Støeda 29. listopadu 1922

Kurz, die Industrie muß das Budget als irrig und leichtfertig verurteilen. Den allergrößten Widerspruch zu den Tendenzen Dr. Rašíns bildet die sogenannte Bodenreform. Auf die Frage, was dazu sein Rechtsempfinden und seine wirtschaftliche Einsicht sagt, muß der Finanzminister vohl jede Antwort schuldig bleiben. Ist er wirklich ein Herkules, so müßte die Befreiung von den Agrargesetzen die erste seiner 12 Arbeiten sein. Der Herr Dr. Rašín schwärmt für Italien, ohne vielleicht zu wissen, daß dort ein Agrargesetz, obwohl es weit maßvoller war, als das unsere, verworfen wurde, und daß dort unerträgliche Defizite die Entstaatlichung von Betrieben verlangen. Wir schwärmen nicht für Mussolini und halten seine Übertreibungen sozialer wie nationaler Art für gefährlich. Wir verlangen vielmehr selbst eine vernünftige Agrarreform, eine solche mit und nicht gegen uns. Wir treten derzeit auch nicht gerade für Entstaatlichungen ein, wohl aber protestieren wir gegen weitere Verstaatlichungen.

Wenn es Dr. Rašín mit dem Sparen ernst nimmt, kann er nicht dem notorisch unfähigsten Unternehmer, dem Staate, Hunderttausende von Hektar überantworten, dem Staate, der doch ruiniert und unrentabel macht, was er nur anrührt. Die Bodenbeschlagnahme war in Revolutionszeiten zum Schutze der Betriebe heilsam, heute aber wirkt sie wie ein Starrkrampf, hindert die Entwicklung und treibt viele nternehmer in den Ruin. Sie muß endlich aufgehoben und die Grundverkehrsfreiheit, wie sie in allen westlichen Staaten besteht, muß wieder hergestellt werden. Es ist, um Dr. Rašíns Worte zu gebrauchen die "staatsbildende Prüfung des èechischen Bürgertums", ob es sich von den Verirrungen der Jahre 1919 bis 1920 rechtzeitig freimachen wird.

Kann Dr. Rašín es wirklich gut heißen, wenn das Bodenamt in seiner Zentrale um 11, in seinen Distriktsämtern um 20 Millionen Beamte hält, die selbst nicht produzieren, sondern die Arbeit der anderen nur bedrohen? Er soll doch einmal diese Beamten um ihren Befähigungsnachweis fragen. Manche haben weder theoretische noch praktische Kenntnisse. Die wenigen, die Praktiker sind, werden, wie sie selbst sagen, nicht gefragt. Dagegen sind Ideologen die Leiter, die zur praktis hen Führung eines Großbetriebes unfähig wären und ihn daher gar nicht verstehen können. Ihr Ergeiz und ihre Sucht, auf ihrem Platze zu bleiben, sind heute die Motoren der Aktionen. Daß unter ihnen wegen Dienstvergehen entlassene Beamte sind, ist bekannt, wie auch, was alle diese Beamten schon an Widersinn geleistet und wie sie dadurch nur Verwirrung gestiftet haben. Sie haben vom grünen Tische aus Teile von Betrieben gekündigt, ohne die der Rest nicht leben kann. Sie wollen die tragenden Teile herausschneiden und überlegen nicht, was mit den passiven Teilen oder was mit den Lasten ges chehen soll. Tausend Kirchen werden allein in Böhmen vom Grundbesitz erhalten und manche Reparatur kostet jetzt mehrere Hunderttausend K. Es wurden irrtümlich Besitze gekündigt, die das Bodenamt gar nicht haben will. Man ging nach der Karte gegen Betriebe vor, die noch kein Bodenamtsbeamter in ihren Bilanzen und im Ausbau studiert hatte. Die Regierung könnte nicht ärger blamiert werden, als wenn sie sämtli che gekündigten Grundbesitzer und ihre leitenden Be amten beim Worte nähmen und ihre Objekte am ersten Jänner übergäben, den Kredit sperrten und die Arbeit verweigerten. (Sehr richtig!)

