II. Vom Schulbesuche.

Zu § 17. Die Bürgerschule soll Pflichtschule bleiben aber nur Pflichtschule für jene Kinder, die Gewähr bieten, daß sie das Lehrziel erreichen. Soll sie fähig sein, neben der Untermittelschule die Vorstufe für die zu schaffende Völkische deutsche Mittelschule, zu bilden, so muß sie von Elementen befreit werden, die wie Bleigewichte ihren Fortschritt hemmen. Freie Bahn dem Tüchtigen! hört man heute allüberall. Wie aber kann dem fleißigen, begabten Schülern in der Bürgerschule das geboten werden, was sie und ihre Eltern zu verlangen das gute Recht haben, wenn der Lehrer einen großen, vielleicht den größten Teil seiner Kraft und seiner Zeitdarauf verwenden muß, die unfähigen Schüler recht und schlecht mitzuschleppen? Allgemeine Aufnahmsprüfungen sind mit dem Charakter der Bürgerschule als Pflichtschule nicht zu vereinigen, auch sind sie nach dem Urteile erfahrener Schulmänner durchaus kein sicheres Mittel, um alle untauglichen Schüler abzuhalten, Eine viel bessere Gewähr hiefür ist aber geboten, wenn die Lehrer der Bürgerschule ihre Schüler erst genauer kennen lernen und die längere Zeit gründlich beobachten.

Zu Abschnitt III.

Die Bürgerschule hat sich als eine unentbehrliche Bildungsstätte für die breiten Schichten des Volkes erwiesen. Sie hat im Volke tief Wurzel gefaßt; ihre Notwendigkeit ist allgemein anerkannt und man wünscht ihren gesicherten Bestand.

Neben der inneren Ausgestaltung im Geiste der Zeit, wie er im I. Abschnitte dieses Gesetzentwurfes zum Ausdrucke komm, ist vor allem dahin zu wirken, die Zahl der Bürgerschulen zu vermehren und so jedem entsprechend vorgebildeten Kinde den Besuch einer Bürgerschule zu ermöglichen, was bisher durchaus nicht der Fall war. Dem ist in den §§ 23, 25 und 27 Rechnung getragen.

Die Koedukation (gemeinsame Erziehung beider Geschlechter) hat Freunde und Gegner; sie hat Nachteile besonders auf der Oberstufe der Pflichtschule und ist für die Bürgerschule mit Rücksicht auf die bedeutende Gabelung der Erziehungs- und Unterrichtsziele der beiden Geschlechter nicht empfehlenswert, Die Errichtung sogenannter gemischter Bürgerschulen ist ein bloßer Notbehelf, der durch die örtlichen Verhältnisse bedingt sein muß (§ 28).

Der § 30 enthält mit Rücksicht auf die ungünstigen Zeitverhältnisse nur die notwendigsten Erfordernisse, um die Errichtung von Bürgerschulen nicht zu erschweren; doch mögen die beteiligten Faktor darauf dringen, daß, wo es nur immer möglich, zeitgemäße Forderungen in Bau und Einrichtung der Bürgerschulen berücksichtigt werden, Insbesondere sollte der Bau von Schulkasernen, wie sie vielfach in Städten bestehen, vermieden werden. Empfehlenswert ist das Pavillonsystem, eine landschaftliche Umgebung für das Schulhaus sowie dessen Anpassung an das Gesamtbild des Ortes. Viele Einrichtungen, wie Physik und Arbeitssäle, Schulküchen, Schülergärten und landwirtschaftlicher Versuchsfelder sprechen für sich selbst und bedürfen keiner weiteren Begründung.

Der Standpunkt, die Schulerfordernisse in ihrer Gänze dem Staate zu überweisen, erweckt starke Bedenken; auch wurde bei Beratung der bezüglichen §§ dieses Entwurfes mit Recht auf die Fürsorge hingewiesen, mit welcher die meisten Gemeinden ihre Schulen betreuen. Doch ist darauf Rücksicht genommen, daß der Staut, wo es nottut, aus seinen Mitteln helfend eingreife (§§ 36, 38 und 39).

