Støeda 29. listopadu 1922

Trotzdem die Notwendigkeit der Errichtung neuer Heilanstalten sich aufdrängt, wird diese Post auf ein Minimum herabgesetzt. Wenn man nun bedenkt, wie z. B. der Rheumatismuskranke jeden Tag die Badekur herbeisehnt, um eine Erleichterung in seinem Leiden zu finden, muß man die monatelange Verschleppung der Erledigung der Ansuchen um Heilb ehandlung schärfstens verurteilen und Abhilfe fordern; sehr häufig kommt es auch vor, daß der Betreffende inzwischen stirbt. Gerade die Heilbehandlung ist eine der wichtigsten Zweige der Invalidenfürsorge, weil nur dadurch, daß man dem Kranken die Gesundheit wiedergibt oder bestrebt ist, sie ihm wiederzugeben, ihm auch die Lebenslust und die Arbeitsfreude wiedergegeben wird.

Auf dem Verbandstag der Invaliden in Karlsbad hat der Vertreter der Regierung, Ministerialrat Dr. Fleischmann, erklärt, daß jeder Invalide Anspruch auf Heilbehandlung und freie Ärztewahl haben soll. Aber aus dem vorliegenden Staatsvoranschlage merkt man nicht, daß die Regierung auf derart humane Bestrebungen einzugehen beabsichtigen würde Statt der Errichtung modern ausgestalteter Lungenheilanstalten, die der unheimlichsten Kriegsfolge, der Tuberkulose begegnen sollen, statt für Waisen und verwahrloste Kinder der Kriegsopfer Heime und Anstalten zu errichten, baut man Kasernen und opfert Milliarden dem Milita rismus; dafür muß bei der Heilbehandlung unserer Kriegsopfer gespart werden!

Viele Kriegsbeschädigte wurden auch der sozialärztlichen Kommission noch nicht unterzogen, ja selbst die Anmeldung nach dem Gesetz vom 20. Feber 1920 wurde vielfach noch ni cht behandelt.

Bei der Einstellung der Unterhaltsbeiträge hätte unter einem auch die Anweisung der neuen Renten erfolgen sollen. Diese ließ aber viele Monate auf sich warten und es muß als ein Skandal bezeichnet werden, daß heute eine große Zahl Kriegsverletzter nach 2 1/2 Jahren noch auf die Anweisung ihrer Renten warten müssen, so daß die armen Kriegsbeschädigten, die vielfach arbeitslos sind, vom Staat mehr als 3 000 Kronen rückständiger Rentengebühr zu verlangen haben. (Posl. Budig: Bekommen die auch 10% Verzugszinsen?) In dem Falle nicht. Es sollen noch, wie berichtet wird, 200.000 Rentennachzahlungen der Gebühren vom 1. Mai 1920 bis zum Zuerkennungstag der laufenden Rente rückständig sein. Die Urgenzen, Interventionen, die von Seiten der Organisation als auch von Seiten der Abgeordneten erfolgten, sind nicht zu zählen. Wenn auch anerkannt werden muß, daß der Referent im Ministerium für soziale Fürsorge Ministerialrat Dr. Fleischmann, soweit es in seinen Kräften steht, entgegenkommt und große Sachkenntnis entwickelt, um diesen Übelständen abzuhelfen, so ist es Tatsache, daß er gegen diese Mißwirtschaft, Sauwirtschaft können wir sagen, namentlich im Landesamt in Prag nicht aufkommen kann. Nach so langer Zeit hätte man schon Mittel und Wege finden können, dort einmal gründlich Ordnung zu machen. Man muß nur staunen über die Geduld der Invaliden, die eine solche Vorenthaltung ihrer gesetzlichen Gebühren durch so lange Zeit ruhig hinnehmen. Wenn man das Elend, die bittere Not dieser armen Kriegsopfer, die heute auch Opfer der Wirtschaftskrise geworden sind, betrachtet, kann man diese unverzeihlichen Mißstände nicht genug verurteilen. Statt des oft geäußerten Wunsches der deutschen Kriegsopfer, sachkundige deutsche Invalide zur Bearbeitung der deutschen Ansuchen bei den deutschen Bezirks ämtern anzustellen, werden die deutschen Beamten durch Sprachprüfungen und chauvinistische Quälereien an der Arbeit gehindert und mit Entlassung bedroht, wenn sie innerhalb einer gewissen Zeit nicht imstande sind, sich die Staatssprache anzueignen.

