Dabei enthalten diese Daten durchaus nicht eine erschöpfende Darstellung des wahren Standes unserer Industrie, sondern sie bringen nur einen ganz kleinen Ausschnitt aus dem Ereignisse der letzten Wochen. Das "Èeské Slovo", das in einem Leitartikel, betitelt "Hrùzy hospodáøských krisí", auf die Denkschrift zu sprechen kam, hat dann unter anderem erzählt, daß in einer Vertrauensmännerversammlung der nationalsozialistischen Partei ein Arbeiter sich zum Worte gemeldet und ausgerufen habe: "Geht in die Fabriken, seht hin, dort ist kein Leben mehr, dort ist ein Friedhof!" Und das "Èeské Slovo" hat hinzugefügt: "Jawohl, die Ziffern des Handelskammerberichtes zeigen uns nicht das Wirtschaftsleben des Staates, sondern sie zeigen uns einen wirtschaftlichen Friedhof." (Souhlas na levici.) Ich zitiere geflissentlich ein der Koalition nahestehendes Blatt, um die kleine Divergenz zwischen der ministeriellen Darstellung und dem wirklichen Leben aufzuzeigen und vor allem, um darzutun, daß unsere Schilderung nicht etwa unserer Phantasie entsprungen ist, sondern sich mit den nackten Tatsachen deckt. Es ist also ein wirtschaftlicher Friedhof, den uns die Regierung Beneš bei ihrem Scheiden hinterlassen hat und nicht, wie gestern Herr Minister Dr. Rašín ausrief, eine konsolidierte Republik.
Um etwaigen Einwendungen zu begegnen, möchte ich gleich vorneweg einiges feststellen: Wir wissen es sehr wohl - und ich gebe das ohne weiteres zu - daß die Wirtschaftskrise in der Èechoslovakei nicht etwa eine Einzelerscheinung ist. Wir geben zu, daß sie einen Bestandteil der großen Wirtschaftskrise bildet und daß die Ursachen dieser Krise auch internationaler Natur sind. Begreiflich, die Wechselwirkung zwischen dem Leben der europäischen Staaten ist ganz offenkundig. Die Staaten der kapitalistischen Welt sind kommunizierende Gefäße. Gedeih' und Verderb des einen Staates wirkt zwingend auf den anderen Staat zurück. Der wirtschaftliche Ruin des einen Staates löst Wirtschaftskrisen in dem anderen Staate aus. Und so mußten denn naturgemäß die Pariser Verträge, die Deutschland und Österreich dem systematischen Verderb zuführten, auch die Èechoslovakei mitreißen. Es half da die Isolierung des Wirtschaftsgebietes gar nichts, es half nicht die Isolierung der Valuta von der der Nachbarländer, die Èechoslovakei wurde unbarmherzig in den Strudel des wirtschaftlichen Chaos mitgerissen.
Und so hat denn dieser Staat, der sich förmlich zum Diener der französischen imperialistischen Politik gemacht hat, schließlich doch selbst den Fluch dieser Politik abgekriegt. Aber obwohl die Wirtschaftskrise internationale Ursachen hat, obwohl sie von der französischen Reparationspolitik mitbeeinflußt und mitherbeigeführt wurde, mußte der wirtschaftliche Zusammenbruch, mußte vor allem der Zusammenbruch unserer Produktion doch kein so vollständiger sein, und wenn er es geworden ist, so mußte dies gewisse eigene Ursachen haben.