Die Forderung, daß jedes Volk die Ausgaben für das eigene Schulwesen selber aufzubringen hat, bedarf ebenfalls keiner weiteren Begründung.

Zu Abschnitt IV.

Die fachwissenschaftliche Ausbildung der Bürgerschullehrer muß künftig an der Hochschule erfolgen.

Bisher waren die Lehrer bei der Vorbereitung zur Fachprüfung zum größten Teile auf das Selbststudium angewiesen, welches für die meisten Fachgegenstände nur als ein Notbehelf gelten kann. Auf die Ausbildung zum Bürgerschullehrer hatte man vergessen und man suchte diesem Mangel durch Bürgerschullehrerkurse einigermaßen abzuhelfen. Dieser unhaltbare zustand muß abgestellt werden.

Abschnitt V.

Die amtlichen Bezirks und Landeskonferenzen der Bürgerschullehrer sind ein wesentlicher Faktor für die Ausgestaltung der Bürgerschule gewesen; sie laben sich bewährt. Viele Bestimmungen sind jedoch veraltet, Namentlich muß ihr Wirkungskreis auf eine andere, zeitgemäße Grundlage gestellt werden.

Die Gaueinteilung des Schulverwaltungsgesetzes ist Beim Schulbetriebe nicht förderlich; ihre Motive durften abseits des Schulinteresses liegen.

Die Forderung des Bestandes einer Bezirksbücherei (§ 56) ist notwendig; doch wichtiger als die Bezirksbücherei ist die Lehrerbücherei jeder Schule.

Zu Abschnitt VI. und VII.

 

 

Die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Bürgerschullehrerschaft ist im Vorworte (Punkte 6, 7, 9, 10 und 11) begründet.

Motivenbericht.

1. Das Reichsvolksgesetz vom 14. Mai 1869, durch welches die Grundsätze des Unterrichtswesens bezüglich der Volksschulen festgestellt wurden, war ein Rahmengesetz. Durch die sogenannte Schulnovelle (Gesetz vom 2. Mai 1883) wurden einige Bestimmungen des Gesetzes v. J. 1869 im rückschrittlichem Sinne abgeändert (Ministerium Taaffe!).

Nicht unerwähnt aber darf bleiben, daß sich damals für die durch die Schulreform vom J. 1869 geschaffene Bürgerschule das Bedürfnis geltend machte, nette Bestimmungen zu, erlassen, welche die Bürgerschule zu einer; selbständigen Schulanstalt erklärten und in der Folge die rasche Entwicklung der Bürgerschule ermöglichten.

2. Von ganz wesentlicher Bedeutung aber waren jene Bestimmungen des R.-V.-G. v. J. 1869, nach welchen den Landtagen der einzelnen Kronländer das Recht zustand, innerhalb der durch die Reichsgesetzgebung aufgestellten Grundsätze die näheren Anordnungen betreffend die Errichtung, Erhaltung und den Besuch der österreichischen Volksschulen, sowie die Regelung der Rechtsverhältnisse des Lehrerstandes und die Schulaufsicht zu beschließen. Landläufig war hiefür der Ausdruck verländert geprägt.

Die Geschichte jener Tage vermeldet, daß, hervorragende Männer die Überzeugung hatten, daß unter den Ländern und auch unter den Volksstämten ein edler Wettstreit einsetzen werde, das beste Schulweser zu schaffen. Die Hoffnungen wurden nur zum Teile verwirklicht. Und daß vieles anders kam, war nicht allein die Folge jener Bestimmungen des R.-V.-G., sondern an den eigenartigen Verhältnissen in den Ländern selbst und an den allgemeiner volkswirtschaftlichen Zuständen gelegen und durch die Psyche (Mentalität) der Volksstämme bedingt. Hauptsächlich aber war es die politische Atmosphäre der letztere fünf Jahrzehnte und Sie gründlich verfehlte Regierungspolitik, welche auf die gedeihliche Entwicklung des Schulwesens hemmend einwirken.