Diese ungeheuere Aktion ist gänzlich ungenügend vorbereitet worden. Nicht wirtschaftliche und sozialpolitische Vernunft, sondern Neid und Haß waren am Werke. Bei einem Erbfalle dauert die korrekte Übernahme eines Großgrundbesitzes mindestens 1 Jahr. Die Aufteilung von Netolitz brauchte 1 1/2 Jahre und ist eigentlich nicht durchgeführt, denn daß der Staat den Hauptteil der Gründe verpachtete, ist doch keine Bodenreform; das hätte der Eigentümer auch getroffen. Trotzdem hat man nun 300.000 ha halbjährig gekündigt und will, ohne noch Erfahrungen bei irgend einer Übernahme abzuwarten, ohne zu prüfen, ob die Wälder in der Hand des Staates für Staat und Gemeinde vorteilhafter bewirtschaftbar sind, als durch den Privaten, eine neue, noch viel größere Proskriptionsliste herausgeben. An das Risiko des Staats infolge der Nonnenschäden und der sinkenden Preise denkt man nicht. Hauptzweck ist, die rechtmäßigen Eigentümer und ihr Volk zu schädigen und zu verjagen.

Dabei gibt einem ein jeder èechische Fachmann längst zu, daß das ganze Manöver ein verfehltes ist. Auch leitende Personen an entscheidender Stelle seufzen: "Hätten wir mit der Waldverstaatlichung nur nicht angefangen. Es schadet unserem Ansehen im Ausland, treibt die Betroffenen zur Verzweiflung und bringt der Volkswirtschaft nichts ein. Wie ziehen wir uns aus dieser Schlinge?" In Rom sagte mir ein führender Agrarpolitiker: "Das italienische Volk hütet sich, der agrarischen Entwicklung Sprünge zuzumuten." Hier aber glaubt man, in lebendige, seit Jahrhunderten kunstvoll gestaltete Organismen eingreifen, Zusammenhänge zwischen Forst-, Landwirtschaft und Industrie zerreißen, Preise mit Tabellen festsetzen, glaubt, traditionelle Beziehungen zwischen Eigentümer und Bevölkerung, glaubt die finanzielle Kraft, die ethische Funktion, den Takt und das Geschick der rechtsmäßigen Besitzer verachten zu können.

Die ganze Aktion wurde leichtfertig und überstürzt begonnen und nicht durchgedacht in den Konsequenzen. In dieser Weise fortgeführt, kann sie nur zerstörend wirken, quält nur und verursacht unsinnige Advokaten- und Gerichtskosten. Was hätte man um diese vielen Millionen schon alles bauen und leisten können! Wir verlieren nur die Zeit und Kraft zu einer wirklichen Bodenreform. Phantasien nachjagend, hat man am Fideikommiß nichts geändert. Statt Konglomerate zu lösen und nur für zweckmäßige Einheiten fortbestehen zu lassen, hat man in Verblendung alle Güter gebunden. Bei Freigabe des Grundverkehres und bei Abwendung von den Sozialisierungsgesetzen würde mehr Boden angeboten, als verlangt würde. Die Großgrundbesitzer sind zu Verhandlungen über ein großes Bodenanbot an den Staat bereit, sofern sie damit unter voller Wertanrechnung ihre Vermögensabgabe zahlen können und sofern der Boden in einer den angrenzenden Gemeinden genehmen Weise verwendet würde, so daß ihnen national kein Vorwurf wegen des Anbotes zu machen wäre. Die deutsche Bevölkerung wäre mit einer solchen Lösung völlig einverstanden; das hat sie in Hunderten von Protestversammlungen bekundet. Die Beamtenschaft, die oft durch Generationen auf denselben Gütern ein sicheres Fortkommen fand, wünscht den Staat als Unternehmer nicht, da dieser ihnen nur vage Versprechungen, aber keine Sicherung gleichen Fortkommens bieten kann. Der viel intensivere Privatbetrieb kann einem tüchtigen Beamten ein viel besseres Einkommen geben.

