Pøíloha k tìsnopisecké zprávì
o 369. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pátek dne 2. øíjna 1925.
1. Øeè posl. Schäfera (viz str. 989 tìsnopisecké zprávy):
Sehr geehrte Herren! Die Mehrheitsparteien haben sich gegenüber der Opposition eine Art der Beurteilung angewöhnt, die nicht neu ist, aber die doch recht bezeichnend genannt werden muß. Anklagen, alle Beschwerden, alle Vorschläge, die vorgebracht werden, tut man ab mit dem Hinweis darauf, daß sie der Abgeneigtheit gegen den Staat entspringen. Man tut sie ab damit, daß man sagt, sie kommen von Politikern oder von Parteien, die diesen Staat verneinen, die Nörgler sind, die kleinlich sind, nicht das Große sehen wollen, das in den letzten sieben Jahren geschaffen worden ist. Mitunter kommt es noch schlimmer in der Beurteilung und in der Bezeichnung der Opposition. Es wird als Verrat an den Staatsinteressen bezeichnet, wenn oppositionelle Parteien gegen die Koalitionspolitik, gegen die Politik der "Pìtka", ankämpfen. Ich sagte schon, daß diese Methode nicht neu ist. Man ist nach ihr im alten Österreich vorgegangen, es ist der Kampf gegen die Sozialdemokratie im Deutschen Reiche drüben genau so von den herrschenden Klassen, von den Regierungen geführt worden. Wer nicht alles, was geschah und was eine Regierung nternahm, in Ordnung befunden hat, der galt immer als Staatsfeind, immer als Nörgler, immer als ein Mensch, dem man es nie rechtmachen kann.
Untersuchen wir nun einmal, was sowohl im Budgetausschuß, als hier im Haus bisher gegen die Politik der "Pìtka" vorgebracht worden ist. Es sollte die Aufgabe der Mehrheitsparteien sein, zu prüfen und zu untersuchen, ob Anklagen und Beschwerden berechtigt sind, und Sie sollten sich der Mühe unterziehen, zu prüfen, ob Ihre staatliche Politik, die Wirtschaft im Staate mit den großen Zielen, mit den Versprechungen übereinstimmt, die Sie sich vor der Schaffung dieses Staates für den Fall gesetzt haben, als Sie einmal Ihre Selbständigkeit erreichen. Auch Sie sollten untersuchen und gerecht prüfen, ob nicht gerade die Opposition und der Kampf, den die Oppositionsparteien gegen die "Pìtka" führen, daraus entspringt, daß diese Republik alles schuldig geblieben ist, was man von ihr erwartet hat und von ihr nach all dem erwarten konnte, was wir von Ihrer Politik zur Zeit des alten Österreichs kennen. Es ist nicht Abneigung gegen den Staat, die uns veranlaßt, dagegen aufzutreten, daß wir immer mehr und mehr in altösterreichische Einrichtungen zurückverfallen, in altösterreichische Regierungsmethoden, in die Methoden des Obrigkeitsstaates, in jene Methoden, die dadurch gekennzeichnet waren, daß jeder einzelne Staatsbürger förmlich unter Polizeiaufsicht lebte. Es wird bei uns viel von der Entösterreicherung gesprochen. Worin besteht diese Entösterreicherung? Welche politischen Einrichtungen in diesem Staate zeigen uns, daß wir entösterreichert wurden, daß die Entösterreicherung das Ziel der leitenden Staatsmänner dieser Republik ist? Wir haben nach dem Gesetz politische Freiheit, aber die gleichen Einschränkungen der politischen Betätigung bestehen in diesem Staate, wie wir sie im alten Österreich gehabt haben. Ich erinnere nur daran, daß nicht einmal das Recht der Staatsbürger, sich zu vereinigen, in diesem Staate anders behandelt wird, als das in Österreich der Fall war. Das Vereinsgesetz mit allen seinen Rückständigkeiten und Widersprüchen gegen jede Freiheit der Vereinigung bleibt aufrecht. Wer mit der Errichtung von Vereinen oder mit den Landesbehörden bezüglich der Bewilligung von Statuten zu tun hat, der kommt bald darauf, daß heute genau die Kleinlichkeit und Engherzigkeit in der Behandlung und Beurteilung der Statuten von Vereinen u. s. w. vorhanden sind, wie im alten Österreich. Nehmen wir das wichtige Recht der Staatsbürger, das Recht sich zu versammeln. Wir haben im alten Österreich in Kampfgemeinschaft mit dem èechischen Proletariat trotz der Rückständigkeit der Gesetze ein Anrecht zu Kundgebungen auf der Straße errungen. Was merken wir in der demokratischen und freiheitlichen Republik, in der Èechoslovakei? Ich erinnere mich da an eine Kundgebung der deutschen Staatsangestellten und öffentlichen Beamten, die vor kurzem in Aussig stattfand. Nach dieser