Úterý 29. záøí 1925

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 365. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v úterý dne 29. záøí 1925.

1. Øeè posl. Hillebranda (viz str. 656 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Der unablässige Kampf, den unsere Schulverwaltung insbesondere gegen das deutsche Schulwesen führt und der erst in jüngster Zeit einen Gewaltstreich gezeitigt hat, unter dem die ganze deutsche Öffentlichkeit aufgeschrien hat, hat es dazu gebracht, daß wir nun in der Lage sind, endlich wieder einmal eine Debatte über die Drangsalierung abzuführen, der unser Schulwesen unterworfen ist. Allerdings, die Redezeit ist kärglich genug bemessen, weil man uns unter den Druck der Nötigung stellt, im Interesse der raschen Abwicklung der Budgetdebatte und der raschen Erledigung jener ausgesuchten Vorlage, die die Koalitionsparteien unbedingt noch erledigt wissen wollen, so rasch wie möglich über dieses Kapitel hinwegzukommen. Der Schulminister hat auf die Anklagen, die in unseren Interpellationen enthalten sind und auch hier mündlich vorgetragen wurden, geantwortet. Die Antwort des Ministers erfordert eine nähere Prüfung, sie erfordert Ergänzungen und Richtigstellungen. Und bei dieser Überprüfung werden wir zugleich die Antwort finden auf die Anwürfe und Unterstellungen, die am Tage nach der Antwort des Herrn Ministers insbesondere im "Právo Lidu" den deutschen Parteien und damit auch den deutschen Sozialdemokraten gemacht worden sind, Anwürfe, die sich bis zu der Behauptung steigern, daß die deutschen Parteien und damit auch wir in dieser Antwortdebatte lediglich einen Abwehrkampf führen, einen Rückzug vornehmen, einen Rückzug, aus dem wir insbesondere auch mit Rissen in unserem Charakter hervorgehen werden. Es ware vom Standpunkt des "Právo Lidu" besser, gar nicht viel vom Rückzug zu reden. Parteien, die so oft nach großen Worten im entscheidenden Augenblick zurückzuweichen gewohnt sind, haben keine Ursache, über andere zu spotten und andere zu verhöhnen. Man sollte nicht von Rückzug reden, kurze Zeit nachdem man selbst einen ganz außerordentlich auffallenden Rückzug z. B. in der Marmaggi-Affäre vollbracht hat. Was istnun geschehen, das diese unmittelbaren Angriffe rechtfertigt? Wir wollen den Ausbau der Schulen und man drosselt sie uns. Tausende von Klassen wurden uns gesperrt und ein Schrei der Empörung geht durch das deutsche Volk. Wir bringen unsere Anklagen in einer Interpellation vor und verlangen vom Schulverwalter, dem verantwortlichen Minister, Aufklärung. Ich glaube, es müßte auch dem "Právo Lidu" klar sein, daß es wohl das primitivste Recht einer parlamentarischen Partei ist, in einer Interpellation auszusprechen, was sie zu sagen für nötig erachtet. Wir fühlen uns auf das schwerste getroffen, wir erachten, daß uns ein unerhörtes Unrecht geschehen ist. Hält man es in der Redaktion des "Právo Lidu" für eine Charakternotwendigkeit, kein Wort der Abwehr zu sagen, wenn man sich in seinen Rechten gekränkt erachtet? Ist das ein Charakter, wenn man schweigt, trotzdem man aufschreien möchte? Ist das ein Charakter, wenn man sich duckt, wenn man das Gefühl hat, man müßte sich zur Wehr setzen? Wäre das charaktervoll, wenn wir nur die Faust in der Tasche ballen und schweigen würden zu dem, was wir hinausschreien müßten, wenn es nach unserem Empfinden geht? Wir wären erbärmliche Wichte, charakterlose Gesellen, wenn wir Charakter so auffassen würden, wie uns empfohlen wird. Charaktervolle Menschen lehnen sich auf, wenn sie ein Unrecht, an ihnen geübt, empfinden. Woher nimmt man das Recht, deshalb, weil wir sagen, diese Schulsperrungen müßten nicht sein, uns darum herabzusetzen, die Lauterkeit unseres politischen Charakters anzutasten? Auch sonst wäre es besser, davon nicht gar zuviel Aufhebens zu machen. Wir deutschen Sozialdemokraten haben im alten Österreich, damals, als wir keiner Minderheitennation angehörten, genau denselben Standpunkt in Schulfragen eingenommen wie hier, uns gegen die Verschlechterung gestellt und für die Schulautonomie gekämpft, genau so wie heute. (Souhlas na levici.) Wir sind uns treu geblieben in dieser Frage, in jedem Augenblick unserer politischen Tätigkeit. Und wenn z. B. Genosse Stivín, der diesen Artikel geschrieben hat, seiner früheren Auffassung über die Schulautonomie treu geblieben wäre und mit ihm die sozialistischen Parteien des Mehrheitslagers, vielleicht brauchten wir heute nicht als Ankläger aufzutreten und nicht zu sagen, daß uns in diesem Schulkampfe schweres Unrecht geschehen ist.