Ich erinnere an die Neujahrsrede des Herrn Präsidenten Masaryk. Von seinen Anregungen ist bisher keine verwirklicht worden. Das Bodenamt wurde weder in ein Ministerium umgewandelt, noch dem Ackerbauministerium angegliedert. Hier sollte die Energie des Finanzministers eingreifen. Der monströse Zustand, daß der parlamentarische Verwaltungsausschuß aus Mitgliedern des vor 3 Jahren aufgelösten Parlamentes bestand und auch nach Beendigung seiner Geltungsdauer im September keine Wahlen aus dem neuen Hause vorgenommen wurden, dauert weiter. Im Bodenamt gibt es keine deutschen Beamten. Un sere Forderung nach Sektionierung blieb unberücksichtigt. Statt die Gesetze ernstlich abzuändern, suchte man sie durch Novellen zu verbessern, treibt aber dadurch nur tiefer in das Chaos hinein. Die Entschädigungsnovelle verschärft das Unrecht nur. Dem Ermessen des Bodenamtes sind Eigentum und Existenz der Bürger übergeben, die Willkür bleibt also gesetzlich sanktioniert. Will die Mehrheit wirklich ein Aufgeben unserer Negation, so muß sie ihre Feindseligkeit gegen unser Eigentum und ihre Rücksichtslosigkeit gegen alle Kundgebungen der deutschen parlamentarischen Parteien wie des Volkes selbst einstellen. Eine vollkommene Änderung ihrer Haltung ist die Bedingung für jedwedes friedliche Zusammenarbeiten der Nationen in diesem Staate. (Souhlas a potlesk na levici.)

3. Øeè posl. Kirpalové (viz str. 1342 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Der Begründer des Sokolvereines hat einmal gesagt: "In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist, in einem starken Körper ein starker Geist." Der Bedeutung dieser Worte scheint sich aber die Regierung nicht bewußt zu sein. Davon überzeugt uns ein Blick in das Budgetkapitel "Gesundheit und körperliche Erziehung." Für den Kampf gegen Volks- und soziale Krankheiten sind im ordentlichen und außerordentlichen Voranschlag nur 7,350.000 Kronen eingesetzt. Es ist natürlich nicht zu verstehen, wie mit diesen Summen ein Auskommen gefunden werden kann. Soll doch der Aufwand, der dem Staate aus dem Gesetze vom 11. Juli 1920 zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten erwächst, davon gedeckt werden! Es muß heute die Befürchtung ausgesprochen werden, daß durch die Nichtbeistellung genügender Mittel die dem Gesetze zugrundeliegenden Intentionen unerfüllt bleiben. Das Gesetz spricht von einer kostenlosen Behandlung der unbemittelten Geschlechtskranken. Jeder Laie weiß, daß die Behandlung mit Salvarsan sehr kostspielig ist und wir befürchten, daß halbe Behandlung mehr Schaden als Nutzen anrichten wird. Die Verbreitung der Geschlechtskrankheiten ist uns natürlich nichts unbekanntes. Universitätsstädte, Garnisonsstädte und überhaupt die größeren Städte sind Brutstätten dieser furchtbaren Krankheit. Furcht u. Scham führen zur Vernachlässigung dieser Krankheit und die Kinder für die Nachlässigkeit der Eltern. Tod und Martyrium sind die natürlichen Folgen dieser falschen Scham. Es war selbstverständlich die höchste Zeit, daß der Staat diesbezüglich eingreift. Er selbst hat doppelte Moral gepredigt: Er verbietet auf der einen Seite und bestraft die Kuppe ei, auf der anderen Seite ließ er Bordelle, Freudenhäuser polizeilich und ärztlich überwachen.

