Ich mache aufmerksam auf die Regelung unseres Apothekerwesens. Das ist auch so eine Sache, die schon lange zum Himmel schreit. Wir wissen, daß die Apotheken in der Form, wie sie heute bestehen, nicht erhalten werden können. Wir wissen, daß eine Änderung eintreten muß. Wir wissen auch, daß der Staat seine Einwirkung dahin ausüben muß, daß nicht unsere Krankenkassen durch die Apotheken ausgewuchert werden, wie es vorläugig der Fall ist. Wir wollen, daß das endlich geändert werde. Seit Jahren ist davon die Rede, seit Jahren werden solche Gesetze vorbereitet, aber die Herrschaften im Gesundheitsministerium haben nicht die Energie, sich auzuraffen, immer sind Einflüsse vorhanden, die kontrekarrieren. Wir können uns schon vorstellen, woher die Einflüsse kommen, es stehen gewiß große wirtschaftliche Interessen am Spiele und wirtschaftliche Interessen wissen sich in diesem Staate immermehr durchzusetzen. Es soll das kein Vorwurf gegen die Herren im Gesundheitsministerium sein, nicht daß ich hier vielleicht irgend einen Verdacht aussprechen will; nicht die im Gesundheitsministerium sind maßgebend, sondern diejenigen, die hinter den Kulissen raten und das Zustandekommen dieses Gesetzes verhüten, das wir heute mit aller Entschiedenheit reklamieren.
Ich möchte auch noch darauf aufmerksam machen, daß den Ärzten ein neues Kammergesetz versprochen wurde, für das auch die deutschen Ärzte eintreten, wenn sie sich auch natürlich mit der Wahlordnung nicht einverstanden erklären können, die die Rechte der deutschen Ärzte in so unerhörter Weise verkürzt. Aber wir wissen, daß das bestehende Kammergesetz schlecht ist, wir wollen ein neues Kammergesetz und erklären uns bereit, an dem Zustandekommen eines solchen mitzuarbeiten. Wir warten seit Jahren vergeblich darauf.
Eine neue Ärzteordnung wäre notwendig, das Ärzterecht ist veraltet. Für eine anze Reihe von Dingen, die sich durch die soziale Entwicklung herausgestellt haben, ist heute eine ärztliche Ordnung nicht vorhanden. Ich wiederhole: als wir erfuhren, daß das Gesundheitsministerium errichtet werde, waren wir hocherfreut. Es sind 3 Ärzte an an der Spitze des Gesundheitsministeriums gestanden. Diese drei Ärzte haben nicht vermocht, den Widerstand zu überwinden, der teilweise im Ministerium selbst sich erhob, teilweise auch außerhalb des Ministeriums. Und daß der jetzige Leiter des Gesundheitsministeriums diese Energie und Kraft nicht aufbringen wird, davon sind wir überzeugt. In dem jetzigen Gesundheitsminister können wir keinen Vertreter berechtigter Ansprüche der Ärzte erblicken. Aber es gibt hier auch sehr viele, die in ihm keineswegs den energischen Vertreter der Ansprüche der Volksgesundheit erblicken können, weil er nicht die Kraft hat, im Ministerrat das durchzusetzen, was im Interesse der Gesundheit durchgesetzt werden müßte. Unsere Krankenhäuser befinden sich in einem geradezu erbärmlichen Zustandee. Ich muß auch heute wieder, wie ich es im vorigen Jahre von dieser Stelle aus getan habe, auf die Zustände im hiesigen Allgemeinen Krankenhaus hinweisen. Das ist eine Sache, die nicht allein Prag, sondern ganz Böhmen angeht, weil wir aus gganz Böhmen Deutsche und Èechen hinschicken müssen und es für jeden Arzt wahrhaftig eine schwere Verantwortung bedeutet, Kranke in diese elende Bude zu schicken, die angezündet werden sollte, wie ich schon einmal gesagt habe. Hier gibt es gar kein anderes Mittel! Aber dieser Staat, der sich ein Kulturstaat nennt und Geld für so manches hat - ich will ja nicht von der Armee reden, das ist schon abgedroschen - aber der für repräsentative Dinge Geld übrig hat, für die Vertretung im Auslande, für die Beeinflussung der auswärtigen Presse - alle Achtung vor der Art und Weise und vor der Geschicklichkeit, mit der das geschieht - ein solcher Staat muß auch das Geld aufbringen, das notwendig ist, um den Ärmsten der Armen, den mittellosen Proletariern, für die paar Tage, die sie noch haben, bevor sie der Tod wegrafft, eine anständige Stätte zu bieten, nicht ein Krankenhaus, wie es Prag hat. Ich weiß, verantwortlich dafür ist nicht in erster Linie der Staat, verantwortlich ist zunächst einmal das alte Österreich, in welchem solche Dinge Jahrzehnte hindurch möglich gewesen sind. Aber nachdem der Staat erklärt, daß