Durch die Aufhebung des Konkordates und durch das Gesetz vom 25. Mai 1868, wodurch grundsätzliche Bestimmungen über das Verhältnis der Schule zur Kirche erlassen wurden, war das Fundament für die allgemeine Volksschule geschaffen worden.

3. Und überblicken wir jene Gebiete der Schulgesetzgebung, deren gesetzliche Regelung den Landtagen vorbehalten waren, so zeit sich in den Landesgesetzen ein getreues Spiegelbild der jeweiligen politischen. Machtverhältnisse: Die ersten Gesetze aus den Jahren 1870-1875 sind noch vom Geiste Hassners erfüllt: dann folgt eine lange Pause bis 1882; die politischen Wogen überfluten in Intervallen die Landtagsstube; die Schulgesetzgebung ruht. In den folgenden Jahrzehnten wird nur unter dem Drucke der öffentlichen Meinung einigermaßen für die Schule gesorgt und an die Regelung der Rechtsverhältnise der Lehrerschaft geschritten.

Und im alten österreichischen Parlament? Dort wurden zwar zu wiederholten Malen Anläufe genommen, zeitgemäße Schulgesetze zu schaffen, doch verhinderten volksfeindliche Einflüsse maßgebender Kreise und taktische Erwägungen gewisser politischer Parteien die gesetzmäßige Erledigung von Erziehungs- Schulgesetzvorlagen. Dazu gesellten sich die sogenannten Kompetenz Schwierigkeiten zwischen Staat und Ländern, die mit besonderen juridischen. Spitzfindigkeiten dann ins Treffen geführt wurden, wenn es sielt um Schule und Lehrer handelte.

Was unter diesen Verhältnis: en gelang, war vielfach von rückschrittlichem Geiste erfüllt (Schulnovelle, 1883; Organisations-Statut für Lehrerbildungsanstalten, 1886), Die Schule - Erziehung und Unterricht - litt unsäglich unter diesen Zuständen; die Lehrerschaft konnte sich nicht voll und ganz ihrem Berufe widmen, da die Abwehr der Angriffe auf das Reichsvolksschulgesetz, auf die Schule und den Lehrerstand stete Bereitschaft forderte und der Kampf ums Brot die besten Kräfte band.

4. Die Folge dieser unleidlichen Zustände zwar, daß jene Kreise, die sich in der von Parteihader zerklüfteten Zeit doch noch Herz und Sinn für Erziehung für Volksbildung bewahrt hatten und denen die allgemeine Volkswohlfahrt nicht bloß Schall und Rauch und ein billigt: Agitationsstoff für Wahlreden abgab, bestrebt waren, durch die Schulbehörden im Verordnungswege und durch die Landtage das zu erreichen, was der Reichsrat versagte. Und es muß hier gesagt und anerkannt werden daß die Unterrichtsverwaltung, die Landes und Bezirksschulbehörden sich angelegen sein ließen, durch Verordnungen und Erlässe im Sinns des Artikels 19 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 das Schulwesen aller Volksstämme auf zeitgemäße Höhe zu bringen und zu halten und dringenden Bedürfnissen Rechnung zu trafen Eine schier übersehbare Zahl von Verordnungen und Erlassen gibt hievon Zeugnis. Freilich muß Auch ebenda bekannt werden, daß viele behördliche Verfügungen außeramtlichen, namentlich parteipolitischen Einflüssen unterlagen; manche Verordnungen von einem Geigte durchweht sind, der seine Direktforen nach der Fahne am Stephansturm einstellte, bzw. einstellen mußte, und daß zu manchen Entschlüssen eine ganz geraume Zeit benötigt wurde z. B. dauerte das Provisorium, der Schul- und Unterrichtsordnung vom 20, August 1870 bis 29. September 1905, bzw. bis 3. Juni 1907 (Durchführungsworschrift des L.-S.-R.).