Und schauen wir uns einmal um; was geschieht nach Bekanntmachung dieses Gesetzes? Ein Aufschrei ging durch die Reihen der Bordellbesitzer, sie bildeten den Verein der sogenannten "Selbsthilfe", ein Verein, dem, ich glaube, es von dieser Stelle ruhig ausspr echen zu müssen, ein anständiger Mensch durchaus nicht die Hand reichen wollte, der vorschütz und vorgibt, die Rettung der Mädcnen im Auge zu haben. Bei gründlicher Prüfung der Tendenz dieses Vereines müssen wir ruhig sagen, daß es sich ihm nicht um die Rettung dieser Mädchen handelt, sondern um die eigene Rettung, um die Rettung der Kapitalien seiner Mitglieder. Die Aufhebung der Bordelle ist natürlich in der Èechoslovakischen Republik durchaus keine Neuerscheinung; andere Staaten sind viel früher vorangegangen; ich nenne England, das die Aufhebung schon im Jahre 1886 beschlossen hat, Norwegen im Jahre 1888, Holland im Jahre 1889, Dänemark im Jahre 1906, Schweden im Jahre 1918, in Amerika haben die Freudenhäuser überhaupt niemals bestanden. Bei uns waren 398 Freudenhäuser mit insgesamt 12.050 Mädchen. Diese Mädchen, so gering ihre Anzahl auch im Bereiche der ganzen Èech slovakischen Republik ist, müssen natürlich gerettet werden. Darüber sind wir uns klar und wir stützen uns diesbezüglich auf das Gesetz, in dem wir verlangen, daß das, was darin klar und deutlich ausgesprochen wird, auch zur Tatsache wird; die Schaffung von Anstalten für sie. Wenn wir auch wissen, daß es bereits heute hie und da Asyle für gefallene Mädchen gibt, so werden wir es nicht unterlassen, von dieser Stelle aus den Herren und Frauen solche Asyle vor Augen zu führen, damit sie erkennen, daß derartige Heime, wie sie jetzt bestehen, nicht danach angetan sind, die Mädchen zu retten. Bereits im Jahre 1908 wurde hier in Prag vom christlichen Frauenverein ein Heim für gefallene Mädchen errichtet, das den Namen "Ochrana dívek", zu deutsch "Mädchenschutz" führt. Dieses Heim besteht noch heute unter dem Protektorate der früheren Gräfinnen Lobkowitz und Westfalen. Ich habe das Statut durchgelesen und konstatiere ganz ruhig, daß es gut ist und nur die Durchführung derselben ganz schlecht ist. Im Motivenbericht steht, daß die Mädchen jeden moralischen Halt verlieren müssen, weil sie nicht genügend religiös erzogen sind. Werfen wir nun einen Blick in das Heim. Es ist unrein, unzweckmäßig, es wohnen kleine und große, kranke und gesunde Personen beisammen; wenn ich sage "kleine und große", so deshalb, weil es nicht selten vorgekommen ist, daß auch Kinder von gefallenen Mädchen sich mit unter diesen oft syphilitischen kranken Personen befanden. Die Aufsicht über die Mädchen führen zwei Damen, die nur Religion unterrichten und sonst nichts anderes. Was für Beschäftigung ist für die Mädchen gegeben? Sie kleben Papiersäckchen. Es sind zwei große Räume da, vo denen der eine gleichzeitig als Schlaf- und Arbeitsstätte und der zweite größere, luftigere, zum Beten dient. Geistige Nahrung oder körperliche Pflege gibt es dort überhaupt nicht. Die Mädchen dürfen nur Sonntag lesen und außer ihnen bekommt niemand die Lekture zu Gesicht. Wir nehmen nach dem Motivenbericht an, nachdem er sagt, daß die Mädchen wenig religiös erzogen sind, daß diese Mädchen natürlich nichts anderes als Erbauungsbücher zu lesen bekommen. Wenn man solche Mädchen retten will, muß man in erster Reihe ihren Körper und ihren Geist pflegen. In eine solche Anstalt gehört ein Erzieher, gehört vor allem auch ein Arzt. Solche Anstalten sind, selbst wenn sie unter dem Protektorate von Gräfinnen stehen, nicht geeignet, gefallene Mädchen zu retten, sie treiben sie vielmehr - und die Fälle sind nicht vereinzelt - wieder auf die Straße.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich, meine sehr verehrten Frauen und Herren, das Augenmerk der Regierung auf eine zweite Anstalt lenken, u. zw. auf die staatliche Findelanstalt. Man predigt überall und liest in den Richtlinien, die die Regierung immer ausgibt, daß Aufklärung die erste Vorbedingung, zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten ist. Wir haben hier eine Riesenanstalt, dort verkehren übers Jahr Tausende von jungen Mädchen, die oft nur wenig moralischen Halt haben. Und diese Mädchen leben monatelang in dieser Findelanstalt, kein Mensch kümmert sich um ihren Geist, sie gehen wieder heraus und wir sehen, daß sie immer wieder in diese Anstalt zurückkehren und dann den Weg natürlich in die Beratungsstelle für Geschlechtskranke finden. Hier wäre es notwendig, daß der Staat als erster maßgebender Faktor Aufklärungsarbeit in seinen Anstalten leistet.