Versammlung, deren Verlauf übrigens auch vom Regierungskommissär gestört wurde, gingen die Teilnehmer ruhig gegen den Aussiger Marktplatz zu; kaum waren sie eine kurze Strecke Wegs gegangen, da stellte sich ihnen ein Polizeikommissär mit einem großen Aufgebot von Wachleuten entgegen und verlangte das sofortige Auseinandergehen. Die Versammlungsteilnehmer fügten sich dieser Anordnung, mußten sich fügen. Es wurde auch von den Vertrauensmännern den Versammlungsteilnehmern ohne weiters erklärt, daß man sich mit dieser Anordnung abfinden müsse. Aber sie konnten doch nicht verschwinden, sie mußten weiter gehen, sie gingen zwar auseinander, aber auf dem Marktplatz kamen immer wieder Gruppen zusammen, und als ihnen dann durch einen der Vertrauensleute der staatlichen Angestellten gesagt werden sollte, daß sie, nachdem die Kundmachung zu Ende sei, ruhig den Platz verlassen sollen, da erklärte der Polizeikommissär, daß sofort und augenblicklich der Marktplatz geräumt werden müsse, sonst würde Gewalt angewendet. Im nächsten Augenblick, noch ehe ein Wort zu den dort Versammelten gesagt werden konnte, ordnete er auch die Gewaltanwendung an. Wir haben im alten Österreich uns während des Krieges nicht einmal verbieten lassen, nach großen Versammlungen ruhig auf der Straße dem Nachdruck zu geben, was wir an den Staat an Forderungen zu stellen hatten. Im alten Österreich ist es in unzähligen Fällen vorgekommen, daß nach politischen Versammlungen die Massen der Teilnehmer einen Demonstrationsgang auf irgendeinen öffentlichen Platz unternahmen oder vor das Haus einer Behörde zogen; wir wissen, und es müssen uns das jene Parteien in der èechischen Koalition bestätigen, die damals mit uns wiederholt gegen Ungerechtigkeiten im alten Österreich Kundgebungen veranstaltet haben, daß wir durch unser unausgesetztes Auftreten da erreicht haben, daß man solche Kundgebungen nicht mehr mit brutaler Gewalt zu verhindern suchte. Wir sind jetzt wieder dort angelangt, wo jede kleine Versammlung der Behörde angemeldet werden muß, wo jede Versammlung sich damit abfinden muß, polizeilich überwacht zu werden. Wir wollen an einigen Beispielen zeigen, wohin wir gekommen sind und die Frage aufwerfen, ob das "entösterreichern" heißt. In Sternberg hat man eine Gedenkfeier für die Märzgefallenen veranstaltet. Die dortige politische Behörde verbot für den Aufzug das Tragen roter Nelken, ja sogar das Tragen der Parteiabzeichen. Nicht einmal im alten Österreicn unter den reaktionärsten Regierungen ist versucht worden, das Tragen roter Nelken zu verbieten, und wahrhaftig, die österreichischen Behörden haben vor der roten Farbe immer eine heillose Angst gehabt. Bei den Streiks haben wir im alten Österreich stets unseren schärfsten Kampf dagegen geführt, daß sich in die Auseinandersetzung zwischen Unternehmer und Arbeiter die Behörden zugunsten der Unternehmer einmengen und Genda rmerie lediglich zum Schutze der Unternehmerinteressen aufmarschieren lassen. Unsere letzten großen Kämpfe, die wir führen mußten, lehrten uns, daß wir glücklich wieder soweit sind, daß der Streikbrecher außerordentlichen Schutz genießt, daß sich die Gendarmerie bemüht, für die Unternehmer, deren Arbeiter in den Streik getreten sind, weil sie eine gerechtfertigte Lohnerhöhung nicht bewilligen wollen oder von organisation swegen nicht bewilligen dürfen, Arbeitswillige ausfindig zu machen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. Hruban.) Kundmachungen und Weisungen von Behörden, sich nicht zu versammeln, und vor allem jene bekannte Weisungen, ja vor den Betriebsstätten nicht zu Besprechungen zusammenzutreten, sind glücklich wieder da. Und ebenso, meine Herren, ist es mit der Behandlung der Staatsbürger, was die freie Meinungsäußerung anlangt. Da mischen sich unsere Behörden in Dinge und kümmern sich um Sachen, die sie wirklich gar nichts angehen. So wollte der Deutsche Lehrerbund in der Èechoslovakei eine Hauptversammlung der reichsdeutschen Lehrer in Hamburg besuchen. Diesem Besuch wurde von den Behörden nicht zugestimmt, mit der Begründung, daß die Entsendung eines Vertreters der Lehrer nicht bewilligt werden könnte, weil in Hamburg nur Fragen beraten werden, die für Deutschland Interesse haben, aber nicht für Lehrer in der Èechoslovakei.