In der Fürserge für amputierte Kriegsbeschädigte finden wir die Streichung von 1 Million gegenüber dem Vorjahre. Es muß als hart bezeichnet werden, daß amputierten Kriegsbeschädigten, deren Jahreseinkommen 20.000 Kronen übersteigt, Prothesen nicht auf Staatskosten hergestellt und auch nicht auf Staatskosten repariert werden. Die charitative Fürsorge ist im Staatsvoranschlag um 3,300.000 Kronen erniedrigt, trotzdem man sich gerade auf diesen Zweig der Invalidenfürsorge in der Öffentlichkeit so viel zugute tut. Wie bei der Rentenbemessung, finden wir auch hier dieselben Klagen über die schleppende Erledigung der Ansuchen um zinsenfreie Darlehen, zur Schaffung einer selbständigen Existenz oder zum Betrieb des genossenschaftlichen Unternehmens. Wir verlangen, daß die Fonde für nicht gesetzliche Beträge nach Nationen getrennt werden und daß die Verwendung spezifiziert nach den einzelnen Nationen dem Hause vorgelegt wird.

Der im Vorjahr eingesetzte Betrag von 1,950.000 Kronen für die Schulung der Kriegsverletzten ist in diesem Voranschlag gestrichen. Wie viele, die infolge der Kriegsgebrechen ihrem alten Beruf nicht mehr nachgehen können, sind vor die Notwendigkeit gestellt, einen neuen Lebensberuf zu erlernen, der der derzeitigen Eignung entspricht. Die Beihilfe des Staates zur Schulung für den neugewählten Beruf ist eine unbedingte Notwendigkeit. Weil man sich wahrscheinlich von den sozialärztlichen Kommissionen eine bedeutende Herabsetzung der gesetzlichen Gebühren verspricht, hat man für die weitere Ausgestaltung der sozialärztlichen Kommissionen diese Post um 720.000 Kronen erhöht. Es muß wohl efordert werden, daß bei diesen sozialärztlichen Kommissionen mehr auf die tatsächlichen Gesundheitsverhältnisse der Invaliden, als auf den Staatssäckel Rücksicht genommen wird.

Bei der Post "Ämter für die Kriegsbeschädigtenfürsorge" finden wir gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 23.284 Kronen. Um die gewaltigen Rückstände in absehbarer Zeit in den Ämtern aufzuarbeiten, wäre die Einstellung der notwendigen Beamten unbedingt erforderlich. Wiederholt wurde von deutscher Seite die Anstellung deutscher Beamter nach der Zahl der deutschen Kriegsopfer verlangt. Das Landesamt in Böhmen hat zum Beispiel in der Abteilung zur Bemessung der Rentennachzahlungen, wobei 195.000 Rückstände berichtet werden, 5 Beamte. In Ministerrat soll der Beschluß gefaßt worden sein, daß keine weiteren Beamten aufgenommen werden dürfen. Aus diesem Beschluß ersieht man, wie ernst es der Regierung um die Beseitigung dieser traurigen Mißstände ist. Gerade bei den Kriegsbeschädigtenämtern sehen wir, wie über den sachlichen Rücksichten der nationalchauvinistische Standpunkt waltet. Wo so viele auf ihre gesetzlichen Gebühren warten, wo mit allen Mitteln auf die möglichst - beschleunigte Erledigung der Akten hingearbeitet werden sollte, müssen die deutschen Bezirksämter in der Staatssprache amtieren, mit den deutschen Gemeinden und den deutschen Kriegsbeschädigten doppelsprachig verkehren. Dabei sollen die deutschen Beamten noch Zeit finden, sich zur Sprachenprüfung vorzubereiten, zu der selbst die Amtsdiener in rein deutschen Gebieten verpflichtet werden. Es klingt unglaublich, wenn man hört, daß das Landesamt den Mitgliedern der sozialärztlichen Kommissionen die Honorare verweigert hat, und zwar solange, bis aus der Rundstampiglie die deutsche Schrift, die viel kleiner war, als die èechische, ausgemerzt war. Mir liegt eine Berechnung vor, daß auf einen Beamten des Landesamtes in Prag - das Landesamt in Prag soll 360 Beamte haben 889 Evidenzakte entfallen, während auf einen deutschen Beamten des deutschen Bezirksamtes siebenmal soviel entfallen, wobei dieses Amt, das 12.400 Kriegsopfer zu betreuen hat, außer dem Vorstand nur einen Beamten hat, der außerdem noch 90% invalid ist. Das leisten die deutschen Beamten, die trotzdem, wenn sie sich die Staatssprache in der bestimmten Zeit nicht aneignen, Gefahr laufen, aufs Pflaster gesetzt zu werden. Dazu muß das Bezirksamt noch die Ansuchen um Darlehen oder um Geschenke zur Linderung der Not, Gesuche um Zulassung zu Kursen, um Spitalsbehandlung mit sämtlichen Vorerhebungen dem Landesamt vorlegen, das oft zur Entscheidung über den so instruierten und vorgelegten Akt 4 bis 6 Monate braucht. Es wäre wirklich notwendig, daß über die Agenda der deutschen und èechischen Bezirksämter, über die Ausstattung dieser Ämter mit Beamten, Schreibkräften und Schreibmaschinen, die Regierung einen spezifizierten Bericht dem Hause vorlegen möchte.

