmigt werden sollen, sich auch einige Hundert Millionen befinden, 224 Millionen für das Ministerium für nationale Verteidigung, ganz unabhängig von den besonderen Krediten, die für dieses Amt angesprochen wurden. Wir sehen eine Erhöhung der Kosten für die vielberühmte und vom Herrn Minister so warm verteidigte französische Militärmission. Wir sehen eine weitere Erhöhung der Kosten für Gendarmerie und Polizei in der Slovakei und wir sehen eine außerordentliche Erhöhung der Kosten für die èechischen Minoritätsschulen, über die ich mir noch einige Worte gestatten werde. Wir sehen noch etwas anderes. Der Nachtragsvoranschlag für 1921 spricht nicht bloß von nachträglichen Ausgaben von 4.481 Millionen, er spricht auch von nachträglichen Einnahmen im Betrag von 1269 Millionen Kè. Nach diesem Nachtragsvoranschlag aber setzen sich diese Einnahmen zusammen aus Mehreinnahmen aus der Branntwein- und Getränkesteuer, aus dem Tabakverkauf, aus Eisenbahn- und Verkehrseinnahmen. Nun wurde uns aber immer gesagt, daß infolge einer vorsichtigen Präliminierung der Steuererträgnisse für 1921 außerordentliche Mehrerträge erzielt wurden. Und da wir ihn getreten haben, - um ein volkstümliches Wort zu gebrauchen - hat der Herr Finanzminister im Budgetausschuß diese Mehrerträgnisse bekanntgegeben. Er hat uns mitgeteilt, daß z. B. die direkten Steuern bis Ende September 433 Millionen Kè mehr erbracht haben als nach dem Voranschlag hätten erbracht werden sollen. Ein gleiches und zwar im Betrag von 382 Millionen Kronen gilt für die indirekten Steuern und 317 Millionen für die Zölle. Es haben also im ersten Dreivierteljahr 1921 nach den amtlichen Darlegungen des Herrn Finanzministers die direkten und indirekten Steuern ohne Umsatzsteuer, aber mit den Zöllen, die präliminierten Einnahmen um 1 Milliarde überschritten. Aber auf diese Mehrerträgnisse ist im Nachtragsvoranschlag mit keinem Worte Rücksicht genommen worden. Da müssen wir fragen: Ja, wozu werden denn die Steuermehrerträgnisse verwendet? Was geschieht mit diesen? Ist es wahr, daß damit eine geheime Rücklage gebildet wird, um Auslagen des Militarismus zu decken, die man von der Nationalversammlung und selbst von den so sehr budgetbereiten èechischen Mehrheitsparteien nicht ansprechen will? Hier ist eine unsaubere Wirtschaft im Voranschlag, die nicht scharf genug gekenntzeichnet werden kann. Und da sehen wir, warum man offenbar den Dr. Engliš nicht reden lassen will, warum man ihm die Zunge bindet. Da kann man denn verstehen lernen, warum die Ämter dem Verlangen des Obersten Kontrollamtes nach Abrechnung eine passive Resistenz entgegensetzen. Man kann es verstehen, daß das Oberste Kontrollamt bisher nicht über 38, sondern bloß über 2 Monate der Finanzwirtschaft der Èechoslovakischen Republik abrechnen konnte, daß wir infolgedessen gar keine Möglichkeit des Vergleichens haben, daß wir nicht die Möglichkeit haben, zu untersuchen, wie weit sich die ganze Volkswirtschaft im Staate den Ausgabenbedürfnissen angepaßt hat und wie der Versuch unternommen wurde, die Lasten auszugleichen. Meine Herren, wir müssen Aufklärung verlangen und auch die èechischen Mehrheitsparteien, die hie und da auch so ein bißchen tun, als würden sie gegen den Bürokratismus auftreten, sind es Ihrer eigenen Ehre schuldig, darüber Auskunft zu verlangen, was mit dieser einen Milliarde Mehrerträgnis der