Diese Ursachen liegen in der Wirtschafts-, in der Handelspolitik, in der Finanz- und in der Währungspolitik des èechoslovakischen Staates, aber auch in seiner Außenpolitik. Die Èechoslovakei besitzt alle Bedingungen für ein blühendes Staatswesen. Sie ist ein Exportstaat par excellence mit gewissen natürlichen Absatzgebieten, die auf dem Territorium des alten Österreich, der Nachfolgestaaten liegen. Sie braucht nur eine vernünft ge Staatswirtschaft, eine vernünftige Finanzpolitik zu machen, um mit vollen Händen die Früchte ihres Reichtums einheimsen zu können. Ihre natürlichen Absatzgebiete sind, wie ich bereits gesagt habe, die Nachfolgestaaten des alten Österreich sowie Deutschland. Die nähere Betrachtung der Ziffern der Handelsstatistik zeigt uns nämlich, daß mehr als acht Zehntel der gesa ten èechoslovakischen Ausfuhr nach diesen Ländern gehen. Sie zeigt uns gleichzeitig, daß die Ausfuhr in die Länder unserer Verbündeten lächerlich gering ist. Ich werde darauf noch an späterer Stelle ausführlicher zu sprechen kommen. Unsere wirtschaftlichen Interessen gravitieren also vor allem nach den Nachbarländern, während uns mit unseren jetzigen Bundesgenossen keinerlei nennenswerte wirtschaftliche Interessen verbinden. Eine Unterbrechung des wirtschaftlichen Verkehres mit Deutschland und Österreich würde der èechoslovakischen Republik den Lebensfaden unterbinden. Ein Abbruch der Beziehungen zu den Ländern der Kleinen Entente würde an unserem Wirtschaftsleben einfach spurlos vorübergehen. Gerade Deutschland gegenüber betreiben wir eine ganz unmögliche Politik, die Politik der Gehässigkeiten und der Nadelstiche. Wir schließen gegen Deutschland Bündnisse, Allianzen und Konventionen. Wir lassen dies Deutschland auf Schritt und Tritt fühlen und entfremden uns so unseren natürlichsten Bundesgenossen mit jedem Tage mehr.
Aber ebenso verfehlt, wie unsere Außenpolitik, ist auch unsere Währungspolitik. Der jetzige Finanzminister hat von der Geburtsstunde dieses Staates an Alles darangesetzt, die èechische Valuta zu verselbständigen, sie nach allen Richtungen, vor allem von den Nachbarvaluten zu isolieren und nebenbei noch die Valuta der Nachbarländer zu verderben. Man muß es dem Herrn Finanzminister Dr. Rašín zugestehen, daß er sein Werk gut vollbracht hat. Er hat ganze Arbeit getan. Aber die Folgen dieser Arbeit sind nicht ausgeblieben und werden sich an diesem Staate noch einmal bitter rächen. Das hätte man doch wohl verstehen müssen, daß kein Staat der Welt, und wenn er auch noch so konsolidiert wäre, gesund bleiben kann, wenn er von Staaten mit verfallender und verfaulender Valuta umggeben ist. Deutschland und Österreich können einem solchen Staate naturgemäß nichts abkaufen, Frankreich und England und die Länder mit guter Valuta aber überhaupt kaufen lieber in Deutschland, wo sie alles billiger und manches vielleicht noch besser bekommen. Welche Absatzgebiete dann der Èechoslovakischen Republik übrigbleiben sollen, ist für mich wenigstens ganz unerfindlich.
Wir können also ruhig sagen, daß wir bis zu einem gewissen Grade unser Unglück selbst verschuldet haben. Aber ebenso wie um unsere Außen- und Währungspolitik, steht es auch um unsere Steuerpolitik. Sie bewegt sich durchwegs in den Bahnen der altösterreichischen Steuerpolitik, die den größten Teil der Lasten des Staates auf die nicht tragfähigen Schultern der breiten Massen überwälzt, den besitzenden Klassen aber verhältnismäßig wenig aufbürdet. Durch die Warenumsatzsteuer, durch die Kohlenabgabe wurde das Leben der arbeitenden Menschen außerordentlich erschwert, die Lebenshaltung außerordentlich verteuert. Nehmen sie dazu noch die Zollpolitik und die Eisenbahntarifpolitik des Staates, und Sie werden sofort verstehen, wie es kommen konnte, daß die Èechoslovakei im Rufe des teuersten Staates der Welt steht.