Mit Schauder nehmen wir das Leben in den Tag- und Nachtlokalen wahr, insbesondere in den Weinstuben. Wovor sich die Inhaber der Bordelle gefürchtet haben, daß ihnen durch die Schließung der Freudenhäuser eine Einnahm quelle entgehen wird, suchen sie wieder auf andere Art und Weise wettzumachen. Der Name "Kellnerin" ist nur ein Deckname, diese Mädchen sind nichts anderes, als Animiermä dchen. Bei dieser Gelegenheit würde ich die Regierung ganz ernstlich bitten, sich damit zu beschäftigen, ob es nicht angebracht wäre, Polizeiinspektorinnen, denen man die Aufsicht dieser Wein- und Nachtlokale überträgt, zu beschäftigen. Sicher ist, daß bevor nicht die Wohnungs- und Wirtschaftskrise beigelegt wird, an eine radikale Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten nicht gedacht werden kann. Solange Erwachsene und Kinder, Kranke und Gesunde weibliche und männliche beisammen wohnen müssen, solange sie nacht- und tagschichtlich ein einziges Lokal zur Bewohnung haben, wo das Bett Tag und Nacht nicht auskühlt, weil die Tagschichtler nur Platz machen für den Nachtschichtler, solange können wir auch an eine radikale Regelung dieser so äußerst wichtigen gesundheitlichen Frage nicht glauben. Die Schaffung von unentgeltlichen oder billigen Nachtquartieren wäre Pflicht der Regierung. Das Gesetz hat ja viele Vorteile gebr acht, aber das Gesetz allein als Stück Papier kann durchaus nichts nützen, wenn diesem Willen nicht auch gleichzeitig die Tat folgt. Wir rufen heute schon der Regierung zu, daß Vorbeugen billiger ist als Heilen. Wir sind uns bewußt, daß durch Gesetze und Verordnungen die Geschlechtskrankheiten nicht aus der Welt geschaffen werden, denn eine so tief in den sozialen Verhältnissen wurzelnde Erscheinung, die so tief mit unserer Gesellschaftsordnung verknüpft ist, läßt sich nur mit dieser Gesellschaftsordnung beseitigen.

Und ein anderer Betrag von 13,950.000 Kronen dient zur Bekämpfung der sozialen und Volkskrankheiten. Die Tuberkulose als solche findet gerade in dieser Wirtschaftsnot den günstigsten Nährboden; und wir wiederholen, die Bevölkerungsverhältnisse und die Arbeitslosigkeit bieten ihr da eine furchtbare Gelegenheit. Aber es kommt noch eine Erscheinung, die wir früher vielleicht nicht gekannt haben, dazu. Wir wissen, daß die Tuberkulose gewöhnlich mit Lungenspitzenkatarrh anfängt. Sie sucht sich ihre Opfer meist unter den Jugendlichen. Diese gehen aus Furcht, daß sie um ihren Arbeitsplatz kommen auch nicht zum Arzt und so werden wir binnen kurzem sehen, daß gerade die Besten der Besten in in ihrer Jugendblüte dieser furchtbaren sozialen Krankheit unterliegen. Hier müßte natürlich das Übel bei der Wurzel gefaßt werden. Von der Kindheit angefangen wäre stete Untersuchung am Platz; durch Schulärzte, wenn das Kind in die Schule eintritt, eine weitere obligatorische Untersuchung insbesondere bei Lehrlingen und jugendlichen Hilfsarbeitern und Hilfsarbeiterinnen, wie denn überhaupt bei vorgeschrittener Krankheit gründliche Behandlung undlsolierung allerTuberkulösen. Dazu ist natürlich notwendig, die Schaffung von Tuberkulosenpavillons und Tagesheimstätten.

Ein anderes und zwar ein äußerst wichtiges Kapitel. Für die Assanierungsarbeiten finden wir den Betrag - ich bitte, hohes Haus, lachen Sie durchaus nicht über den Betrag von 4,200.000 Kronen. Diese absolute Höhe des Betrages ist lächerlich klein, denn wir wissen aus Überzeugung und aus der Praxis, daß die kleinsten Assanierungsarbeiten enorme Summen verschlingen. Im Interesse der Bevölkerung des Bezirkes Aussig muß heute schon die Forderung erhoben werden, daß die Regierung die Lehren der heurigen und vorjährigen erschreckenden und opferreichen Typhusepidemie, wie sie gerade im Aussiger Bezirk gewütet hat, beherzige und vorbaue und ihr Verständnis entgegenbringe. Was soll da geschehen, wie kann man solche Epidemien bekämpfen? Die Mittel sind sehr leicht zu finden, wir brau chen nur die Regulierung der Bachläufe und eine hygienisch einwandfreie Kanalisation, um die Gefahr der Wiederholung zu beseitigen. Sollte die Regierung diesbezüglich keine Maßnahmen treffen, keine Mittel zur Verfügung stellen, machen wir Sie schon heute insbesondere von dieser Stelle aus für die Folgen einer eventuellen nächsten Typhusepidemie oder einer anderen Epidemie verantwortlich.