Das wollte ich sagen. Mehr über diesen Angriff auf unseren Charakter, glaube ich, ist in der Abwehrstellung, in der wir stehen, dem "Právo Lidu" gegenüber angesichts dieser Angriffe wohl nicht nötig. Wir sind wohl noch nie in Versuchung gekommen, unsere Stellung der Regierungsnähe anzupassen und wir ändern unsere Stellung in der Schulfrage nicht, ganz gleich, ob wir in der Minderheit sind oder etwa zur Macht gelangt wären. Es wird über die Methoden des politischen Kampfes und über die Methoden der parlamentarischen Behandlung wohl noch manches zu sagen sein. Man hat eine Alleinherrschaft aufgerichtet, uns gegenüber kennt man nur die Idee der Gewalt, man fragt uns um nichts, man versucht nicht, durch Verhandlungen irgendeinen Weg zu finden, der auch die Minderheiten einigermaßen befriedigen könnte. Selbstherrlich diktiert man, ein System des Terrors, der Gewalt, ist hier aufger ichtet worden und man scheut sich nicht, mit allen Mitteln die Öffentlichkeit irre zu führen. Was hat man nur mit dieser sogenannten Obstruktion in der èechischen Öffentlichkeit durch die èechische Presse alles getrieben? Es haben die Mehrheitsparteien vollständig vergessen, wie siie der Idee der Obstruktion im alten Österreich gegenüber standen. Sie haben wohl vollständig vergessen, daß z. B. der Abgeordnete Fresl einmal 15 Stunden geredet hat, nicht nur, wie es hier im Budgetausschuß vorgekommen ist, viel kürzere Zeit. Man macht uns Vorwürfe, daß wir Obstruktion getrieben hätten. Und als über das Budgetprovisorium für die Zeit vom 1. April bis 30. Juni des Jahres 1911 im österreichischen Abgeordnetenhause verhandelt wurde, da waren in den èechischen Parteien gewisse obstruktionistische Stimmungen und damals ergriff auch der èechische Sozialdemokrat Modráèek das Wort zu einer mehrstündigen Rede, die man in der Öffentlichkeit als obstruktionistische Rede gedeutet hat. Damals haben die èechischen Blätter festgestellt, daß wohl Modráèek in dieser von Obstruktionsversuchen der anderen èechischen Parteien erfüllten Zeit eine lange Rede gehalten hat, um die sachlichen Bedenken gegen das Budgetprovisorium zu entwicklen, das sei aber keineswegs Obstruktion gewesen. Genosse Modráèek hat damals genau dasselbe getan, was unsere Leute jetzt im Bud getausschuß getan haben. Damals versicherten sie: "Nein, das ist nicht Obstruktion", und nun möchten sie uns mit diesem Wort eine Schlinge um den Hals legen in einer Situation, die selber von èechischen Blättern, auch vom Zentralorgan der èechischen Sozialdemokratie, folgendermaßen gekennzeichnet wurde: "Es wäre ein Unglück, wenn sich eine derartige Verhandlung des Budgets künftig nochmals wiederholen sollte." Diese ganze Methode wird immer unerträglicher und sie nimmt immer perfidere Formen an, Formen, die sich bis zur unerträglichen persönlichen Verunglimpfung steigern. Ich möchte das jetzt nur feststellen und wir behalten uns vor, über die Sache noch sonst ein Wort zu reden.

