Langsam treiben Sie durch Ihre Wirtschaft Landwirtschaft, Handel und Industrie dem Ruin entgegen. Sie stehen vor einer Katastrophe, Sie sehen das Aufleuchten und Aufblitzen in der Arbeiterschaft, aber das behindert die Herrschaften nach keiner Seite hin, weiter zu regieren, ohne zur Einsicht zu kommen, daß es dringend an der Zeit ist, von dieser Wirtschaft abzustehen und umzukehren.
Im Nachtragsbudget sind für Heeresausgaben allein 224,885.891 Kè eingestellt. Für solche Riesensummen könnte man doch im Sinne des Präsidenten, der für Humanitätsideale immer ein warmes Wort hatte, viele Humanitätsanstalten für die Unglücklichen schaffen und könnte sie glücklich machen. Wer durch die Straßen Prags wandert und jene Krüppel sieht, jene Unversorgten, die ihre fast nackten Gliedmaßen nur in einige Fetzen hüllen können und der öffentlichen Armenpflege anh eimfallen, wird erkennen müssen, daß für dieses Geld besser Versorgungs- und Armenhäuser gebaut worden wären. Verwenden Sie dazu die Ausgaben für das Heer, vielleicht werden Sie dann Vertrauen gewinnen, denn nur Vertrauen zur Bevölkerung kann wieder Vertrauen erzeugen.
Wenn in den Gemeinden die Lasten heute unerträglich geworden sind, so deshalb, weil die Mißwirtschaft auch bis dorthin gedrungen ist. Sie treffen heute Gebirgsgemeinden, die mit den Umlagen bis zu 2000 % gekommen sind. Es ist unmöglich, das aufzubringen, was Sie unverantwortlicher Weise von uns fordern. Dadurch wird Unlust und Unzufriedenheit erzeugt. Vielleicht ist es irgendeiner Partei recht, daß solche Zustände eintreten, wie es aber dann mit dem Staate und seinem Bestande in einigen Jahren aussehen wird, wenn man in dieser Weise das Volk und insbesondere das deutsche Landvolk vollständig unberücksichtigt läßt, wird wohl die allernächste Zeit lehren. Ich bewundere den Mut des Herrn Finanzministers, der eine solche Riesensumme als Anhängsel zum ordentlichen Staatshaushalte von uns fordert. Insbesondere ist es die Landwirtschaft der mittleren und kleinen Besitze, die wir hier vertreten, die durch diese Steuerlast in ihrer Berufsfreude gehemmt wird, wodurch die Produktion unterbunden wird und somit langsam dem Niedergange zutreibt. Noch stecken wir in der Zwangsjacke der staatlichen Getreidebewirtschaftung. Schon rasselt der Staatsanwalt mit der Tausendkronenstrafe für jeden nicht gewachsenen Meterzentner Getreide und da werden wir schon auf's neue wieder mit beiden Armen an die Steuergaleere gekettet, um als Ruderknechte das Steuerschiff weiterzubringen. Die Landwirtschaft erstickt in Steuern und Abgaben. Dadurch wird der Besitz unrentabel, alle Arbeitslust verschwindet. Wozu arbeiten, wenn andere davon mühelos den Erfolg haben? Zu dieser Finanzmißwirtschaft kommt noch eine unglückselige Handelsund Zollpolitik dazu, dank derer wir im Staate so weit sind, daß man heute in Wien den javanischen Zucker billiger kauft, als unseren. Die Industrien des anschließenden Deutschland, die früher die böhmische Kohle bezogen, haben ihre Heizanlagen umgeändert und verzichten heute, insbesondere bei dem Stande der Valuta, auf unsere Braunkohle.
Durch die staatliche Getreidebewirtschaftung haben Sie der Landwirtschaft rund 8 Millionen Kronen herausgepreßt.