Ein Wort zur Verteilung der Subventionen. Alle jene, die praktisch in den Gemeindevertretungen und den Sozialfürsorgeanstalten arbeiten, bekommen immer von der Regierung Richtlinien, die immer dasselbe verlangen, die Errichtung von sozialen Jugendinstitutionen, die Errichtung von Säuglingsheimen, Wöchnerinnenheimen u. s. w. Ja, Richtlinien herauszugeben, ist nicht schwer, denn das Ausführen wird doch nur den anderen überlassen; aber ohne Mittel ist dies unmöglich. Ich erkläre, daß Aussig alle diese Richtlinien, die die Regierung herausgegeben hat, befolgt hat und sie in Taten umgesetzt hat. Wir haben zum Beispiel ein Bakteriologisches Laboratorium, ein Wohlfahrtsamt, Kinderausspeisung, ein Säuglingsheim, ein Wöchnerinnenheim, eine Fürsorgestelle für Lungenkranke, für Geschlechtskranke, einen orthopädischen Turnkurs und schulärztlichen Dienst. Wir haben viel Papier für Gesuche um Subventionen an die Regierung verschrieben, haben immer rechtzeitig eingere cht, keine Frist versäumt, sind uns also keines Verschuldens bewußt, und was hat uns die Regierung für Subventionen zukommen lassen? Das Gesundheitsministerium, das die kompetente Stelle dazu wäre, gab uns bis zum heutigen Tag nicht einen einzigen Heller, das Ministerium für soziale Fürsorge für das Säuglingsheim und die Mutterberatungsstelle im ganzen 4000 Kè! Diese zwei Anstalten arbeiten mit einem Defizit von 85.780 Kronen. Es ist die moralische Pflicht des Staates, derartige Institutionen zu unterstützen. Wir konstatieren, daß durch die Nichtbeistellung von Mitteln der Staat die Arbeitslust und die Arbeitskraft hemmt.

Nun ein ganz wichtiges und ernstes Wort zum Kapitel "körperliche Erziehung". Im Präliminare finden wir 3 Millionen Kronen für diesen Zweck präliminiert. Dieser Betrag macht dem Ministerium für Gesundheit und körperliche Erziehung nicht viel Ehre; noch weniger die Begründung dieses Postens, welche die Notwendigkeit der körperlichen Ertüchtigung mit dem Hinweis auf die Vorbereitungen zur Waffentüchtigkeit der männlichen Jugend begründet. Wir glauben, daß die Notwendigkeit der körperlichen Erziehung - nicht nur der Männer, sondern auch der Frauen - keiner Begründung durch kriegerische Motivierung bedarf und ich hoffe, daß die Verwendung der Gelder nicht von militärischen Gesichtspunkten aus diktiert wird. Wie sieht es überhaupt mit der körperlichen Erziehung aus? Das Schulturnen in den Volks- und Bürgerschulen ist kein Turnen und keine Ertüchtigung dieser jugendlichen Körer. Wir haben keine oder nur sehr schlechte Turnsäle, Es tut mir leid, daß der Herr Minister Šrámek nicht zur Stelle ist, weil ich an ihn ein ganz ernstes Wort gerichtet haben wollte. Ich frage die Regierung: Wo ist der Gesetz entwurf, der vor mehr als einem ganzen Jahr geboren wurde, ich glaube sogar 1 1/2 Jahre sind verflossen, wo ist das Turnund Spielplatzgesetz? Sollte es vielleicht, kaum geboren, bereits begraben worden sein? Mit Berechtigung glaube ich eines aussprechen zu müssen: Der Herr Minister Šrámek ist, soweit mir bekannt ist, persönlich ein großer Förderer seines christlichen Turnvereines "Orel". Er ad personam und als Minister wird vielleicht das größte Interesse daran haben, daß dieses Gesetz, das in seiner Grundlage gut geheiß en werden muß, durch ihn vielleicht recht bald aus der Taufe gehoben werden wird. Wir richten nun diese Bitte an ihn. Wenn meine Zeit nicht so beschränkt wäre, würde ich gerne ein paar Worte über die Spielplätze, über die Turnsäle, die Bewegung der Kinder im Freien sprechen. Ich muß leiden einen Strich darüber machen.