Steuern im abgelaufenen Jahre geschehen ist und warum man dieses Steuermehrerträgnis nicht verwendet hat als Grundlage der Einnahmenberechnung für den Nachtragsvoranschlag 1921. Aber wenn wir sagen, daß auf diesen Bänken mit der ganzen Budgetberatung vielfach nur Theater gespielt und nur eine Komödie aufgeführt wird, so haben wir auch aus dem Finanzgesetz dazu unseren guten Grund. Sie gehen im heurigen Jahre noch weit über das hinaus, was Sie uns im vorigen Jahre geboten haben. Sie wollen der Finanzverwaltung nicht bloß das Recht geben, in jedem Falle mit 50 Millionen Staatsgarantie nur so herumzuwerfen. Sie wollen weit über das Maß, was bisher überhaupt in einem Staate möglich war, der Finanzverwaltung das Recht geben zur Veräußerung von Staatsbesitz, wenn er aus dem Titel der Bodenrefo rm gewonnen wurde, wenn er aber auch nicht dazu verwendet wurde, Grund und Boden zuzuteilen, sodaß diese Verkäufe vielleicht nur die Möglichkeit geben sollen zum willkürlichen Jonglieren mit Staatsgut und dazu, daß vielleicht irgendwie parteipolitische Geschäfte gemacht werden. Meine Herren, der Voranschlag für 1922 weist nur einen Abgang von 4.191 Millionen Kronen auf, gegenüber 5000 Millionen für das Jahr 1921, natürlich einschließlich der Nachtragskredite. Aber, meine Herren, wenn wir bisher in den letzten zwei Jahren diese glänzenden Erfahrungen mit der inneren Wahrheit der Voranschläge und mit der starken Anspannung der Steuerleistung oder aller wirtschaftlichen Leistungen des Staates in den Nachtragsvoranschlägen gesehen haben, wenn wir dann bedenken, daß der Militarismus auch noch im nächsten Jahre nicht müde sein wird, daß wir noch mit den Kosten der Mobilisierung werden sehr stark zu rechnen haben und daß für die Notaushilfen der Staatsangestellten, weil noch durch kein Gesetz eine besondere Vorsorge getroffen wurde, ein entsprechender Posten in den Voranschlag nicht eingestellt wurde, werden Sie begreifen, daß auch die Glaubwürdigkeit des Voranschlages für 1922 in unseren Augen außerordentlich herabgesetzt ist und daß wir annehmen, daß wir möglicherweise im Jahre 1922 mit einem faktischen Defizit von mindestens 7 Milliarden Kronen werden zu rechnen haben.

Sehr geehrte Herrn! Die Investitionen will der Finanzminister - und der Herr Berichterstatter stimmt dem zu - durch langfristige Kreditoperationen decken. Aber aus dem Berichte, den uns Herr Kollege Sonntág erstattet hat, haben wir gesehen, daß er den inneren Anleihen selbst nicht mit allzugroßer Hoffnungsfreudigkeit entgegensieht, weil er Anhaltspunkte für diese geminderte Hoffnungsfreude im schmalen Erträgnis der Losbauanleihe und dem ebenfalls nicht entzückenden Erträgnisse der Investitionszwangsanleihe genugsam vor sich hat und er weiß, daß der Appell an die Opferfreudigkeit der Bevölkerung in allen Kreisen und zwar nicht bloß in den sogenannten staatsfeindlichen, sondern auch in den Kreisen der staatserhaltenden Parteien kaum auf sonderliche Sympathien stoßen wird, aus einem Grunde, der ganz klar ist, weil auch der èechische Teil der Bevölkerung dieses Staates an den Staat nicht glaubt, der Guthaben übernimmt, sogar Steuern nachträglich bis zum Jahre 1914 einkassiert, aber sich in der Rolle eines schmutzigen Schuldners gefällt, der Aktiva übernimmt, aber die Passiva nicht übernehmen will.


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