Støeda 28. února 1923

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 193. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve støedu dne 28. února 1923.

Øeè posl. Schäfera (viz str. 2328 tìsnopisecké zprávy):

Meine Herren und Frauen! Die Ministerreden, die wir gestern zur Wirtschaftskrise gehört haben, lassen einen Teil der Fragen, die in den Interpellationen gestellt wurden, vollständig unbeantwortet. Es ist uns zwar sehr viel von dem mitgeteilt worden, was im Laufe der letzten Monate gegen die Auswirkungen und Folgen der Krise geschehen ist, aber auf die Grundfrage, ob in Hinkunft die Èechoslovakei in ihrer ganzen Wirtschaftspolitik jene Wendung vornehmen wird, die unbedingt notwendig ist, auf diese Frage sind die Ministerreden nicht eingegangen. Und doch scheint mir gerade diese Frage die wichtigste zu sei, die zu sein, von deren richtiger Beantwortung überhaupt die Zukunft der èechoslovakischen Wirtschaft abhängt.

Ich habe schon in meiner ersten Rede zu diesem Gegenstande darauf hingewiesen, daß das nicht unsere Ansicht allein ist. Ich will heute wieder daran erinnern, daß ein sehr bedeutender und in handelspolitischen Fragen sehr erfahrenen Volkswirtschaftler, der ehemalige Minister Schuster, in einer Rede, die er vor Industriellen gehalten hat, bemerkte: "Die Hauptfrage für die èechoslovakische Volkswirtschaft ist die, dafür zu sorgen, daß der Überschuß an Erzeugnissen auch auf den Markt gebracht und abgesetzt wird. Aus diesem Grunde sei es notwendig, sich nicht nur in der Handelspolitiknach dem Westen zu wenden, sondern vor allem die Beziehungen zu den früheren Absatzgebieten herzustellen." Er hat sich unter anderem auch dagegen gewendet, daß man sich in der Èechoslovakei ausschließlich von dem Gedanken leiten lasse, daß die Wirtschaftspolitik sich nach den Anschauungen und Meinungen der Siegerstaaten richten müßte, und, wenn ich nicht irre, hat er erner gesagt, daß die ausschließlich westliche Orientierung in wirtschaftlicher Richtung in Widerspruch zu den Lebensbedürfnissen dieses Staates stehe.

Wenn ich hier die Ausführungen des ehemaligen Ministers Schuster, über die in den Blättern berichtet wurde, streife, so tue ich das deshalb, weil in der Regel, wenn von Seiten eines deutschen Volkswirtschaftlers oder eines deutschen Kritikers Ihrer Wirtschaftspolitik etwas ähnliches gesagt wird, niemand diese Anschauung beachtet, sondern sie daraus erklärt, daß das die deutsche Orientierung sei. Wir haben alle darauf gewartet und damit gerechnet, daß auf diese Grundfrage unserer ganzen Wirtschaftspolitik in den Ministerreden eingegangen werden wird. Da hätte natürlich auch der Handelsminister das Wort ergreifen müssen. Denn schließlich ist unsere Wirtschaftskrise, die wir durchmachen mußten und weiter durchmachen müssen, zum Teil au ein Ergebnis der verfehlten Handelspolitik und es ist das Handelsministerium bis zu einem gewissen Grade mitverantwortlich für die Folgen und Auswirkungen dieser Krise. Aber der sehr verehrte Herr Handelsminister hat sich im Hause ausgeschwiegen und wird sich wohl darauf beschränken, gelegentli ch wieder einmal in einer Versammlung von Industriellen oder vielleicht in einer Vollsitzung des neu geschaffenen Wirtschaftsbeirates über unsere wirtschaftliche Lage zu sprechen und wahrscheinlich auch dort wieder zu erklären, wie wir das schon einigemale von ihm gehört haben, daß wir über die schwerste Zeit hinüber sind, daß die Krise am Ende ist und daß jetzt mit dem Aufschwung gerechnet werden könne. Der Gesundungsprozeß mußte durchgemacht werden, so wird er sicherlich den Industriellen versichern, und dieser Gesundungsprozeß war una usweichlich, er mußte sich in jenem Umfange und in jener Schärfe in der Èechoslovakei auswirken, wie das eben geschehen ist.