Der Herr Minister hat versucht, die Mißhandlungen, die das Schulwesen erleidet, zu rechtfertigen. Für uns ist die Sache klar. Es handelt sich uns um den Schutz unserer Jugend, um die höchste Verpflichtung, die der Staat der Jugend gegenüber hätte. Alle Sorgen müßten wir der Erziehung der Kinder zuwenden. Anstatt dessen verwüsten Sie die Schule, denn so ist es, trotz aller Beschönigungen, die da versucht worden sind. Sie haben schwere Versäumnisse auf dem Gebiete des Schulwesens, Sünde auf Sünde gehäuft, es zeigt sich kein ernster Wille zur Reform. Das kleine Schulgesetz war armseliges Stückwerk, wir haben damals aufgezeigt, was ihm fehlt. Anstatt entschlossen wirklich die Schule zu einer weltlichen Institution zu machen, wo man die Menschen zu praktischer Tüchtigkeit erzieht, können Sie sich nicht entschließen, endlich das alte Versprechen der Trennug von Kirche und Schule einzulösen. Anstatt der Schule eine neue Organisation zu geben, wie in anderen Staaten, sie auf eine höhere Stufe zu führen, drücken Sie sie herab. Anstatt sie dem praktischen Bedarf anzupassen, z. B. mit Rücksicht auf die sprachlichen Verhältnisse in unserem Lande den obligatorischen Unterricht auch in der zweiten Sprache einzuführen, lehnen Sie diesbezügliche Anträge, die wir gestellt haben, einfach ab, trotz sonstiger Èechisierungsversuche, die überall unternommen werden. Aber hier geht es um die Versorgung der Menschen und man wünscht nicht, daß die deutschen Kinder alle èechisch lernen, damit sie dann nicht etwa sich Stellen erobern könnten, die man den Kindern der deutschen Eltern und der deuts chen Arbeiter nicht überlassen will. Wir hätten gewünscht, mehr Schulen zu haben. Dafür müßten die größten Opfer gebracht werden. Anstatt dessen würgt man die vorhandenen Schulen ab und schränkt sie in der unerhörtesten Weise ein. Dann glaubt der Herr Minister uns sagen zu können, daß es unrichtig sei, daß das Niveau unserer Schulen Österreich gegenüber sich gesenkt hätte. Er beruft sich - man faßt es kaum - auf die Tatsache, daß in dem Reichsvolksschulgesetz von 1869 die Höchstkinderanzahl mit 80 angegeben ist. Es wäre doch wahrhaftig eine brennende Schande, wenn wir heute nicht weiter wären, als im Jahre 1869. Bestehen bleibt, daß ein Drittel der deutschen Schulen gesperrt worden ist, das ist nicht zu leugnen. Wenn behauptet wird, das Niveau des Schulwesens hätte sich nicht gesenkt: haben Sie etwa ebensoviel neue Schulen errichtet, so daß sich diese Behauptung rechtfertigen würde? Der Herr Minister mußte zugeben, daß in Böhmen 3500 Klasssen weniger seien als früher. Das ist viel schlimmer, als sehbst wir geglaubt haben. Kann man da noch sagen, das Niveau wäre auf der gleichen Höhe geblieben oder hätte sich noch gebessert? Bei Beginn des Schuljahres 1925/26 wurden, wie der Herr Minister uns sagt, aufgehoben, zusammengelegt und zeitweise geschlossen in Böhmen 1712 Klassen, in Mähren 403, in Schlesien 211 Klassen, zusammen also 2326 Klassen, die auf einen Schlag hinweggefegt worden sind. Wenn der Herr Minister sagt, das Niveau des Schulwesens hätte sich nicht gesenkt, frage ich Sie: Schreien uns diese Ziffern nicht in die Ohren, daß ein wirklicher Vernichtungskrieg gegen die Schule geführt wird, daß man ein Trümmerfeld schafft, daß sich ein wahres Wüten vollzieht, ein Kampf gegen die Kultur überhaupt und gegen den Aufstieg und den Fortschritt der künftigen Generation? Ich kann mich auf Einzenzelheiten nicht einlassen. Einzelne Ziffern nur sollen dokumentieren, wie die Dinge in Wahrheit sind: Jetzt, bei Beginn dieses Schuljahres, sind in den Bezirken Gablonz allein 32, Teplitz 33, Podersam ebenfalls 33, Karlsbad 36, Tetschen 37, Aussig 40, Reichenberg Stadt und Land sogar 45 Schulklassen mit einem Schlag gesperrt worden. Im Bezirke Iglau-Land wurde die Zahl der deutschen Schulklassen von 84 auf 38, also um 46 Schulklassen reduziert. Das sind nur Stichproben, meine Damen und Herren! Dann sagt uns der Herr Minister, das Niveau des Schulwesens sei nicht herabgesetzt worden, ja es habe sich sogar zum Vorteil aller Nationen noch verbessert! Das sagt man in demselben Augenblick, wo konstatiert werden muß, daß