Pøíloha k tìsnopisecké zprávì
o 230. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pátek dne 23. listopadu 1923.
1. Øeè posl. Schuberta (viz str. 487 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Zur politischen Gruppe sprechend, greife ich das Kapitel "Justiz" heraus. Es sind schwere Beschwerden und Bedrückungen manigfacher Art, die diesbezüglich von uns vorgebracht werden müssen. Es ist uns ja durch die ständigen Konfiskationen unserer Blätter in vielen Fällen jetzt schon benommen, auf dem Wege der Presse unsere berechtigten Anklagen vorzubringen. Die Konfiskationspraxis wird in verschiedenen Landesteilen ganz verschieden ausgeübt und es scheint offenbar, daß für gewisse Landesteile und für gewisse der Regierung nicht genehme Blätter besonders scharfe Zensurwinke herausgegeben werden. Auch das Bodenamt ist sakrosankt und darf beileibe nicht angegriffen werden. Die Zensur ist für uns zu einer unerträglichen Last geworden und ich könnte, wenn es mir die Zeit gestatten würde, recht erbauliche Dinge diesbezüglich vorbringen. Nehmen Sie sich doch endlich ein Beispiel an jenem aufgeklärten liberalen Preußenkönig, der das geflügelte Wort geschrieben hat: "Gazetten dürfen nicht genieret werden." Bei Ihnen heißt es gegenteilig: "Gazetten müßten stets genieret werden." Auch Westböhmen scheint zu den gesegneten Gefilden Ihrer Zensur zu gehören. Merken Sie sich ferner: Jeder weiße Fleck in einem Blatte bedeutet eine wirksame Propaganda für unsere Ideen. Aus unseren Worten und aus unseren Beschwerden spricht nicht nervöse Aufwallung - wie gestern einer Ihrer Redner angedeutet hat - sondern gerechte, ehrliche Überzeugung. Zwischen dem Gebahren des russischen Sowjet - es ist kein gewagter Vergleich - und Ihrem eigenen scheint in vielen Stücken eine verzweifelte Ähnlichkeit zu bestehen. Hier wie dort Gewalt im Namen der Freiheit, hier wie dort in Fo rm und Inhalt ein rücksichtsloses Beiseiteschieben aller unserer Rechtsforderungen. Welches System sich in der Justiz gegen uns auslebt, das beleuchtet so recht der Ausspruch eines Ihrer früheren Justizminister, der auf einem Platze Prags in offener Rede an die Massen das Wort gerichtet hat: "Wenn man Euch Euer Recht nicht gibt, dann nehmt es Euch selbst! " Das ist die reinste, unverfälschteste bolschewistische Schule in Prager Aufmachung. Und wenn Sie mir dies nicht glauben, fragen Sie doch die "Moravská Orlice", die muß es wissen, denn sie schrieb vor wenigen Tagen wortwörtlich: "Wir haben aus der Justiz eine Liebedienerin der Politik gemacht, es heißt dort zwar nicht "Liebedienerin", sondern anders; ich habe die Übersetzung sehr zart geprägt aus urbanen Formen, es heißt ganz anders; bitte doch nachzulesen!
Eine traurige Frage ist auch jene der Zuerkennung der Staatsbürgerschaft. Ich könnte Ihnen Fälle erzählen, aus denen klipp und klar hervorgeht, daß viele ehrbare Leute heute nicht wissen, welcher Staat als ihr Vaterland gilt. Das ist die Humanität der Entente, das ist die Humanität des Friedens von Versailles, das ist die Humanität Ihrer Verwaltungsbehörden. Die Tränen der Witwen und Waisen berühren Sie nicht! Das ist die Demokratie! Wohl zu keiner Zeit waren die Geheimerlässe so zahlreich wie jetzt. Sogar die Bewertung der Kriegsanleihe zur Vermögensabgabe war ursprünglich in einen Geheimerlaß des Finanzministeriums gekleidet. Eine Regierung und eine Verwaltung, die ihre Stärke in Geheimerlässen sucht, trägt den Keim der Schwäche und des Verfalles in sich. Bei Ihrer Justiz und bei Ihren politischen Behörden schütteln einsichtsvolle Beamte schon lange den Kopf darüber. Daß die richtige Auffassung über Recht und Gesetz im Volke schwindet, daran tragen Sie zum