Und doch, meine sehr verehrten Herren und Frauen, wäre es das allerdringlichste, es sollte die größte Sorge der èechoslovakischen Regierung, der verantwortlichen Politiker in diesem Staate und auch der Mehrheitsparteien sein, sich einmal damit zu beschäftigen, was aus der Industrie werden soll, die auf unserem Boden besteht. Wir sind heute schon im klaren darüber und es gibt in dieser Sache keine Meinungsverschiedenheiten, daß, wenn wir auch in den nächsten Monaten zu einem Abbau der Krise gelangen sollten, aller Voraussicht nach jene Hunderttausende von Arbeitern, die heute beschäftigungslos sind, nur zu einem Teile wieder in die Betriebe zurückgebracht werden können. Ich glaube, die Regierung müßte sich heute schon frag en, was geschehen soll, wenn selbst bei dem Abflauen der Krise, bei Wiederkehr eines besseren Geschäftsganges viele Zehntausende von Arbeitern vielleicht auf Jahre hinaus, übrig bleiben, die nicht mehr unterkommen können und daß Dutzende und Dutzende von Industriebetrieben nicht mehr imstande sein werden, ihre früheren Arbeiter wieder in vollem Umfange aufzunehmen. Was wird dann die èechoslovakische Staatsverwaltung tun? Da wird es nicht genügen, nur etwa die Folgen einer solchen Tatsache zu mildern, sondern man wird dann wohl tiefer auf die volkswirtschaftlichen Fragen dieses Staates eingehen müssen.

Wir haben gestern sehr viel darüber gehört, was von der Regierung in den letzten Monaten geschehen ist. Der Minister für soziale Fürsorge hat vor allem erklärt, daß in der Handhabung des Arbeitslosen-Unterstützungsgesetzes die größ te Liberalität walte, daß entgegenkommend vorgegangen wird. Er hat darauf hingewiesen, daß die möglichste Einheitlichkeit herbeigeführt ist, indem es nur mehr einzelne Bezirke gebe, in denen die staatliche Arbeitslosen-Unterstützung noch nicht gewährt werde. Und das seien Ausnahmen. Gewiß ist es nur eine kleine Anzahl von Bezirken, die vom Bezuge der Arbeitslosen-Unterstützung ausgeschlossen sind. Aber es handelt sich da gerade um Bezirke, in denen die Not der Arbeitslosen umso schlimmer ist. Ich will mich nicht in Einzelheiten ergehen. Ich kann mich erinnern, daß ich schon einmal darauf verwiesen habe, daß die entlegendsten Bezirke, wo es nahezu keine Industrie gibt, wo die Menschen auf Waldarbeiten und sonstige Tagesarbeiten angewiesen sind, von der Gewährung der Arbeitslosen-Unterstützung ausgeschlossen werden. Ein solcher ist der Rokitnitzer Bezirk in Ostböhmen, wo das Elend schon im alten Österreich furchtbar war und wo heute unter den èechoslovakischen Verhältnissen die Lage noch trostloser geworden ist. Dabei geschieht, - um bei diesem Bezirk zu bleiben - gar nichts, um die indus trielle Entwicklung zu fördern. Seit vielen Jahren kämpft die Bevölkerung im Bezirk Rokitnitz um die Erbauung einer Lokalbahn von Senftenberg nach Kronstadt, um an das Bahnnetz angeschlossen zu werden. Es ist aber bis heute immer nur bei dem Plan geblieben und man tut nichts, um den Notstand des Bezirkes zu beheben. Ähnliches geschieht im Böhmerwald, gleiche Zustände herrschen im Erzgebirge.