Doch der Todesstoß wurde unserem Wirtschaftsleben durch den Aufstieg der èechischen Krone versetzt. Unsere Krone stand zur Zeit, als die Regierung Beneš die Geschäfte übernahm, noch auf 5. Sie stieg im Jänner 1922 auf 7.20, am 13. August auf 13.75, sie erreichte am 28. August die Höhe von 19, am 21. September 16.75, erreichte am 24. September wieder die Höhe von 17.65. Sie ist um weit mehr als 300% gestiegen. Was nützt das alles aber, wenn der Auslandswert unserer Krone mit dem Inlandswerte der Krone stark kontrastriert! Eine einzige Tatsache wird die Richtigkeit dessen, was ich sage, kraß beleuchten. Im vorigen Jahre stand unsere Krone um zwei Drittel schlechter und es war das Fleisch billiger, als es heute ist. (Souhlas na levici.) Die Krone steigt und steigt und steigt in einem fort, aber die Arbeiter sind zum Feiern gezwungen. Jeder Punkt des Kronenanstieges bringt Hunderte von großen und kleinen Betrieben zum Stillstand. Unsere Krone feiert einen Siegeszug durch die ganze Welt, aber große industrielle Zweige, die bestqualifizierten Arbeiter müssen auswandern, weil sie das eigene Land nicht zu ernähren vermag. Mächtig windet sich die Säule unseres Währungsthermometers zu stolzer Höhe, aber es vermag uns niemand etwas abzukaufen, weil unsere Außenpolitik die Nachbarstaaten mitruiniert und unsere Handelsund Finanzpolitik unsere volle Konkurrenzunfähigkeit herbeigeführt hat. Trotzdem erklärt die Regierungng, wie sie sagt, an der bisherigen Währungspolitik festhalten zu wollen, und Dr. Rašín fügt wörtlich hinzu, daß es sich gerade auf dem Gebiete der Währungspolitik gezeigt habe, daß die bisherige Arbeit keine vergebliche gewesen ist. (Výkøiky: Sehr richtig! Für die Živno!) Das glaube auch ich.
Wie anders denkt darüber Dr. Engliš, der gewesene Finanzminister dieses Staates und Fraktionsgenosse des Herrn Dr. Rašín! Ich werde nur ein paar Sätze aus einem seiner Artikel in den "Lidové Noviny" zitieren: "Alle Argumente für die Deflationspolitik sind gefallen, die Behauptung, daß durch sie unsere Auslandsschulden verringert wurden, ist irrig und ein Schwindel" - ich zitierte die Worte des Herrn Dr. Engliš (Hört! Hört!) "die Verminderung der Teuerung durch die Deflationspolitik ist nur scheinbar. Unsere Verhältnisse werden durch die Deflationspolitik nicht gesünder. Im Gegenteil werden wir durch die Akkomodierung des Kurses unserer Währung an 20 Centimes auf der ganzen Linie konkurrenzunfähig." Dr. Engliš sagt, die einzige Errungenschaft der Deflationspolitik sei die Erhöhung des Fin anzkapitales. (Sehr richtig!) Nur Finanzkapital und die Banken ziehen aus der Deflationspolitik einen Nutzen. Und er wirft zum Schlusse die Frage auf, auf wessen Kosten das geschieht, und beantwortet sie sofort: Auf Kosten der Betriebe und auf Kosten der Arbeiter. Die Arbeiter müssen sich entscheiden, sagt er, was nützlicher ist, die Verdoppelung ihrer Einlagen, die sie nicht besitzen, oder aber eine mehrmonatliche Arbeitslosigkeit.
Und vor dieser Arbeitslosigkeit, die geradezu katastrophale Dimensionen angenommen hat, stehen wir heute. Sie verelendet Tausende und Hunderttausende von Arbeiterfamilien, sie bringt den ganzen Produktionsprozeß, das Wirtschaftsleben des Staates zum Verderben und löst namenlose Pein in der ganzen Bevölkerung aus.
Und nun fragen wir: Durfte der Aufmerksamkeit der Regierung all das, was ich hier in Kürze vorgebracht habe, - es kommt übrigens zu diesem Teile meiner Ausführungen noch ein zweiter Frak tionskollege als Redner zum Worte - entgehen? Wie ist es möglich, daß die Regierung die warnenden Stimmen aus Arbeiterkreisen, die hundertfältigen Hilferufe überhört hat? Wie ist es möglich, daß die Regierung warten konnte, bis ihr das Haus förmmlich über dem Kopf zu brennen begann, daß die Regierung warten konnte, bis sich die Krise zur Katastrophe ausgewachsen hatte?