Großteil die Schuld selbst. Es lastet auf diesem Lande der Fluch, daß hier seit Jahrhunderten alles mit dem Grandmesser des Gefühls, des Temperaments und niemals mit dem Gradmesser der kühlwägenden Vernunft gemessen wird. Die ungehörige Behandlung der Kriegsanleihefrage bietet allein schon einen Beleg für diese Behauptung. Insolange die Kriegsanleihe nicht voll eingelöst ist und insolange die Lombardschuldner nicht gerettet werden, können Sie sich nicht zu den Rechtsstaaten zählen. Sie haben in dieser Frage den Standpunkt des erworbenen Rechts schwer verletzt. Wir leben aber auch sonst in einer Art politischer Kinderstube. Die Anklagen vieler Ihrer Staatsanwälte gegen Abgeordnete, wie andere mißliebige Personen sind oft des Vormärz würdig. Das Schutzgesetz, das Sie selbst gegen den Einspruch hervorragender èechischer Juristen durchgezwängt haben, setzt dem Ganzen die Krone auf und zeigt, daß bei uns tatsächlich keine verfassungsmäßige Zustände herrschen, sondern der latente Ausnahmszustand. Mit solchen Mitteln des Vormärz, die auch gegen Ihren Freiheitskämpfer Havlíèek seinerzeit angewendet wurden, wird man auf die Dauer keine ernste charaktervolle Opposition beugen oder brechen. Wenn Sie auf Ihre errungene junge Freiheit stolz sind, dann schützen Sie auch die Freiheit anderer, seien Sie nicht unduldsam im Namen dieser Freiheit und fordern Sie von jedem Ihrer Staatsanwälte den Nachweis echt demokratischer Gesinnung. Wenn die Regierung von ernstem Verantwortlichkeitsgefühl beseelt wäre, dann hätte sie auch auf das Urteil gewi gter Männer und auf das Urteil des Verfassungsgerichtes geachtet und nicht beispielsweise mit Ermächtigungsgesetzen gearbeitet, die nach dem Urteile hervorragender Autoritäten des Verfassungsrechtes direkt verfassungswidrig sind. Wenn die Regierenden nicht in erster Linie die Verfassung selbst schätzen und achten, wer soll es dann im Staate tun? Wir warten schon Jahre auf einen Wandel zum Besseren. Ihnen fehlt aber selbst der gute Wille und das Verständnis, Wandel zu schaffen. Unser Volk hat für die Art, wie es behandelt wird, ein gutes Feingefühl und die Verbitterung darüber reicht bereits in die kleinsten Dörfer und Weiler hinein. Wir sind ja nicht hierhergekommen, um etwa Gnade oder Wohlwollen zu erflehen, wir sind hierhergekommen, um unser gutes Recht auf diesem Wege zu erlangen. Sie stehen tief in unserem Schuldbuche und mißbrauchen Ihre Mehrheit. Sie sind wohl der Ansicht, daß der Mehrheit von Natur aus das Recht zustehe, eine Minderheit zu vergewaltigen. Unserer Überzeugung nach hat die Mehrheit höhere, ernstere Aufgaben: Mehrheit verpflichtet!
Auch finanziell schlägt man uns mit Ruten. Schauen Sie nur beispielsweise in das Steuerbuch eines schlichten Bauers, so ersehen Sie daraus, daß man nicht mehr mit Steuerschuldigkeiten, mit Staatsschuldigkeiten rechnen darf, sondern daß tatsächlich von einer Sozialisierung des bäuerlichen Besitzes auf dem Umwege der Steuerzahlung gesprochen werden muß. Auch die ungerechte Seite der Bodenreform, die in Aussicht gestellte Wälderverstaatlichung und vieles andere gehört in dieses Beschwerdekapitel. Des Unrechtes sich nach mancher Richtung hin bewußt, suchen Sie krampfhaft nach einem Rechtstitel und konstruieren das Jahr 1620, betreffend flagrante offene Geschichtslügen. Wenn die Fahne jenes Pfälzers dort am Weißen Berge siegreich gewesen wäre, wäre der Zuzug deutscher Elemente so zahlreich gewesen, daß in diesem Lande deutsches Wesen wohl die Oberhand gewonnen hätte und im Jahre 1918 keine nationale Frage zu lösen gewesen wäre. Und wenn seinerzeit in der Marchfeldschlacht der zweite deutsche Ottone, den wir hoch schätzen als deutschen Städtegründer, nicht