Aber noch ein Umstand ist es, der, wie mir scheint, vom Ministerium für soziale Fürsorge viel zu wenig beachtet wird. Wir verlangen, daß vom Fürsorgeministerium durch Weisungen an die Behörden ein möglichst liberales, entgegenkommendes Vorgehen bei der Zuweisung von Arbeitslosen-Unterstützung angestrebt wird. Aber es scheint mir, als ob dazu noch Belehrungen in manchen Bezirken notwendig wären, darüber, wie sich die Verwaltungsbehörden den Arbeitslosen gegenüber, wenn sie ihre Ansprüche geltend machen, benehmen sollen. Sehr geehrte Herren und Frauen! Uns sind Fälle bekannt und wir werden darüber das Ministerium für soziale Fürsorge noch im einzelnen unterrichten, wo die Arbeitslosen, wenn sie ihre Ansprüche geltend machen, in geradezu verletzender Weise behandelt werden, daß man sie abzuspeisen sucht mit Bemerkungen, die wirklich unstatthaft sind und die sich politische Beamte nicht herausnehmen sollten. So ist in einem Bezirke in Südböhmen den Arbeitslosen, die um Unterstützung kamen, erklärt worden, sie sollten sich doch weniger um die Gewerkschaften kümmern, sie sollten bedenken, was da an Beiträgen verlangt wird, und es sind dabei verletzende Bemerkungen gegen gewerkschaftliche Angestellte und Vertrauensmänner gefallen. Gegenüber solchen Bemerkungen von Verwaltungsbeamten verweisen wir darauf, daß die Gewerkschaften einen großen Teil der Lasten der Krise auf sich genommen haben. Die Union der Textilarbeiter, die Gewerkschaft jener Gruppe von Arbeitern, die am stärksten von der Krise heimgesucht worden ist, hat im vergangenen Jahre allein vier Millionen Kronen Arbeitslosenunterstützung ausgezahlt. In der Glasindustrie beträgt die Ausgabe an Arbeitslosenunterstützung durch den Verband im vorigen Jahre 1,250.000 Kronen, von der Union der Bergarbeiter - also nur für die Bergarbeiter der deutschen Gebiete - sind im vorigen Jahre allein ausgezahlt worden 1,762.653 Kronen an Arbeitslosenunterstützung. Mir sind die Ziffern der èechischen Gewerkschaften augenblicklich nicht bekannt. Erst kürzlich aber ist auf dem Verbandstag der èechischen Metallarbeiter berichtet worden, daß die Arbeitslosenunterstützung in der ersten Jahreshälfte 1922 schon so viel ausmacht, als 1921 das ganze Jahr hindurch an Arbeitslosenunterstützung gezahlt worden ist. Dabei ist das erste Halbjahr 1922 noch halbwegs erträglich gewesen; die große Arbeitslosigkeit hat erst nach dem Juli eingesetzt und ist in den späteren Monaten September, Oktober, November, Dezember am stärksten gewesen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.)

Diese Ziffern halten wir jenen politischen Verwaltungsbeamten entgegen, die sich herausnehmen, den Arbeitslosen gegenüber über die Gewerkschaften abfällige Bemerkungen zu machen. Es gibt keinen Zweifel darüber: wenn in den Monaten der furchtbaren Krise die Gewerkschaften nicht Millionen auf Millionen geopfert hätten, so wären wir vor ganz anderen Ausbrüchen der Verzweiflung gestanden, als sie im Laufe dieser Krise vorgekommen sind, und es sollte gerade diese eine Tatsache sowohl die Staatsverwaltung, als auch die Verwaltungsbeamten des Staates veranlassen, mit weniger verletzenden und herausfordernden Bemerkungen gegenüber den Arbeitslosen vorzugehen. Oder ist es nicht geradezu eine Verhöhnung der Arbeitslosen, wenn, wie das in Starkenbach geschehen ist, auch in Südböhmen, ein Verwaltungsbeamter den arbeitslosen Glasarbeitern, wenn sie sich zur Arbeitslosenunterstützung melden, erklärt: "Ja, Ihr habt ja früher soviel verdient, Ihr müßt Euch doch etwas erspart haben und solltet infolgedessen darauf verzichten, vom Staate jetzt Arbeitslosenunterstützung zu verlangen!" Nun wissen wir alle, daß, wie immer auch die Verdienste der einzelnen Arbeiterschichten im Verlaufe des etwas besseren Geschäftsganges gewesen sind, die Teuerung so gewaltig war, daß es keinem Arbeiter möglich war, Ersparnisse zu machen, und im übrigen sind derartige Abweisungen der Arbeitslosenunterstützung Verlangenden gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes. In der Richtung müßte vom Ministerium für soziale Fürsorge einmal eine gründliche Belehrung hinausgegeben und jene Beamten, die in der einen Frage sich nicht darauf verstehen, mit arbeitslosen Menschen den richtigen Umgang zu pflegen, einfach ihres Dienstes bei der Ausführung des Gesetzes über die staatliche Arbeitslosenfürsorge zu entheben. (Posl. Heeger: Jeder macht was er will!) Es ist schon so, wie in diesem Zwischenruf gesagt wird, jeder glaubt, den Arbeitslosen gegenüber sich alles herausnehmen zu können. Es drückt sich in diesem Auftreten die Verschärfung in der Abwehr und Bekämpfung alles dessen aus, was vom Proletariat, von der Arbeiterschaft, angestrebt und verlangt wird.