5. Wenn trotzdem und trotz allem sich das Pflichtschulwesen, die allgemeine Volksschule und die Bürgerschule, und die der sozialen Fürsorge dienenden Erziehungsanstalten während der letzten fünfzig Jahren einen mächtigen, ungeahnten Aufschwung nahmen und die allgemeine Bildung Gemeingut aller Volksstämme des nunmehr untergegangenen Staates wurde, zeigt dies auf, welch gewaltiges Werk im Jahre 1869 aufgeführt wird, das in seinen Grundfesten zu erschüttern, selbst die Ungunst einen haben Jahrhundertes nicht imstande war.

Mit klarem Blick hatten Hasner und seine Mitarbeiter und auch die Sprecher im Parlament die Bedürfnisse ihrer Zeit und die der nächsten Generation erkannt. Aus ihren Darlegungen, die von sittlichem Ernste; beseelt waren, spricht das Verantwortungsgefühl der im Dienste der Menschheit ringenden und schaffenden Männer.

Hasners Tat gehört der Vergangenheit an; in seinem Werke aber lobt sein Geist weiter.

6. Der Weltkrieg hat nicht nur den Zerfall des österreichischen Staates herbeigeführt, sondern auch den Boden für die Revolution vorbereitet, die dann in der Folge für die Staaten Mitteleuropas neun Regierungsformen, republikanische Staatsverfassungen, geschaffen hat. Das autokratische (monarchistisch - konstitutionelle) Regierungssystem wurde von der demokratischen Verwaltungsform, die dem Ausdruck des Volkswillens entsprechen soll, abgelöst. Nicht die Willensmeinung des Einzelnen, sondern jene der Gesamtheit soll fürderhin maßgebend sein.

Für das Pflichtschulwesen und dessen Lehrerschaft ist eine republikanische Staatsverfassung insoferne von grundlegender Bedeutung, weil schon durch den offiziellen Rahmen der Regierungsform das Prinzip der Selbstverwaltung: Selbständigkeit des Schalwesens; Unabhängigkeit des Lehrerstandes bei der Ausübung des Berufes; Recht der Mitwirkung der Lehrerschaft in der Schulverwaltung und Schulgesetzgebung durch gewählte Vertreter anerkannt und gewährleistet wird.

Doch die Lehrerschaft ist durch die harte Schule der Erfahrung gegangen; sie hat die in einem jeden Statswesen wirkenden Kräfte bewerten gelernt und fordert deshalb die Aufnahme all jener und solcher Bestimmungen in die für die Pflichtschule geltenden Schulgesetze, welche die restlose Durchführung der demokratischen Schulverwaltung verbürgen; sie fordert die paritätische Mitbestimmung in allen Schulbelangen umso mehr, da schon seit 1869 der demokratische Aufbau der allgemeinen Volksschule besteht und die allgemeine Schulpflicht festgelegt ist, während der Lehrerschaft nur in wenigen Belangen die rechtliche (d. i. gesetzmäßige Mitbestimmung zustand, ja sie in vielen Schul- und Lehrerangelegenheiten nur auf bloße dekorative Mitwirkung beschränkt war. Die Lehrerschaft verkennt durchaus nicht die Vorzüge des autokratischen Verwaltungsprinzipes für Vorgesetzte und für die Behörden; des ist einfacher und bequemer und weniger umständlicher, namentlich wenn die bezüglichen Verwaltungsgesetze enggenetzte Maschen besitzen und für mehr als alle Fälle Strafbestimmungen festgesetzt sind. Auch die Stundenhalter in der Schulstube und die Schulmonarchen - sofern sie noch nicht ausgestorben sind würden für ihre Amtstätigkeit diese Regierungsmethode gewiß gutheißen.

Als unumgänglich nötig wird gefordert, daß der Wirkungsbereich, die Pflichten und Rechte der verschiedenen Schulbehörden und Amtsorgane, des Lehrkörpers und der Lehrkräfte genau festgestellt werden, damit jede Willkür ausgeschaltet bleibt.