niedergebrochen wäre, sondern seine Fahnen siegreich geflattert hätten und er sich die deutsche Kaiserkrone aufs Haupt gesetzt hätte, dann wären Verhältnisse eingetreten, die ebenfalls im Jahre 1918 eine nationale Frage nicht mehr am Platze hätten erscheinen lassen. Es gibt Völker, die ihrem scheinbaren geschichtlichen Unglück ihr Dasein verdanken. Wenn Sie es sich auch nicht eingestehen wollen, so sage ich dennoch: Zu Füssen der Erinnerungstafel für die Justifizierten am Altstädter Rathaus könnten neben Ihren Kränzen mit gleichem Recht auch Kränze, geschmückt mit unserer deutscher Trikolore, liegen. Wie Sie Recht und Gesetz beiseite schieben und wie Ihr Rechtsbewußtsein auf schwanken Füssen steht, zeigt unter anderem die Schaffung einer obersten nationalen Verteidigung, welche Körperschaft von 6 Ministerien beschickt ist. Die Einsetzung einer solchen Körperschaft hat nur auf verfassungsmäßigem Wege zu erfolgen. Das ficht Sie jedoch nicht an. Wenn Frankreich befiehlt, schiebt man die Verfassungsurkunde einfach ins Schubfach. Schutzgesetz, Sprachenzwang, Bodenkonfiskation, Entgleisungen der Justiz und sovieles andere, das sollen jedenfalls die ersten Etappen zu Freiheit und Recht sein. Die Justiz darf nicht Sensationen lieben. Stets hat die Gerechtigkeit einfache und schlichte Formen geliebt und nicht mit der Gasse kokettiert. Selbst gerechte Entscheidungen des Prager Verwaltungsgerichtshofes haben oft insbesondere für die weiter entlegenen Gebiete einen problematischen Wert. Was nützen diese gerechten Entschei dungen des Gerichtes, wenn sie von untergeordneten Organen unbeobachtet bleiben, ja oft selbst gegenteilig vollzogen werden. Daß selbst an deutsche Gerichte èechische Zuschriften zwecks allgemeiner Verlautbarungen herausgegeben werden, zeigt folgender Fall, nebenbeibemerkt ein Fall von vielen Tausenden: Der Gerichtsbezirk Hostau zählt nach der neuen Volkszählung 15.602 Deutsche und 224 Èechen, letztere fast durchwegs Militärs. Trotzdem fand ich jüngst an der dortigen Amtstafel des Bezirksgerichtes den Steckbrief bezüglich eines von Blowitz entflohenen Schwerverbrechers nur in èechischer Sprache affichiert. Der berüchtigte Wegelagerer, den es betraf, wird Ihnen sehr dankbar sein, daß die Verlautbarung nur in èechischer Sprache erfolgte und er dadurch im deutschen Gebiete sich sicher fühlt. Ein solches Signalement ist wertlos und schützt den Verbrecher vor dem Ergriffenwerden. Doch das geniert Sie ja nicht, wenn nur dem Sprachendünkel Genüge getan wird. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.)
Wenn Ihre Leute, wie es beim Kirchenstreit in Radhost der Fall war, Rebellion gegen die eigene Staatsgewalt treiben, dann wäre es am Platze, wenn Sie sich entösterreichern würden und zur Wiederherstellung der Ordnung in dem èechischen Gebiete nicht unsere Soldaten, sondern Ihre verwenden möchten. Das wäre gewiß charaktervoller als das Gegenteil.
Die Eigentumsdelikte sind in jäher Steigerung begriffen und auch auf dem flachen Lande und insbesondere in unseren Grenzbezirken vergeht kaum ein Tag, daß nicht ein solches Vorgehen im engeren Umkreis gemeldet wird. Nun Ihre Statistik berichtet das Gegenteil. Man weiß aber, was die Statistik ist. Die Statistik ist eine Wissenschaft der Lüge und Ihre Statistik ist eine Wissenschaft der erhöhten Lüge. Der slovakische Kollege Buday hat Ihnen ja mit konkreten Zahlen nach einer anderen Richtung hin bewiesen, was man von Ihrer Statistik halten darf.
Auch die neueste staatliche Sicherheitswache wird daran nichts ändern können, insolange man bei uns die Gendarmerie und das Sicherheitskorps seiner eigentlichen Aufgabe entzieht und sie zu politischen Zwecken verwendet.