Wir sind eine Republik, ein Staat, dessen Machthaber wiederholt versichert haben, daß es mit zu den Aufgaben der neuen Staaten gehört, für die Sicherung des Friedens zu wirken. Wie verhalten sich nun die staatlichen Ämter zu den Kundgebungen für eine wirklich durchgreifende Friedenspolitik? Wir hatten im vorigen Jahre einen Antikriegstag der Arbeiterklasse; auch die èechoslovakischen Arbeiter haben nach den Weisungen der sozialistischen Gewerkschaftsinternationale gegen die Wiederkehr eines Krieges gearbeitet, dadurch, daß sie die Anhänger der Arbeiterklasse aufriefen, gegen eine Politik zu protestieren, die die Kriegsgefahr heraufbeschwören könnte. Was ist von den politischen Behörden an den einzelnen Stellen gegenüber diesen Kundmachungen für eine Stellung eingenommen worden? Da hat ein Vertrauensmann in Ostböhmen mehrere Monate nach dieser Kundgebung einn Strafmandat erhalten, u. zw. deswegen, weil unter seiner Führung auf einzelnen Tafeln Aufschriften im Umzuge getragen wo den sind, die gegen die Interessen des Staates verstoßen. Ich will nun vorlesen, um welche Aufschriften es sich dabei gehandelt hat.
1. "In der Èechoslovakei entfällt auf dreizehn Soldaten ein Offizier, auf 40 Schüler ein Lehrer." Meine Herren, das sind Zahlen, die vollständig und genau dem damaligen Staatsvoranschlag entsprechen. 2. "Für das Heer 2.299,900.000 Kronen, für die Schule etwas über 500 Millionen Kronen." 3. "In Europa gab es 1913 3 1/2 Millionen Soldaten, 1924 4 1/2 Millionen Soldaten." 4. "Der Kapitalismus trieft vom Blute der Armen." Die Zahl der Todesopfer im Weltkriege. 5. "Kinder aller Länder kämpfen gegen den Krieg." Noch eine Tafel war dabei: "Der Pfarrer segnet den Krieg. Wir wollen nichts mehr von ihm wissen." Nun, meine Herren, wissen Sie auf Grund welchen Verfahrens der Vertrauensmann der Arbeiter wegen dieser Aufschriften bestraft worden ist? Auch das muß man lesen. Auf Grund der kaiserlichen Verordnung vom 20. April 1854. Was in Österreich schon längst beseitigt ist, das lebt in der Èechoslovakei und wird benützt zur Verurteilung von Staatsbürgern deswegen, weil sie in einem Zuge Aufschriften gegen den Krieg haben tragen lassen. Ist das Entösterreicherung? Sie geraten in eine ganz berechtigte Aufregung, wenn von den Habsburgern die Riede ist. Meine Herren, es gibt in unserem Staate niemanden, der an den österreichischen Zuständen und an der politischen Schandwirtschaft der ehemaligen Habsburger irgendwelchen Gefallen gefunden hätte. Der Kampf gegen die zitierte kaiserliche Verordnung, das sogenannte Prügelpatent, ist im österreichischen Parlament geführt worden, solange es dort eine sozialdemokratische Partei gegeben hat. Diesen Kampf haben wir im alten Österreich Hand in Hand mit den èechischen Sozialdemokraten geführt. Sie sollten schon aus der Abneigung, die Sie immer gegen alles, was an Habsburg erinnert, herauskehren, trachten, diese Überreste der Reaktion aus der Habsburger-Zeit zu beseitigen. Ihre erste Aufgabe hätte es sein sollen, mit den Überresten der Habsburger - Reaktion aufzuräumen. Aber statt dessen benützten Sie die kaiserliche Verordnung, unter der der Name eines Habsburgers steht, um die staatsbürgerlichen Freiheiten einzuschränken. Ich weiß nicht, was Sie darüber sagen können und ob Sie es verurteilen können, daß die deutschen Sozialdemokraten diese Zustände aufzeigen, daß sie sich dagegen zur Wehr setzen, wenn sie Anklage erheben gegen die Koalitionspolitik und gegen diese Regierung, daß sie nicht nach den Grundsätzen handeln, die bei der Schaffung des Staates aufgestellt worden sind, daß sie nicht handeln nach den Grundsätzen die in