. Wie man im großen mit der Landwirtschaft umspringt, so erscheint es im Kleinen und ich kann aus den vielen Fällen, die mir bekannt sind, einige anführen, damit Sie sich ein Bild von dem Wohlwollen machen können, das man den Landwirten entgegenbringt. Ein Bauer Westböhmens mußte dem alten Österreich im Kriege seine Pferde übergeben. Bei der Bezahlung war der Mann bereits eingerückt und seiner Frau folgte man den Betrag nicht aus, weil sie nicht bevollmächtigt erschien, und so ging das Geld an die Postsparkasse zurück. Der Mann hatte das Unglück, in die russische Gefangenschaft zu geraten und als er nach zwei Jahren in seine Heimat zurückkehrte, war diese èechoslovakisch geworden, und das Geld noch immer nicht da. Er wurde von der Behörde an das liquidierende Kriegsministerium in Wien gewiesen und dieses trat die Angelegenheit der Reparationskommission daselbst ab. Nach langer Zeit erhielt er nun vor einigen Wochen den Rat, sich im diplomatischen Wege an die Reparationskommission in Paris zu wenden. So sch aut der Schutz und die Hilfe aus, die der Staat seinen Bürgern zuteil werden läßt.
Wenn man sich nun ausredet, daß solche Vorkommnisse durch das morsche Österreich verschuldet wurden, so will ich einen ähnlichen Fall aus der angeblich gesunden Èechoslovakischen Republik mitteilen. Aus meiner engeren Heimat mußte ein Schwerund Lohnfuhrwerker seine beiden Pferde anläßlich der letzten glorreichen Mobilisierung abgeben. Auß er diesem Lohnfuhrwerke besitzt er keine Erwerbsquelle, um seine Frau und seine sechs Kinder recht und schlecht zu ernähren. Für die beiden Pferde erhielt er ein Evidenzblatt auf 26.000 Kronen lautend, welchen Betrag er bis heute noch nicht besitzt. Das Steueramt gab ihm den Rat, sich an die Finanzlandesdirektion zu wenden, bei der ich ebenfalls intervenierte, und die bis heute keine Antwort erteilte. Die Sparpfennige dieses Mannes sind aufgezehrt. Seine Kundschaft hat sich verloren. Andere Pferde zu kaufen ist er nicht in der Lage und nun ist der Mann direkt um seine Existenz gekommen.
Wie es sich hier um Hab und Gut handelte, will ich Ihnen noch auf einen traurigen Fall hinweisen, der ein Menschenleben zum Opfer forderte. Der Kleinlandwirt Voit in Roßbach ging in seinen Waldbesitz, um dort den Holzdiebstahl abzuwehren. Der èechische Grenzsoldat hielt ihn für einen Schmuggler, schoß ihn nieder und ließ ihn liegen. In der Interpellationsbeantwortung sagte der Herr Minister für nationale Verteidigung, daß das Militärgericht in Pilsen den Soldaten freisprach, weil er in Ausübung seines Dienstes handelte. Die Familie ist ihres Ernährers beraubt und bisher wurden alle Schadenersatzansprüche abgewiesen. Können Sie so die Liebe zu diesem Staate fördern?
Die Fälle sind endlos, die ich und meine Kollegen von der Vergewaltigung und Schändung des deutschen Landvolkes erzählen könnte. Für diese Entschädigungsansprüche haben Sie kein Geld. Die deutschen Gemeinden an der Sprachengrenze haben einen furchtbaren Kampf zu bestehen, man nimmt ihnen Teile ihres Besitzes ab und katastriert sie einfach den èechischen Gemeinden zu, um diesen die finanzielle Sanierung zu erleichtern. Hier zeichnet sich besonders der Bezirkshauptmann in Kralowitz aus, der die deutsche Schule in Hlubovka aus dem eigenen Schulhause auf das Pflaster setzte und dafür die èechische Minoritätsschule einrichtete, während nun die deutsche Schule in einem aufgelassenen Wirtshaus untergebracht ist. Im Ort Chiesch, Bezirk Luditz, wurde für zwei èechische Kinder des Ortes und für 10 aus der Umgebung zusammengetrommelte Kinder ebenfalls eine solche Minderheitsschule eröffnet. Alle Rechtvorstellungen sind wirkungslos. Sie haben Ihr eigenes Recht, das Sie von der Gewalt ableiten. Da brauchen Sie keine juridischen Grundlagen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. Hruban.)
Wir Deutschen in diesem Staate
sehen, daß Ihre Versicherungen von Gerechtigkeit und Menschlichkeit
ja doch nicht wahr sind. Ich war immer vom Gegenteil dessen, was
Sie uns versprochen, überzeugt. Nun fürchten wir aber auch nicht
Ihr Säbelrasseln. Die Rückenwand für den panslavistischen Gedanken
ist mit dem Zusammenbruch Rußlands auf Jahre hinaus gefallen und
auch die Umgruppierung bei den Großmächten dürfte Verhältnisse
schaffen, die Ihnen für spätere Zeiten nicht angenehm sein dürften.