Die Richterflucht ist eine allgemeine und zieht das ganze Justizwesen in Mitleidenschaft. Eine gutgeregelte Gerichtsbarkeit mit einem ausharrenden Richterstand ist der beste Gradmesser dafür, ob in einem Staatswesen geordnete Verhältnisse herrschen oder nicht. Eine Reihe von administrativen und prozessualen Bestimmungen des Gesetzes über die Wuchergerichte rufen dringend nach einer Reform. Der Einfluß der Sachverständigen im Strafverfahren wegen Wuchers ist ein viel zu geringer. Wir verteidigen nicht den Wucher, sind jedoch dagegen, daß das Wuchergesetz ungerechte, vexatorische Anwendung findet und zur Rechtsunsicherheit führt. Die schon lange überlebte Vorschrift, daß der Staatsanwalt in allen Fällen der Freisprechung durch die erste Instanz die Berufung beantragen muß, sollte endlich denn doch schon einmal aufgehoben werden. Der Staatsanwalt sinkt durch diesen Zwang zum Automaten herab. Mit Ihrem Entösterreichern hat es noch seine guten Wege und um ein drakonisches Fehlurteil zu begründen und zu decken, werden oft vorsintfluchtliche Patente, die auf ein Alter von 70 und von über 100 Jahren zurückblicken können, ausgegraben. Nicht nur in den nackten Ziffern des Voranschlages der Justiz steckt das Hauptsächlichste, nein, im Geiste der Handhabung der Justiz ist das für uns Wesentliche und in Betracht kommende gelegen. Und diese Handhabung der Justiz ist es, die uns, wie gesagt, zu schweren Beschwerden Anlaß gibt. Bei der Fällung so manchen Urteiles wird nach der Straße und nach der radikalen Presse geschielt und die verderbliche Stimmungsjustiz feiert ihre traurigen Triumphe. Sorgen Sie endlich für die Verkürzung der Untersuchungshaft und für die Beschleunigung des Strafverfahrens, damit nicht Unschuldige oft unnötigerweise drangsaliert werden. In der Verfassung steht ausdrücklich, daß jede Art von gewaltsamer Entnationalisierung verboten ist und ist es nicht etwa eine vorbedacht gewaltsame Entnationalisierung, wenn unsere, unter 20% sinkenden Bezirksminoritäten bei den Behörden nicht ihr vollgültiges Recht in ihrer Muttersprache finden können. So häufen sich unsere Klagen und Beschwerden ohne Ende. Sie haben die Macht und nützen sie gegen uns nach allen Richtungen hin aus. Ihnen geht Macht vor Recht. Wenn Sie etwa glauben, daß Sie auf diesem Wege den Staat sichern und festigen können, so irren Sie sich. Nein!
Sie gehen einen vollständigen Fehlweg. Nicht die Gewalt, sondern nur Recht und Gesetz sind die Festiger und Stützen des Staates. Sie haben sich nach dieser Richtung hin nicht unser Vertrauen erworben und wir lehnen daher das Budget ab. Wir haben für Sie, solang Sie diesen Fehlweg gehen und das System nicht ändern, keinen Heller und keinen Schweizer. (Souhlas a potlesk na levici.)
2. Øeè posl. Jokla (viz str. 498 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Der Voranschlag des Ministeriums für Nationalverteidigung weist eine Ausgabenziffer von rund 3 Milliarden Kronen aus. Diese Ziffer bedeutet gegenüber dem Jahre 1923 eine Verminderung der Ausgaben um rund 475 Millionen oder 0·7%. Meine Herren! Die Verringerung der Ausgabenziffer ist eine Täuschung der Öffentlichkeit. Sie ist mit wohl berechtigter Absicht herbeigeführt. Denn es würde sich sehr sonderbar in der internationalen Öffentlichkeit ausnehmen, wenn in einer Zeit, wo der Minister des Äußeren dieses Staates im Völkerbund das große Wort führt und in der Abrüstungskommission sogar erklärt hat, daß die Rüstungen der Èechoslovakei nahezu um 50% reduziert worden sind - er hat sich dabei nur um eine Null geirrt, es macht kaum 5% aus - in einer sol chen Zeit würde es ganz absonderlich wirken, wenn in dem Staate des Wortführers der Abrüstung die Rüstungsausgaben eine Steigerung aufweisen würden. Das ist die Ursache des Jonglierens mit den Ziffern. In Wirklichkeit sind die Ausgaben für das Militärwesen in unserem Staate weit größer, als es im Jahre 1923 der Fall war. Es läßt sich das leider ziffermäßig nicht nachweisen, aus den Gründen, die bereits unsere Redner in der Generaldebatte dargelegt haben, aus Gründen der Verschleierung der Budgetierung. Große Summen für militärische Zwecke - das läßt sich konstatieren - wurden ganz einfach in andere Kapitel hineinverschoben. Selbst dort, wo eine ziffermäßige Verringerung der Ausgaben vorhanden ist, bedeutet das keine Einschränkung der Rüstungen. Denn infolge der Wertsteigerung unserer Krone ist das Quantum der angeschafften Rüstungsartikel kein geringeres geworden.