Als weiteren Beweis für das Sparen am unrechten Ort möchte ich die Arbeitslosenunterstützung anführen. Wenn man den erschreckenden Umfang der heutigen Krise und die daraus sich ergebenden Folgeerscheinungen in Betracht zieht, sieht man, daß der für die Arbeitslosen aufgewendete Betrag völlig unzureichend ist. Die voraussichtlich noch längere Dauer der Wirtschaftskrise hätte die Regierung bestimmen sollen, einen entsprechend höheren Betrag für die Arbeitslosenunterstützung einzusetzen, damit das Parlament sich nicht schon in kurzer Zeit wieder mit einem Nachtragskredit beschäftigen muß und die unverschuldet Arbeitslosen die Unsicherheit ihres Schicksals nicht immer vor Augen haben müssen. Man möge nur diesen Betrag von 75 Millionen in Vergleich ziehen mit dem Betrag von 3313 Millionen, der für Militär, Gendarmerie und Polizei aufgewendet wird. Die wirtschaftliche Not und die voraussichtlich noch längere Dauer der Krise erheischen dringend die Ausdehnung der Arbeitslosenunterstützung auf alle unverschuldet arbeitslos Gewordenen, auf die Gewerbetreibenden und kleinen Landwirte, sowie auch die Ausdehnung der Unterstützungsdauer, da in vielen Bezirken für eine große Anzahl von Arbeitern die gesetzliche Dauer der Unterstützung bereits abgelaufen ist, ohne daß sich die geringste Aussicht auf Arbeitsgelegenheit bietet. Wir verlangen die eheste Behandlung der vorliegenden Novellierungsanträge zum Arbeitslosenunterstützungsgesetz. In manchen Gebieten sind die Verhältnisse ungemein trostlos, zum Beispiel im Adlergebirge. Die Fabriken stehen still. Jegliche Hausindustrie ist eingegangen. Früher fand ein großer Teil der Bewohner Beschäftigung in Schlesien; allein durch die Grenzsperre und durch die rasche Entwertung der Mark ist auch diese Gelegenheit genommen womden. Die Landwirtschaft wirft bei einer Seehöhe von 600 bis 700 m nur ein kärgliches Erträgnis ab. Besonders groß ist die Not der Schulk nder, denen die Eltern nicht die notwendige Kleidung beschaffen können. Ich möchte mir erlauben, die Aufmerksamkeit der Regierung auf den Zustand der Ar beitslosenfürsorge in Gießhübel bei Neustadt zu lenken.

Bezüglich der angekündigten Notstandsbauten vermisden wir ein rascheres Tempo und eine ausgiebige Berücksichtigung der deutschen Gebiete. In vielen deutschen Gebieten bemerkt man von Notstandsbauten überhaupt nichts. Die Gemeinden können bei ihren finanziellen Schwierigkeiten ohne staatliche Unterstützung daran nicht denken. Ich verweise besonders auf die notwendigen Bahnbauten in Nordmähren, zum Beispiel in Hof und Römerstadt, sowie auf die durch die vorjährige Ho chwasserkatastrophe notwendigen Wasserbauten in Schlesien. Für die Ausgestaltung des Verkehres sind diese Bahnen sicher wichtiger, als die strategischen Bahnbauten in der Slovakei, für die 234 Millionen ausgeworfen erscheinen.