Hohes Haus! Schon in der Fragestellung liegt unsere Antwort, unsere Anklage. Es ist die schwere Mitschuld der Regierung, daß sie monatelang ruhig zugesehen, daß sie nicht längst schon eingegriffen, nicht wenigstens die dürftigen Maßnahmen, die sie in der Regierungskundgebung ankündigte, zur Durchführung gebracht hat, daß sie das Unternehmertum ruhig gewähren, daß sie die Arbeitsbedingungen der arbeitenden Menschen in diesem Staate verschlechtern ließ und so eine geradezu katastrophale Verschärfung der Lage der arbeitenden Menschen herbeigeführt hat. So sieht die von der abtretenden Regierung angekündigte Konsolidierung aus! Sie ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine vollständige wirtschaftliche Deroute mit einer geradezu verheerenden Wirkung auf die arbeitenden Menschen in diesem Staate.
Beim Regierungsantritt versprach die Regierung Beneš auch eine moderne Verwaltung. Es blieb aber diesbezüglich bei bloßen Verheißungen. Nach wie vor ist dieser Staat ein Obrigkeitsstaat von echt österreichischem Typus, nach wie vor herrscht bei uns die Diktatur der Bürokratie. (Sehr richtig!) Sie ist der treibende Faktor in diesem Staate, ihr Geist drückt diesem Staate den Stempel auf, ihren Geist atmet die ganze Verwaltung. Es ist so wie anno dazumal die Gesetzgebung in der Hand der gewählten Vertreter, Voklzug und Verwaltung aber in der Hand der Bürokratie. Obwohl für den kulturellen Aufstieg des Volkes, für die Wirtschaftsentwicklung das Gleichgewicht zwischen Verwaltung und Gesetzgebung notwendig ist, ist der Wille des Volkes gerade auf dem Gebiete der Verwaltung vollständig ausgeschaltet.
Aber ähnlich geht es auch mit allen anderen Problemen. Noch keines der angekündigten Probleme, deren Lösung die Regierung versprochen hat, ist verwirklicht, nach wie vor warten die Arbeiter vergeblich auf die mit großem Applomb angekündigte Sozialversicherung, die uns mit denselben begeisterten Worten schon die alte österreichische Regierung Bienerth vor sage und schreibe zwanzig Jahren angekündigt hat. Aus der versprochenen Trennung von Staat und Kirche ist, wie wir am Kleinen Schulgesetze gesehen haben, nichts als eine Karrikatur geworden. Die Bodenreform wurde von der abtretenden Regierung keinen Schritt der Verwirklichung näher gebracht. Die nationalen Probleme, die Grundprobleme des Staates sind ungelöst geblieben, die Gegensätze zwischen den Nationalitäten des Staates sind noch mehr verschärft, und die sogenannte "Atmosphäre", mit der sich die abtretende Regierung immer zu umgeben wußte, ist in leeren Dunst aufgegangen. Die Regierung Beneš sagte in ihrer Programmerklärung - ich bin ein Gourmand und lese derlei mehreremale (Veselost), zweimal, daß sie nichts versprechen werde, was sie nicht einhalten könne, und in Wirklichkeit hat sie nichts von dem eingehalten, was sie versprochen hat. (Souhlas a veselost na levici.)
Und nun stehen wir vor der neuen Regierung. Sie wird in allen Tonarten besungen als Regierung der nationalen Konzentration, als Regierung der nationalen Solidarität, der Konsolidierung, der Ruhe, Ordnung, Erneuerung und endlich als die große Regierung. Doch was brachte sie in Wirklichkeit? Nichts als einen Personenaustausch. An die Stelle der Souffleure treten die Akteure. Das allnationale System ist eblieben. Es findet in der neuen Koalition, in der altneuen Koalition seine Wiederauferstehung und Fortführung. Die Methoden, wie jetzt Regierungsrekonstruktionen gemacht werden, erinnern uns, die wir auch die früheren österreichischen Verhältnisse kennen, lebhaft an diese altösterreichischen Methoden des Fortwurstelns. Jahrzehnte lang behalf man sich in Österreich mit einem bloßen Szenen- und Personenwechsel und bildete sich ein, damit die Staatskrise beseitigen zu können; und das Ende haben wir ja alle erlebt. Die allnationale Koalition bleibt uns also erhalten, nach wie vor wird den Völkern dieses Staates, wird dem Ausland durch eine Staatsvignette die Harmonie zwischen Kapitalisten und Arbeitern, Agrariern und Konsumenten, Bürgern und Sozialisten, Römlingen und Freidenkern vorgetäuscht werden. Mit so primitiven