Von den rund 475 Millionen Kronen Ersparnissen im Militärbudget geht ein Drittel auf Kosten der Mannschaft. Ich möchte da nur ein paar Posten herausheben. Insgesamt sind es 145 Millionen Kronen, darunter bei den Teuerungszulagen 44 Millionen Kronen, bei der Verpflegung 57 Millionen, beim Brot 25 Millionen Kronen. Die Teuerungszulagen sollen im nächsten Jahr bei der Mannschaft wohlgemerkt - um 50% herabgesetzt werden, von 2 K auf 1 K täglich. In der Begründung führt das Ministerium folgendes an: Die Teuerungsverhältnisse haben sich gegen die Jahre 1920 und 1921, für welche diese Zulagen eigentlich bewilligt waren, gebessert. Ich will vorläufig gegen diese Begründung nicht polemisieren. Ich werde später im Verlaufe meiner Ausführungen den Herrn Minister als Zeugen für das Gegenteil anführen. Ich möchte nur feststellen, daß wir innerhalb 5 Jahren schon wiederholt Herabsetzungen der Mannschaftslöhnungen erlebt haben. Im Jahre 1920 wurde festgesetzt, daß die Löhnung für einen Soldaten täglich eine Krone, die Teuerungszulage 2 K beträgt. Das neue Gesetz, das - glaube ich - im Jahre 1922 beschlossen wurde, setzte die Löhnung um 50% herab, auf 50 Heller täglich, es ließ die Teuerungszulage unverändert. Nun soll aber ein 50 % tiger Abbau der Teuerungszulage erfolgen, so daß sie auf 1 K täglich herabgemindert wird. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Löhnung des Soldaten und auch die Teuerungszulage keine Entschädigung für die Militärdienstleistung ist, sondern de facto nichts anderes bedeutet, als einen Zuschuß des Staates zur Anschaffung notwendiger Requisiten, die dem Soldaten nicht ausgefolgt werden, wie Putzmittel, Wäschereinigung, Friseur etc. Alle diese Ausgaben soll der Soldat mit der sogenannten Löhnung decken. Das schädlichste bei der ganzen Geschichte ist aber, daß der kranke Soldat dem Arrestanten gleichgestellt wird und überhaupt keine Teuerungszulage und von der Löhnung auch nur die Hälfte bekommt, so daß der kranke Soldat zu seiner Körperpflege den horrenden Betrag von 25 Hellern täglich erhält.
Alle unsere Bemühungen im Wehrausschuß, eine Stellungnahme zur Besserung dieser Zustände herbeizuführen, waren vergeblich. Bei der Mannschaftsverpflegung will der Herr Minister pro Gesunden 54 Heller und pro Kranken 3.65 Kronen täglich ersparen. Ist das, meine Herren, bei gleichbleibender Qualität der Verköstigung und bei den steigenden Lebensmittelpreisen möglich? Diese Frage wird jeder objektiv Denkende verneinen müssen. Insbesondere bei der Krankenkost bedeutet diese gewaltige Ersparnis die Wegnahme der einzigen bestehenden Möglichkeit, den schwachen Körper wieder herzustellen. Wir wissen ja alle, was von der sogenannten militärischen Medizin zu halten ist, geheilt wird ausschließlich mit Aspirin, Rizinusöl und Codein. Wenn der Soldat seinen Körper nicht durch eine ordentliche Ernährung wieder rekonstruiert, so ist er überhaupt verloren. Das Ministerium hätte eigentlich, wenn es wirklich möglich ist, durch irgendwelche Verbesserung der Verwaltung, der eigenen Regie eine Verbilligung der Verköstigung der Mannschaft durchzuführen, eine Verbesserung der Verpflegung, sowohl der Gesunden als auch der Kranken, herbeiführen müssen. Bei Brot glaubt der Minister 55 Heller pro Portion ersparen zu können. Hier gilt dasselbe, was ich bei der Verpflegung gesagt habe. Wie notwendig eine bessere Verpflegung der Mannschaft wäre, zeigt insbesondere die langjährige Forderung der Soldaten nach einem warmen Nachtmahl. Im Weh rausschuß wurde der Beschluß gefaßt, die Intendanz habe innerhalb vier Wochen einen diesbezüglichen Antrag zu unterbreiten. Der Antrag wurde natürlich nicht