Deutschland erwacht und wird sich beleben. Wir werden diese Ketten
nicht ewig tragen, aber ausharren im Vertrauen auf unsere Kraft
wollen wir und es kommt die Stunde und kommt der Tag, wo das deutsche
Volk eine einzige Kampfpartei und einen Block bilden wird, an
dem sich Wolf und Hyäne die Zähne ausbeißen können. Wir rufen
Ihnen heute nochmals ein "Halt!", ein "Bis hieher
und nicht weiter!" zu. Das deutsche Volk ist ehrlich und
wird Ihnen alles ehrlich auf Heller und Pfennig zurückzahlen.
Der Tag der Vergeltung und der Erlösung kommt, wenn auch später,
aber er kommt doch. Wir werden Ihnen alles ehrlich vergelten,
was Sie uns in den Tagen dieser Drangsalierungen angetan haben.
(Potlesk na levici.)
Hohes Haus! Die Verhandlungen über das Nachtragsbudget will ich zum Anlasse nehmen, verschiedene Dinge zu besprechen, weil dies in der vor Weihnachten abgeführen Debatte infolge der eigentümlichen Verhältnisse, unter denen dieses Parlament arbeitet, nicht möglich war. Ich tue dies nicht etwa in der Hoffnung, irgend etwas an den gegenwärtigen Verhältnissen bessern oder ändern zu können, sondern lediglich um Tatsachen festzustellen und darzu tun, daß wir Deutschen uns nie und nimmer mit den in diesem Staate obwaltenden Verhältnissen befreunden oder gar einverstanden erklären können. Aus diesem Grunde habe ich auch auf jeden Ergänzungs- oder Abänderungsantrag von vornherein verzichtet, weil ich weiß, daß sie doch alle abgelehnt werden, und so habe ich sowohl dem Hause, als auch mir selbst diese Mühe ruhig ersparen können. Mir ist nur eine kurze Spanne Zeit gegönnt und wenn ich auch fürchten muß, nicht alles sagen zu könen, was ich mir vorgenommen habe, so weiß ich doch ganz genau, daß ich und meine Kollegen in diesem Jahre noch manchmal Gelegenheit haben werden, in eine allgemeine politische Debatte einzugreifen, weil die Nachtragsbudgets zum ordentlichen Rüstzeug unserer Finanzverwaltung gehören, also mit Sicherheit anzunehmen ist, daß in Bälde ein oder mehrere Nachtragsbudgets zum Voranschlage für das Jahr 1922 vorgelegt werden, fe rner weil auch allgemeine Regierungserklärungen nach bewährten vorhandenen Mustern zu erwarten sind, anläßlich künftiger Wechsel in der Regierung oder von Deutschenhetzen.
Das Nachtragsbudget hat den Zweck, namhafte Überschreitungen des Voranschlags für 1921 zu rechtfertigen und für sie die Indemnität zu erlangen. Die Überschreitung ist durchwegs bei unproduktiven Ausgaben erfolgt und schon dadurch ist unsere Stellung hiezu von selbst gegeben. Wir haben im Vorjahre und heuer bei der Beratung des ordentlichen Voranschlages verschiedene Anträge eingebracht, welche die Erhöhung einzelner Ausgabeposten im Bereiche der Justizverwaltung und der sozialen Fürsorge zum Gegenstande hatten; sie wurden selbstverständlich abgelehnt. Wenn in dieser Beziehung Überschreitungen vorgekommen wären, könnte man darüber mit sich reden lassen, aber da hat sich die Staatsverwaltung an die mageren Ziffern des Voranschlages gehalten. Für diese Dinge blieb der Staatssäckel verschlossen, und deshalb will ich gerade diese Kapitel wiederum behandeln.