Nun einige Worte zur Wohnungsfürsorge. Die Bauinteressenten warten auf die Verlängerung der Geltungsdauer der Baugesetze, auf die Erleichterung und Vereinfachung der Bedingungen zur Erlangung der staatlichen Bauunterstützung, sowie auf die Mithilfe des Staates zur Erlangung der erforderlichen Baukredite. Obwohl die Wohnungsfürsorge immer mehr als eine der wichtigsten, als eine der dringendsten sozialen Fragen erkannt wird, erweist sich auch hier das Eingreifen der Regierung als unzulänglich. Es mmuß ehestens eine Vereinfachung und Beschleunigung bei der Erledigung der Bauansuchen eintreten, wenn nicht jeglicher Anreiz zum Bauen mit staatlicher Hilfe schwinden soll. Die gegenwärtigenVerhältnisse im Wohnungswesen sind noch lange nicht dazu angetan, die private Bautätigkeit ohne staatliche Unterstützung zu fördern und den Bauwillen der Bevölkerung zu heben. Daß gerade hier der Staat durch das Unrecht in der Kriegsanleihefrage und durch seine Steuerpolitik die Bautätigkeit unterbunden hat, wurde wiederholt betont. Selbst èechische Sparkassen weigern sich, den Bewerbern Kredite zu geben. Von Seiten der Regierung und der Fachleute wurden wiederholt Vorschläge zur Kreditbeschaffung vorgelegt, die aber, wenn überhaupt, äußerst dilatorisch behandelt werden. Von Seiten der Baugenossenschaften wurde dem Finanzministerium die Anregung gegeben, bei Nostrifizierung von Versicherungsanstalten, die vom Staate verlangten Reserven als Hypothekardarlehen für die Baugenossenschaften zu bestimmen. Ferner müßte der Staat durch rasche Anweisung der übernommenen Staatssubventionen und der Zinsengarantie das Vertrauen der Baulustigen in die Erfüllungsbereitschaft der übernommenen Verpflichtungen stärken.

Um die berechtigten Klagen wegen der schleppenden Erledigung der Bauansuchen einigermassen zu beheben, müßten bei den Landesbauämtern und dem Ministerium eine entsprechende Anz ahl juristischer und technischer Kräfte eigestellt werden, da bei der heutigen Überbürdung die angehäuften Aktenrückstände nicht bewältigt werden können. Diese Beamten dürften aber durch die Zuteilung zu diesen Ressorts gegenüber den anderen Kollegen nicht ma teriell geschädigt werdene Leider kommt es immer mehr vor, daß die Beamten, welchen diese Akten zugeteilt werden, wegen schlechter Besoldung weggehen. Die Wohltaten des Baugesetzes werden vereitelt, wenn nicht der Staat den übernommmenen Pflichten auch nachkommt. Sonst werden die Genossenschaften und die Personen, welche sich heute noch so verdienstvoll in den Dienst dieser Sache stellen, jeglichen Willen zur Mitarbeit verlieren.

Dafür ein Beispiel: Die Baugenossenschaft Benisch (Schlesien) hat im Jahre 1921 um einen staatlichen Kredit von 1 1/2 Millionen im Ministerium für soziale Fürsorge angesucht. Das Ministerium hat selbst diesen Kredit auf 2 Millionen erhöht. Unter Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen wurden die Häuser fertiggestellt und die Kollaudierung vorgenommen. Jetzt machte das Landes amt in Troppau Abstriche von 160.000 K, dann kam das Ministerium mit einer Streichung von 900.000 K, das sind 50 % des Bauaufwandes. Nun verweigern die Geldinstitute wegen der unbegreiflichen Streichungen des Ministeriums die Flüssigmachung der zugesicherten Kredite. Die Genossenschaft steht vor dem Konkurs und reißt die Bauhandwerker mit hinein. Das heißt man èechoslovakische Gewerbeförderung und Bauförderung.