7. Die Lehrerschaft hat in Wort und Schrift kundgetan, daß sie in der Erziehung und im. Unterricht das Prizip der Arbeitsschule verwirklicht wissen will: Innere, Umgestaltung des Unterrichtsbetriebes entsprechend den Anforderungen, die das Leben an die heranwachsende Jugend stellt und stellen wird; Entwicklung und Entfaltung der schöpferischen Kräfte des Schülers: Durch Selbständigkeit zur Selbständigkeit, vom Erkennen zur Erkenntnis. Deshalb fordert sie auch, daß als Maßstab für die Beurteilung ihrer Amtswirksamkeit nur die in der Schule geleistete Arbeit in Betracht zu kommen hat; denn nur eine, gerechte Beurteilung (Amtsbeschreibung) auf dieser Grundlage verbürgt die zum Lehrberufe notwendige Arbeitsfreudigkeit.

8. Seit dem Bestands der Èechoslovakischen Republik sind nunmehr drei Jahre verflossen. Dieser Zeitraum ist noch zu kurz, als daß schon ein klares und abgeschlossenes Urteil gefällt werden könnte. Das èechische Volk und seine Vertreter haben es verstanden, die Bestimmungen des R.-V.-G. v. J. 1869, ihren Einfluß in L Wiener Parlamente und ihre Macht in den Sudetenländern ihrem Schulwesen dienstbar zu machen; so daß das èechische Schulwesen schon bei der Errichtung der Èechoslovakischen Republik wohl mit eines der bestentwickelten Europas war. Und seitdem hohen alle èechischen Volkskreise und alle Abgeordneten ohne Unterschied der Parteistellung an dir weiteren Vermehrung und Ausgestaltung ihres Schulwesens lebhaften Anteil genommen und gebilligt, daß alle Machtmittel des Staate in den Dienst desselben gestellt wurde.

Es muß hier ferner festgestellt werden, daß eine große Zahl von Schulgesetzen und Verordnungen der Entwicklung und Hebung des Schulwesens förderlich ist, daß manche drückende Bestimmungen, welche die Freiheit der Schule und des Lehrerstandes einengten, beseitigt worden, sind; daß die soziale Lage der Lehrerschaft an den Pflichtschulen eine zeitgemäße Besserstellung erfuhr und daß das Bestreben zu obwalten scheint, durch neue Schulgesetze moderne Schulverhältnisse zu schaffen.

Dadurch, daß seit 1869, bzw. 1883 die Reichsgesetzgebung inbezug auf das Pflichtschulwesen fast vollständig versagte den einzelnen Landtagen höchst wichtige Schulbelange der Beschlußfassung und zur Durchführung überlassen waren und es der Unterrichtsbehörden oblag, im Verordnungswege den dringenden Schulbedürfnisse von Fall zu Fall Rechnung zu tragen; und dadurch, daß in vielen Rechtsfällen die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes angerufen, er durch seine Auslegung für den betreffenden Fall in die Schulgesetzgebung mit eingriff und sich bei der Begründung des Urteils nicht selten auf noch rechtsgültige Kaiserliche Patente oder auf die politische Schulverfassung vom 14. August 1805 bezog, die wiederum in vielem auf die Theresianische Schulordnung vom 6. Dezember 1774 Bezug nimmt; ferner dadurch, daß seit dem Bestande der Èechoslovakischen Republik eine tanze Anzahl von Schulgesetzen beschlossen wurde, durch welche einzelne Punkte der bisher gültigen Reichs und Landesgesetze und Verordnungen außer Kraft gesetzt, abgeändert oder überhaupt neue Bestimmungen erlassen, von denen einzelne in der Folge wiederum durch Zusätze erweitert oder einer Novellierung unterzogen wurden, und daß auch während dieser Zeit neue Ministerialverordnungen und Durchführungsvorschriften erschienen sind, kann füglich behauptet werden:

Es gibt heute keinen Schallmann, der sich in dem Wirrsal von Gesetzen, Verordnungen, Erlässen, Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes uni sonstiges Anordnungen zurechtfindet.