Aber eines kann ich doch nicht unerwähnt lassen. Ich mache die Regierung, aufmerksam, daß die eigentlichen Träger der körperlichen Erziehung die Turnvereine und insbesondere die Arbeiter-Turnvereine sind, die der größten Unterstützung bedürfen. Ich möchte gerne wissen, aber ich befürchte, daß diese Frage wieder nicht beantwortet wird, wie die verschiedenen Subventionen an die verschiedenen Turnvereine verteilt worden sind. Darüber hat noch niemand Aufklärung bekommen. Erst gestern las ich einige Briefe, wo das Ministerium bei Ansuchen um Subventionen schreibt: "Das Geld ist bereits aufgeteilt und wir haben für dieses Jahr keines mehr zur Verfügung." Der Staat sollte Förderer dieser Bestrebungen sein, moralisch, geldlich indem er zumindest ausgiebige Subventionen gewährleistet. Aber wir sehen, daß er statt dessen Richtlinien an die Gemeinden herausgegeben hat, die von der Benützung der Turngeräte an den Mittelschulen von den Turnvereinen für eine Stunde 1 Krone 50 Heller verlangen sollen. Außerdem zahlen ja die Turnvereine bei ihren verschiedenen - Veranstaltungen Lustbarkeitssteuer, Turnsaalmiete, Abgaben für die Reinigung, Kurse für die Turnausbildung, Beschaffung von Literatur; das alles müßte der Staat leisten. Wir fordern, - und ich fasse das ganz kurz in einem Satze zusammen - vom Staate, daß er uns die Ausbildung von Turnlehrern und Sportlehrern gewährt, ferner die Unterstützung der Körperpflege treibenden Vereine, vierzehntägige Kurse für Vereinsvorturner, wie das Gesetz vorschreibt, auf Staatskosten, Weisungen an die Gemeinden und Schulen, die Vereine, insbesondere die Schülerabteilungen derselben, ohne Unterschied der Richtung, zu unterstützen. Wer das segensreiche Wirken insbesondere der Schülerabteilungen kennt, kann davon nur anerkennenswerte Worte sagen. Allerdings mit Phrasen schafft man keine Körperertüchtigung, keine Vollmenschen. Gebt den Turnvereinen Mittel und freie Bahn!

Sehr vernachlässigt ist auch die Fürsorge für haltungsschwache Kinder. Orthopädisches Turnen wäre angebracht. Auch hier kann ich mich nicht des Vorwurfes erwehren und muß es der Regierung sagen, daß sie alle Gesuche um Subventionen unberücksichtigt gelassen hat und daß wir jede Unterstützung vermissen. Ich frage nur, ob der Herr Minister Rašín und der Herr Abgeordnete Kramáø sich auch ihrer Worte bewußt sind, wenn sie überall in den Versammlungen den Leuten predigen: "Es liegt uns sehr viel daran, die Gesundung dieses Staates zu erzielen." Denken diese beiden Herren auch wirklich an die Gesundung dieses Staates? Nein, nein, und nochmals nein! Dafür geben sie genügend Beweise. Ihr Motto ist sparen, sparen auf allen Linien. Wir sind uns dessen bewußt, daß die Staatslenker den Staatshaushalt sicher ins Gleichgewicht bringen wollen. Wir haben auch durchaus nichts gegen das Sparsystem. Spart, aber spart nur an der richtigen Stelle. Nie und nimmer werden wir dulden, daß am höchsten Gut des Volkes gespart werde, an seiner Gesundheit. (Souhlas a potlesk na levici.)

4. Øeè posl. Schälzkyho (viz str. 1356 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Wer die Hoffnung hegte, daß die Beschwerden, Wünsche und Forderungen, die namentlich von deutscher Seite bei der Spezialdebatte zum Staatsvoranschlag in den Vorjahren vorgebracht wurden, auch nur einigermaßen Berücksichtigung finden würden, ist beim vorliegenden Staatsvoranschlage wieder um eine Enttäuschung reicher geworden. Besonders wichtig ist die Feststellung, daß die Sparmaßnahmen der Regierung, worüber jetzt so oft gesprochen wird, nicht etwa bei den unproduktiven Staatsausgaben zu merken sind, sondern wie wiederholt in der Spezialdebatte festgestellt wurde, gerade in jenen Belangen, die in einem Staate, der so auf sein soziales Empfinden zu pochen gewöhnt ist, besondere Pflege und weitherzigere Förderung finden sollten, bei den Aufwendungen für die Zwecke der sozialen Fürsorge. Über die bitteren Klagen und lauten Proteste gegen rücksichtslose Benachteiligung der deutschen Interessen auf allen Gebieten geht die Mehrheit dieses Hauses mit zynischem Lächeln hinweg. Trotzdem müssen wir immer wieder diese Vergewaltigung vor der Öffentlichkeit aufzeigen.