Der Herr Minister für soziale Fürsorge hat in seinen Darlegungen bestätigt, was wir immer und immer wieder in den letzten Wochen behauptet haben, daß von einem Zurückgehen der Krise im vorigen Jahre im November und Dezember überhaupt noch nicht gesprochen werden konnte. Aus den Ziffern, die ich seiner Rede entnehme, geht das deutlich genug hervor. Er mußte zugeben, daß im Oktober gegenüber September eine Steigerung der Arbeitslosenunterstützung um 100 % eingetreten ist; er hat zugeben müssen, daß im Dezember abermals eine Steigerung von ebenfalls nahezu 100% eintrat; und wir wissen, daß im Jänner die Arbeitslosenunterstützungsziffer durchaus nicht niedriger ist. Es scheint mir etwas schönseherisch zu sein, aus der Tatsache, daß hie und da eine neue Bestellung einläuft, daß da und dort ein Betrieb wieder zu arbeiten beginnt, den Schluß zu ziehen, daß wir nun mit raschen Schritten dem En de der Krise entgegengehen. Im übrigen sind diese Besserungs-Erscheinungen sehr ungleich und vereinzelt. Es gibt große Industriegebiete, wo von einem Aufleben des Geschäftsganges nicht die Rede ist. (Sehr richtig.) Im übrigen dürfen wir uns darüber nicht täuschen, daß, wenn einige Industriebetriebe wieder etwas Arbeit erhalten, das auf Umstände zurückzuführen ist, an denen der èechoslovakische Staat und seine Wirtschaftspolitik wahrlich unschuldig ist, zurückzuführen ist auf Vorgänge außerhalb der Èechoslovakei, auf weltpolitische Ereignisse, die aber nur vereinzelten Betrieben zum Nutzen gereichen können.

Im allgemeinen sind wir durch die Ministerreden, also auch von der des Ministers für soziale Fürsorge, durchaus nicht befriedigt worden.

Wir vermissen darin das Einge en auf die Hauptfragen, um die es sich bei der Bekämpfung der Krise in der Èechoslovakei handelt. Da im Dezember nach den Angaben des Herrn Ministers es an voll Arbeitslosen nach 248.485 gegeben hat, so ist das der deutlichste Beleg dafür, daß es noch überaus arg bestellt ist, daß man noch immer keine Ursache hat zu frohlocken und zu meinen, wir seien aus der Krise heraus. Schließlich ist es auch so, daß zahlreiche Betriebe, um sich einen Stamm guter, geschulter Arbeiter zu erhalten, alle möglichen Anstrengungen machen, um weiter arbeiten zu können. Es ist weiter richtig, daß die auswärtigen Vorgänge bei der einen oder der anderen Industrie eine kleine Wendung zum Besseren herbeigeführt haben. Wenn wir aber erwartet haben, daß uns für die Zukunft angedeutet wird, wie man die Belebung der Industrie zu fördern gedenkt, so bringt uns die Rede des Ministers Dr. Franke ebenfalls eine Enttäuschung. Der Lohnabbau ist in allen Industriezweigen vorgenommen worden, nach dem Vorbilde, das der Staat gegeben hat, in der sicheren Annahme, daß ein Preisabbau in ganz beträchtlichem Umfange eintreten werde. Im Vorjahre sind die Preise zurückgegangen, wir hatten einen Preisabbau, und wenn auf dieser Linie durch Maßnahmen der Staatsverwaltung weitergearbeitet worden wäre, so hätte vielleicht erreicht werden können, die Preise der Lebensmittel und Bedarfsartikel soweit zu regeln, daß der Wert der Krone im Inlande dem ausländischen Werte schließlich angepaßt worden wäre. Aber es war nur ein Anlauf zum Preisabbau, er ist sehr bald zum Stocken gekommen und aus den Darlegungen des Herrn Ministers Dr. Franke geht die Bestätigung dafür hervor, was wir seit Wochen sagen, daß wir am Ende des Preisabbaues sind, daß die Preise bei einzelnen Artikeln wieder in die Höhe gehen. Bei vielen Bedürfnissen, auf die die Industrie und eine Belebung der Industrie angewiesen ist, haben wir überhaupt keine wersentliche Preisherabsetzung zu verzeichnen.

Was ist uns im September vorigen Jahres nicht alles in Aussicht gestellt worden, was sollte für die Hebung des Verkehres nicht alles geschehen! So sollten die Frachttarife herabgesetzt werden; was aber hat man getan? Wir haben heute noch ungeheuer hohe Frachtsätze, unsere Frachttarifsätze sind 3 1/2mal so hoch als in Italien, sie sind 2 1/2mal so hoch als in Frankreich, sie sind dreimal so hoch als in Belgien und viermal so hoch als in Jugoslavien. Da glauben wir schon jenen Industriellen, die da klagen, es sei so schwer, mit dem Auslande in Konkurrenz zu treten oder die Konkurrenz mit den Erzeugnissen des Auslandes aufzunehmen, wenn die Verteuerung der Waren durch so hohe Frachtsätze herbeigeführt wird. Der Eisenhahnminister erklärt zwar jedesmal, wenn von einer Herabsetzung der Frachttarife gesprochen wird, daß dadurch das Gleichgewicht im Eisenbahnétat gestört würde. Wir denken darüber etwas anders. Der Verkehr würde sich heben und in einer Zeit, wo von der Regierungsbank aus, wie das bei dem Gesetz über die Staatsangestelltenbezüge geschehen ist, feierlich verkündet wird: "Wir leben in der Zeit des Preisabbaues und es muß daher auch der Abbau der Bezüge der Angestellten auf der gleichen Linie gehen", in einer solchen Zeit müßte die Regierung mit der Herabsetzung der Preise vorangehen, sie müßte vor allem anderen in den Frachtsätzen einen entsprechenden Abbau vornehmen. Daneben geschehen Dinge, die wir uns überhaupt nicht erklären können. Die Aussig-Teplitzer Bahn ist verstaatlicht worden, aber noch immer fehlt die Durchrechnung der Tarifsätze, so daß die an dieser Bahn gelegenenen Orte und die Industrien, die diese Bahn zur Versendung ihrer Waren und Güter benützen müssen, dadurch eine ungeheuere Mehrbelastung erfahren. Die Verzögerung einer solch wichtigen Maßnahme ist auf das Schärfste zu verurteilen.

Der Herr Minister Dr. Franke hat ganz gut eingesehen, was zu geschehen hat: die Zufuhr der Waren müsse erleichtert werden. Aber wie kann man sie erleichtern? Dies ist nur zu erreichen, wenn man mit den Frachtsätzen herabgeht, wenn man den Verkehr verbilligt und dafür sorgt, daß nicht durch zu hohe Frachtsätze die Industrieerzeugnisse im Preise gesteigert werden. Im übrigen müßte man sich einmal mit der Frage der Tarifsätze eingehend beschäftigen; wir glauben, daß die Berechnung nach dem ewicht durchaus nicht die allein richtige und allgemein gültige sein müßte, weil sehr viel darauf ankommt, welchen Wert die Ware hat, die verfrachtet wird.

Nun hat der Herr Minister Dr. Franke für die nächste Zeit eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, die getroffen werden sollen, so unter anderem eine weitere Herabsetzung der Eisenbahn- und Transporttarife, Maßnahmen gegen weitere Preistreibereien, Maßnahmen gegen die Verteuerung der Textilwaren, Maßnahmen gegen die Kartelle und Schutzverbände, Errichtung von Eis- und Kühlhäusern, und anderes mehr. Wir wollen hoffen, daß es nicht bei der bloßen Ankündigung dieser Maßnahmen bleibt, wie es im September der Fall war. Wir warten heute noch auf die Erfüllung einer ganzen Reihe von Zusicherungen, die damals gegeben worden sind.

Man weiß natürlich, daß ein Staat, der der Krise mit Ernst gegenübertritt, vor allem die Aufgabe hat, für Arbeitsmöglichkeiten zu sorgen. Soweit wir aus den Ziffern, die aus der Rede des Herrn Ministers Srba hervorgehen, sehen können, ist geplant, eine ganze Reihe von Notstandsbauten in Angriff zu nehmen und eine Reihe von Notstandsbauten ist schon in Angriff genommen worden. Es findet sich aber in seiner Rede eine Bemerkung, die keine richtige Freude darüber aufkommen läßt. Es heißt darin: "In der Voraussetzung, daß die dazu notwendigen Mittel auch bereit stehen." Das bedeutet also; es ist gar nicht einmal sicher, ob das Investitionsprogramm in vollem Umfange ausgeführt werden wird. Das hängt von der Bereitst Ilung der Mittel durch das Finanzministerium ab. Wir erinnern uns da, daß immer und immer wieder das Ministerium für soziale Fürsorge darauf verweist, es gebe bei der Erlangung von Mitteln für die Arbeitslosenunterstützung große Schwierigkeiten im Finanzministerium; solche Schwierigkeiten sind bei der Ausführung des Investitionsprogramms ebenfalls zu befürchten.

Schließlich ist die Milderung der Folgen der Wirtschaftskrise ohne ufbringung finanzieller Mittel nicht möglich. Es ist gar nicht anders denkbar, als daß der Staat in einer solchen Zeit eben die notwendigen Millionen bereit zu stellen hat. Und auch hier sind es nicht nur Politiker von der Opposition und nicht nur Vertreter von Gewerkschaften aus deutschen Gebieten, die darauf hinweisen, daß diese Mittel ganz gut besorgt werden könnten, wenn man auf anderen Gebieten der Staatswirtschaft sparen wollte. Es läßt sich sparen, besonders beim Heeresetat. Ich bin der Überzeugung, daß, wenn man beim Heeresetat sparen wollte, die Möglichkeit hiezu gewiß ohne weiters gegeben wäre. Denn von einer Kriegsgefahr für die Republik zu reden, erscheint mir nur dazu angetan zu sein, die Bevölkerung darüber hinwegzutäuschen, daß man bei uns den Militarismus aufrechterhalten muß, weil es von Frankreich so angeordnet ist, daß man ihn aufrechterhalten muß, weil die Èechoslovakei hier ein Gefangener ist, eigene selbständige Schritte nicht unternehmen darf. In einem Mitteleuropa, das waffenlos ist, in einem Mitteleuropa, das durch den Zwangsfrieden, der geschaffen wurde, in einen Zustand versetzt ist, wie wir ihn in Deutschland, Österreich u. s. w. haben, in einem solchen Mitteleuropa hat es kein Staat notwendig, für den Militarismus mehr auszugeben, als jemals im alten Österreich und in Preußen hiefür ausgegeben worden ist, hat er es nicht notwendig, den französischen Militarismus nachzuahmen, ihn ge radeso aufzurichten und aufzubauen, wie er dort aussieht.

Wir beklagen es, daß die Herren Minister, die gestern zur Wirtschaftskrise gesprochen haben, so gar nicht tie ferauf die Grundfragen der Sache eingegangen sind. Schließlich müssen sie doch auch wissen, daß die Èechoslovakei heute eine Industrie auf ihrem Boden hat, die nicht ausreichend beschäftigt wird, wenn sie auf den inneren Markt angewiesen ist, und die vor allem nicht ausreichend beschäftigtwerden kann, wenn man sich einbildet, die Waren vor allem nach den Westen zu liefern. Wir haben 92% der Zuckerproduktion des alten Österreich auf dem Boden der heutigen Èechoslovakei, 80% der Textilwaren, die im alten Österreich erzeugt wurden, werden jetzt in der Èechoslovakei produziert, 70% der ehemaligen österreichisch-ungarischen Porzellanindustrie befinden sich auf dem Boden der Èechoslovakei, die Eisenund Stahlindustrie ist zu 60% - da ist die Schwerindustrie nicht einmal miteingerechnet - auf dem Boden der Èechoslovakei. Diese Industrien waren im alten Österreich vollauf beschäftigt und hatten einen großen Markt, Österreich-Ungarn mit über 50 Millionen Einwohnern. Sie hatten Liefer ungen nach den Balkan, nach dem Osten, Deutschland u. s. w. Für diese Industrien ist nun Beschäftigung zu schaffen, das ist der Kern der Frage. Die Zurückeroberung der verloren gegangenen Märkte ist die Hauptaufgabe, die wir hier in diesem Staate zu lösen haben. Wenn wir das Verhältnis noch drastischer sehen wollen, betrachten wir, wie viele von den Spindeln, die es im alten Österreich-Ungarn gab, sich heute auf èechoslovakischem Boden befinden. Von den 4,941.000 Spindeln befinden sich 3,565.000 auf dem Boden der Èechoslovakei. Wir haben 80 bis 85 % der Kohlenlager auf èechoslovakischem Boden, 60% der Erzlager, rund gerechnet kann man sagen, daß 70% der alten österreichischungarischen Industrie sich auf dem Boden des èechoslovakischen Staates befinden. Für diese 70% sind nun die Absatzgebiete zu einem großen Teil verloren gegangen und deren Rückeroberung ist nnun die Aufgabe, die wir zu lösen hätten. Eine große, starke und mächtige Industrie befindet sich auf unserem Boden. Es ist Wahnsinn und Kurzsichtigkeit sich einzubilden, daß diese Industrie jemals bei der Handels- und Wirtschaftspolitik und bei der jetzigen Orienti rung nach Außen, jemals vollauf beschäftigt werden könnte. Wir sind, wie ich schon in meinen Ausführungen am vorigen Freitag bemerkt habe, vor allem darauf an gewiesen, uns die heutigen Nachfolgestaaten des alten Österreich-Ungarn als Absatzgebiete zu sichern, wir sind darauf angewiesen, mit den Nachbarreichen in regem wirtschaftlichen Verkehr zu bleiben. Wir müssen uns nach dem Osten wenden, um die dort empfangsbereiten roßen Gebiete für unsere Industrie zu erobern, und wenn wir es auch nicht ablehnen, sondern für selbstverständlich halten, daß auch nach der anderen Richtung hin gleichfalls günstige Handelsverträge abgeschlossen werden, darf dies doch nicht die Hauptaufgabe sein, weil uns der Westen niemals ersetzen kann, was wir im Osten verloren haben und was wir im Osten in Zukunft weiter als Verlust werden buchen müssen, wenn wir unsere Handels- und auswärtige Politik nicht ändern.