Für Zwecke der Bau- und Wohnungsfürsorge ist für die Unter stützung der Baugenossenschaft der Betrag von 100.000 K im Staatsvoranschlag vorgesehen. Wenn man bedenkt, was z. B. durch die Bauberatungsstellen bei der Ausar beitung der Baupläne, bei Instruierung der Bauansuchen, durch Anr egungen zur Verbilligung des Baues, Anregungen bezüglich guter Einfügungen der Bauten in das Landschaftsbild, Erzielung größtmöglicher. Ersparnisse u. dgl. den überprüfenden Stellen des Ministeriums für eine Arbeit abgenommen wird, ersi eht man doch, daß es im Interesse der Bauförderung von Seiten der Regierung gelegen sein müßte, diesen Genossenschaften und Bauberatungsstellen ausgiebige Subventionen zuzusichern. Wiederholt wurde verlangt, daß die Regierung einen spezifizierten Bericht über ihre Tätigkeit zur Hebung der Wohnungsfürsorge dem Hause vorlegen möge, namentlich über die gewährten Bausubventionen und übernommenen Staatsgarantien, damit auch die Deutschen einigermaßen sehen können, wieweit sie nach Kopfzahl und Steuerleistung bei diesen staatlichen Aufwendungen bedacht wurden. Auch jetzt erlauben wir uns wieder, diesen Antrag zu st ellen. Dieses Verlangen müssen wir bei allen staatlichen Unterstützungen, sei es für Kinderschutz und Jugendfürsorge, sei es bei Subventionen zur Förderung der körperlichen Ertüchtigung, für Volksbildungszwecke u. s. w. erheben. Die deutschen Steuerträger haben zumindest ein Recht darauf, zu wissen, wie mit den ihnen abgepreßten Steuergeldern umgegangen wird.

Es verlautet, daß die Konsumvereine an die Regierung das Ansuchen um Gewährung eines neuerlichen Hundertmillionenkredites zur Deckung der großen Defizite gerichtet haben. Wir müssen gleiches Recht für alle gemeinnützigen Genossenschaften verlangen und unter Berücksichtigung des Handels- und Gewerbestandes, der heute unter der unerträglichen Steuerlast und Wirt schaftskrise furchtbar leidet, fordern, daß dem Handels- und Gewerbestand dieselben staatlichen Begünstigungen zuteil werden. Nun aber hat man erfahren, daß das Ansuchen der Großeinkaufsgenossenschaft des Handels- und Gewerbestandes um staatliche Subvention abgewiesen wurde.

Bei den von mir kurz aufgezählten Beispielen der Übervorteilung der Deutschen, bei diesem Syst em der Behandlung der Volksnotwendikeiten, der unerträglichen Belastung der erwerbenden Schichten, bei diesem System des nationalen Unrechtes ist es selbstverständlich, daß wir gegen den Staatsvoranschlag stimmen. (Potlesk na levici.)

5. Øeè posl. dr. Holitschera (viz str. 1374 tìsnopisecké zprávy):

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mehr als in einem anderen Lande sind hier Politik und Verwaltung auf das eingestellt, was man mit dem häßlichen Fremdworte "Prestige" zu nennen pflegt. Die höchste und wichtigste Sorge, die man hier hat, ist nach außen hin, besonders bei den westlichen Staaten, auf die man besonderes Gewicht legt, den Eindruck zu erwecken, daß hier der soziale und kulturelle Fortschritt oberstes Ziel aller politischen Tätigkeit ist. Man sucht den Beweis dafür zu erbringen, daß das alte Österreich nicht umsonst vom Leben zum Tode gebracht worden ist, daß hier in Prag ein ganz anderer, moderner, demokratischer Geist herrscht und müht sich ab, Gesetze zu schaffen, die aus solchem Geiste geboren sind und mit denen man den Völkern im Westen imponieren kann. Manchmal gelingt es auch wirklich, man macht gute Gesetze, die den Anschein erwecken, daß man hier von solchem Geiste erfüllt ist. Natürlich, die offizielle Berichterstattung, die hier gehandhabt wird, sorgt schon dafür, daß die Mängel, mit denen alle diese Gesetze behaftet sind, draußen nicht bekannt werden. Aber die Dinge liegen so, daß man sich dabei übernimmt und Gesetze schafft, mit gutem Willen und in guter Absicht, die man aber dann nicht durchführen kann. Die Verwaltung versagt, die èechische Bürokratie, für die die Èechisierung die höchste Sorge ist, kann die Gesetze nicht durchführen. Man setzt sich große Ziele, die man urbi et orbi verkündet und wenn es Ernst wird mit der Durchführung, dann fehlen hiezu die Kräfte, bleibt alles hübsch beim alten. Ich könnte dafür eine ganze Menge Beispiele vorbringen. Ich will mich aber bloß auf zwei beschränken, die mir ganz besonders naheliegen und die typisch sind. Das erste ist das Gesetz zum Schutze der Jugendlichen vor Alkohol, die sogenannte lex Holitscher, wie sie selbst in chauvinistischen, èechischen Blättern genannt wird. Man hat sich sehr viel darauf eingebildet und in der Öfentlichkeit geschrien: "wenn die Deutschen etwas gutes bringen, dann führen wir es schon durch." Was ist aber geschehen? Wenn Sie heute in die Bezirke hinausgehen, sehen Sie, daß dieses Gesetz überhaupt nicht durchgeführt wird (Sehr richtig!), weil die Verwaltung nicht im Stande ist, ein solches Gesetz zur Durchführung zu bringen. In den meisten Bezirken wissen die Bürgermeister und Gemeindevorsteher noch nichts von dem Gesetze. Es besteht eine Durchführungsverordnung, bezw. ein Erlaß vom 2. September. Es ist auch charakteristisch, daß das Gesetz im Februar erschienen ist und erst am 2. September ein Erlaß das Gesetz den Bezirkshauptmannschaften zur Durchführung auferlegt hat. In diesem Erlasse steht, daß in einem jeden Schanklokal deutlich und klar in der offiziellen sowie in der ortsüblichen Sprache angeschlagen sein muß, daß Jugendliche, Kinder u. s. w. keinen Alkohol bekommen dürfen.