In der heutigen Zeit wird auch die Staatsverwaltung von Modeschlagworten beherrscht. Ein derartiges Schlagwort ist: Es muß gespart werden! An und für sich ist dieser Vorsatz ganz löblich, aber die Art und Weise, wie gespart werden soll, ist doch der Betrachtung wert. Hier fing man damit bei den Staatsbeamten und Lehrern an und nahm ihnen, welche mit ihrem Gehalt kaum das nackte Leben fristen können, 150 Millionen in einem Jahre ab, verletzte damit unbedenklich das geltende Lehrerparitätsgesetz. Ja, die Finanzverwaltung scheut sich nicht, selbstständig, ohne gesetzliche Regelung, den Staatspensionisten Abzüge an ihrer kärglichen Pension zu machen. Den Sturm der Entrüstung der durch diese Maßnahmen Betroffenen suchte die Regierung scheinbar mit Erfolg dadurch zu beschwichtigen, daß sie den èechischen Lehrern und Beamten Zulagen für Mehrarbeit zusicherte, sodaß also das Sparen nur für die Deutschen gelten wird und wir neugierig sein können, woher die Bedeckung für diese Zulagen genommen wird - wahrscheinlich wird das künftige Nachtragsbudget dieses Geheimnis enthüllen - ferner dadurch, daß sie auf die stete Steigerung unserer Währung im Auslande hinwies und die Hoffnung auf billigere Lebensmittel und Stoffe erweckte. Abgesehen davon, daß es sehr lange dauern wird, bis das Sinken der Großeinkaufspreise für Lebensmittel sich in den entlegenen Gebirgsorten bemerkbar macht und daß es noch viel länger dauern wird, bis die Textilindustrie ihre teuer eingekauften Bestände an den Mann gebracht und die neuen billigeren Erzeugnisse auf den Markt gebracht haben wird, abgesehen davon, daß durch das Steigen unseres Geldwertes unser Export unterbunden und Betriebseinschränkungen der Industrie und Arbeitslosigkeit die Folge sein werden, wäre doch zu fragen, wie denn dieses Steigen der Krone in Zürich zustande kommt. Der Herr Finanzminister behauptet, die Staatsverwaltung tue da gar nichts, dies käme von selbst: die zunehmende Konsolidierung des Staates, die überaus schön verlaufene Mobilisierung flöße dem Ausland eine solche Hochachtung vor der Republik ein, daß es der èechischen Krone eben einen höheren Kurs verleihe. Nun, meine Herren, wir wissen ganz genau, was wir von der gelungenen Probemobilisierung zu halten haben, und wir sind überzeugt, daß die Auslandspropaganda der Regierung ein schönes Stück Geld gekostet haben muß, jedenfalls viel mehr als sie bei den Staatsbe amten und Lehrern jetzt erspart. Aber es pfeifen es doch alle Spatzen vom Dach, daß die èechische Regierung in Zürich ein Bureau nur zu dem Zwecke unterhält, um unsere Krone durch das Börsenmanöver der Arbitrage in die Höhe zu treiben. Weiß der Herr Finanzminister nichts von der Affäre des Devisendisponenten Dr. Altmann des Bankamtes, der gemaßregelt wurde, weil er offenbar im Einverständnis mit der Živnostenská banka zur Zeit der Mobilisierung es unterließ, das vorgeschriebene Kaufslimit auf èechoslovakische Kronen in Zürich abzugeben? Weiß er nichts davon, daß die Živnostenská banka zur kritischen Zeit 86 Mill. Kè in Zürich "gespritzt" hat, um die eigene Währung zu konterminieren? Und warum muß das Bankamt in Zürich èechoslovakische Kronen kaufen? Doch nur, um den Kurs hinaufzutreiben! Man tuschelt sich zu, daß zu diesem Zwecke monatlich mindestens 25 Millionen aufgewendet werden, und das ergäbe eine jährliche Ausgabe von 300 Millionen, der ein Ersparnis von 150 Millionen an Beamtengehältern gegenübersteht.
Meine Herren! Weiß fe rner der Herr Finanzminister nichts von der Tatsache, daß das Bankamt mit der Finanzverwaltung von Nordamerika Differenzen hat? Das Bankamt weist nach seiner Buchführung eine èechische Staatsschuld von 53 Millionen Dollars an Amerika aus. Amerika aber behauptet, es wären 59 Mill. Dollars. Also, wo sind die 6 Mill. Dollars? Bei einem Kurse von mindestens 50 Kè sind das 300 Mill. Kè. Wo bleibt die gefürchtete Revisionsabteilung des Finanzministeriums? Da wäre zu sparen und nicht bei den Beamten!