er diese Erbschaft des altes Österreich nicht antreten will, daß er ein anderer Staat, ein demokratischer Staat, ein sozialer Staat ist, so müssen wir darauf bestehen und beharren, daß diese Aufgaben erfüllt werden. Solange dieser Staat diese Aufgabe nicht erfüllt, solange in dem Staatsvoranschlag, der uns vorgelegt wird, nicht die nötigen Mittel ausgewiesen sind, um diese wichtigsten gesundheitlichen, sozialen und kulturellen Forderungen, die wir an jeden Staat stellen müssen, zu erfüllen, solange müssen wir es negieren, daß dieser Staat seine Aufgabe erfüllt. Er weist immer auf die westlichen Kulturen hin - von Deutschland will er nichts wissen - auf das, was in England und Amerika geschieht, und ich fordere diejenigen auf, die sagen, daß wir an der Seite unserer Bundesgenossen stehen, daß wir die westeuropäischen Kulturen uns zum Muster genommen haben, ich fordere Sie auf, die Einrichtungen, die wir haben, auf die Höhe zu bringen, wie sie dort ist. Dann werden wir Vertrauen zu diesem Staate haben. Dann werden wir Vertrauen haben, daß ie er Staat wirklich imstande ist, seine Aufgabe zu erfüllen. Solange das nicht der Fall ist, verweigern wir Ihnen dieses Vertrauen und können darum uch nicht für diesen Staatsvoranschlag stimmen, der uns vorgelegt wurde. (Potlesk na levici.)
5. Øeè posl. dr. Hanreicha (viz str. 1138 tìsnopisecké zprávy):
Meine sehr geehrten Herren! Bevor ich über die Wirtschaft in unserem Staate spreche, erlauben Sie mir einige Bemerkungen zur Wirtschaft in unserem Parlamente und zur Wirtschaft und zu dem Verhältnisse insbesondere der Koalitionsparteien zu einander. Wie schön und ideal dieses Verhältnis der Koalitionsparteien ist, haben wir soeben bei der Rede meines sehr geehrten Herrn Vorredners gesehen. Ein Mitglied der Koalition hat sich soeben mit einem anderen Mitglied der Ioalition in ziemlich kräftiger Weise auseinandergesetzt. Es ist interessant, daß sich die Herren der Koalition nicht scheuen, die Rednertribüne des Hauses dazu zu mißbrauchen, um ihre wirtschaftliche Position, die sie sich draußen haben zut eilen lassen, hier mit Löwenmut zu verteidigen. Es ist interessant, wenn es ein Herr der sozialdemokratischen Partei zuwege bringt, das Bodenamt zu verteidigen, wenn er und seine Parteigenossen drinnen Pfründen besitzen. Ich kann es durchaus dem Kollegen Šamalík nur zur Ehre anrechnen, wenn er als Koalitionsabgeordneter sich nicht gescheut hat, öffentlich für die Interessen der Landwirtschaft unerschrocken einzutreten.
Es ist bei uns Usus geworden, daß gerade wirtschaftliche Fragen am meisten politisiert werden. Seinerzeit hat man die Kriegsanleihe zur politischen Frage gestempelt, man hat es hernach mit der Frage der Zwangswirtschaft ebenso getan. Nur saßen damals hier auf der Bank der Minister Beamte, und jenes Beamtenkabinett war der bequeme Blitzableiter, den die Agrarier und Sozialisten dazu gebrauchen konnten, um die Unruhe und Unzufriedenheit der Wählerschaft draußen auf das Beamtenkabinett abzuleiten. Meine sehr geehrten Herren von der Koalition! Heute haben Sie ihre Minister hier sitzen und ich hätte denn doch nicht geglaubt, daß Sie vor den Gemeindewahlen, als wir zum Schlusse der Sommersession auseinandergehen wollten, nur zum Zwecke der Demagogie zwei Gesetzesanträge einbringen ließen, den einen über die Vermögensabgabe, den zweiten über die Sozialversicherung. Dann sind Sie damit hausieren gegangen, die Agrarier mit dem Entwurfe betreffend die Vermögensabgabereduzierung, die Sozialisten mit der versprochenen Sozialversicherungg. Es ist eine ganz sonderbare Art, daß man diese wirtschaftlichen Fragen dazu mißbraucht hat, um mit ihnen Wählerfang zu treiben, daß man sich nicht scheut, hier zum Fenster hinauszusprechen, daß hier Reden gehalten werden, nur damit sie in die Zeitungen kommen und die Wählerschaft mißbraucht wird. Politisieren Sie das, was politisch ist, politisieren Sie die kulturellen Fragen, die Frage des Verhältnisses von Staat und Kirche, wenn Sie es sich getrauen, ohne Ihre Koalition zu sprengen. Politisieren Sie die Korruption, politisieren Sie den Spiritus! Ich glaube, das wäre ein edler Zweck für eine Koalition, diese Fragen öffentlich durchzusprechen, damit darüber einmal Klarheit in der Bevölkerung draußen herrsche.
Meine Herren! So wenig aufrichtig die Politik der Parteien ist, so wenig gesund ist unsere Wirtschaftspolitik im Staate, weil sie unter dem Terror der Parteien steht und weil nicht Fachmänner, weil nicht diejenigen darüber zu entscheiden haben, die von der Sache etwas verstehen.
Das Neueste, was wir erleben, ist die Eröffnung agrarischer Abteilungen oder Filialen in den einzelnen sozialistischen Parteien. Ich habe gestern zwei sozialistische Ansichten über Agrarismus zu hören bekommen. Die Frau Kollegin Zeminová hat sich mit Landwirtschaft beschäftigt. Es liegt mir selbstverständlich ferne, behaupten zu wollen, daß die sehr geehrte Kollegin von Agrarismus überhaupt nichts versteht, jedenfalls aber zeigt es von einem Mangel an Eindringen in diese Frage, wenn sie behauptet, daß der Landwirt z. B. an der Zollfrage gar kein Interesse hätte, es interessiere ihn bloß die Progressivität der Steuer und die Zuteilung von Boden. Meine Herren! Ich will nicht bestreiten, daß die Progressivität der Steuern, die wir ja schon bei der Einkommensteuer besitzen, unsere Landwirte im höchsten Grade interessiert, daß auch die Zuteilung von Boden, aber die wirkliche Zuteilung und Aufteilung unter die kleinen Landwirte, unsere ländliche Bevölkerung interessiert; aber durchaus unrichtig wäre es zu behaupten, daß die Zollfrage unsere Landwirte nicht interessiere. Und es ist eine Kühnheit, behaupten zu wollen, daß z. B. England, das heute die Wahlbewegung eingeleitet hat und unter einer konservativen Regierung von dem alten Freihandelssystem abzugehen gewillt ist, angeblich die Landwirtschaft zollfrei belassen will. Man darf nicht vergessen, daß gerade die Regierung Baldwin in England die Einführung des Prämiensystems für die Landwirtschaft plant und damit den Beweis liefert, daß sie eingesehen hat, daß es unmöglich dauernd angehen kann, durch die Tarifpolitik einen Teil der Bevölkerung, u. zw. den industriellen, zu heben und zu fördern, aber diese Förderung einzig und allein auf Kosten des anderen Standes, auf Kosten der Landwirtschaft durchzuführen.
Eine zweite Partei, von der wir wissen, daß sie eine Agrarabteilung seit neuester Zeit besitzt, ist die Partei der deutschen Sozialdemokratie. Der Chef dieser Abteilung, Kollege Leibl, hat gestern hier erklärt, daß die wichtigste Frage, die die Landwirtschaft interessiere, die Bodenreform und die Schaf-fung von Brot sei. Ich will dem Kollegen Leibl durchaus nicht entgegnen, daß die Bodenreform vielleicht nicht eine wichtige Frage wäre, und auch die Schaffung von Brot ist keine Erfindung des Herrn Kollegen Leibl, das ist ja eine Frage, der sich die Landwirte und Bauern schon seit Jahrhunderten und Jahrtausenden mit Fleiß und Eifer hingeben. Aber als Hauptlinie seiner Ausführungen wollte er wohl beweisen, daß die kleinen Landwirte mit den Arbeitern der Industrie solidarisch sind. Um dies zu beweisen, hat er gemeint, daß die kleinen Landwirte es sein müßten oder seien, welche Brot schaffen, welche diese wichtige Arbeit für die Allgemeinheit vollführen. Also nicht die Großagrarier sind es, die das Brot schaffen - er meint damit die Mitglieder des Bundes der Landwirte, nicht die Lichtensteine und Schwarzenberge, wenn er von Großagrariern spricht, wir sind das gewohnt - nicht sie schaffen das Brot, sondern die anderen! Er hat vergessen, etwas zu unterdrücken, was er kurz darauf erwähnt hat, daß nämlich die kleinen Landwirte angeblich 30% des Grundes und Bodens in Händen haben, während die Großagrarier 70 % in Händen haben. Das eine ist jedenfalls sicher, daß die 70 % immerhin zur Brotschaffung etwas beitragen werden und daß es nicht allein auf die 30 % an kommt! Es wurde u. a. auch einer unserer tüchtigsten agrarischen Vorkämpfer, Dr. Lauer, jener berühmte Schweizer Fachmenn, als Zeuge dafür geführt, daß die Kleinlandwirtschaft ertragreicher sei, als die großen Landwirtschaften. Aber dann wundere ich mich darüber, daß Sie, um die Landwirtschaft erträglicher zu machen, nicht in jenem Sinne für die Durchführung der Bodenreform arbeiten, in dem wir tätig sind. Wieso konnte Kollege Leibl gestern erklären, daß Sie gegen die Zerstückelung und Zerreißung der Großgüter sind, weil diese notwendig seien zur Versorgung der Städte u. dgl.? (Hluk. Výkøiky nìmeckých sociálnì-demokratických poslancù.) Es ist unmöglich auf zwei Sesseln sitzen zu wollen, es ist unmöglich, Sozialist und Vertreter der Landwirtschaft zugleich sein zu wollen (Výkøiky posl. Leibla.), dieses wird Ihnen, und wenn Sie noch 100 Jahre leben, wahrscheinlich nicht gelingen! Ich bin überzeugt (obrácen k posl. Leiblovi), daß unsere kleinen Landwirte es Ihnen nicht danken werden, wenn Sie dafür sind, daß die großen Güter bleiben; sie werden es Ihnen nicht danken, wenn die Schafferwirtschaft draußen weiterbleibt, die es unmöglich macht, daß der kleine Landwirt der eigene Herr auf eigener Scholle werde. Wenn Sie das Landvolk draußen näher kennen möchten, würden Sie niemals zu einer solchen Behauptung kommen. Würden Sie die Geschichte des russischen Bauernproblems kennen, dann würden Sie wissen, daß das Streben nach eigenem Besitz es ist, welches den russischen Bauer leitet, und daß die Zusage der Sowjetregierung, die Staats- und Adelsländereien an sich bringen zu können, jenes Moment war, das den russischen Bauer in die Reihen der Sowjets getrieben hat. Ich glaube, es geht dem Kollegen Leibl ungefähr so, wie es jener Goethesche Ausspruch zitiert: Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust. (Výkøiky posl. Schweichharta.)
Es sind außerdem einige spezifische Angriffe gegen meine Partei vorgebracht worden, u. zw. in der Frage des Pächterschutzes. Man kann jede Frage aufzäumen, wie es einem paßt. Die Pächterfrage, meine Herren, die ist nicht überall gleich. In Südmähren oder Südböhmen z. B. haben wir so kolosale Großpächter arischer und jüdischer Konfession, daß wir selbstverständlich nicht für eine Pachtverlängerung zugunsten dieser Herren eintreten können. Das sind Pächter, die Bauernfelder und Kleinbauernfelder in ihrem Betrieb haben. Wir haben uns seinerzeit dagegen ausgesprochen. Bei der Pachtzinsfestsetzung war es ebenfalls meine Partei, welche gegen eine Fixierung war, u. zw. aus einem ganz einfachen Grunde: weil niemand wußte, wie die wirtschaftliche Entwickelung sein werde, und heute sind die Leute froh, daß nicht ein fixer Geldsatz für die Pacht festgesetzt worden ist. Im übrigen, wenn Landwirte mit 15 ha Besitz gezwungen sein sollen, langjährige Pachte weiterhin in Pacht zu belassen, so bedenken Sie doch, daß die Söhne aus dem Felde zurückgekommen sind! Aus diesem Grunde kann ich unseren Standpunkt nur verteidigen.
Es wurde ferner ein zweiter Angriff hier gegen unsere Partei erhoben, betreffend die Frage der Sozialversicherung. Es wurde dem Kollegen Windirsch vorgeworfen, folgenden Ausspruch getan zu haben: "Die sozialistischen Parteien bemühen sich und zerbrechen sich die Köpfe, wie sie die Milliarden, die sie aus der Vermögensabgabe hereinbekommen, wieder loswerden könnten. Sie wollen damit Pfründen schaffen." Das war ungefähr der Inhalt des Ausspruches, den angeblich Kollege Windirsch getan hat. Ich bitte sehr, Herr Kollege Leibl, wir werden es niemals leugnen, daß wir gegen die Schaffung von Pfründen sind. Wir sind es auch heute noch und werden mit aller uns zu Gebote stehenden Macht dagegen auftreten, daß man die Sozialversicherung, die uns mit Millionen und Milliarden belasten wird, zur Schaffung von sozialistischen Pfründen mißbrauche. (Souhlas stoupencù, odpor nìm. soc. demokratických poslancù.) Unlängst erst war eine Enquete, in der von Seite des Prof. Goll die Frage aufgeworfen wurde, warum die Versorgungsgenüsse nicht mindestens das 15fache des Prämiensatzes ausmachen, sondern bloß das lofache. Da wurde ihm erklärt, daß heute die Regie höher ist. Ich glaube es sehr gerne, daß unter der staatlichen oder sozialistischen Verwaltung die Regie allerdings so hoch wäre, daß man unter den usuellen Satz wird heruntergehen müssen und statt der 15fachen bloß eine lofache Zuteilung wird schaffen können. Umsomehr wundert es mich, daß man unsere Stellungnahme zur Sozialversicherung hier im Hause brandmarken soll, wo doch gestern erst Kollege Röttel erklärt hat, daß wir für die Sozialversicherung der kleinen Landwirte und Gewerbetreibenden sind, weil wir wissen, daß man, wenn einmal die Industriearbeiterschaft die Versicherung hat, im selben Momente an die kleinen Landwirte und kleinen Gewerbetreibenden vergessen würde, daß sie dann die Sozialversicherung trotz Leibl und trotz Schweichhart in Jahrzenten und Jahrhunderten nicht hätten. (Výkøiky posl. Leibla a Schweichharta.)
Es ist uns auch eine Interpellation des Abg. Schubert in der Frage der Maul- und Klauenseuche vorgeworfen worden. Ich habe mir diese Interpellation selbstverständlich durchgelesen, und muß sagen, daß Kollege Leibl die Tendenz dieser Interpellation entweder mißverstanden hat, oder mißverstehen wollte. Denn es heißt dort ausdrücklich: "Wenn man sich hiebei auf die beschränkten Mittel beruft, so kann dieser Grund für die Vertreter der Landwirte nicht maßgebend sein, sondern es muß verlangt werden, daß der Staat zu diesem Zwecke soviele Mittel zur Verfügung stellt, daß die Schäden nachweisbar alle ausgeglichen werden können." (Posl. Leibl: Sie haben gewußt, daß der Staat nicht mehr hergibt!) Das war die Tendenz der Interpellation und ich wiederhole nochmals, daß der Sinn dieser Interpellation entweder mißverstanden wurde oder daß man versuchte, ihn mutwillig zu entstellen. Meiner Ansicht nach liegt die Frage bedeutend tiefer. Sie ist mit einer Interpellation nicht abzutun. Die Frage liegt ganz anderswo. Wodurch haben wir eine ständige Gefährdung unseres inländischen Viehstandes durch Seuchen? Warum konnte der Herr Minister für Ackerbau in einer Interpellationsbeantwortung erklären, daß die Ansteckung der Maul- und Klauenseuche zur Zeit des Weltkrieges in verhältnismäßig kleinem Umfange herrschte? Weil damals fremdes Vieh nicht eingeführt wurde und nicht eingeführt werden konnte. Wodurch damals die Seuchengefahr kleiner war. Wann war sie am ärgsten? Im Jahre 1920, als man Tür und Tor aufmachte und Vieh von überallher unter sozialistischem Einfluß aus dem Auslande importierte. Und da will ich Ihnen sagen, wie die Seuchen in einem Jahre laut statistischer Erhebung und Mitteilung des Landwirtschaftsministeriums unserem Viehstande in der Èechoslovakei geschadet haben. Es gingen damals ein 25.315 Stück Rindvieh, welche zum damaligen Preise einen Wert von 202,520.000 Kronen repräsentierten; über 200 Millionen Kronen sind also damals, ohne Rücksicht auf die Verluste an Borstenvieh, Schafen und Ziegen, von denen Zehntausende eingegangen sind, verloren gegangen! Meine Herren von der agr rischen Abteilung der sozialdemokratischen Partei, glauben Sie denn nicht, daß es Ihnen nicht besonders gut ansteht, über diese Fragen mit uns zu rechten, wo Ihre Parteigenossen auf den deutschen und èechischen Bänken für die unbeschränkte Einfuhr von Vieh sind und schuld daran sind, wenn diese Gefährdung des einheimischen Viehstandes, der einheimischen Arbeit, des nationalen Volksvermögens Tag für Tag über uns schwebt? Dann nehmen Sie sich gefälligst an der Nase! Sie sind schuld an dieser Entwicklung, und wenn Sie Vertr ter der Land wirtschaft sein wollen, dann müßten Sie die Plätze, auf denen Sie sitzen, verlassen.
Die Frage wird mit diesen Details nicht gelöst. Die Frage des Agrarismus liegt bedeutend tiefer, es ist ein Komplex von Fragen und es ist meines Erachtens heute eine Frage des Seins oder Nichtseins der Landwirtschaft geworden. Wenn die sozialistischen Parteien in diesem Hause glauben, daß die Zollfrage der Landwirtschaft auf dem Wege gelöst werden kann, wie sie sich es vorstellen, dann werden Sie jedenfalls sehr bald abgewirtschaftet haben. Meine Herren! Es gibt nur eine Lösung und die lautet: Entweder Freihandel für alles oder Schutzzoll ebenfalls für alles! Diese Protektion, die Sie der Industrie zuteil werden lassen, die Protektionierung des Fabrikanten und seiner Angestellten, das ist Ihre Schuld. Sie sind für die Industriezölle ganz im Gegensatz zu dem, was eigentlich laut Ihrem Programme Ihr Vorgehen sein müßte. Sie müßten sich darüber klar sein, daß es vielleicht geht, etwa 5 Jahre die Landwirtschaft als Melkkuh für den Staat und die gesamte Gesellschaft zu betrachten, aber nicht länger! Die Reserven, die im Kriege angehäuft wurden, sind papierener Natur gewesen und heute längst aufgebraucht, und die Verschuldung des Landwirtestandes ist in manchen Gebieten größer, als sie vor dem Kriege gewesen, durch eine verfehlte Wirtschaftspolitik, durch das Fehlen eines Zollschutzes für die Landwirtschaft bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Prohibitivzölle für die Industrie, die aber trotzdem nicht verhindern konnten, daß große Industrien teils völlig brachgelegt worden sind, teil nur mit geringer Kapazität arbeiten können.
Die Bodenreform wird sich auch so nicht lösen lassen, wie es sich die Herren unserer deutsch-sozialdemokratischen Seite einbilden, denn sie leisten damit jener korrupten Art der Durchführung, wie sie die èechische Mehrheit in diesem Hause für gut befunden hat, Vorschub. (Posl. Schweichhart: Wir wenden uns ja dagegen!) Sie sind nicht für die Parzellierung, Sie sind gegen die Zerstückelung und Verkleinerung. Dann kommt dazu, daß die Restgüter an jene Glücksritter und Abenteurer zur Verteilung gelangen, die heute draußen überall auftauchen und die von gewissen Konzernen, die man in Mähren gut kennt, ins deutsche Gebiet, wahrscheinlich als Repräsentanten der èechischen Staatsmacht, vorgeführt und uns hineingesetzt werden.
Wir haben weiters die Frage der Vermögensabgabe zu betrachten. Diese muß gelöst werden ohne Rücksicht darauf, was andere Parteien für Kompensationsforderungen daran knüpfen. Die Vermögensabgabe wurde auf fiktiver Grundlage zu einer Zeit vorgeschrieben, als man uns Papierwerte und Papi ervermögen in Anrechnung bringen konnte, und man will sie uns heute, wo unsere Währung bedeutend gestiegen ist, in guter Währung abknöpfen. Sie und insbesondere die Sozialisten sollten sich bemühen, daß der Zwischenhandel, der in den Städten blüht, abgebaut werde. Gestern erst hat ein sozialistischer Kollege von èechischer Seite erklärt, daß Kartoffeln, die am Lande 25 K bis 30 K kosten, in Prag für 80 bis 100 Kronen verkauft werden. Dabei scheut man sich nicht zu erklären, daß wir Agrarier die Wucherer sind. Nicht der Zwischenhandel ist schuldig, alle sind sie unschuldig, nur der Agrarier, der sich das ganze Jahr müht, den Boden zu bebauen und die Ernte zu bergen und zu Markte zu bringen und nur ein Drittel dessen, was die Händler verdienen, bekommt, ist schuld daran!
Die Steuerfrage ist in erster Linie eine Frage der Sparsamkeit des Staates. Sie können die schönsten Anregungen brin gen betreffs einer Vereinheitlichung, einer Umänderung des Steuersystems, aufgebracht müssen die Milliarden werden, wenn der Staat leben will. Eine Erleichterung des Steuerdrucks ist nur dadurch möglich, daß Sie eine größere Sparsamkeit im Haushalte einführen. Wenn wir dabei die Entwicklung unseres Valutastandes betrachten, wenn wir uns ansehen, wie unsere Währung im Laufe von zwei Jahren fast um das Doppelte gestiegen ist, dann müssen wir sagen, daß der Abbau im Staatshaushalt viel zu gering ist. Es ist über die Frage der Valuta in diesem Hause überhaupt niemals ernstlich verhandelt worden. Es ist uns offiziell auch vom Leiter des Finanzministeriums mehr als einmal erklärt worden, daß das Vertrauen in den Staat die Grundlage unserer Währung ist. Diese Erklärungen reihen sich würdig an jene an, die von interessierter Seite in der Nachkriegszeit, in der Zeit der Inflation und der Deflation, zur Mißachtung und Irreführung der öffentlichen Meinung mißbraucht worden sind. Wir können uns nicht darüber täuschen, daß die Grundlage der Währung die tatsächlich vorhandenen Werte sind, auf Grund deren man Papier und Zettel ausgeben kann, niemals aber das Vertrauen allein. Aber dieses Vertrauen ist eine Ziehharmonika, ist ein Kautschuk, den man nach Belieben dehnen kann, um einer einzelneen Gruppe von Banken durch Valutaschiebereien Verdienste zuzuschachern. Es hat der Herr Finanzminister vor kurzer Zeit erst hier im Hause von mir den Einwurf hören müssen, daß Anzahlungen auf die IX. Kriegsanleihe von den Banken angemeldet wurden und solche Anzahlunggen selbst, die draußen in Wien, also im Auslande, unkontrollierbar, vielleicht als österreichische Kronen existieren, als Èechokronen übernommen werden sollten. Ich weiß, daß die Banken bereits solche Vorscheine in der Hand hatten, daß in der Zwischenzeit allerdings die Auszahlung der Èechowerte eingestellt worden ist. Es grenzt denn doch an einen direkten Volksbetrug, wenn man den kleinen Kriegsanleihezeichnern und Besitzern ihr bißchen Vermögen ab - stehlen will, und auch abstiehlt, während den Banken zu solchen Schiebereien von Seite eines verantwortlichen Staatsamts die Hand geboten wird.
Es ist ein Unglück für uns, daß Finanzminister Dr. Rašín eines tragischen Todes gestorben ist. Ich erkläre das hier, voll dessen bewußt, daß ich vielleicht manchem, der draußen berechtigt auf Rašín nicht besonders gut zu sprechen ist, damit wehe tue. Aber seit dem Tode Rašíns ist sein Werk, die Deflation, der größte Irrtum unserer Währungsgeschichte, geheiligt worden. Jeder Gegner gilt als Ketzer und niemand von der Koalition traut sich den Mund aufzumachen und zu sagen, daß Rašíns Währungspolitik verfehlt war. Sie müssen sich darüber klar werden, ob es möglich ist, die Ausgaben des Staates dem Valutastande entsprechend herabzusetzen, dadurch die Ausgaben zu vermindern, dadurch die Steuern herabzusetzen, oder Sie müssen den Weg der Inflation beschreiten. Es gibt keinen dritten Weg! Diese zwei Möglichkeiten haben Sie. Sie werden sich darüber entscheiden müssen, ob es wichtiger ist, vielleicht einmal ein mutiges Wort zu sprechen, selbst wenn es Ihrer Popularität vielleicht Gefahr bringen könnte, oder ob es besser ist, in diesen volkswirtschaftlichen Sünden weiter zu wirtschaften und Staat und Bevölkerung zu ruinieren. Sie werden auch mit diesem gewissen Staatszozialismus brechen müssen, Sie werden damit brechen müssen, Millionen und Milliarden alljährlich auszugeben, bevor Sie die Deckung dafür haben. Ich möchte die Herren von der agrarischen Seite fragen: haben Sie sich den Kopf darüber zerbrochen, wie teuer jeder Armkommt, indirekt durch die Last, die die Steuerträger und besonders unsere Bauern auf sich nehmen, wenn diese Arme sich für Ihre Anträge heben? Haben Sie sich darüber den Kopf zerbrochen, woher Sie die Milliarden für Bauunterstützungen zahlen werden bei Ihrer jetzigen Wirtschaft, wenn Sie nicht das Militärbudget einschränken, den Bau von Kasernen einstellen und zu sparen anfangen? Ist es möglich, daß Sie so weiterwirtschaften können? Ich glaube, Ihre Wählerschaft draußen istt heute nicht mehr mit allem zufrieden. Sie wissen das besser als ich, und Sie werden mir das eine zugestehen, daß Geld allein bei den Wahlen es nicht machen wird. Es kann leicht passieren, daß es lauten wird: "Gewogen und zu leicht befunden!"
Und zuletzt noch einige südmährische Angelegenheiten. Das Gut Seelowitz, ehemals Erzherzog Friedrichscher Besitz, wurde vom Staat übernommen und an die Gödinger Gruppe weiterverpachtet. Die Ernte war unter Brüdern 15 bis 20 Millionen wert. Die Kündigung erfolgte auf Grund jenes iminösen Gesetzes, das drei Monate Kündigung für die alten Pächter vorsieht, nicht für die neuen, von der Republik sanktionierten Nutzießer. Am 1. April wurde gekündigt und am 1. Juli, als man die Sensen zum Schneiden schliff, ist die neue Gesellschaft eingezogen. Dieselbe Gesellschaft will den Herberstein, schen Besitz Pohrlitz ausschroten. Nachdem sie jedoch nicht das Geld hiezu riskieren wollte, so verlangte sie, daß das Ackerbauministerium gegen Freigabe zur Parzellierung von Gütern in der Slovakei dieses Gut vom Bodenamt kaufen soll. Und dieses Gut sollte dann zur Vermeidung von Risken von der Gödinger Gesellschaft gepachtet werden. Dann ist allerdings eine andere Gruppe in die Quere gekommen und es wurde der Gödinger schwer gemacht, diesen Gewinn einzuheimsen. Wir hören, daß jene Gruppe, in der berühmte und hervorragende Agrarier der republikanischen Partei, Präsidenten, respektive Vizepräsidenten vertreten sind, die Absicht hat, einen weiteren Teil von Südmähren an sich zu bringen und zwar wieder auf diesem geldsparenden Wege, daß man nicht selber die Millionen riskiert, sondern den Staat die Millionen riskieren läßt. Nun ist es zwar richtig, daß der Staat gut daran tut, Güter zu verpachten, weil er, sie selber nicht bewirtschaften kann. Ich habe zwar da den Ausweis der Staatsdomänen vom Jahre 1923 vor mir wonach diese noch aktiv seien. Wir wissen aber, daß bereits das Jahr 1922 auf den Staatsdomänen ein Defizit brachte. Ich möchte mir da doch die Anfrage an den Herrn Landwirtschaftsminister erlauben, ob er uns nachweisen möchte, wie er zu dem Überschusse im Jahre 1923 kommt und wieso er hofft, im Jahre 1924 wieder einen Überschuß auf den Staatsdomänen zu erzielen. De facto war das Jahr 1922 bereits passiv und es werden auch weiterhin die folgenden Jahre passiv sein.
Ich erinnere mich hier daran, daß wir vor Jahresfrist ungefähr einen Ministerposten aufgehoben haben. Der Sessel dieses Ministers steht noch immer da. Ich glaube, es wäre Pflicht unseres Präsidenten, der Abgeordnete, die nicht ins Haus gehören, von der Parlamentswache hinausbefördern läßt, wenigstens auch den Sessel eines Ministers, der nicht mehr hierhergehört, hinausbefördern zu lassen. Denn, meine Verehrten, dieser Minister hat in der jetzigen Zeit wohl keinen Wirkungskreis mehr. Es ist ausgeschlossen, daß man in einer Zeit, wo die freie Konkurrenz auf allen Gebieten ungehindert schaltet und waltet, z. B. die Milch zum Objekt des Anforderungsverfahrens macht. Es ist eine Tatsache, daß wir in Mähren die Milch nach Wien zu bedeutend höheren Preisen verkaufen könnten, wenn wir die Ausfuhrbewilligung auf ein ganzes Jahr bekommnen könnten. Der Minister gibt uns aber die Ausfuhrbewilligung nur für drei Monate, und da sagen uns die Wiener mit Recht: "Zur Zeit des Milchüberschusses könnt Ihr Euch die Milch behalten, da brauchen wir sie nicht; wenn wir Euch die Milch im Sommer und Herbst abnehmen, müsstet Ihr sie uns auch im Winter liefern". Wir brauchen also die einjährige Ausfuhrgarantie, die aber haben wir bis heute nicht erlangen können; trotz der höheren Michpreise in Brünn und Mähr.-Ostrau hat die Landesverwaltung durchgesetzt, daß Brünn die niedrigeren Milchpreise beibehalten muß, und so wird sich kein vernünftiger Mensch darüber wundern können, daß Brünn keine Milch bekommen kann und daß Milchmangel existiert.
Die Frage der Weinsteuer ist für unsere südmährische Landwirtschaft ebenfalls eine Sache von ungeheuerer Bedeutung. Der Weinpreis pro Liter schwankt zwischen 2·50 K und 3·50 K, der Durchschnittspreis beträgt etwa 2·80 K. Die Weinsteuer beträgt 1·40 K. Versäumt einmal ein Landwirt die Anmeldung, so wird er mit dem vierfachen Betrag bestraft, hat infolgedessen per Liter Wein, für den er im besten Falle 3·50 K erhalten kann, 7 Kronen an Steuern und Strafen zu bezahlen. Meine Herren, das ist keine Steuerpolitik mehr, das ist eine Raubritterpolitik, die man unseren Leuten gegenüber betreibt, gegen die wir uns entschiedenst verwahren müssen.