Mitteln glaubt man ein so kompliziertes Staatsgebilde, wie es uns der èechoslovakische Staat darbietet, regieren zu können. Man glaubt auf die Dauer mit so dürftigen Mitteln die Fiktion des Nationalstaates, den Chauvinismus als Staaatsprinzip beibehalten zu können. Man bildet sich ein, daß man auf die Dauer - es scheint dies wenigstens die Meinung des Sprechers einer der sozialistischen Parteien, des Kollegen Slavíèek zu sein - über 3 1/2 Millionen Deutsche und 1 Million Ungarn und Polen - von den Slovaken rede ich nicht, die sollen sich ihre Sache hier selbst vertreten - zur Tagesordnung übersehen kann. Und so wird weiter das èechische Volk über alle anderen herrschen, auch weiter der hauptsächlichste Nutznießer des Staates sein. Auch weiter soll an dem Konstruktionsfehler des Staates festgehalten werden, welcher mit dem Danaergeschenk so vieler und so starker Nationalitäten im Leibe nur zu bestehen vermag, wenn er die Bedingungen für ein gedeihliches Zusammenleben der Nationen in diesem Staate schafft. Allerdings unsere Staatslenker glauben, daß sie die Staatskrise mit dem Rechenstift, rein mathematisch bezwingen werden, und vergessen dabei, daß die Wurzeln dieser Krise viel tiefer liegen, daß das Übel in der sozialen und wirtschaftlichen Struktur dieses Staates, in der sozialen und wirtschaftlichen Gesellschaftsordnung zu suchen ist. Doch trotz der allnationalen Koalition geht das Leben ruhig weiter, trotz der allnationalen Koalition spitzen sich die zwischen den einzelnen Klassen bestehenden Gegensätze immer mehr zu, trotz der allnationalen Koalition schreitet die Zerrüttung der Wirtschaftsordnung immer mehr fort, häufen sich die Konflikte zwischen Arbeit und Kapital, zwischen Unternehmertum und Arbeiterschaft. Und diese Gegensätze, diese Konflikte werden alle unnatürlichen politischen Bündnisse zerschlagen und werden das künstliche Gebäude der allnationalen Koalition wie ein Kartenhaus wegblasen und werden alles auflösen, was in diesem Staate nicht wirtschaftlich zusammengehört. Darum ist und bleibt die allnationale Koalition unserer Meinung nach nur ein weiterer verzweifelter Ausweg, nur ein unbrauchbarer Behelf aus der chronischen Staatskrise, in welcher sich der Staat befindet. Diese Koalition auszutilgen, ist unsere vornehmste Aufgabe, ihr gilt unser Kampf.
Und nun besehen wir uns das Programm der neuen Regierung ein wenig! Es widerspiegelt in seiner ganzen Aufmachung und in allen seinen Einzelheiten die ganze Struktur dieser Regierung. Jeder Satz ein faules Kompromiß, jeder Gedanke im schweren Widerstreit der innerhalb der Koalitionsparteien miteinander ringenden Meinungen förmlich im Schweiße des Angesichts errobottet. Schon die bloße Gesamtbetrachtung zeigt uns die Unzulänglichkeit des Programms der Regierung. Die Regierung versucht gar nicht, im Mechanismus des Staates tiefer zu schürfen, sie versucht gar nicht die Notwendigkeit der Abkehr von der bisherigen Wirtschaftund Finanzpolitik zu untersuchen, sie versucht gar nicht, den wahren Ursachen der Staats- und der Parlamentskrise nachzugehen, die Regierung versucht gar nicht, die Bedeutung der verschiedenen sozialen und nationalen Schichtung für den Staatsorganismus zu prüfen. Nichts von alledem finden Sie im Programm der Regierung. Ein schönes Register von guten Vorsätzen, eine Aufzählung von künftigen Ressortaufgaben, eine Aufwärmung von alten und neuen Vesprechungen, eine Konsignation von zu gewärtigenden Gesetzvorlagen. Mag auch im Einzelnen so manches Nützliche verheißen sein, es verliert sich einfach in der Menge der Darbietungen, es verschwindet angesichts der zahllosen ungelösten Probleme und was übrig bleibt, ist nichts als das alte Inventar aller bisheri gen Regierungen, das man immer wieder aufgewärmt bekommt. Es ist dies der alte Krondorfer, der nie an unserem Tische fehlt. Vergebens sucht man nach einer großen, alles in seinen Bann ziehenden Idee, vergebens nach einer für diese Idee wirkenden Kraft; und darum bleibt das Programm der Regierung, das wir gestern gehört haben, nur ein Wald- und Wiesen programm. Man kann es ruhig zu den an deren legen.