10. Was in dem voranstehenden Absatze über die unhaltbaren Zustände in der Gesetzgebung für das Pflichtschulwesen ausgeführt wurde, gilt in noch besonderem Umfange für die Bürgerschule. Ihre Errichtung i. J. 1869 entsprang dem Bedürfnisse, den Kindern aller Volksschichten die Möglichkeit zu bieten, sich einerseits eine über das Lehrziel der allgemeinen Volksschule hinausreichende Bildung mit Rücksicht für das praktische Leben aneignen zu können; anderseits auch die Vorbildung für jene Schulen zu erhalten, welche eine Mittelschulbildung nicht voraussetzen.

Durch das Reichsgesetz vom 2. Mai 1883 wurde die Bürgerschule zur selbständigen; Lehranstalt erklärt (Durchführungsverordnung vom 8. Juni 1883, Art. IV., Abs. 1) und dies auch in definitiven Schul- und Unterrichtsordnung für allgemein Volksschulen und für Bürgerschulen von 29. September 1905 klar zum Ausdrucke gebracht. (II. Hauptstück Von der Bürgerschule, §§ 152-186.)

Wenn auch durch die gesetzlichen Bestimmungen die rechtliche Stellung der Bürgerschule geregelt und die Entwicklungsmöglichkeit gegeben war, so maß doch auf jene hemmenden Momente verwiesen werden, die während all dieser Jahrzehnte zu widersprechenden Verfügungen und Beschwerden Anlaß gaben.

Sowohl in den Reichsgesetzen und Ministerialverordnungen, als auch in den Landesgesetzen und in den darauf bezug nehmenden Durchführungsvorschriften sind die für die Bürgerschule geltenden Bestimmungen meist zerstreut angeführt und in sehr wichtigem Belangen ist die Bürgerschule und ihre Lehrerschaft auf die sinngemäße Anwendung der für die allgemeinen Volksschulen geltenden Bestimmungen verwiesen.

Beispiele: a) 186 (der definitiven Schul- und Unterrichts-Ordnung vom 29. September 1905, nachdem sich 34 Paragraphen, §152-185, auf die Bürgerschule bezogen haben) wörtlich; Im übrigen finden die nach dem ersten Hauptstücks der Schul- und Unterrichtsordnung für allgemeine Volksschulen geltenden Vorschriften sinngemäß auch Anwendung auf Bürgerschulen. Für die sinngemäße Anwendung kommen nicht weniger als 151 Paragraphen in Betracht. Der willkürlichen Auslegung sind Tür und Tor geöffnet, da, wenn man will, man sehr vieles Sinngemäße herausschlügen kann.

b) Punkt 4, Absatz IV. der Ministerialverordnung vom 8. Juni 1883 trifft die Verfügung, daß die Bestimmungen der Ministerialverordnung vom 8. Mai 1872, betreffend die Abhaltung der Bezirks und Landeskonferenzen der Volksschullehrer für die Bürgerschullehrerkonferenzen sinngemäße Anwendung zu finden haben, Es kommen hier wiederum 22 Paragraphen in Betracht. Viele Jahre hat es gebraucht, bis in den Bezirken eigene Konferenzen der Bürgerschullehrer stattfanden und volle 25 Jahre. (bis 1908) mußte die Lehrerschaft Böhmens warten, bis endlich nach langem Drängen die I. Landeskonferenz der Bürgerschullehrer einberufen wurde, also die sinngemäße Anwendung tatsächlich sinngemäße Anwendung fand.

Als Beispiele, wie trotz vielfacher Übereinstimmung doch für die gesonderten Zweige gesonderte Gesetze erlassen werden, seien angeführt; Gemeindebedienstetengesetz und Bezirksbedienstetengesetz, beide vom 17. Dezember 1919.

Die Beispiele könnten vermehrt werden; und daß seihst Bestimmungen, welche die Rechtsverhältnisse der Bürgerschullehrer zaen Inhalte haben, zerstreut angeführt sind, zeigt der Lehrergehaltsgesetzentwurf für Böhmen vom Jahre 1913 und seine Durchführungsverfügungen vom Jahre 1918. Derartig abgefaßte Gesetze erschweren ungemein die Kenntnis der gesetzlichen Bestimmungen, sind der Nährboden für das Gefühl dir Rechtsunsicherheit und geben die Ursache zu Rechtsstreitigkeiten.