Aber Sie können in hunderte solcher Lokale hineingehen, Sie werden das nirgend finden, nicht einmal in den Bahnhofrestaurants. Dort wäre es am leichtesten, glaube ich, und auch am wichtigsten, weil sehr viele Kinder hingebracht werden. Ich habe damals den Antrag gestellt, daß die Bevölkerung zur Kontrolle herangezogen werden soll, Vertrauensmänner der Abstinenzvereine, Arbeiter-Jugendorganisationen, die heute dieses Gesetz selbst wollen. Das hat man natürlich abgelehnt. Soweit geht ja die Demokratie nicht. Man hat das ganze der Gendarmerie und Polizei übertragen und wie die das machen werden, das kann mon sich vorstellen. So wird das Gesetz in diesem Staate durchgeführt. Wen die Schuld trifft, will ich hier nicht untersuchen.

Ich will nun das zweite Beispiel anführen, das noch viel krasser ist und uns heute besonders am Herzen liegt, es handelt sich nämlich um das Gesetz vom 13. Juli d. J. Es ist das Gesetz, betreffend die Verstaatlichung der Sanitätspolizei und ist eigentlich ein Durchführungsgesetz zum Gesetz vom 15. April 1920. Das war das Grundgesetz. Es wurde an einem Tage beschlossen, der, wie Ihnen allen bekannt ist, ein sehr ominöser Tag war, der zu jenen Tagen gehört, an denen im raschen Aufwaschen die bestehende Revolutionsversammlung noch einen ganzen Sack voll Gesetze beschlossen hat, die eigentlich nur den Zweck gehabt hatten, noch alles schnell unter Dach und Fach zu bringen, wobei ihnen die Vertreter der Minderheitsvölker später hätten im Wege sein können, also vor allem die Gesetze zur Èechisierung und zur Unterdrückung der Rechte der Minderheitsvölker, das Verfassungsgesetz, das Sprachengesetz u. s. w. Darunter befand sich auch das Sanitätsgesetz, ein Rahmengesetz, zu dem später das Durchführungsgesetz erscheinen sollte. In diesem Durchführungsgesetz hat man sich bemüht, einige grobe Fehler des ursprünglichen Gesetzes gutzumachen. Es haben mir selbst führende Parlamentarier und selbstBeamte des Gesundheitsministeriums zugestanden, daß das ursprüngliche Gesetz vom 15. April 1920 große Fehler hat. Man hat versucht, diese gutzumachen und so kam das Gesetz vom 13. Juli d. J. zustande. Ich war von diesem Gesetz über die Verstaatlichung der Sanitätspolizei niemals sehr erbaut, denn es beruht wie so vieles andere, was hier in diesem Staate gemacht wird, auf dem Grundsatz, die Mitwirkung der Bevölkerung möglichst aus dem Wege zu räumen, alles in Prag, alles beim Ministerium, bei der Bürokratie zu konzentrieren, und die Bevölkerung draußen auszuschalten. Dieser Vorgang entspricht ganz bestimmt nicht dem ursprünglich demokratischen Sinn des èechischen Volkes. Es zeigt eben nur, wie das nationalistische Gift den Volkscharakter und die Politik verdirbt. Man hat diese Gesetze nur deshalb gemacht, um den deutschen Selbstverwaltungskörpern das Mitbestimmungsrecht zu rauben. Darum hat man diesen Staat unterminiert, darum hat man alles der Bürokratie anheim gegeben. Für diese Beraubung der Selbstverwaltungskörper könnte ich eine Menge Beispiele anführen. Es haben die Städte bald nichts mehr mitzureden. Es wurde nicht nur die Autonomie der Städte und Bezirke, es wurde auch die der Krankenkassen und Versicherungsinstitute beschränkt. Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir, einen Fall vorzubringen, der geradezu unerhört und unglaublich ist. In der jüngsten Zeit wurde von der Bezirkshauptmannschaft in Troppau der Krankenkasse in Wigstadtl vorgeschrieben, daß sie von vier Beamten, die sie jetzt anstellen wollte, nur zwei anstellen darf, weil nach Anschauung der politischen Behörde die Einnahmen der Krankenkasse im Sinken begriffen sind und die Kasse nicht mehr soviel Geld für Beamte ausgeben solle. (Rùzné výkøiky na levici.) Ich frage, was das die Bezirkshauptmannschaft Troppau überhaupt angeht! Sie hat sich in die Autonomie der Bezirkskrankenkassen überhaupt nicht einzumischen und wir protestieren auf das lebhafteste dageeen, daß auf diese Weise die Selbständigkeit der Krankenkassen, der Versicherungsinstitute unter gr aben wird. (Hluk, rùzné výkøiky.)