Es ist nicht uninteressant, die früheren Regierungsprogramme von Zeit zu Zeit in die Hand zu nehmen und darin ein wenig nachzublättern. Was hat man uns nicht schon in der Zwischenzeit alles ver sprochen und wieviel von dem, was man uns versprochen hat, ist in Erfüllung ge gangen? Und wie ist es mit den vielen Ver sprechungen immer und immer wieder bergab gegangen? Ich werde auf die Einzelheiten sofort zu sprechen kommen. Die Regierungsprogramme werden bei uns immer wortreicher, aber inhaltlich dürtiger. Und dabei welche Wandlung in den Weltanschauungen, welche Untreue in sozialen Dingen! Sichtlich verstärkt sich von Jahr zu Jahr ihr kapitalistischer Charakter und verschlechtert sich ihre so ziale Tünche. Hier ein paar Beispiele - Ministerpräsident Dr. Kramáø kündigte in seiner Antrittsrede an, - ich werde wörtlich zitieren - daß die Kohle nicht mehr in der freien, wirtschaftlichen Dis position bleiben dürfe, daß dem Staat die volle Beherrschung dieser Produktion gesichert werden muß. Ministerpräsident Tusar erklärte, er wolle sofort nach der Kohlenenqu@ete zur gemeinwirtschaftlichen Beherrschung des Kohlen- und Erzberg baues übergehen. In seiner zweiten Regierungserklärung erklärte Tusar, daß die Zeit gekommen sei, in der der Anfang gemacht werden müsse mint der Inangriff nahme der staatlichen Bewirtschaftung des Kohlen- und Erzbergbaues; Ministerpräsident Èerný begann sich schon langsam über dieses Problem auszuschweigen und ebenso Ministerpräsident Dr. Beneš und die neue Regierung hat sich dann in dieser Frage auf die Erklärung reduziert, daß die Frage der Nationalisierung der Bergwerke und der Naturschätze auch weiterhin den Gegenstand eifrigen Studiums der Regierung bilden werde. So ist denn auf dem Wege durch das Gestrüpp aller dieser Regierungsrekonstruktionen die Sozialisierung des Bergbaues wieder in die Studierstube hineingeraten. Oder ein anderes Beispiel. Nehmen wir die Sozialisierung. Der Ministerpräsident Tusar meinte noch, der Arbeiter müsse die Möglichkeit verlangen, über seine Stellung in der Produktion mitzuentscheiden, damit er nicht des Anteils an dem Ertrage der Arbeit verlustig werde. Dem Sozialismus, der vor dem Kriege eine kritische Macht war, seien manche konstruktive Kräfte zu entnehmen. Die Zeit erfordere es, daß wir diese Kräfte auslösen. In seiner zweiten Antrittsrede erklärte Ministerpräsident Tusar, man müsse mit der neuen Aera der Industrieproduktion beginnen, und die Organisation der Erzeugung den Erfordernissen der arbeitenden Menschen anpassen. Der Sozialismus biete hier neue Möglichkeiten, die nicht mehr Utopien sind, sondern verwirklicht werden müssen. Herr Ministerpräsident Èerný sagte: Das Problem der Entwicklung unserer Wirtschaftsordnung in der Richtung der Sozialisierung der hiezu reifen Unternehmungen beschäftigt uns in hohem Maße und es arbeiten daran alle Ressorts. Herr Ministerpräsident Beneš meinte, die Regierung werde auf das intensivste auf dem Gebiete der sozialen und sozialpolitischen Gesetzgebung auf der bereits betretenen Grundlage fortfahren, und in der Erklärung des Herrn Ministerpräsident Švehla finden wir über Sozialisierung schon keine Spur mehr, kein Wort mehr. Weit und breit ist über allen Wipfeln Ruhe. Die Sozialisierung ist ins Wasser gefallen. Ähnlich geht es, wenn wir eine Regierungserklärung nach der anderen hernehmen, mit der Sozialversicherung mit der Trennung von Kirche und Staat, mit der Bodenreform, mit dem nationalen Probleme. Das Programm der Regierung mit jedem Regierungswechsel wird von Jahr zu Jahr schlechter. Das erinnert an ein Witzwort des Wiener Humoristen Bauer, der zu den ständigen Kurgästen in Ischl gehörte und eines Tages von Jemandem gefragt wurde, wie denn das Publikum in Ischl aussehe. Und da meinte er, das Publikum in Ischl werde von Jahr zu Jahr schlechter, heuer sei sogar schon das vom nächsten Jahr da. So geht es auch mit den Regierungserklärungen. Ich glaube, das ist schon die nächstjährige, die wir diesmal präsentiert bekommen haben. (Veselost na levici.)