beachtet. Dagegen haben wir gelesen, daß der Ministerrat den Beschluß gefaßt hat, jedem Soldaten zwei Kaffeekonserven und fünf Gramm Zucker mehr zu geben. Der Soldat bekommt nach den gegenwärtigen Vorschriften zweimal 100 g Fleisch die Woche, zweimal hundert Gramm Kartoffeln, dreimal 100 g Kaffee, einmal 25 g Zucker und 1 g Tee. Ich habe nur einen Wunsch, daß der Mensch, der ausgerechnet hat, daß dieses Quantum von Lebensmitteln für einen Soldaten von 12 Uhr mittags bis zum nächsten Tag früh genügt, Zeit seines Lebens keine andere Verpflegung bekäme! Meine Herren, es ist eine feststehende Lehre des Weltkrieges, daß die Voraussetzung für jeden Waffenerfolg eine gute Verpflegung der Mannschaft ist. Auch für das Militär gilt noch das Sprichwort, daß die Liebe - und hier die Liebe zum Vaterland - durch den Magen geht. (Sehr gut!) Neben der Überzahl an Menschen, die die Entente in das Feld stellen konnte, hat vor allem die glänzende Befriedigung der körperlichen Bedürfnisse der Ententesoldaten ihr den Sieg gebracht. Die Verpflegung, die der Soldat in unserem Heer bekommt, ist nur ein Spiegelbild für das, was unserer Heeresverwaltung der Soldat überhaupt gilt. Meine Herren, hier wäre einzusetzen, wenn man forscht, auf welche Umstände die furchtbare Selbstmordstatistik bei den Soldaten zurückzuführen ist. Vom 1. Oktober 1921 bis zum 30. September 1923 wurden im unserem Heer 106 Selbstmorde gezählt, aber nur solche, die mit dem Tode endeten und zwar sofort oder innerhalb 20 Tagen. Die wirkliche Zahl der Lebensüberdrüssigen ist aber weit größer als die Ziffer 1 6. Schon die unterbreiteten Zahlen sind jedoch furchtbar; wie furchtbar müßte es auf die Öffentlichkeit wirken, wenn wir die genaue Ziffer aller vorgenommenen Selbstmordversuche hätten. Auf 100.000 Mann entfallen in unserer Armee rund 78 Selbstmorde, im alten Österreich im Jahre 1912 auf 100.000 Mann nur 70 Selbstmorde. Es ist das ein vernichtendes Urteil für die ganze Heeresverwaltung, wenn die Zustände im alten österreichischen Heer als ein für uns erstrebenswertes Ideal hingestellt werden. Und dabei ist nicht außer acht zu lassen, daß heute eine ganz andere geistige Verfassung der Bevölkerung in Betracht kommt als im Jahre 1912. Besonders arg sind die Selbstmorde im Prager Militärbereich. Vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1922 gab es hier 36 Selbstmorde, und ein Geheimerlaß des Militärkommandanten hat auf diese ungeheuerliche Tatsache der vielen Selbstmorde hinweisen müssen. Es ist seither nicht besser geworden. Beim Infanterieregiment Nr. 28 waren innerhalb eines Jahres 5 Selbstmorde zu verzeichnen. Ich glaube, meine Herren, wenn man die Ursachen weniger auf Gebieten suchen würde, wo sie nicht sind, dagegen aber den Grundsatz aufstellen würde, daß jeder Vorgesetzte, bei dem ein Selbstmordversuch vorkommt, strenge bestraft wird, würden sich die Verhältnisse wohl mit einem Schlage bessern. So aber trachtet man alle diese Vorkommnisse einfach zu vertuschen. In Prag erschoß sich z. B. der Soldat Präming. Das erste, was man mit dem ster benden Soldaten vornahm, war, daß man trachtete, noch vor seinem Verscheiden ein Protokoll aufzunehmen, in welchem natürlich als Motiv der Tat unglückliche Liebe eingesetzt wurde. Davon aber hat man nicht gesprochen, daß der Soldat am gleichen Tage vor dem Selbstmord für ein ganz geringes Verschulden im Dienst 12 Tage Einzelarrest bekommen hat. Meine Herren! Die karge Verpflegung der Soldaten, die Schikanen und die drakonischen Strafen für ganz geringe Vergehen sind die Ursachen für die vielen Selbstmorde in unserer Armee. Ich will Ihnen ein Beispiel anführen, wie es mit der Bestrafung