Místopøedseda Buøíval (zvoní): Prosím o klid.

Posl. dr. Holitscher (pokraèuje): Aber es kommt noch schöner. Man hat der Krankenkasse verboten, zwei deutsche Beamte mehr auzustellen, aber man hat ihr den Auftrag erteilt, ab 1. Dezember dieses Jahres definitiv einen èechischen Beamten anzustellen (Hluk na levici.), trotzdem in der Krankenkassa Wigstadtl unter zirka 3500 Mitglieder nur 100 èechische sind, und zwar hat an den Auftrag erteilt, als Beamten eine bestimmte Person anzustellen, den Herrn Heinrich Melc, Kaufmann in Wigstadtl. (Hluk na levici.) Ich bitte, hören Sie nur den Schluß dieser Komödie an. Hier liegt vor mir ein Telegramm, in dem es bezüglich des Kaufmanns Heinrich Melc heißt - ich wiederhole, das ist derjenige, der über Auftrag der Bezirkshauptmannschaft ab 1. Dezember, das ist übermorgen, als definitiver Beamte angestellt wurde daß über diesen Herrn der Konkurs verhängt worden ist. (Hluk na levici. - Rùzné výkøiky.) Also ein Mensch, der sich zugrunde gerichtet hat, (Trvalé výkøiky na levici.), soll auf Kosten der Krankenkassa sanier werden! (Htuk trvá.) Das ist Ihre Demokratie!

Místopøedseda Buøíval (zvoní): Prosím pana øeèníka, aby pokraèoval.

Posl. dr. Holitscher (pokraèuje): Ich frage den Herrn Minister für soziale Fürsorge, ob er bereit ist, die Autonomie der Selbstverwaltungskörper und der Bezirkskrankenkassen gegen derartige unerhörte Übergriffe der untergeordneten politischen Verwaltungsbehörden in Schutz zu nehmen. (Potlesk na levici.)

Und nun - meine Redezeit ist leider sehr kurz - möchte ich noch einige Worte zu dem Sanitätsgesetz sprechen, um zu zeigen, wie es in diesem Staate zugeht. Dieses Sanitätsgesetz - ich will es nicht in Schutz nehmen, es hat Fehler - aber es ist ein Fortschritt, ein für unsere Volksgesundheit notwendiger Fortschritt. Wir wollen, daß Ärzte draußen sind, die dafür bezahlt werden, die Volksgesundheit in Schutz zu nehmen, und dieses Gesetz, das nach seinem § 28 am 1. Jänner kommenden Jahres in Kraft treten soll, wird heute sabotiert, und zwar vom Herrn Gesundheitsminister selbst sabotiert.

Místopøedseda Buøíval (zvoní): Volám pana øeèníka za tento výrok k poøádku. (Velký hluk na levici.)