der Verfassung niedergelegt sind. Sie bedienen sich der alten reaktionären Unterdrückungsmittel aus der Habsburger-Zeit, ja noch mehr, die Unterdrückungsmittel läßt man sogar in verschärftem Maße auferstehen. Sie haben noch nicht das Prügelpatent, noch nicht die reaktionären preßgesetzlichen Bestimmungen aus der österreichischen Zeit beseitigt. Diese haben Ihnen noch nicht einmal genügt, Sie sind noch weiter gegangen. Das Schutzgesetz der Republik ist ein Instrument zur Erwürgung und Ertötung jeder politischen Bewegung. Die Zahl der Verhandlungen, der Anklagen und Denunziationen auf Grund des Schutzgesetzes beweist, wohin wir gekommen sind. Ein Preßgesetz haben Sie erstehen gelassen mit zahlreichen reaktionären Bestimmungen. Es besteht noch das objektives Verfahren; konfisziert wird genau so viel wie in der reaktionärsten Zeit des alten Österreichs. Sie freuen sich darüber, wenn einmal ein Jahr da ist, wo es etwas weniger Konfiskationen gegeben hat, wie im Jahre zuvor. Anstatt überhaupt dem ein Ende zu machen, daß die freie Meinung in der Presse verfolgt wird, sind Sie schon zufrieden, glauben Sie schon den Grundsätzen der Demokratie entsprochen zu haben, wenn der Staatsanwalt einmal ein Jahr weniger zu konfiszieren gefunden hat. Nicht einmal mehr in witziger Form darf man bestimmte Einrichtungen in der Èechoslovakei glossieren. Es sei erinnert an die Verurteilung eines sozialdemokratischen Redakteurs deswegen, weil dieser in einem Blatte in Bildern und Versen die Pfäfferei glossiert hat. Das heißt nichts anderes, als daß nicht einmal mehr durch die Satire, durch bildliche Darstellungen der geistige Kampf, der Kampf gegen geistige Verdummung geführt werden darf. So könnten wir zu diesen einzelnen Tatsachen, die beweisen, wohin wir gekommen sind, noch zahlreiche andere Fälle anführen. Sagen Sie nicht, daß es Abneigung gegen den Staat, Querulantentum, Nörgelei ist, was die Opposition gegen Ihre Politik vorbringt. Antworten Sie uns, ob diese Vorkommnisse geeignet sind, darauf stolz zu sein, antworten Sie uns auf die Frage, ob das, was wir an solchen Vorkommnissen dutzendfach und hundertfach aufzählen vermögen, übereinstimmt mit den Grundsätzen der Demokratie, mit jener demokratischen Auffassung, von der Sie im alten Österreich im Kampfe gegen die Habsburger-Reaktion stets gesprochen haben. Wo ist die Einlösung des Versprechens geblieben, das Sie bei Schaffung des Staates gegeben haben, das stehende Heer durch die Miliz zu ersetzen? Der Kampf gegen den Militarismus ist in Österreich von der deutschen sozialistischen Partei gemeinsam mit der tschechischen Sozialdemokratie, und mit aller Leidenschaft geführt worden. Auch Politiker und Männer, deren Namen in der Öffentlichkeit einen guten Klang haben, haben ihrer Abneigung gegen den Militarismus Ausdruck gegeben. Das Wort von der Soldatenspielerei, die einmal überwunden werden müsse, stammt von keinem deutschen sozialdemokratischen Nörgler, sondern einem Manne, den Sie und den wir ehren. Was aber tun Sie? Sie halten an dieser Soldatenspielerei fest, Sie opfern für sie Milliarden, ja Sie steigern in der Zeit des Abbaues, der Entlassungen der Staatsbeamten für diese Soldatenspielerei die Ausgaben. Sie werden sagen: Unser Militarismus ist etwas ganz anderes, ist ein demokratischer Militarismus, das ist nicht der Militarismus des alten Preußens, des zus ammengebrochenen Österreichs, den wir aus tiefster Seele - Sie mit uns - gehaßt haben, sondern ein demokratischer Militarisms. Da sind Vorkommnisse unmöglich, wie sie im alten Österreich Grund zu Anklagen und zum Kampfe gegen das System den Militarismus gegen haben.