im Budweiser Bezirk 79%, und im Pilsner Bezirk 72 1/2% der Schulklassen verloren gegangen sind. Der Herr Minister sagt uns: "514 Klassen sind in Böhmen nur zeitweise gesperrt worden." Wir wissen, wie es mit der Handhabung des § 7, Absatz 2 des kleinen Schulgesetzes bestellt ist, das da sagt, daß Zusammenlegungen von Klassen dann nicht erfolgen dürfen, wenn dadurch eine Klasse mehr als 60 Schüler aufweisen würde. Man weiß diese Bestimmung zu umgehen und sperrt lustig drauf los, unbekümmert, zu welchen Konsequenzen das ührt. Der Herr Minister sagt: Diese 514 Klassen seien nur zeitweise gesperrt, man wird sie später wieder einführen. Greift man sich da nicht erstaunt an den Kopf, wie ein Schulmann überhaupt eine solche Auffassung vertreten kann? Lehnt nicht jeder Pädagoge in jedem Lande der Welt die Zusammensperrung verschiedener Altersklassen in den Schulen als eine Störung des geregelten Unterrichtsbetriebes ab? Da sagt man, das Niveau unserer Schule sei nicht herabgesetzt worden. Ich weiß nicht, der Herr Unterrichtsminister ist zweifellos über die Dinge, die sich in Wahrheit abspielen, falsch informiert worden. Was man da treibt, das ist ein frivoles Spiel mit der Zukunft unserer Kinder, mit der Zukunft nicht einmal nur unserer Kinder, sondern auch der Kinder des èechischen Volkes, dem man auch einen Teil seiner Schulen, wenn auch nicht in dem Riesenumfange wie bei uns, gesperrt hat.

Überall schreitet man an eine höhere Organisation des Schulwesens, bei uns drückt man es herab. Wenn wir darauf verweisen, daß wir statt 5klassigen fast nur noch dreiklassige Schulen haben, ganze Bezirke wie z. B. Karlsbad fast keine 5klassige Volksschule besitzen, anstatt 23 nur 3, wenn in der Stadt Teplitz, einer der ersten deutschen Städte des ganzen Staates überhaupt, keine 5klassige Schule mehr vorhanden ist (Výkøiky na levici), sagt der Minister, das Niveau des Schulwesens sei nicht herabgedrückt worden, und er sagt uns, fünfklassige Schulen zu erhalten, sei Sache der lokalen Autonomie. Hat man denn vergessen, daß alle Bemühungen von Gemeinden und Bezirken, solche aufgelassene Schulen auf eigene Kosten zu errichten, am eisernen Widerstande der Schulverwaltung gescheitert sind, daß man uns diese Autonomie nicht gibt, uns daran verhindert, es uns verbietet, daß kein Mittel absurd genug ist, um es nicht unserem Schulwesen gegenüber anzuwenden? Hat man wenigstens die Schulen dort, wo sie am allerdringensten, wo sie brennendste Notwendigkeit sind, geschont, in den einsamen Gebirgsdörfern? Hat man die uns in Ruhe gelassen? Der Minister hat gesagt, man gehe vorsichtig vor bei der Auflassung einklassiger Schulen. Nun, das wird nicht gerade bestätigt durch die Tatsache, daß die Schule in Rennersdorf, die 191 Jahre bestand, aufgelassen wurde. Der Minister operiert mit Dingen, über die er anscheinend unrichtig berichtet worden ist. Ich kenne aus eigener Erfahrung eine solche einklassige Schule im Ascher Bezirk, im Orte Himmelreich. Dort hat man zur nächsten Schule mindestens eine Stunde lang zu gehen, einen Bergweg herunter, der bei schlechtem Wetter und im Winter kaum passierbar ist. Die Schule dort, die auch mehr als 100 Jahre besteht, ist auch aufgelöst worden. So ist die Sache. Wir haben heute weniger große und weniger ganz kleine Schulen. Man achtet nicht darauf, ob die Kinder imstande sind, einen weiten Weg zu gehen in Frost und Wetter, bei Schnee und Regen. Man achtet nicht darauf, daß das unweigerlich eine weitere Zahl von Schulversäumnissen zur Folge haben muß, die also den natürlichen Bildungsgang des Kindes nur noch hindert. Da sagt man uns, das Schulniveau ist nicht herabgesetzt, es ist sogar gebessert worden! Es ist unfaßbar, wie man mit einer solchen Darstellung vor das Parlament hintreten kann. Man sagt uns, die Schulverwaltung strebe sogar nach einer Vervollkommnung des Schulwesens, die im Auge behalten werde. Wir haben unsere Erfahrung, und ich sage Ihnen, wenn Sie diese Vervollkommnung in der Weise fortsetzen wie bisher, dann werden Sie bald vollkommen mit dem Respekt fertig sein, den die Welt eventuell dem Schulwesen dieses Staates früher einmal entgegenbringen konnte.