11. Die in den Absätzen 9 und 10 angeführten unhaltbaren gesetzlichen Zustände, die dringend einer baldigen Abhilfe bedürfen; die besonderen Verhältnisse der Bürgerschule (selbständige Lehranstalt; Zusammensetzung des Lehrkörpers aus Fachlehrkräften; Anstellungsmöglichkeit nur solcher für Bürgerschulen lehrbefähigten Anwärter; besondere Rechtsverhältnisse der Bürgerschul-Lehrerschaft; Konferenzwesen...); die mit der Ministerialverordnung und dem Ministerialerlasse vom 26. Juni 1903, Z, 22.503, V.-B. Nr. 37 und 38, begründete und verfügte organische Angliederung einjähriger Lehrkurse (IV. Jahrgang) an die, Bürgerschulen; die Möglichkeit der Errichtung vom Distriktsbürgerschulen nach denn Gesetze vom 3. April 1919, Nr. 189, G. S., für welche nicht allein mehr die Schüler der bisherigen Schulgemeinde in Betracht kommen; ferner die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiete der Erziehung und des Unterrichtes; die sozialen Rechtsanschauungen über Rechte und Pflichten des Staatsbürgers; das erweiterte Bildungsbedürfnis; der erschwerte Kampf des Einzelnen ums tägliche Brot; die gesteigerten Anfomderungen der Gegenwart am die Menschen in Wissen und Können, bedingt durch den gewaltigen Konkurrenzkampf der Staaten auf dem Weltmarkte u. a. zeigen einesteils auf, daß die heutige Bürgerschule bereits über den Rahmen des Gesetzes vorm Jahre 1869, bzw. 1883, hinausgewachsen ist, und fordern andererseits die Durchsicht und Überprüfung der bestehendem Schulgesetze, die Neuordnung des Pflichtschulwesens im allgemeinen und die der Bürgerschule durch ein vollständiges Bürgerschulgesetz, das dieser Schulanstalt eine neue Stellung im heutigen Schulorganismus anweist, verbunden mit einer derartigen Neugestaltung, damit sie den erhöhten Anforderungen der Gegenwart und auch jenen der nächsten Zukunft gerecht werden kann.

Es gehört zu den Urrechten eines Volkes, sein Schulwesen so zu gestalten, daß es seiner kulturellen Entwicklungsmöglichkeit dient und die Wertschätzung und Pflege seiner völkischen Eigenart verbürgt.

Die deutsche Bürgerschullehrerschaft fordert einmütig und mit allem Nachdrucke, daß diese unveräußerlichen Rechte des deutschen Volkes in den neuen Schulgesetzen gewahrt werden. Sie fordert aber auch, daß in den neuen Schulgesetzen der Mensch zu seinem Rechte komme; die ehernen Entwicklungsgesetze der Menschheit weisen den Vertretern des Volkes die Bahn.

Wenn hiermit die im Reichsverband der Deutschen Bürgerschullehrer geeinigte Bürgerschullehrerschaft grundsätzliche Anträge zu einem neuen Bürgerschulgesetz, vorlegt, will sie dadurch auch zum Ausdrucke bringen, daß für die Gegenwart und für die nächste Zukunft die Bürgerschule als selbständige Schulanstalt nach ein unentbehrliches Glied des heimischen, Schulwesens ist und, wenn die Bürgerschule noch nicht bestände, heute geschaffen werden müßte.

Dem kommenden Geschlechte und sein Gesetzgebern sei vorbehalten, wiederum, wie einst - 1774 ... 1805 ... 1869 ... 192 - über die ihrer Zeit entsprechende Umgestaltung des Schulwesens zu beraten und zu beschließen, gemäß den fortschreitenden Entwicklungsgesetzen, denen auch das gesamte Schulwesen als lebender Organismus untersteht.

Erfordernis und Bedeckung.

A. § 13, Erfordernis:

Für èechische Bürgerschulen

Kè 6,648.000,

für deutsche Bürgerschulen

Kè 2,268.000,

Zusamanen

Kè 8,916,000.