Schauen wir uns einmal etwas näher den èechoslovakischen Militarismus an. Es mehrt sich die Zahl der Soldatenselbstmorde. Die Zustände in einzelnen Garnisonen sind überaus übel. Es ist die Art des Umganges mit den einfachen Soldaten, die einrücken, fast genau so geworden wie im alten Österreich. Gehen wir noch etwas weiter. Sehen wir nicht auch, wie genau dieselbe Wirtschaft einreißt wie im alten Österreich? Die Offiziere werden bevorzugt. 1924 und 1925, wo sie der Mannschaft den Lohn einmal gekürzt haben und ein andermal ihn kürzen wollten, sind den Offizieren und Rottmeistern Zulagen gegeben worden, 1924 den Offizieren 1200 Kronen und den Rottmeistern 800 Kronen, 1925 den Offizieren 2000 Kronen und den Rottmeistern 1600 Kronen. Sie haben dann noch eine Neuerung eingeführt. Jeder Offizier bekommt für den Tagdienst, den er tut, extra noch 4 Kronen. Ich will gar nicht davon sprechen, was bereits im Budgetausschusse und auch hier gesagt wurde, daß die Ausgaben für den Militarismus gegenüber den Ausgaben für Kulturzwecke, für die Volksschule u. s. w. ungeheuer groß sind und jetzt noch eine Steigerung erfahren sollen. Ich will nicht verweisen darauf, was von Jahr zu Jahr in den Manövern verpulvert wird, 1922 40 Millionen, 1923 52 Millionen, 1924 73 Millionen, 1925 86 Millionen und im nächsten Jahre 69 Millionen. Ich will ein anderes Kapitel mit paar Worten berühren.
Wie schaut es unter anderem mit dem Militärgerichtswesen aus? In Theresienstadt gibt es eine Zelle, die man die Principzelle nennt. Als das alte Österreich zusammengebrochen war, hat man diese Zelle, in der der Attentäter Princip zu Tode gehungert worden ist, mit Blumen geschmückt. Man hätte meinen sollen, daß ein demokratisch veranlagter Staat, eine demokratisch veranlagte Regierung vor allem Wert darauf legen müßte, daß diese Zelle nicht mehr zum Aufenthalt von Gefangenen benützt wird. Ein Militärprozeß in Theresienstadt aber hat Geheimnisse enthüllt, über die man nicht so ohneweiters hinweggehen soll. Das, was darüber im Budgetausschuße ausgeführt wurde, verdient hier wiederholt zu werden. Die Princip-Zelle wird wieder zur Unterbringung von Sträflingen benützt. Bei dem erwähnten Prozesse ist herausgekommen, daß Militärsträflinge geohrfeigt worden sind, daß ein Sträfling dazu verleitet wurde, einen anderen zur Flucht zu überreden, damit er einfach auf der Flucht erschossen werden könne. Ein Rottmeister hat einen Sträfling im Dienste mißhandelt. Zu seiner Verteidigung hat Major Vlach ausgeführt, daß er sich um die Gefasgenen deshalb nicht habe kümmern können, weil er mit der Beantwortung telephonischer Anfragen zu sehr beschäftigt gewesen sei. Ein Oberleutnant hat zugegeben, den Sträfling Jirák 6 Stunden in die Zwangsjacke gesteckt zu haben, ein Gefreiter hat einen Sträfling die Zwangsjacke angelegt und ihn in Ketten legen lassen. Es sind noch weitere Zeugenaussagen da, die geradezu unglaublich klingen, aber doch der Wahrheit entsprechen. So hat in diesem Prozeß ein Sträfling ausgesagt: "Ich bekam Ohrfeigen, dann mußten wir uns entkleiden und man führte uns in die Princip-Zelle wo sie uns geschlagen haben." Ein anderer Sträfling hat ähnlich ausgesagt. Der Militärprokurator hat daraufhin die Anklage noch auf andere ausgedehnt, die sich Mißhandlungen haben zuschulden