Der Herr Schulminister hat darauf verwiesen, daß diese Schulsperrung mit Rücksicht auf den Rückgang der Schülerzahl kaum zu umgehen war. Ich möchte bei dieser Gelegenheit sagen: der Staat wendet eigenartige Methoden an, die Schülerzahl zu erhöhen. Wenn man z. B. den Staatsangestellten lediglich für die ersten beiden Kinder die Zulage zuerkennen will und für weitere Kinder nicht, so wird man kaum bewirken, daß die Kinderzahl rapid steige und dadurch die Voraussetzung geschaffen werde, gesperrte Schulen neu zu errichten. Wenn man von dem Rückgang der Kinderzahl spricht, verschweigt man, daß bei der Feststellung dieser Kinderzahl in den einzelnen Klassen nach einem bestimmten System vorgegangen wird. Schüler, die in andere Schulgemeinden gehören, aber aus bestimmten Gründen in diese Schulen gehen, werden nicht mitgezählt. Kinder, die schon einige Monate die Schule besuchen, bevor sie nach dem Gesetz schulpflichtig sind, werden nicht mitgezählt. Die deutschen Kinder, die man mit allen Mitteln der Ranküne und der Gewalt in èechische Minderheitsschulen preßt, werden nicht mitgezählt. Nicht die faktische Schülerzahl entscheidet, sondern die, die man sich mit allen Mitteln konstruiert, um einen Anlaß zu finden, gegen diese Schulen vorzugehen.

Ist aber ein Schülerrückgang nur in der Èechoslovakei vorhanden? Ist das eine Erscheinung, die unser Privileg darstellt? In den Wiener Schulen ist seit 1913 die Schülerzahl um 120.000 gesunken. Während die durchschnittliche Kinderzahl in einer Klasse im Jahre 1918 47 betrug, ist sie jetzt auf 28 per Klasse gesunken. Und doch ist es der Wiener Schulverwaltung ganze Jahre hindurch nicht eingefallen, mit Schulsperrungen vorzugehen und Lehrer abzubauen, und erst in der letzten Zeit ist dies in einem für unsere Begriffe hier ganz unbedeuten, den Masse geschehen. Aber Wien hält es anders! Dort sind die Ersparungsgrundsätze wesentlich verschieden von denen, die hier herrschen. Dort werden 20.000 Schüler auf Gemeindekosten ausgespeist, die eine Hälfte vollständig kostenlos. Da schickt man 20.000 bis 30.000 Kinder jährlich in Ferienheime, da gibt man gratis die Lehrmittel ab; an 2000 Èechokronen jährlich gibt Wien für jedes Schulkind aus. Es scheint, daß man im Gegensatz zu dem Bilde, das man sonst von Wien und Österreich entwirft, in Wien vor allem dem Schulwesen eine ganz andere Sympathie und Aufmerksamkeit entgegenbringt, als es bei uns geschieht, wo man immer nur vom Sparen spricht. Bei uns hier gibt es keine Ausspeisung, keine Lehrmittel, die gratis abgegeben werden, bei uns schickt man die Schüler nicht auf Kosten der Allgemeinheit in Ferienheime, bei uns sperrt man die Schulen und glaubt so, für den Staatshaushalt besser vorzusorgen. Bei uns jagt man die Kinder hinaus bei Wind und Wetter, benützt den Rückgang der Schülerzahl nicht etwa, um die Situation zu nützen und die Schulen auf ein höheres Niveau zu führen, wie in anderen Ländern. Hier muß der Schülerrückgang eine Entschuldigung sein, damit man den Kindern die Schulen nimmt.