der Soldaten aussieht. Otto Temmel vom Genieregiment in Kremsier hat, weil er dem Befehl des Gefreiten, den Gang zu waschen, widersprochen hat, vom Divisionsgericht 2 1/2 Jahre schweren Kerkers bekommen. Dazu ist zu bemerken, daß dieser Mann bereits siebenmal innerhalb kurzer Zeit zu entwürdigenden Reinigungsarbeiten herangezogen worden ist. Meine Herren! Wir haben ein neues Dienstreglement, welches nichts anderes als ein Abklatsch des alten österreichischen Dienstreglements ist. Man hat es wohl modern frisieren wollen und dabei nur erreicht, daß ein Wulst von Widersprüchen hineingekommen ist. Und was besonders ins Gewicht fällt, ist, daß das Parlament, die gewählte Volksvertretung, von der Beratung, Beurteilung und Festsetzung dieses Dienstreglements vollständig ausgeschlossen worden ist. Meine Herren! Nicht zuletzt ist die Ursache der Selbstmorde beim Heer die Tatsache, daß die Soldaten körperlich den Aufgaben des Militärdienstes nicht gewachsen sind und daß sie aus Verzweiflung - dieses Unvermögen bringt fortgesetzt Rüffel und Strafen ein - unter den Qualen in einen solchen Seelenzustand kommen, daß sie sich lieber das Leben nehmen, als weiter zu leiden. War es schon im alten Österreich keine Ehrensache, daß man nicht vollständig frontdiensttaugliche Leute dazu qualifiziert hat, so wird das für uns noch diffamierender, weil wir heute unter anderen Umständen leben. Und Tatsache ist heute, daß das körperliche Unvermögen im Militärdienst darauf zurückzuführen ist, daß Leute als diensttauglich klassifiziert werden, die den Strapazen des Militärdienstes nicht gewachsen sind. Der Herr Minister für Nationalverteidigung hat nun einen Erlaß herausgegeben, wonach jeder, dessen frühere Klassifikation nicht festgestellt werden kann, als diensttauglich zu betrachten ist. Und was ist die Folge davon? Daß heute bei der Präsentierung zur Waffenübung Leute als diensttauglich erklärt werden, die zu 35 % erwerbsunfähig klassifiziert sind, schwere Lungenkranke, Tuberkulöse usw. Und was ist die Folge davon? Diese Leute brechen entweder auf dem Exerzierplatz zusammen oder wälzen sich wochenlang, bis die Waffenübungszeit vorüber ist, im Marodenzimmer herum. Ich weiß, man wird meine Worte nicht beachten, wie man eben die Reden der Deutschen niemals beachtet. Man wird die Sache weitertreiben, bis es zu einem ungeheueren Skandal kommt. Wir haben eigentlich schon einen solchen Fall gehabt. Ich verweise da nur auf die Vorfälie in der Militärakademie in Mähr. Weißkirchen. Zweimal hat sich die Öffentlichkeit mit den Zuständen dort selbst beschäftigt, einmal als ein Hangar mit 96 ärarischen Kavalleriepferden abbrannte und das zweitemal, als eine Granateexplosion erfolgte, wobei Menschenleben zu beklagen waren. Beidemale waren Kommissionen dort, aber beide Kommissionen gingen mit Scheuklappen vor den Augen herum. Sie haben die eigentliche Ursache dieser Zustände niemals entdeckt. Ich habe bei der letzten Budgetdebatte darauf aufmerksam gemacht, daß das Erziehungssystem in unserem Heer und in der Akademie in Mähr. Weißkirchen diese Zustände zeitigen müsse. Ich habe damals gesagt: "Wenn es noch eines weiteren Beweises bedürfte, wie ungeeignet die französischen Offiziere zur Ausbildung der èechoslovakischen Soldaten sind, so genügt ein kleiner Hinweis auf Mähr. Weißkirchen" usw. Man hat das nicht beachtet. Einige Monate darauf ist eine förmliche Selbstmordeepidemie in Mähr. Weißkirchen ausgebrochen; 3 Zöglinge haben sich das Leben genommen. Und nun ist man darauf gekommen, daß das französische Kommando in Mähr. Weißkirchen nicht zweckentsprechend ist, nicht als Erziehungssystem für unsere Soldaten paßt.