kommen lassen. Ich könnte noch andere Zeugenaussagen anführen, ich will sie übergehen. Fest steht, daß in der Theresienstädter Strafanstalt unglaubliche Mißhandlungen vorkommen, feststeht, daß die berüchtigte Zelle, in der man den Attentäter Princip untergebracht hatte, um ihn zugrunde zurichten, wieder benützt wird, daß sie heute wieder dazu dient, Sträflinge hineinzuwerfen. Durch diesen Prozeß ist erwiesen, was im alten Österreich und in Deutschland stets von den sozialistischen Parteien an den Pranger gestellt wurde, daß Mißhandlungen vorkommen, daß Taten geschehen, die der strengsten Verurteilung bedürfen. Aber hören wir einmal den Verteidiger der angeklagten Offiziere und Rottmeister. Er führte aus, daß Ohrfeigen überhaupt nicht als Mißbrauch der Amtsgewalt angesehen werden können. (Hört! Hört!) Was würden die Demokraten, Demokraten mit Anführungszeichen, von denen wir jetzt Lehren annehmen sollen, wohl zu einer solchen Erklärung ein es Militärverteidigers in Alt-Österreich gesagt haben? Das Urteil, das sie damals abgegeben hätten, fällen wir auch heute. Ich überlasse Ihnen, die notwendige Bezeichnung für den Mann zu finden, der eine so unerhört grausame Erklärung in einem Prozeß abzugeben den Mut hat. Und wie ist das Urteil ausgefallen? Schließlich sind die Angeklagten freigesprochen worden, alle die Mißhandlungen haben keine Ahndung gefunden.
Der Kampf gegen den Militarismus ist eine Ehrensache aller sozialistischen Parteien. Und wenn wir deutsche Sozialdemokraten diesen Kampf gegen den Militarismus auch heute in diesem Staate führen, so sollte uns vor allem kein sozialistisch denkender Abgeordneter und Politiker einen Vorwurf machen. Sie sollten es vielmehr begrüßen, daß das von unserer Seite geschieht, was Sie aus politischen Gründen vielleicht nicht tun zu können glauben. Ich glaube zwar, daß es Fragen gibt, bei denen es eine Zurückhaltung aus politischen Gründen nicht geben kann. Und schließlich, sind wir nicht auch sonst was den Militarismus anlangt, ins Österreichische zurückgekehrt? Den Säbel haben wir wieder und es ist schon soweit gekommen, daß man von Regierungsstellen aus höhnen hört über die Einführung der Miliz.
Der nationaldemokratische Abgeordnete Svozil hat am ersten Tag der Debatte hier im Hause gesagt: Der Gedanke von einem dauernden Frieden, das ist eine Utopie! Wir wissen schon, warum von jener Seite drüben erklärt wird, der Kampf um die Sicherung eines dauernden Friedens sei eine Utopie. Wenn Sie wirklich für die Sicherung eines dauernden Friedens alle Mittel Ihrer Staatspolitik einsetzen wollten, dann müßten Sie ja zu allererst die Rückkehr zum alten Militarismus bekämpfen, dann müßten Sie das Wort einlösen, welches Sie bei Gründung des Staates der Bevölkerung gegeben haben, nämlich die Miliz einzuführen, müßten das Versprechen einlösen, daß das stehende Heer nur eine vorübergehende Erscheinung sein werde, daß Ihre Gedanken ununterbrochen darauf gerichtet sein werden, den Militarismus abzubauen und die Miliz einzuführen, Unsere Politik richtet sich also nur gegen die Abkehr von der wirklichen demokratischen Politik, deren Sie sich schuldig gemacht haben, richtet sich gegen die Außenpolitik des Staates, die fort und ausschließlich darauf bedacht ist, die Einrichtungen des Gewaltfriedens zu erhalten.