Diesem Gedanken sind die Herren Minister in ihren Reden ausgewichen; nachdem sie in ihren Ausführungen nur im Einzelnen aufgezeigt haben, was durch gewisse Maßnahmen gegen die Folgen der Krise geschehen ist, können wir in den Ministerreden keine befriedigende Beantwortung unserer Fragen erblicken.

Meine verehrten Damen und Herren! Sind wir uns dessen sicher, die Wirtschaftskrise wird sich in den nächsten Monaten gewiß mildern. Wir sind nicht blind gegen die Tatsache, daß hie und da wieder Betriebe in Tätigkeit treten. Aber das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, ob bisher etwas Ernstes von der Staatsverwaltung dazu getan wurde, die Krise abzubauen und ob etwas Ernstes unternommen wird, vorzubeugen, daß derartige wirtschaftliche Erschütterungen neuerlich über uns heraufbeschworen werden. Sie können, meine Herren von den Koalitionsparteien, den Staat noch so fest zu zimmern, versuchen mit Ausnahmsgesetzen, mit drakonischen Maßnahmen gegen die demokratischen und freiheitlichen Rechte von Bürgern, Sie können versuchen, jede Auflehnung gegen die falsche Politik als Verbrechen zu stempeln, Sie können versuchen, jede Kritik unmöglich zu machen, die Bürger dieses Staates zum Schweigen zu bringen, die wirtschaftliche Zukunft dieses Staates werden Sie aber nicht eher bessern, bevor Sie nicht in der inneren und äußeren Politik jene Umkehr vornehmen, die wir Ihnen von dieser Stelle aus immer und immer wieder als notwendig empfohlen haben. Wir beklagen insbesondere, daß die wirtschaftliche Krise, die Ursachen der Krise und ihre Auswirkungen und daß die wirtschaftliche Zukunft dieses Staatess von einem so engherzigen Gesichtspunkte aus, wie es bisher immer geschehen ist, betrachtet werden, da in der èechoslovakischen Koalitionsregierung Politiker sitzen, die als Sozialisten die Zusammenhänge unseres ganzen Wirtschaftsleben anders beurteilen sollten als Vertreter nationalistischer, bürgerlicher Parteien. Wir haben erwartet, daß man zur Wirtschaftskrise doch etwas mehr zu sagen haben wird, alsuns mitzuteilen, die Arbeitslosenunterstützung werde liberal gehandhabt, es würden in Zukunft die Frachtsätze auf den Eisenbahnen herabgesetzt werden u. s. w. Wir hatten eine tiefere Behandlung der großen wirtschaftlichen Fragen erwartet, die in der Èechoslovakei durch die Wirtschaftskrise auf die Tagesordnung gestellt worden sind und die auf der Tagesordnung sol nge bleiben werden, bis man sich entschließen wird, sie endlich auch zu lösen. (Potlesk na levici.)

 


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