Bezeichnend für den sozialen Geist der Regierung ist die Behandlung der armen Kriegsopfer. Mit 1. Februar d. J. ist die Novelle zum Versorgungsgesetz in Wirksamkeit getreten. Bei den damaligen Verhandlungen wurde festgestellt, daß durch diese Novelle die wichtigsten Forderungen derKriegsverletzten wiederum nicht erfüllt wurden. Wie ernst es der Regierung um die Fürsorge um die Kriegsverletzten zu tun ist, dafür zeugt der Umstand, daß die Durchführungsverordnung zu dieser Novelle bis heute noch nicht erschienen ist. Obwohl bei der Durchführung, des Gesetzes vom 25. Jänner 1922 für erhöhte Rentenauszahlungen ein Mehraufwand von über hundert Millionen bei ungefähr 700.000 versorgungsberechtigen Kriegsopfern erforderlich wäre, ist die Summe für die gesetzlichen Gebühren in der gleichen Höhe im Staatsvoranschlage eingesetzt, wie im Vorjahre. Vielleicht hofft man unterdessen auf eine größere Sterblichkeit unter den Kriegsopfern oder man erwartet, durch neuerliche sozialärztliche Kommissionen einer großen Zahl von Invaliden den Anspruch auf die Renten zu streichen, wie es in der Regel der Fall ist. Es ist auch nicht ersichtlich, woher das Ministerium für soziale Fürsorge die Beträge zur Auszahlung der erhöhten Renten vom 1. Feber des Jahres 1922 an hernehmen wird. Die allgemeinen Ausgaben für Kriegsverletzte erfahren gegenüber dem Vorjahre eine Verminderung um 21.950.000 Kronen. Diese Verminderung betrifft nicht die gesetzlichen Gebühren, sondern die Heilbehandlung und die Fürsorge für amputierte Kriegsverletzte. Die Post für die Heilbehandlung der Kriegsverletzten wurde von 19,500.000 Kronen auf 1,850.000 Kronen herabgesetzt, also um 17,650.000 Kronen, angeblich, weil die Heilbehandlung der Invaliden in Spitälern und Sanatorien teilweise aus den gesetzlichen Gebühren gedeckt wird. Wenn wir erwägen, daß die ledigen Invaliden im Höchstfalle mit Einschluß der Teuerungszulage monatlich 225 Kronen erhalten, die im Falle der Heilbehandlung der Anstalt zufallen, während bei verheirateten Invaliden die Hälfte der ihnen zustehenden Renten der Familie ausgezahlt werden soll, kann man sich vorstellen, was für eine Heilbehandlung damit den armen Kriegsopfern geboten werden kann, wo doch die Tagesgebühr in einer Heilanstalt heute im Durchschnitt mit 40 Kronen festgesetzt werden muß. Schon die bisherige Heilbehandlung der Kriegsverletzten, die außer den Renten der Pfleglinge eine Summe von ungefähr 19 1/2 Millionen zur Verfügung hatte, läßt viel zu wünschen übrig, wie die vielfachen Klagen und Beschwerden der Invaliden in den verschiedenen Heilanstalten bezüglich der Verpflegung, Unterkunft und Beistellung von Heilmitteln beweisen. Die berechtigten Klagen, die über das Unterbringen von Lungenkranken in ungeeigneten Baracken erhoben werden, der Umstand, daß in vielen Spezialheilanstalten Kriegsbeschädigte nicht zugeteilt werden, weiters, daß die Ansuchen um Heilbehandlung oft vier bis sechs Monate unerledigt bleiben, trotzdem von einer raschen Erledigung die Erwerbsfähigkeit, Gésundheit und vielfach auch das Leben des Kriegsverletzten abhängig ist, das alles zeigt, was auf diesem Gebiete noch zu leisten wäre und wie man diese Pflicht von Seiten der Regierung auffaßt.


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