Wir wenden uns gegen jene Maßnahmen der Außenpolitik, die eingreifen in die Rechte, die einem jeden Volk zustehen sollten. Wieviel haben Sie im alten Österreich von dem Selbstbestimmungsrecht der Völker gesprochen! Sie haben heute in den öffentlichen Lokalen, auf den Bahnhöfen und überall neben dem Bildnis des Präsidenten Masaryk noch jenes des Präsidenten Wilson hängen. Denken Sie mitunter daran, wie wenig von dem verwirklicht worden ist, was Wilson seinerzeit als Evangelium verkündet hat? Kein Volk soll unter eine Souveränität gezwungen werden, unter welcher es nicht zu leben wünscht. Das steht in einer Botschaft Wilsons an Rußland aus dem Jahre 1917. Die Demokratie muß zur allgemeinen Überzeugung, zur Weltanschauung werden, hat Präsident Masaryk in einem seiner Werke geschrieben. Sie verehren die Namen, aber ihre Grundsätze und ihre Gedanken weisen Sie weit ab von sich, die haben in Ihrer Politik keinen Platz. Was ist es denn als ein Eingriff in die Selbständigkeit eines Volkes, wenn Sie in Ihrer Außenpolitik mit dazu beitragen, daß der einzig mögliche Weg, den das kleine Österreich gehen kann, nicht beschritten werden darf, wenn man die Österreicher zwingen will, ihren kleinen lebensunfähigen Staat wirtschaftlich als den letzten Grad der staatlichen Entwicklung anzusehen. Jetzt entwickelt sich wieder im österreichischen Parlament eine Debatte ab, in der aufgezeigt wird, wie man an diesem Staate gesündigt hat, in der aufgezeigt wird, daß die Sanierung Österreichs, soweit sie bis jetzt von den Siegermächten und von Genf aus durchgeführt wird, das Land nicht vor wirtschaftlichen Krisen zu schützen vermag. Lassen Sie doch einem Volke die Möglichkeit, sich staatlich so einznzurichten, wie es das Volk für notwendig und nützlich hält. So könnten wir auch noch andere Kapitel der Außenpolitik aufschlagen und wir würden zu dem gleichen Ergebnisse kommen, daß auch da die Grundsätze, unter denen der Staat geschaffen worden ist, verleugnet werden und heute keine Rolle mehr spielen.
Es ist immerhin nützlich, auf einige Dinge zu verweisen, die mit der Innen- und Außenpolitik zusammenhängen. Sie werfen uns vor, daß wir aus nationalistischen Kleinlichkeiten heraus im Budgetausschuß gegen den Staatsvoranschlag gekämpft haben, Sie haben uns hier vorgeworfen, daß wir nicht mitarbeiten. Es ist auch eine Mitarbeit, wenn wir uns an den Beratungen beteiligen, wenn wir Vorschläge machen und Verbesserungen beantragen. Als Mitarbeit kann nicht nur bezeichnet werden, daß man, ohne sich von der Notwendigkeit einer Gesetzesvorlage zu überzeugen, ja sagt und zustimmt, weil diese Gesetzesvorlage von der "Pìtka" kommt und in einem Konventikel vereinbart worden ist. Das ist keine Mitarbeit und kann nicht allein als Mitarbeit bezeichnet werden, wenn man alles, was in der èechoslovakischen Politik geschieht, für richtig hinnimmt, sondern man muß untersuchen, prüfen und diesen Vorkommnissen kritisch gegenüberstehen. Es ist also gar nicht wahr und nach außen hin eine Irreführung, wenn Sie sagen, die oppositionellen Parteien und mit ihnen die deutschen Sozialdemokraten arbeiten nicht mit. Im Blatte des Herrn Ministerpräsidenten kann man heute unter anderem auch einen Aufsatz über die Parlamentsdebatte lesen, in dem gesagt wird, daß wir nicht richtig mitarbeiten, und in dem die Frage gestellt wird, wieso wir uns denn über die kurze Zeit der Beratung des Budgets beklagen, nachdem wir im Budgetausschuß und hier soviel Gelegenheit haben, zu sprechen und Anklagen zu erheben. Darum geht es ja gar nicht. Man kann einfach einen Staatsvoranschlag von dem Umfange, wie es der èechoslovakische heute ist, wenn er um 5 Uhr nachmittag im Hause aufgelegt wird, ihn den nächsten Tag nicht schon bis in seine Einzelheiten kennen, und das ist es, was wir bekämpfen. Natürlich können wir reden und es wäre mancher Koalitionspartei lieber, wenn sich auch die Opposition Schweigen auferlegen würde.