Wie stellt sich denn die Schulverwaltung die individuelle Erziehung der Kinder vor? Ist es denn nicht die primitivste Weisheit, die schon den Lehramtskandidaten eingepaukt wird, die Erziehung könne nur dann von Erfolg begleitet sein, wenn der Lehrer imstande ist, genau die individuellen Eigenschaften jedes einzelnen Kindes zu kennen? Wenn Sie 60, 70 Schüler in eine Klasse sperren, wie es das kleine Schulgesetz vorsieht, glauben Sie, daß der Lehrer in einem halben Jahre nur die Namen der Kinder kennt, geschweige denn ihre persönlichen Eigenschaften? Eine vorausschtige Schulverwaltung müßte den Rückgang der Schülerzahl benützen, um die Schule emporzuführen, anstatt sie noch zu entrechten und zu vertilgen, Vergleichen Sie die Ziffern, die in anderen Ländern maßgebend sind für die Frage, wann neue Schulen errichtet werden müssen. Wenn wir hören, daß in England bei 40, 50, in Dänemark bei 35, in Schweden bei 10 Schülern - und ähnlich liegen die Verhältnisse in der Schweiz und in anderen Ländern - neue Klassen aufgemacht werden müssen und daß bei uns das kleine Schulgesetz 75 und in späteren Jahren mindestens 60 Schüler fordert, dann sagt uns noch der Unterrichtsminister, das Niveau unserer Schule vertrage den Vergleich mit jedem europäischen Staate auch bei strenger Beurteilung! Der Vergleich mit Wien z. B. würde ein ganz verteufelt großes Manko zu unserem Schaden ergeben. Der Herr Minister lasse sich doch nicht nur berichten, er sehe sich doch selbst um! Man kann nur sagen, wenn man fortfährt, wie bisher, werden wir nicht viel vergleichen dürfen mit anderen europäischen Staaten. Dann werden wir nach und nach einen Vergleich aushalten nur mit dem Schulwesen in Spanien, in der Türkei oder in Albanien.

Der Herr Minister hat weiter gemeint, die Klagen seien unbegründet, daß man die Lehrer brotlos macht, die meisten hätten freiwillig quittiert. Ich würde es gut verstehen, wenn sie freiwillig quittieren könnten, wenn sie sonst ihr Fortkommen fänden. Bei der Behandlung, die sie erfahren, wäre ea kein Wunder, wenn man ihnen Zulagen verspricht und die Zulagen dann zurückbehält, wenn man ein unredlicher Schuldner ist, sich um Verpflichtungen nicht kümmert, die man eingegangen ist, wenn man die Lehrer bespitzelt und drangsaliert, wie es so vielen Lehrern bei uns ergeht. Wenn einzelne gegangen sind, so wußten sie, daß ihnen der Hinauswurf droht. Tatsache ist, daß durch diese Vorgänge 3000 Lehrer arbeitslos geworden sind, denen man grausam und ohne Rücksicht ihre Existenz zerstört. Woher, wenn ewig dieses Damoklesschwert über ihren Häuptern hängt, woher soll die Begeisterung für den Beruf kommen, wenn man sie wie Tagwerker eines schönen Tages auf die Straße setzt? Hebt man so das Niveau unserer Schulen, wie uns versichert wurde? Man sagt: Wir müssen Schulen abbauen, Lehrer abbauen. Warum? Wir haben, so versichert man uns mit Stolz und mit noch mehr Stolz sagt man es dem Auslande, wir haben heuer doch sogar schon einen Überschuß im Staatshaushalte! Warum spart man denn gerade hier? Für die Verwaltung der Schulen, für die Jugendfürsorge, für die Arbeitsvermittlung, für die Sozialversicherung wirft man im ganzen 270 Millionen aus, aber für den Militarismus hat man 1935 Millionen übrig. Wenn man sparen muß, muß es an jenen Ziffern geschehen, die der Kultur und der sozialen Fürsorge dienen? Muß man da wegnehmen, während der Militarismus siebenmal so viel verschlingt? So kultiviert man den Mord, mordet man die Kultur, so treiben Sie die Leidenschaften in die Höhe all der Menschen, die mit dem System nicht einverstanden sein können. Wenn Sie sparen wollen, sparen Sie doch an der Gesandtschaft bei dem sogenannten Heiligen Vater in Rom, Sie rühmen sich doch immer, daß Sie endlich reinen Tisch machen wollen, nur fehlt es bisher an Mut zur Tat. Was wir sehen, ist blindes Wüten gegen die Kinder, gegen die Lehrer.