Posl. dr. Holitscher (pokraèuje): Es ist ja auch gar kein Wunder, daß es so geschieht, denn der frühere Herr Gesundheitsminister Dr. Vrbenský hat während seiner Amtstätigkeit, in der er sich die größte Mühe gegeben hat, dieses Gesetz bei den Koalitionsparteien durchzusetzen, wiederholt erklärt, daß es keinen ärgeren Gegner dieses Gesetzes gäbe, als den jetzigen Gesundheitsminister Herrn Šrámek, der nunmehr das Gesetz durchführen soll. Dieser sabotiert das Gesetz. In wenigen Wochen soll es durchgeführt werden, und bis heute ist noch nichts geschehen. Es ist noch keine Durchführungsverordnung erschienen, noch kein Vertrag mit irgendeinem Arzt abgeschlossen. Am 1. Jänner werden wir einem Chaos gegenüberstehen. Bezirke und Gemeinden werden auf Grund dieses Gesetzes vom 1. Jänner ab den Ärzten keine Honorare mehr auszahlen. Der Staat wird mit keinem dieser Herren einen Vertrag abgeschlossen haben und wir werden vor der Wahrscheinlichkeit stehen, daß vom 1. Jänner an die Ärzte, die keinen Arbeitgeber mehr haben, auch keine Arbeit mehr leisten werden, wie etwa die Abhaltung der Totenbeschau u. s. w. Und sie werden ganz recht haben, wenn sie das tun. Sie sind schuld daran, daß dieser Zustand eingetreten ist. Wir wollen aber die Volksgesundheit schützen, wir protestieren dagegen, daß auf diese Weise an der Gesundheit unseres Volkes und aller Völker dieses Staates, die die Grundlage jeder geregelten Staatsverwaltung bilden muß, Sünden begangen werden. Man geht heute schon mit der Absicht um, die Honorare der Ärzte herabzudrücken, aber ich habe bereits erklärt und erkläre heute wieder an dieser Stelle, leidtragend wird wieder die Volksgesundheit sein, und wenn man nicht die Ärzte ordentlich honoriert, werden sie auch keine richtige Arbeit leisten können. So neine Damen und Herren, wird hier verwaltet. Uns sucht man einzulullen mit dem Vorgeben, daß hier nichts ohne den Willen des Parlaments geschehe. Das Parlament hat seinen Willen ausgesprochen, es hat dieses Gesetz beschlossen, es hat beschlossen, daß es am 1. Jänner in Kraft tritt, und ich bin neugierig, ob die Koalitionsparteien, die die Mehrheit in diesem Parlamente bilden, auch die Stärke, die Courage und Energie haben werden, darauf zu bestehen, daß es am 1. Jänner wirklich durchgeführt wird.

Wir haben im Budget eine Überraschung erlebt. Man hat uns gesagt, daß die Durchführung dieses Gesetzes 38 Millionen kosten wird. Ursprünglich hätte es 70 Millionen kosten sollen. Es ist gelungen, den Betrag auf 38 Millionen herabzudrücken. Als wir nun das Budget in die Hand bekamen, standen nur noch 25 Millionen da, 13 Millionen sind verschwunden. Dreizehn Millionen sind hier auf Kosten der Volksgesundheit erspart, ungefähr ebensoviel werden in diesem Budget für die Manöver mehr ausgegeben als im Vorjahr. Also, was man auf Kosten spart, das kosten die Manöver mehr. Das ist typisch für diesen Staat. Man hat die Ausgaben um 13 Millionen vermindert und es ist selbstverständlich, daß man mit 25 Millionen nicht dasselbe erreichen kann, was ursprünglich 38, beziehungsweise 70 Millionen kosten sollte. Wir haben den Antrag gestellt, daß diese 25 Millionen wiederum auf 38 Millionen erhöht werden. Ich glaube, es wird nicht schwer sein, in diesem Milliardenbudget 13 Millionen für die Volksgesundheit zu finden, und ich verlange von den Mehrheitsparteien - ich bin überzeugt, daß sie ebenso wie wir für die Volksgesundheit ein Herz haben, daß es auch ihre feste Absicht ist, alles für die Volksgesundheit zu tun, alle Opfer zu bringen - daß sie diesem unseren Antrag auf Erhöhung der Post um 13 Millionen zustimmen. Das wird die Probe darauf sein, ob es Ihnen ernst ist, oder ob es nur Phrasen sind, wenn Sie immer davon sprechen, daß Sie für die Volksgesundheit etwas unternehmen sollen. So, meine Damen und Herren, habe ich Ihnen an zwei Beispielen gezeigt, erstens wie hier Prestigepolitik gemacht wird, wie hier Gesetze beschlossen und dann nicht durchgeführt werden und wie in diesem Staate mit der Demokratie, mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, und das ist die Demokratie, umgegangen wird. (Potlesk na levici.)

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