Meine Herren, wir haben eine andere Auffassung von der Demokratie, und darin besteht der große Gegensatz. Wir haben eine Auffassung von der Demokratie, wie auch Sie sie manchmal in der Theorie haben. Da hat kürzlich der Herr Ministerpräsident bei irgend einem Ereignis eine Rede gehalten, worin er eine Erklärung der Demokratie gegeben hat und in der er zu seinen Koalitionskollegen sagte: "Sie vergessen, daß Demokratie Wahrheit ist, in der Demokratie dürfen wir einander nicht belügen. Der größte Wert der Freiheit ist, einander die Wahrheit zu sagen." Handeln wir nicht nach den Erklärungen, die hier gegeben werden? Wir sind nicht dazu da, einander schöne Dinge zu sagen, wenn es keine schönen Dinge zu sagen gibt. Wir wollen einander die Wahrheit sagen. Ich weiß nicht, wie weit innerhalb der Koalition von der Methode des Wahrheitssagens Gebrauch gemacht wird. Mitunter dringt aus der Koalition die eine oder die andere Nachricht, und man weiß, daß der Verkehr nicht immer der harmonischeste und beste ist. Aber das, was Sie innerhalb Ihrer Koalition als demokratischen Grundsatz auffassen und bezeichnen, das muß auch im ganzen gelten. Wir müssen die Möglichkeit und das Recht haben, die Wahrheit zu sagen; wir müssen das Recht haben aufzuzeigen, wo die staatliche Politik auf falschem Wege ist. Sie halten sich darüber auf, meine sehr verehrten Herren von der Koalition, daß wir das Vorgehen gegen die Minderheiten in diesem Staate beklagen. Sie bezeichnen es als nationale Wuerelen, wenn wir uns gegen die Verdrängung des deutschen Arbeiters und Angestellten verwahren, wenn wir uns gegen Ihre Methoden, die Deutschen und Minderheitsvölker in diesem Staate niederzuhalten, wenden. Sie sollten auch da daran denken, daß es einmal anders geheißen hat. Vor Tisch hat man es anders gelesen, als jetzt. Während des Krieges noch hat der jetzige Präsident Professor Masaryk ein Buch geschrieben "Das neue Europe". In dies em Buche sagt er folgendes: "Die gewaltsame Unterdrückung, Entnationalisierung und Umnationalisierung in allen gemischten Staaten ist ein ungeheurer Energieverlust und eine Herabdrückung des moralischen Niveaus. Auch die herrschende, die unterdrückende Nation schädigt sich dadurch, daß sie Gewalt übt, und dadurch, daß sie keineswegs die besten Charaktere der unterdrückten Nation aufnimmt," und er weist darauf hin, daß da für das sprechendste Beispiel, gerade der ungarische Staat ist. An einer anderen Stelle eines lesenswerten Buches sagt er: "Und wenn das neue Europa nicht auf streng durchgeführtem Nationalitätenprinzip aufgebaut wird, so werden die nationalen Minderheiten durch gewisse Garantien gesichert werden müssen. So wird es auch in Böhmen sein. Die Èechen haben stets den Ruf nach Gleichberechtigung und nicht nach Oberherrschaft erhoben. Der èechoslovakische Staat wird mit Rücksicht auf seine zentrale Lage stets ein Interesse daran haben, daß den Deutschen und den anderen kleineren Minoritäten alle Rechte garantiert werden." So wird es der gesunde Menschenverstand erfordern. Wir berufen uns, wie Sie sehen, auch auf èechische Männer bei der Vertretung unserer Forderungen. Sollen wir zu all dem schweigen, sollen wir ruhig sein, unabwendbar und als Schicksal hinnehmen, wenn wir in unseren Kulturerfordernissen geschädigt werden, sollen wir dazu schweigen, wenn wir auf der ganzen Linie ein gehässiges Vorgehen gegen alles, was sich zur Opposition bekennt, wahrnehmen, sollen wir es ruhig hinnehmen, wenn in den Fabriken und in den staatlichen Ämtern systematisch und planmäßig die deutschen Arbeiter und Angestellten verdrängt werden?