Das neue Regierungsprogramm leidet an zwei Kardinalfehlern: Es verkennt die soziale, es verkennt aber auch die nationale Schichtung der Bevölkerung dieses Staates. Die Èechoslovakei ist der großen Mehrheit der Bevölkerung nach ein Staat des industriellen Proletariats, ein Staat des proletarisierten Mittelstandes, ein Staat der arbeitenden Bevölkerung. Während noch die Regierung Tusar als Meinung nicht bloß der sozialistischen Minister der Regierung, sondern als Meinung der ganzen Regierung und auch als Meinung der bürgerlichen Mitglieder der Regierung es aussprechen konnte, daß die Arbeiterschaft, die bei der Erzeugung ich zitierte wörtlich - bisher nur ein Hilfsmittel gewesen ist, sich mit dieser Stellung nicht mehr begnügen könne, daß die Arbeiter, von denen nicht nur die Prosperität einzelner Betriebe, sondern die gesamte Entwicklung abhänge, die Möglichkeit verlangen müssen, über ihre Stellung mitzuentscheiden. Während also damals noch von der Stelle aus, von der der Ministerpräsident in diesem Saale sprechen konnte, mit Zustimmung des jetzigen Ministerpräsidenten, der damals der Regierung angehörte, vom Sozialismus als einer Staatsmaxime gesprochen werden dürfte - allerdings ist viel davon, wie Sie ja wissen, nicht verwirklicht worden segelt die jetzige Regierung völlig im Fahrwasser des Kapitalismus. Weit und breit kein Hauch sozialistischen Geistes! Die Regierung spricht kein Sterbenwörtchen von der Notwendigkeit der Sozialisierung des Wirtschaftslebens, sie spricht kein Sterbenwörtchen von der Dringlichkeit der Umformung unserer Wirtschaftsordnung, kein Wort von der Unerläßlichkeit der Kontrolle der Produktion durch die arbeitenden Menschen, kein Wort von dem Anteil des Arbeiters an dem Ertrage, kein Wort von der Überführung der hiezu reifen Produktions- und Betriebszweige der Kohle, des Eisens in die öffentliche Bewirtschaftung. Nichts von alledem, kein Wort! Es wird nach dem Wunsche der neuen Regierung alles beim Alten bleiben. Alles wird weiter nach kapitalistischen Methoden vollzogen, obwohl doch jeder Mensch - und es muß nicht erst ein Sozialist sein - der die Dinge nicht nur oberflächlich betrachtet, sondern in die Geheimnisse des Wirtschaftsprozesses einzudringen versteht es wissen muß, daß es eine andere Rettung aus der schweren Wirtschaftskrise, in der wir uns befinden, nicht gibt, als die Umformung dieser Wirtschaftsordnung in eine andere und der Umbau des Wirtschaftsprozesses in einen anderen, in den sozialistischen. Unsere Regierung aber glaubt sich bei der Überwindung der Krise mit Palliativmitteln behelfen zu können, mit Mittelchen, mit denen man vielleicht einzelne Krankheitserscheinungen zu mildern vermag, Mittelchen, mit denen man vielleicht ein einzelnes Schicksal zu bessern in der Lage ist, die aber den Staat und seine Bevölkerung aus der schweren Katastrophe, in der wir uns befinden, absolut nicht herauszuführen imstande sind. Und darum wird und muß die Regierung - es ist dies unsere volle Überzeugung - an der übernommenen Aufgabe scheitern. Die Wirtschaftskrise sitzt viel zu tief im Organismus des Staates, als daß sie durch Pillen, Pflasterchen und Schwitzkuren beseitigt und geheilt werden könnte.