Und nun einige Worte über die Wünsche der Beamten und Angestellten. Sie fordern mit Recht und wir mit ihnen eine Besoldung, welche es ihnen möglich macht, ruhig und ohne Nahrungssorgen zu leben und einen sicheren Lebensabend genießen; daher vor allem Wahrung des Paritätsgesetzes für die Lehrer. Wir werden uns einer Novellierung des Paritätsgesetzes, die wohl einer Aufhebung gleichkommen soll, auf das entschiedenste widersetzen. Aber wir müssen weiter fordern, daß mit dem Stückwerk in der Beamtengsetzgebung Einhalt gemacht und endlich ganze Arbeit getan werde. Daher Schaffung einer auf moderner Grundlage beruhenden Dienstpragmatik und eines entsprechendenGehaltsgesetzes! Die Stabilisierung der Gehalte und Pensionen wäre endlich vorzunehmen, ebenso die Errichtung einer Krankenversicherung, welche es ihnen und ihren Familien ermöglicht, in Krankheitsfällen Heilung zu finden, ohne dabei finanziell zu Grunde zu gehen - ich hoffe, daß die bereits im Senate in Verhandlung stehende Gesetzesvorlage über die Krankenversicherung ehebaldigst auch uns zugemittelt werde -, schließlich eine entsprechende soziale Fürsorge, da die Be amtenschaft durch den Krieg und seine Folgen in unsagbare Not geraten ist. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.)
Unter den Staatsangestellten haben die Richter ihre besondere Wünsche. Einen Einwand lasse ich hier gelten: Der Werdegang des Richters in ganz Mitteleuropa entspricht der Forderung, daß die Richter als besonderer Stand besonders behandelt und aus der ganzen Staatsbeamtenschaft herausgehoben werden, keineswegs. Der Vergleich mit dem englischen Richter hinkt. Allein dies ist historisch zu erklären und dafür können die Personen, die heute mit voller Hingabe ihres ganzen Ichs das dornenvolle Amt eines Richters versehen, nicht verantwortlich gemacht werden. Nicht ihre Person, das Amt selbst verlangt vielmehr gebieterich eine Bevorzugung, soll nicht die Flucht aus dem Richterstande immer größeren Umfang annehmen. Sicherem Vernehmen nach sind heute bereits gegen 700 Richterstellen unbesetzt und die Interkalarienersparnis beträgt in Wirklichkeit 14 Millionen, nicht, wie der Voranschlag für 1922 berechnet, 1 3/4 Millionen. Da wir nie eine Jahresrechnung zu sehen bekommen, ist es nicht möglich, da einen richtigen Einblick zu erhalten. Hier muß gründlich Wandel geschaffen werden und es geht nicht an, mit kleinlichen Scheinauskunftsmitteln zu arbeiten, wie es bisher getan wurde, indem man die Unversetzbarkeit der Richter für weitere fünf Jahre aufhob oder den Vorbereitungsdienst der Richter von 3 auf 2 Jahre herunterschrauben will. Dadurch wird die Richterflucht beschleunigt, nicht verhindert. Als notwendige Ergänzung gehört hieher auch die Forderung nach einer besonderen Richterdienstpragmatik.
Es ist eine feststehende Tatsache, daß die im Sommer beschlossene Gerichtsentlastung ihren Zweck nicht erreicht hat. Immer noch sind die Kreis- und größeren Bezirksgerichte so überlastet, daß Streitverh andlungen erst nach Monaten angeordnet werden können und es der rechtssuchenden Bevölkerung schwer, ja fast unmöglich gemacht wird, ihr Recht zu finden. Die Justizverwaltung wird sich wohl oder übel entschließen müssen, da einen energischen Schritt nach vorwärts zu unternehmen. Zunächst wird sie bei den am meisten belasteten Gerichten die Richterstellen vermehren und sie mit den nötigen Schreibkräften und mit viel mehr Schreibmaschinen, und zwar neuen, ausstatten müssen. Sie wird aber auch das Verfahren selbst zu reorganisieren haben: Das Bagatellverfahren wird bis zur Wertgrenze von 1000 Kè, das Verfahren vor dem Einzelrichter bis zu 100.000 Kè zu erweitern sein. Es wird sich aber der Zivilprozeß immer mehr dem Strafprozeß nähern müssen; es muß schließlich erkannt werden, daß es weder eine Zeit-, noch eine Geldersparnis ist, wenn die Parteienvertreter bei der mündlichen Streitverhandlung gezwungen sind, den Inhalt langatmiger Schriftsätze wiederzukauen und daß es vielfach zweckdienlicher ist, solche Schriftsätze zu wechseln, um sich darauf zu berufen.
Aber auch der Gerichtskanzleidienst ist dringend reformbedürftig. Die alte österreichische Geschäftsordnung ist ehestens zu vereinfachen. Sie ist schwerfällig und veraltet. Es ist überflüssig und kostspielig, Beschlußdaten aus den Akten in die verschiedensten vielspaltigen Register zu übertragen. Einfache Einlaufsbogen würden auch genügen, ohne daß die notwendige Evidenz verloren ginge. Das Kanzleiabteilungssystem ist bei kleineren Gerichten überflüssig, bei größeren unpraktisch, weil die Arbeit nicht in jeder Abteilung gleich ist; andererseits kann viel kleine Konzeptsarbeit von der Kanzlei übernommen werden, wie dies ja ohnehin schon jetzt geschieht, aber dies könnte in noch viel größerem Maßstabe geschehen.
Es ist auch ein Gebot der Gerechtigkeit, daß alle Gerichtskanzleibeamten gleich behandelt werden, soweit sie dieselbe Vorbildung haben. Der Gesetzentwurf betreffend die Ernennung von Unterbeamten zu Exekutionsbeamten erhielt nicht die Sanktion. Es ist zu wünschen, daß dieser Entwurf baldigst nochmals zur Beratung vorgelegt wird, damit auch dieser Kategorie von Beamten endlich ihre Wünsche erfüllt werden. Außer diesen allgemeinen Wünschen und Beschwerden haben aber auch unsere deutschen Richter und Beamten ihre besonderen: Die Sprachenfrage. Da wir wissen, daß die Durchführungsverordnung zum Sprachengesetz im besten Falle nur den jetzigen Zustand sanktionieren wird und wir überzeugt sind, daß dieser Zustand einfach unhaltbar ist, so fordern wir eine Änderung des Sprachengesetzes, eine vollständige Gleichstellung der deutschen mit der èechischen Sprache. Sie wollen sparen! Hier ist reichlich Gelegenheit dazu. Die vielen Übersetzungen beanspruchen eine Menge Arbeit und Arbeitskraft, welche der Sache selbst verloren geht. So wird den deutschen Gebieten die deutsche Übersetzung der Gesetze und Verordnungen viel zu spät übersendet, die Richter müssen vielfach nach der Zeitung judizieren. Die deutschen Beamten, besonders wenn sie älter sind, lernen nicht im Handumdrehen èechisch, soviel Mühe sie sich auch geben, sie werden aber von leitenden èechischen Beamten deswegen schikaniert, drangsaliert und disqualifiziert. Deutsche Richter und Beamte werden ohne ein Wort èechisch zu können, ins èechische Gebiet versetzt und können dort selbstverständlich nicht amtieren, aber sie werden dort boykottiert, insultiert und dem Gespötte preisgegeben. Die Ernennungsvorschläge prüft zuerst derNárodní výbor, und der Deutsche, wenn er überhaupt ernannt wird, muß mindestens ein halbes Hundert Èechen vorlassen. Die Èechen, die ins Minoritätsgebiet kommen, haben Anspruch auf Behandlung extra statum und Zulagen, dabei ist ihre Haupttätigkeit die politische im Národní výbor und als Führer der èechischen Minorität. Die deutschen Richter und Beamten läßt man nicht zur Ruhe kommen, geht gegen sie mit Disziplinaruntersuchung vor, schüchtert sie ein und läßt sie überwachen. Ganz verschlossen sind ihnen die Zentralstellen. Unter dem Vorwand, daß der deutsche Beamte die Staatssprache nicht beherrscht, wird er bei Fachprüfungen durchfallen gelassen. So üben die Prüfungskommissionen bei der Prager Finanzlandesdirektion geradezu eine Schreckensherrschaft aus, deutsche Beamte werden nach jahrelangem Dienst aus dem Staatsdienst plötzlich entlassen, so bei der Post und Eisenbahn, der bittersten Not unbedenklich preisgegeben und Selbstmorde aus Verzweiflung sind keine Seltenheit mehr. Kurz alle sogenannten Ersparungsmaßnahmen wenden sich in erster Linie gegen die deutschen Beamten und Angestellten.
Ich möchte noch einiges über die gerichtliche Jugendfürsorge und die Strafanstalten sagen. Beide Verwaltungszweige stehen leider miteinander in einer gewissen Wechselbeziehung, weil einerseits eine verfehlte Erziehung die Neigung zur Straftat schafft oder vermehrt und andererseits es nicht nur eine arme und verlassene, sondern auch eine verwahrloste und kriminelle Jugend gibt. In diesen Zweigen der Justizverwaltung haben wir aus dem Voranschlage für das Jahr 1922 mit Ausnahme einiger magerer Ziffern über die Anstaltsverwaltung so gut wie gar nichts erfahren. Auch jetzt schweigt sich die Justizverwaltung darüber aus. Es ist nirgends ein Wort enthalten über die Zahl der Sträflinge, die Art ihrer Arbeit, den Erfolg der Besserungsanstalten oder die Unterbringung der Entlassenen im bürgerlichen Leben. Und dies wäre doch das Wissenswerte. Ich ersuche von dieser Stelle den abwesenden Herrn Justizminister, zumindest im Justizausschuß oder im sozialpolitischen Ausschuß uns einen solchen Bericht zu geben, sonst hätte es den Anschein, als ob die Justizverwaltung an all diesen Dingen kein Interesse hätte, und alles der privaten Mildtätigkeit überlassen wollte. Und wie wenig hat die Justizverwaltung zur Unterstützung dieser so wichtigen Agenden übrig. Wir finden im Voranschlag für das Jahr 1921 insgesamt eineinhalb Millionen ausgesetzt. Mit Rücksicht auf den Zweck und die notorische Anzahl der in Betracht kommenden Sträflinge und Jugendlichen fin den wir diese Ziffern zu klein. Schon anläßlich der vorjährigen Budgetdebatte habe ich erklärt, daß wir Richter zwar der grundsätzlichen Ansicht sind, daß uns die Jugendfürsorge zu Unrecht aufgebürdet worden ist und in die autonome Verwaltung gehört, allein wir sind sozial denkende Menschen, genug, um uns bis zur endgültigen Ordnung dieser Angelegenheit der uns gestellten Aufgabe mit voller Hingebung zu unterziehen. Aber mit den uns von der Justizverwaltung zur Verfügung gestellten Mitteln läßt sich gar nichts anfangen. Wären wir darauf allein angewiesen, würden wir uns einfach lächerlich machen. Nur der privaten Mithilfe ist es zu danken, daß auf dem Gebiete der Jugendfürsorge etwas Ersprießliches geleistet worden ist. Aber wie geht man mit unserer Lan deskommission für Kinderschutz und Jugendfürsorge um! Die gewährten Subventionen sind vielzu niedrig, als daß es möglich wäre, die Anstalten ordentlich instand zu halten. Wir wissen, daß infolge der Mobilmachung ein Ministerratsbeschluß gefaßt wurde, daß alle Subventionen an alle Kinderschutzorganisationen einzustellen sind (Hört! Hört!), der dann soweit abgeändert wurde, daß nur so viel auszuzahlen ist, daß ja für das Jahr 1921 noch ein unerschöpfter Kredit von 500 Millionen Kronen übrig bleibt, welcher der Heeresverwaltung zugewiesen wurde. So mußten die armen Kinder unter dem Militarismus leiden. Während im Budget für die Slovakei und für die èechoslovakischen Minoritätsschulen Millionen übrig sind, ist für die notleidenden deutschen Jugendfürsorgeanstalten in Böhmen, Mähren und Schlesien nichts übrig. Es gibt für eine èechische Anstalt Gelder für körperliche Ertüchtigung, für eine deutsche aber nicht. In Prag besteht eine große gutgeleitete Findelanstalt, die nur etwa 5 % deutsche Kinder haben dürfte. Abermals soll eine zweite Anstalt in Prag errichtet werden, im ganzen deutschen Gebiet gibt es keine öffentliche Entbindungs-, Findeloder Säuglingspflegeanstalt. Die einzige Mutterberatungsstelle in Preßburg wird mit 291.000 Kè subventioniert, sämtliche deutsche Stellen aber nur zusammen mit 10.000 Kronen. (Hört! Hört!) Wir fordern die Erhaltung der deutschen Landeskommissionen für Kinderschutz und Jugendfürsorge. Diese beschweren sich bitter darüber, daß die Beamten des Ministeriums für soziale Fürsorge nur zu èechisieren bestrebt sind und die deutschen Kommissionen absichtlich beiseite schieben, und ihnen nur ganz kleine Subventionen anweisen. Nach außen gilt das Wort Demokratie, nach innen brutale Autokratie. Wir verlangen, daß das deutsche Kind auch in seiner Hilfsbedürftigkeit dem deutschen Volke zur Pflege und Erziehung überlassen bleibt, daß die Arbeit national-philanthropischer Vereine, welche aus dem Volkscharakter selbst emporblüht, in keiner Weise vergewaltigt und beeinflußt werde, daß Gesetzentwürfe und Organisationsänderungen auf dem Gebiete der Jugendfürsorge vorher den Landeskommissionen vorgelegt werden. Das Zentralhaus der deutschen Landeskommission in Prag ist seit Feber 1919 vom Ministerium für Landesverteidigung besetzt, ohne daß ein Heller Zins gezahlt worden wäre, das deutsche Fürsorgeheim in Prachatitz hat man beschlagnahmt, die armen Kin der hinausgeworfen, hat dort eine èechische Bürgerschule errichtet und bis heute gar keine Entschädigung gezahlt.
Eine Ansiedlung von schulentlassenen Kindern, die einer strengen Erziehung bedürfen, auf landwirtschaftlicher Grundlage in Mathildenzeche bei Pilsen hat die dortige Bevölkerung vereitelt und die Zöglinge vertrieben. Das Kinderasyl in Grottau wurde für èechische Schulzwecke beschlagnahmt, das alles sind Tatsachen, welche nicht dafür sprechen, daß der Geist Komenskýs im èechischen Volke lebendig ist. Und gehört nicht auch hieher das lange Kapitel der Drosselung und Aufhebung der deutschen Schulen? So schaut in Wirklichkeit die soziale Fürsorge für die deutsche Jugend aus. Es wäre ferner wichtig zu wissen, wie bisher die Aufteilung aller für die Jugendfürsorge verausgabten Staatsgelder erfolgt ist. In der Regelung der Berufsvormundschaft ist auch nicht weiter zu kommen.
Und nun noch etwas über die Lage der Privatangestellten. Wir leben jetzt in einer Zeit, da der gesamte Komplex der Sozialversicherung der Beratung zugeführt werden soll. Da ist es auch an der Zeit, die Forderung zu erheben, daß endlich das ganze Gebiet der Arbeitserträge einer einheitlichen Neuregelung unterworfen werde. Eine allgemeine Arbeitsordnung tut dringend not, ebenso eine gesetzliche Regelung des Kollektivlohnvertrages. Bis dahin muß man sich freilich mit Provisorien behelfen. Die Privatangestellten fordern die Errichtung von Beamten- und Angestelltenkammern. Es ist bereits ein Antrag Navrátil unter Nr. 2052 eingebracht. Ebenso wird eine Novellisierung des Handlungsgehilfengesetzes und die Errichtung von Einigungsämtern verlangt. Auch hier sind brauchbare Anträge: Tuèný und Genossen Nr. 757 und Klein und Gen. Nr. 1361; die Apothekerangestellten haben ihre Forderungen im Antrag D. Nr. 2592 niedergelegt. Ich frage an: Warum werden diese Anträge nicht der Beratung unterzogen? Die Privatangestellten fordern weiter, daß das Gesetz über die staatliche Arbeitslosenfürsorge auf alle Angestellten des Handels und der Industrie ohne Rücksicht auf ihren Wohnort ausgedehnt werde. In die Unfallversicherung sind alle Privatangestellten samt den Lehrlingen einzubeziehen, sie selbst ist zu einem Selbstverwaltungskörper auszugestalten und eine deutsche Anstalt für die deutsche Arbeitnehmerschaft zu errichten. Es ist eine besondere Berufskrankenkasse für Privatangestellte zu schaffen. Betreffend die Pensionsversicherung wird erklärt, daß auch das Gesetz vom 5. Feber 1920 unzureichend sei. Die Kriegsdienstleistung ist für die Wartezeit und bei Berechnung der Versicherungsleistungen für jene Angestellte, die bereits vor ihrer militärischen Einberufung pensionsversicherungspflichtig waren, einzurechnen. Die Leistungen der Pensionsversicherung sollen sich möglichst der geänderten Wirtschaftslage anpassen und national getrennt bleiben. Die erforderlichen Neuwahlen sind endlich vorzunehmen. Das Betriebsrätegesetz ist zu novellieren und dem Privatangestellten eine angemessene Vertretung zu sichern, insbesondere dadurch, daß der Betriebsrat aus zwei Teilen besteht, aus dem Angestellten- und Arbeiterausschuß. Schließlich ist die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe festzulegen und der Achtstundentag pünktlich einzuhalten.