Es wird sehr hübsch wirken und es wird die Liebe zu dem Dienst bei den Soldaten ganz gewaltig heben, wenn sie am 1. Jänner hören werden, daß die Teuerungszulagen um 50% reduziert werden und wenn sie gleichzeitig hören, daß das Ministerium für Nationalverteidigung alle Vorbereitungen trifft, um die Offiziersgagen zu erhöhen. Ich möchte da noch etwas einschalten. Die Teuerungszulagen für einen Offizier betragen im Durchschnitt 4787 Kronen, für einen Mann 276 Kronen jährlich. Das Gesetz vom 20. Dezember 1922 bedeutet für die Zivilstaatsbediensteten einen Abbau des Einkommens, für die Offiziere aber eine Erhöhung ihres Einkommens. Es läßt sich das leider infolge der schlechten Budgetierung nicht rangweise nachweisen, sondern wir müssen bei der Gesamtsumme bleiben: Im Jahre 1923 gaben wir für Gagen und Zulagen der Offiziere beim Heer 357 Millionen aus, um 28 Millionen mehr wie im Jahre 1922, im Jahre 1924 380 Millionen, also noch um 23 Millionen mehr. Insgesamt geben wir bei gleichem Stand um rund 50 Millionen Kronen nach dem Abbau mehr aus, als früher. Bei einem Rang ist die Überprüfung möglich, beim Generalinspektor der Armee; dieser hat im Jahr 1921 eine Gesamtgage von 30.787 Kronen, i. J. 1922 50.706, i. J. 1923 48.400 und i. J. 1924 57.800 Kronen. Das beweist uns, daß man die Gagen wohl erhöht hat, aber nur in den oberen Rängen. Es ist Tatsache, daß eine große Anzahl Offiziere innerhalb eines Zeitraumes von 2 Jahren und 6 Monaten im Alter von 30 bis 32 Jahren, die nicht die geringste Kriegserfahrung haben, von der achten in die sechste Rangsklasse gekommen ist. Der Herr Minister begründet u. a. die Offiziergagenerhöhung mit Argumenten, die die Öffentlichkeit geradezu zum Lachen reizen. Er sagt: "Es darf nicht vergessen werden, daß die Preise von Fleisch und anderen unbedingt notwendigen Lebensmitteln gegenüber dem Vorjahre bedeutend gestiegen sind und immer noch steigende Tendenz aufweisen." Bei der Mannschaft konstatiert die Heeresverwaltung zur Begründung des Abbaues der Manschaftslöhnung eine Abnahme der Teuerung, bei den Offizieren zur Begründung der Erhöhung der Offiziergagenn dagegen eine Steigerung des Fleischpreise u. a. Artikel. Dann sagt er aber: "Es ist unstreitig, daß derzeit ein Soldat im Vergleich mit einem jüngeren Offizier glänzend versorgt ist." Bitte, dann wäre die Sache einfach zu lösen! Die jüngeren Offiziere sollen halt alle an der Mannschaftsmenage teilnehmen, wenn sie als Offiziere so schlecht verpflegt sind und die Geschichte ist erledigt. (Výkøiky.)
Es ist mir leider, infolge der geringen mir zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich, das Kapitel ausführlich zu behandeln. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß beim Ministerium für Nationalverteidigung das System vorliegt, jedes Jahr eine Gruppe der Rüstungen herauszuheben und besonders zu forcieren. In den Jahren 1921 und 1922 waren es die Monturen und Armaturen, im Jahre 1923 das Artillerie- und Automobilwesen, im Jahre 1924 das Flugwesen. Für Flugzeuge wollen wir das nächste Jahr 15 1/2 Millionen mehr ausgeben, nämlich statt 130 Millionen 145. In vier Jahren haben wir für Flugwesen 450 Millionen ausgegeben. Welchem Umstande wir es, meiner unbescheidenen Meinung nach, zu danken haben, daß das Flugwesen so besonders forçiert wird, das hat der französische General Mittelhauser bei seiner 50. Geburtstagsfeier als Antwort auf die Gratulationsrede des Herr Ministers ausgesprochen. Auf die Anstrudelung des Herrn Ministers sagte er unter anderem: "Abgeschnitten zu sein von den Machtzentren Frankreich und England können Sie in Zukunft die Unabhängigkeit nicht anders bewahren, als wenn Sie die Freiheit der Luft haben, die Luftverbindungen mit der Basis des Westens erhalten. Sie tun weit mehr, Herr Minister, Sie leiten nicht nur die Schritte des nationalen Flugwesens, Sie fliegen selbst." Und so ist es. Der Herr Minister hat sich zu einem großen Flieger entwickelt, er fliegt nach Preßburg, er fliegt nach Neusatz, nach Sarajevo, er fliegt nach Mostar, es vorgeht keine Woche, wo er nicht fliegt, sogar seinen Urlaub benützt er dazu, um den Wirkungskreis der Radioanlagen unserer Luftschiffe zu erproben, und fliegt nach Jugoslavien. Diese Liebhaberei des Herrn Ministers kostet uns sehr viel Geld.