Das ist die eine Seite der Frage, und nun zur zweiten Seite des Problems! Auch in einer zweiten Richtung hat bereits, wie angedeutet, die Programmerklärung der Regierung versagt. Es mag den Machthabern des Staates angenehm sein oder nicht, soviel muß Ihnen doch klar geworden sein, daß es ohne einen Friedensschluß zwischen den in diesem Staate lebenden Völkern eine gedeihliche Entwicklung dieses Staates nicht gibt. Das Ministerium Beneš wollte, ehe es sich an das Problem heranwagte, erst das Ergebnis der Statistik abwarten, um genau herauszurechnen, wieviel Deutsche und Èechen es gibt, wieviel Ungarn und wieviel Polen. Vermutlich kam es bei der Lösung des Problems sogar auf Bruchteile an. Es geht ja bekanntlich nichts über die Gründlichkeit. Nun gut! Die Unterlagen sind heute schon da. Nehmen wir sie, wie sie vor uns liegen, zur Hand. Vergessen wir für eine Weile die vielen Glückskorrekturen, die bei der Volkszählung begangen worden sind, die Wahlen werden schon die nötige Berichtigung vornehmen. Lassen wir das Kuriosum der èechoslovakischen Nationalität gelten, kurzum machen wir die Rechnung so, wie sie sie uns das Statistische Staatsamt überreicht hat. Und was ergibt sich aus den Ergebnissen der offiziellen Ermittlung? Daß wir 8.7 Millionen Èechen haben, Deutsche - ich zitierte die amtliche Statistik - 3.1 Millionen, Ungarn 0.7 Millionen, Ruthenen 400.000, Angehörige der jüdischen Bevölkerung 180.000, Polen 75.000 und so weiter. Alles in allem 13,376.000. Im alten Österreich gab es 28 Millionen Einwohner und darunter 6 Millionen Èechen. Und trotzdem erhoben die Èechen mit Fug und Recht die Forderung nach Sicherung ihrer nationalen Rechte und führten, wie bekannt, den Kampf um ihre nationale Selbständigkeit mit größter Konsequenz bis zum siegreichen Ende durch. Doch kaum waren sie Sieger geworden, und schon wendete sich das Blatt. Das Schicksal des Staates lag damals in den Händen der èechischen Machthaber, sie brauchten nur das Selbstbestimmungsrecht der deutschen Bevölkerung anzuerkennen und konnten sich den einheitlichen Nationalstaat bauen und Herren ihres Landes, ihrer Wirtschaft bleiben. Sie hätten sich in diesem Staate ganz unbeeinträchtigt durch alle anderen Nationalitäten und unbeeinträchtigt durch lästige Nachbarschaften ausleben können. Das aber wollten sie nicht, aus wirtschaftlichen Gründen, wie es hieß, aus historischen Gründen und wie Sie zuletzt sehen und wie alle wissen, aus imperialistischen Gründen. Sie zwangen die Deutschen in diesen Staat. Gut! Aber es wäre dann naturgemäß ihre Pflicht gewesen, die 3 1/2 Millionen Deutsche und die anderen Nationalitäten an dem Aufbau des Staates und an seinem politischen Leben teilnehmen zu lassen, sie mit gleichen Rechten zur Mitarbeit heranzuziehen. Sie hätten die Deutschen in allen Fragen des gemeinsamen Interesses mitentscheiden, mitverwalten, mitregieren lassen können und in ihren eigenen Angelegenheiten, den Angelegenheiten des Kulturinteresses ihnen die Selbstverwaltung sichern müssen. Doch die Staatsgründer haben es anders gewollt. Sie haben den Staat unter Ausschaltung der deutschen Bevölkerung konstituiert, sie haben aus einem mit allen Merkmalen des Nationalitätenstaates ausgestatteten Staatsgebilde einen Nationalstaat gemacht und halten an dieser Fiktion, an diesem Konstruktionsfehler auch heute noch fest, obwohl es für jederman sichtbar ist, daß eben diese Fiktion zur Unmöglichkeit geworden ist. Sie haben die Oligarchie des èechischen Volkes etabliert, die anderen Völker zu solchen zweiten Ranges gemacht, sie haben sie national rechtlos gemacht und damit das abschreckende altösterreichische Beispiel überboten. Sie hätten aus der Geschichte Österreiches lernen müssen, wie man es nicht machen soll. (Potlesk na levici.)