An den Mädchenbürgerschulen tritt keine Vermehrung der Lehrkräfte ein. (§ 19 des Reichsbürgerschulgesetzentwurfes.)

An Knabenbürgerschulen; statt 3 Fachgruppen mit 4 Lehrkräften (1 Direktor und 3 Fachlehrer) 4 Fachgruppen (1 Direktor und 4 Bürgerschullehrer).

a) Laut offiziellem Bericht des Landesschulrates für Böhmen für 1919 bestehen in Böhmen 626 Bürgerschulen, hievon

èechisch:

     

384 : 220 (57%)

Knaben,

164 (43%)

Mädch.

deutsch:

     

242 : 139 (57%)

103 (43%)


im Jahre 1922 bestanden 881 Bürgerschulen:

èechisch;

     

622 (annähernd), 354

Knaben,

268

Mädchen,

deutsch:

     

259 (annähernd), 131

104


24 Gemischte Bürgerschulen.

(Die Zahl der gemischten Bürgerschulen mit èeschischer Unterrichtssprache ist offiziell nicht bekannt; sie sind von den 354 èechischen Knabenbürgerschulen in Abschlag zu bringen, Desgleichen wären die errichteten èechischen Staatsbürgerschulen zufolge ihrer besonderen Stellung von dieser Zahl - wenn auch nur zum Teil - abzuziehen.)

b) Mähren (annähernd):

èechisch:

       

300 Bsch., 180

Knaben,

120

Mädch.,

 

deutsch:

       

100 Bsch., 42

37

4 gem.


c) Schlesien (annähernd).

èechisch:

       

35 Bsch., 20

Knaben,

15

Mädch.,

 

deutsch:

       

28 Bsch., 16

10

2 gem.


d) Slovakei.

Die Zahl der Bürgerschulen ist offiziell nicht bekannt. Die dortigen Bürgerschulen sind alle vierklassig. Werden sie nach den hiesigen Gesetzen eingerichtet, so tritt an der Knabenbürgerschule keine Vermehrung der Lehrkräfte ein, an Mädchenbürgerschule wird eine Lehnkraft überzählig.

Zusammenfassung:

a) 354 + 131 = 485

Knabenbürgerschulen

b) 180 + 42 = 222

c) 20 + 16 = 36


Summe 743 Knabenbürgerschulen mit je einem Lehrer mehr.

Die Lehrpersonen durchschnittlich mit 12,000 Kè berechnet, ergibt obige 8,916.000 Kronen.

Von allen jenen Paragraphen, die einen Geldaufwand erfordern, kommen jene nicht in Betracht, die schon jetzt in Wirksamkeit sind.

Bei einigen Paragraphen ist der Unterschied - das Mehr oder Weniger - so geringfügig, daß sich eine eigene Kastenberechnung erübrigt. Es sind dies die §§ 13, 38, 39 (kompensiert durch § 41, Zuwendung von Mitteln für die Kurse, die dann unnötig sind), 52, 54, 55, 56 (ganz unbedeutend), 58, 82 (durch § 13, Abs. 2 kompensiert), 86, 87, 88, 91, 111, 129 (1/30 mehr gegen früher, daß die Landeskonferenzen statt nach 6, schon in fünf Jahren stattfinden sollen).

Die Mehrbelastung durch dieses Gesetz ist im Staatsvoranschlag zu berücksichtigen.

In formaler Hinsicht wird die Zuweisung des Antrages an den Kulturausschuß beantragt.

Prag, am 24. Juni 1922.

Dr. Schollich, Pittinger, Dr. W. Feierfeil, Ing. Jung, Dr. Kafka,

Zierhut, Böllmann, Køepek, Ing. Kallina, Schälzky, Matzner, Dr. Petersilka, J. Mayer, Budig, Kaiser, Scharnagl, Dr. Lodgman, Bobek, Dr. Luschka, Dr. Radda, Dr. Brunar, Dr. Keibl, Kraus, Dr. Lehnert, Dr. Baeran.

 

Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP