Støeda 25. øíjna 1922

Es war in den Zeitungen zu lesen, ein Herr Minister hätte sich geäußert, es seien 50% Industrie zu viel, sie könnte ja ab wandern. Mir wurde versichert, daß diese Worte in dieser Form nicht gefallen seien, zum mindestens nicht in Bezug auf die Textilindustrie.

Aber, meine sehr geehrten Herren, bedenken Sie einmal, was das zum Teil leider schon herbeigeführte Abwandern der In dustrie jetzt schon wegen der Valutaunter schiede bedeutet. Eine Reihe von Betrieben ist genötigt auszuwandern und sich in valutaschwachen Ländern, in Ungarn, Polen, Österreich u. s. w. niederzulassen. Viele Maschinen sind abgewandert, mit der Industrie wandert die Arbeiterschaft aus, und wenn das so weitergeht, ist auch die èechische Minorität verloren, die hängt mit daran, der èechische Gewerbetreibende hängt auch mit daran. Die Verursachung dieser Erscheinungen ist also auch von Ihrem nationalen Standpunkte und von dem allgemein staatlichen Standpunkte, ganz abgesehen vom rein industriellen Standpunkte, ein Fehler. Wenn man hier in Prag noch Bechäftigung sieht, wenn es hier in Prag keine Unruhen gibt und, wie zu lesen war, in Prag es nur gegen 300 Arbeitslose geben soll, so bitte ich daran zu denken, daß eben für Prag mit seinen Industrie- und Gewerbebetrieben von der Regierung ungeheuer viel Arbeitsgelegenheit gegeben wird. Die Neubauten beschäftigen eine ganze Reihe von Gewerbetreibenden und Arbeitern. Dadurch kommen Bestellungen in die Maschinenfabriken etc. So wird Prag viel zugeschanzt. Es ist zwar ein plattes Bild, das ich jetzt gebrauche. Ich habe Folgendes als Vorkommnis in einer Versammlung in der Slovakei zu erzählen gehört. Dort soll ein Redner unter phantastischer Auslegung des Bildes der Landkarte an eine Kuh gedacht und gesagt haben: "Ihr Kopf liegt in der Slovakei, dort wird sie gefüttert, aber der Euter, wo sie gemolken wird, in Prag", und er fügte bei, es möchte doch einmal das Tier umgedreht werden, es möchte einmal die Fütterung in Prag geschehen und es möge die Staatskuh auch einmal wo anders gemolken werden. (Výkøiky.) Das ist ja nur ein Bild, aber es hat etwas für sich.

Die Herren von der hohen Regierung in Prag und die Mitglieder der Majoritätsparteien dürfen Prrag nicht mit den weiten Gebieten des èechoslovakischen Staates verwechseln, sie dürfen sich durch die wegen Arbeitsgelegenheit von vornherein sehr gesicherte Ruhe in Prag nicht täuschen lassen über das bittere Elend und die schlimmen Folgen für die ganze Steuerpolitik und das soziale Leben, das draußen in vielen, vielen deutschen und auch èechischen, slovakischen und ungarischen Gebieten dieses Staates besteht. Die Sorge für Verminderung der Arbeitslosigkeit und die Erhöhung und Ausdehnung der Arbeitslosenunterstützung ist eine gebieterische Notwendigkeit.

Hohes Haus! Es ist in den Reden des Herrn Ministerpräsidenten und der beiden anderen Minister auch die Rede von der Produktion gewesen. Ich will darauf nur kurz hinweisen - ich werde mich darüber nicht verbreiten, weil dies schon ein Vorredner getan hat - daß im äußersten Nordböhmen, im Zipfel Nordböhmens allein 5000 Arbeitslose sind, im weiteren Nordböhmen weit über 20.000, und gegen 80% der Industriewerke stehen still. Da raucht kein Rauchfang mehr seit Wochen. Der Herr Ministerpräsident, glaube
ich, hat in seinem Exposé den Rat erteilt, es möge die Produktion vervollkommnet werden und die Leistungsfähigkeit sich erhöhen. Aber dazu müßte man die Steuer erniedrigen nach dem Steigen der Krone und die Erhöhung der Leistungsfähigkeit müßte man auch durch vorzüglichere neue Maschinen fördern, die wir aber nicht haben, die wir aus dem Auslande erst beschaffen müßten, deren Import man aber nicht zuläßt, oder für die man so enorme Zölle verlangt, daß die Anschaffung solcher Maschinen oftmals unmöglich ist. Was ferner eine finanztechnische Förderung der Steigerung der Produktion und Leistungsfähigkeit anlangt, will ich noch an ein kleines Beispiel erinnern: Eine Steueradministration in Nordböhmen gab an eine Reihe von Fabrikanten die Weisung heraus, es möchte im Sinne des Gesetzes vom 17. März 1921 bei den Berechnungen und Einbekenntnissen zur Erwerbsteuer eine solche Unterlage gefunden werden, die eine bedeutende Erhöhung herausbringt, weil angeblich die Verhältnisse des Jahres 1920 ganz andere seien als im Jahre 1919. Hat man vergessen, was bisher die Industrie zusetzt, wo jetzt die Schlote nicht mehr rauchen? Hat man all das nicht in Erwägung gezogen, daß so eine Härte, die noch eine Erhöhung der Steuer verlangt, denn doch dem Geist der jetzigen Krise nicht entspricht und vom Wohlwollen weit entfernt ist? Ich nehme an, daß dies die einzige Steueradministration war, die in diesem Sinne vorgegangen ist. Es würde sich empfehlen, und ich glaube, es ist eine Forderung der Gerechtigkeit, daß dieses Gesetz vom 17. März 1921 geändert und Abs. 2 jenes Gesetzes aufgehoben wird. Es ist denn doch auf die Dauer unerträglich, wenn eine solche Bemessungsart in die Willkür, ins ferne Ermessen eines Steuerbeamten gestellt wird. Wo tüchtige, erfahrene, gewissenhafte, geschulte Kräfte sind, welche die Leistungsfähigkeit abzuschätzen wissen, möchte es noch gehen. Aber bei unerfahrenen Neulingen, und solcher sind viele - die Steueradministrationen besitzen eine Unzahl neuer Beamten - ist es schwer, so einem Beamten, wenn er auch ein gutwilliger und gutmeinender Herr ist, ein solches willkürliches Ermessen in die Hand zu geben.

Zu einer wirklichen Förderung der Industrie gehört auch die Ermäßigung der Frachten und der Kohlensteuer. (Výkøiky.) Die Kohlensteuer vermindert sich jetzt allerdings sicher durch die Erniedrigung der Kohlenpreise. Aber viele Indu strielle versichern, daß bisher die Kohlen steuer die Produktionskosten um etwa 7 bis 10 % in manchen Betrieben belastete. Und dann das Frachtwesen! Ein Waggon Kohle - ich habe schon einmal daran erinnert - kostet von Falkenau bei Eger nach Eger soviel wie von Eger nach Basel. Wo ist da eine Konkurrenzmöglichkeit gegeben? Karbid, das früher Ausfuhrartikel war, ist infolge der Kohlensteuer in seinen Herstellungskosten derart erhöht - es handelt sich hier gerade um eine Krone Differenz gegenüber der Auslandskonkur renz - sodaß dadurch die Konkurrenz möglichkeit unterbunden ist.

Wenn vom Preisabbau geredet wird, muß der Staat selbst zuerst abbauen bei seinen Steuern, bei den Frachten, beim Postporto und in anderen ähnlichen Belangen. Ich habe während der Erntezeit mich an drei Ministerien angesichts der wirklich riesigen Obsternte, die wir heuer haben, gewendet, damit eine Absatzmöglichkeit für Obst dadurch geschaffen werde, daß die Obstfrachten herabgesetzt werden. Ich bekam - allerdings war es schon im September und die Zeit etwas vorgerückt - die erfreuliche Mitteilung, daß meinem Ansuchen Rechnung getragen werde und bei einem halben Waggon Obst, glaube ich, eine 40%ige Eräßimgung eintreten soll. Das hat gewiß sehr viel genützt, um den um den Abtransport des Obstes aus den Gärten in die Industriegebiete usw. zu ermöglichen, denn der Absatz ins Ausland ist durch die Ungleichmäßigkeit der Valuten gänzlich unterbunden. Wir haben in früheren Jahren aus Böhmen von Königgrätz an bis nach Aussig, Tetschen und Bodenbach um viele Millionen Obst ausgeführt, und zwar auf den Zillen auf der Elbe, was heute ganz in Wegfall gekommen ist, und se hat sich heuer für die Obstbesitzer und Pächter von Obstgärten bei den teuern Gestehungskosten, wie zum Bei spiel Pflücklohn usw., kaum die Möglichkeit ergeben, das Obst überhaupt zu ernten. Ferner ersuchte ich auch die Postverwaltung, sie möge für Obstgakete im Gewichte von 5, 8 und 10 kg eine Herabsetzung der Postgebühren auf mindestens die Hälfte ermöglichen. Denn von den Leuten draußen am Lande in den Obstgebieten kann an Soldaten, die eingerückt sind, an studierende Söhne, an Freunde und Verwandte, Beamte usw. in den Städten sonst kein Obst geschickt werden, wenn ein 5 kg-Paket 5 Kronen Porto kostet; von den Nebenspesen sehe ich ganz ab; ein 10 kg- Paket kostet 8 Kronen Porto, also der Wert der Postgebühren ist größer, als der Wert des Paketinhaltes, und so können unsere Soldaten, Studenten, Beamte, Freunde und Bekannte so selten eine Obstsendung bekommen.

Es kommt dann aber noch weiter ein größeres Moment für eine Industrieförderung in Betracht. Ich meine, statt der vielen Militärkonventionen brauchen wir neue bessere Handels- und Rechtsverträge mit dem Ausland. Darin mangelt es uns noch an vielem. So haben wir mit Portugal überhaupt noch keinen Vertrag, in Spanien ist eine neue Zollerhöhung in Kraft getreten. Und mit manchen Konsulaten ist es auch nicht gut bestellt. Ein èechischee Glasindustrieller erklärte mir, daß er seine großen Forderungen in Italien, Dänemark usw. einfach nicht einzutreiben weiß, es ermangele eine zielbewußte Mithilfe der Außenvertreter. Solche Fälle ergeben sich auch noch in anderen Industriezweigen. Weil ich zufällig aus Warnsdorf bin, so will ich als ein Beispiel anführen, daß der Warnsdorfer Platz in Ungarn, Südslavien und Rumänien allein Außenstände im Betrag von 100 Millionen Kronen hat und daß die Warnsdorfer Verkäufer damit rechnen müssen, daß sie drei Viertel ihrer Forderungen werden streichen müssen. Warnsdorf hat aber schon durch den Baumwollzwangsverteiler allein circa 20 Millionen draufzahlen müssen. Wir werden also wirklich dafür einzutreten haben, daß der Industrie bessere Handels- und bessere Rechtsverträge zur Verfügung stehen und daß die Konsulate mit den ausländischen Märkten in Fühlung kommen und für eine Eroberung derselben eintreten. Das wäre weiter ein Punkt der Industrieförderung. Und dann sollte doch die Industrie endlich die alten, noch aus der früheren Monarchie stammenden Heeresforderungen bezahlt bekommen und die Ein- und Ausfuhr sollte von den beengenden Fesseln befreit werden.

Der Herr Ministerpräsident hat in seiner Programmrede auch davon gesprochen, daß die Landwirtschaft und Industrie einander gleichgestellt werden sollen. Soll die Industrie etwa auch alle Zölle verlieren, nachdem man die Landwirtschaft jetzt nicht mehr durch Zölle schützt? Ich meine, wenn beide Faktoren gleichgestellt werden sollen, so müssen Industrie und Landwirtschaft in gleicher Weise behandelt werden, nämlich in der Weise, daß die Forderungen bezüglich der Existenz unserer Industrie und unserer Landarbeit gleichmäßig Berücksichtigung finden. Entweder muß jeder Zoll fallen, oder es mü sen alle mit gleicher Elle gemessen werden. Gewisse Schutzzölle sind aber für bestimmte gewerblich - industrielle und landwirtschaftliche Belange noch sehr angezeigt. Der Herr Minister des Äußern hat auch von Genua und in Genf, von den Delergierten des Völkerbundes gesprochen. Ich glaube, daß der Völkerbund in Genua oder Genf endlich abbauen sollte an dem corpus injuriae, das die Friedensverträge von St. Germain, Versailles, Trianon und S@evres geschaffen haben. Gerade durch den Vertrag von S@evres hat nun allerdings nicht der Völkerbund einen Strich gemacht, sondern dieses Papier hat das Schwert Khemal Paschas zerhauen. Ich möchte mir bei dieser Gelegenheit, weil gerade von der Konferenz von Genua oder Genf die Rede ist, eine kleine Anregung, ich möchte fast sagen eine Bitte, erlauben. Wenn der Herr Minister des Äußern wieder mit diesen gewichtigen Kreisen der Weltpolitik zusammenkommt, so möge er doch die Aufmerksamkeit derselben darauf lenken, daß neben der Konferenz der Völkerbundliga, der Alliierten und Assoziierten einmal eine Konferenz der Weltbörsenmächte und der großen Weltzeitungsmänner zusammenkäme, denn die Weltkonferenz der Alliierten und Assoziierten politischer Art und der Völkerbundliga ist letzten Endes immer abhängig von der Konferenz der Weltbörsenmänner, und wenn die endlich einen internationalen Frieden schließen würden, dann würden diese Kriege aufhören, dann würde das Ausspielen einer Staatspolitik gegen die andere ein Ende haben.

Bezüglich anderer Versprechungen in den Ministerreden glaubt man sich doch zu sehr bezüglich ihrer Ausführung ad kalen das graecas vertröstet. So zum Beispiel mit dem inneren Abbau usw. Ich meine, es sollten da die Herren von der Reguerung einmal das Wörtchen "sofort" anwenden, das nach einem alten Rezept angeblich das Allheilmittel gegen alle Verzögerungen und Verschleppungen ist. Es ist soviel von "Zlatá Praha", von dem goldenen Prag die Rede. Ich habe schon erwähnt, man müsse daran denken, nicht nur dieses Gebiet, sondern auch andere bezüglich des Wohlstan- des im Auge zu behalten. Wir leben in einer Zeit, wo soviel von Versicherungen nd Schutzgesetzen die Rede ist, und ich begrüße es auch vom Standpunkt der deut schen christlichsozialen Volkspartei ganz besonders, daß in dem Programm der neuen Regierung auch von der Alters- und Invaliditätsversicherung gesprochen wird. Ich möchte aber auch wünschen, daß einmal ein Schutzgesetz für die Wahrheit eintritt, ein Schutzgesetz für die Wahrung des Rechtsbegriffes; alle die Forderungen, die wir erheben, die Behauptung, daß es hier einen Nationalitätenstaat, nicht einen bloßen Nationalstaat gebe, die Be hauptung, daß unsere Beschwerden keines wegs aus einem bloßen Querulantentum entstehen und entsprießen, sondern daß sie berechtigte Notschreie sind nach Ordnung, nach Besserung, nach Gleichberech tigung in allen Belangen, sind wahr. Da möchte ein Schutzgesetz für die Wahrheit eintreten, daß den offiziösen Darstellun gen, die über die Zustände in der Èecho slovakei in die Ferne dringen, eben nicht Schönfärberei oder der Stempel der Un wahrheit anhaftet.

In dem neuen Budget ist auch viel von der Sorge für das Militär die Rede, es sind riesig hohe Ziffern dafür eingestellt. Dar über wird einmal in der Einzeldebatte zu reden sein, aber ich finde beim flüchtigen Durchsehen, daß die Ziffern beim Kapitel "Militärwesen" gar nicht erschöpfend sind, sondern daß vielerlei Ziffern, die noch zum Militärwesen gehören, auch noch in Kapiteln anderer Ministerien mituntergebracht sind.

Ich will zum Schluß eilen, so vielerlei Schlagworte ich mir auch notiert hatte, die ich in kurzer Weise noch hätte durchsprechen mögen. Ein Prager Regierungsorgan schilderte das neue Ministerium in dem Sinne, daß es ein Ministerium der fortschreitenden Konsolidierung." sei. Nun, inwieweit ist denn diese Konsolidierung fortgeschritten? Sie ist dahin fortgeschritten, daß die Regierungsmehrheit 151 Namen aufweist und die Opposition schon 131. Es wird jetzt der "Pìtka" ein Zwanziger-Beirat beigefügt, und ich meinte, daß dieser Zwanzigerbeirat vielleicht der Besorgnis Ausdruck gibt, daß die Spanne zwischen Regierungsmajorität und Opposition nur noch 20 beträgt. Ich meine, zur Konsolidierung des Staatswesens trägt nicht die Dauerhaftmachung, die Petrifizierung des Unrechtes, das man uns angetan hat, bei, sondern zur Konsolidierung gehört die Anbahnung zum Siege des Rechtes, des Rechtes aller Kreise, aller Erwerbsstände und aller Nationalitäten in diesem Staate. Zögern Sie, meine Herren von der Regierung und von der Majorität, nicht mit der Prüfung und der Erfüllung unserer unverjährbaren deutschen Rechtsforderungen, zögern Sie nicht, bis es vielleicht einmal auch für Sie zu spät wäre. Nicht ein Epimetheus, sondern ein Prometheus soll der Beirat der jetzigen Konsulen in der Regierung sein, deren ei er gestern das Schlußwort seiner Ausführungen dahin wählte, daß die salus respublicae das erste Gesetz, die lex prima sein soll. Bahnen Sie den Weg zum Siege des Rechtes, zur Aneekennung der Rechtsforderungen derer an, die bisher voll und ganz unwiderlegt sich verletzt, sich oft tief gekränkt, sich tief entrechtet fühlen. (Potlesk na levici.)

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