Aber freilich, man sucht es genießbar zu machen durch die Versicherung, daß diese Schulpolitik, diese Klassensperrung nichts gemein hätte mit nationaler Politik. Man muß die Versicherungen sehr vorsichtig hinnehmen. Wir haben keine Kontrollmöglichkeit über jede einzelne Ziffer und diese Kontrolle ist außerordentlich wichtig. Ich gestatte mir daran zu erinnern, daß ich hier von dies em Platz aus in einer früheren Schuldebatte, ich glaube im Jahre 1922, in der Lage war, klipp und klar nachzuweisen, daß die Angaben des damaligen Schulministers in schreiendem Widerspruch standen zu den Ziffern, die uns der Generalreferent des Budgets Pro fessor Srdínko vorgetragen hat. Ich habe damals Aufklärung gefordert, wie es möglich sei, daß die Aussagen des Ministers mit denen des Hauptreferenten nicht im Einklang stehen. Der Herr Minister hat geschwiegen und Herr Srdínko, der doch sonst so gerne gute Lehren gibt, hat auch geschwiegen. Das mahnt zur Vorsicht, da wird man stutzig, und darum sagen wir: Wir müssen die Dinge wesentlich näher prüfen können, die mechanische Mathematik, die hier Anwendung findet, hat für uns keine überzeugende Kraft.

Die Schulsperrungen haben mit nationaler Politik nichts gemein, wird uns gesagt. Nun, im Bezirk Petschau hat man von 6 deutschen Schulen 3 gesperrt. Es waren aber 6 èechische Kinder vorhanden, darum mußte dort eine neue èechische Schule aufgemacht werden. In dem reindeutschen Ort Wiesenberg war ein èechisches Kind vorhanden, das reif für die Schule war; also genug Anlaß, dort mit allen Mitteln eine èechische Minderheitsschule zu errichten. Dafür hat man in Rennersdorf eine Schule, die 191 Jahre bestand, gesperrt. Dann sagt man uns, daß habe mit nationaler Politik nichts zu tun. Ja, es sind auch 1379 èechischen Klassen gespert worden, versichert uns der Herr Minister, aber wir haben kein Wörtchen aus dem Munde des Herrn Ministers darüber gehört, daß in derselben Zeit auch 1150 èechische Minoritätsschulen aufgemacht worden sind. Warum schweigt man darüber? Warum gibt man uns keine Antwort auf die Frage, die ich schon unlängst gestellt habe: Wieviel deutsche Minoritätsschulen sind denn in derselben Zeit aufgemacht worden? Man schweigt. Warum schweigt man? Heraus mit der Sprache, wenn man uns versichern will, das habe mit nationaler Politik nichts zu tun! 23·75% der Gesamtbevölkerung, nämlich die Deutschen, haben nur 2% der gesamten Minderheitsschulen: Das macht es einigermaßen plausibel, warum so wenig davon die Rede ist, warum man sich hütet, diese Ziffern anzuführen, warum man stillschweigend darüber hinweggleitet. Darum hat man die Sprache verloren, darum hüllt man sich in Schweigen diesen Tatsachen gegenüber. Und merkwürdig, die Deutschen haben keine Minderheitsschulen. Sonst gibt man uns doch jeden Tag in schonungslosester Weise zu spüren, daß wir die Minderheit sind, aber wenn es um die Minderheitsschulen geht, da ist diese Minderheit plötzlich nicht vorhanden, da findet man diese Minderheit nicht, da setzt man sich einfach über sie hinweg. Und dann kommt man her und sagt uns: all das hat mit nationaler Politik nichts zu tun. Man übt jeden Zwang und jedes Kunststück aus, um deutsche Kinder in die èechischen Schulen zu pressen. Mein unmittelbarer Vorredner weiß zu gut, wie die Dinge sind, ich kann mir ersparen, die Unredlichkeit seiner Argumentation zu entlarven, wenn er sagt, es werde kein Zwang ausgeübt in dieser Beziehung.

Meine Damen und Herren, man darf doch nicht annehmen, daß man der ganzen Öffentlichkeit einreden könnte, daß hier mit gleichem Maß gemessen wird. Man beruft sich darauf, daß auch èechische Schulen gesperrt worden sind. Als Deutscher sage ich Ihnen: Das ist für Sie ein besonderes Kapitel der Schande! Wir wünschen auch nicht, daß Ihre Schulen gesperrt werden, die Schulen, die wir haben und die Sie haben, wir sollen sie alle erhalten im Interesse der besseren Zukunft, im Interesse der Höherentwicklung der künftigen Generation. Und deswegen sagen wir Ihnen: Halten Sie endlich ein, suchen Sie die Besinnung, die anscheinend verloren gegangen ist, wiederzufinden. Die Besinnungslosigkeit tobt gegen uns, heute ist die Politik, die Sie treiben, eine engstirnige Verfolgungswut, ein vernunftswidriger Kampf gegen die Kultur, gegen die Volksbildung, gegen die Zukunft des Staates, gegen die Zukunft der Völker, die in ihm leben, ein vernunftswidriger Kampf vor allem gegen die Besitzlosen, für die die Volksschule das einzige Bildungsmittel darstellt, über das sie verfügen. Machen Sie endlich Schluß mit dieser Politik des Terrors und der Gewalt, auf die Sie sich vollständig eingeschworen haben, überwinden Sie den Haß gegen unser Schulwesen, suchen Sie zurückzufinden auf die Bahn der Vernunft, die, wenn irgendwo, unweigerlich hier in der Frage des Schulwesens beschritten werden müßte.

Wenn wir mit aller Vehemenz und aller Leidenschaft, die uns innewohnt, gegen das unerträgliche Unrecht, das man am deutschen Schulwesen begeht, uns zur Wehr setzen - ich will es Ihnen sagen, damit man nicht wieder durch falsche Nachrichten die Öffentlichkeit vergifte und irre führe - so ist es keine Spur von Nationalismus, die uns bei diesem Begiinnen leitet. Wir haben, wie ich vorhin sagte, in Österreich dieselben Grundsätze der Schule gegenüber eingehalten und wir haben nicht selten, auch wenn es sich um die èechische Schule handelte, den Mut aufgebracht, ganz anders wie Sie, auch für das Recht der èechischen Minderheitsschule einzustehen. Wir haben nicht danach gefragt, was wir politisch für Dank für diese Tat des Charakters ernten werden, wie ich dem Genossen Stivín sagen möchte, von dem ich gerne wüßte, daß er sich zu einer ähnlichen Charakterstärke entschließen möchte, wenn es um unser Schulwesen geht. Immer wieder haben wir gesagt, wenn wir gegenüber der Unterdrückung unseres Schulwesens Protest erhoben - und auch im alten Österreich haben wir es schon gesagt - es gibt in dieser Frage nur eine Lösung, das ist die bedingungslose kulturelle Autonomie, die allen Völkern zugestanden werden muß. Wieder zitiere ich Ihnen - weil Sie so schwerhörig sind, gerade wenn man den Mann zitiert, mit dem Sie sonst immer im Auslande soviel Glanz auf sich zusammensuchen - ich zitiere wieder einmal den Präsidenten Masaryk, der in seiner ersten Botschaft an die Nationalversammlung gesagt hat: "Das Wesen der Demokratie liegt in der Administrative und in der Selbstverwaltung". Von der Demokratie rede ich in dem Zusammenhang nicht. Warum verweigern Sie uns, auch im Gegensatz zur Meinung des Präsidenten der Republik, die Selbstverwaltung, die Ihnen doch nichts nimmt, die eine Bestätigung dessen wäre, was Sie immer behaupten, daß wir in einem demokratischen Staat leben? Anstatt uns die Autonomie wirklich zu geben, haben Sie im Jahre 1923 den letzten Rest der Schulautonomie dadurch ausgetilgt, daß die Zweiteilung des mährischen Landesschulrates durch einen Gewaltakt aufgehoben wurde. Wir sind es müde, ewig unter der Bevormundung zu stehen, wir sind es müde, immer und immer wieder zu fühlen, daß Sie das Recht des Stärkeren bedingungslos und skrupellos gegen uns aussnützen.


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