Pùvodní znìní ad III./5148.
Interpellation
der Abgeordneten Grünzner, Hoffmann, Taub und Genossen
an die Regierung
wegen Verlängerung der Amtsstunden der Staatsangestellten.
Vom 1. März 1925 angefangen wurde in sämtlichen staatlichen Aemtern die Arbeitszeit um eine Stünde verlängert, ohne dass bezüglich dieser Massnahme, die in das Leben eines jeden Staatsangestellten tief einschneidet, mit den Betroffenen, mit den in dieser Sache interessierten Korporationen und vor allem mit den zuständigen parlamentarischen Körperschaften und Gruppen vorher Fühlung genommen worden wäre: Dadurch hat diese Massnahme die grösste Erbitterung unter den Staatsangestellten hervorgerufen.
Ebenso ist auch die angeblich beabsichtigte Erhöhung der Lehrverpflichtung für Mittelschullehrer eine Massnahme, die, ohne Fänvernehmen mit den Betroffenen ins Werk gesetzt, nur schädlich wirken kann, zumal ja die Arbeitsleistung des Mittelschullehrers nicht nach Lehrstunden eingeschätzt werden darf und es einer gründlichen Erwägung aller in Betracht kommenden pädagogischen Momente bedarf, um die Arbeitsleistung so m bemessen, dass die Qualität des Unterrichtes nicht darunter leidet.
Die Unterzeichneten fragen daher die Regierung:
Ist sie bereit, die überstürzten Massnahmen auf dem Gebiete der Regelung der Arbeitszeit der Staatsangestellten zu widerrufen, von allen weitern solchen Massnahmen abzusehen und in Hinkunft bei allen auf dieses Gebiet fallenden Fragen das Einvernehmen mit den obangeführten Stellen zu pflegen?
Prag, den 16. März 1925.
Grünzner, Holfmann, Taub.
Pohl, Schiller, Schweichhart, Heeger, R. Fischer, Pohl, Dr. Haas, Dr. Czech, Leibl, Blatny, Schäfer, Kirpal, Schuster, Hillebrand, Häusler, Hackenberg, Dietl, Jokl, Dr. Holitscher.
Pùvodní znìní ad IV./5148.
Interpellation
der Abgeordneten Hans Knirsch, Hugo Simm und Genossen
au den Minister für Schulwesen und Volkskultur
betreffend die für die Schuljugend bestimmte Geburtstagsfestschrift über den Lebenslauf des Präsidenten der Republik und die Grundlagen des Èechischen Staates.
Anlässlich der Vollendung des 75. Lebensjahres des Herrn Präsidenten der Republik T. G. Masaryk wurde von amtswegen eine Festschrift verfasst, die einen kurzen Lebensabriss des Herr Präsidenten enthält und die Leitgedanken hervorhebt, nach welchen die Èechoslovakische Republik aufgebaut wurde und regiert wird. Ueber amtlichen Auftrag musste diese Festschrift sämtlichen Schulen an die Schuljugend verteilt werden. Den Lehrern wurde weiters zur Pflicht gemacht, gelegentlich der in den Schulen abzuhaltenden Geburtstagsfeier den Kindern noch eine besondere Erläuterung im Sinne der Festschrift zu geben. Diese Erläuterung muss schriftlich niedergelegt und im Schularchiv verwahrt werden.
Um den Geist und die Tendenz, von welchen diese Festschrift getragen ist, zu charakterisieren, seien nur folgende Stellen aus derselben wörtlich wiedergegeben:
Hört Kinder, was Euch die Flagge des Präsidenten erzählt:
Sie spricht von einem ruhmvollen Vorfrühling, von der goldenen Sonne und dem wundervollen Geheimnis treuer Liebe. Sie verkündet, dass in der Èechoslovakischen Republik ein freies, unabhängiges und eigenberechtigtes Volk lebt.....
Das Volk der Republik, Arbeiter, Bauarm Handwerker und Bürger, Männer und Frauen, herrschen in unzertrennlicher Gemeinschaft, nach eigenem Willen, der Regung des eigenen Herzens und Verstandes folgend über das Land, das ihre Heimat ist.....
Alle sind hier frei. Und die Freiheit ist das erhabenste Geschenk, das hin gütiges Geschick den Völkern bereitet hat. Wenn das Volk sich selbst regiert, nur seinem Herzen und seinem Verstand gehorcht, wenn niemand sein Herr oder Bedrücker und niemand ihm untertan ist - das ist die höchste Gabe und das höchste Glück.....
Als der Krieg ausgetobt hatte und in Paris die Friedenskonferenz zusammentrat, gab sie Masaryk Recht. Im Interesse der Demokratie und des Friedens erkannte sie den selbständigen Èechoslovakischen Staat an und gab ihm unzerstörbare Grenzen.....
Es haben, verkündete damals der Präsident, diejenigen gesiegt, die die Ideale der Gerechtigkeit verteidigt haben, es siegte der Geist über die Materie, das Recht über die Gewalt, die Wahrheit über Ränke.....
Nur so viel aus der Festschrift. Jeder Satz ist eine geschichtliche Unwahrheit und Fälschung von Tatsachen. In der Èechoslovakischen Republik lebt nicht ein Volk, sondern neben dem èechischen auch das slovakische Volk, weiters leben neben Ungarn, Polen und Ukrainern dreieinhalb Millionen Deutsche. Die Heimat dieser dreieinhalb Millionen Deutschen ist Sudetendeutschland. Diese Heimat ist nicht frei. Das sudetendeutsche Volk wurde ohne befragt zu werden, gegen seinen einmütigen Willen der Èechoslovakischen Republik einverleibt und das Recht, sich selbst zu regieren, wird ihm vorenthalten. Daraus geht schon hervor, dass nicht das Recht über die Gewalt und nicht die Wahrheit über Ränke gesiegt hat, sondern dass die Gewalt über das Recht herrscht und die Wahrheit schamlos mit Füssen getreten wird.
Die Festschrift stellt den Versuch dar, die nichtèechische Jugend in einer ganz falschen Volks- und Staatsauffassung zu erziehen, sie ihrem Volkstum zu entfremden, kurz, sie ist auf einen Seelenfang berechnet, der all dem Hohn spricht, von dem das Leben. Denken und Wirken des Menschen, Gelehrten, Humanisten und Erziehers T. G. Masaryk erfüllt waren.
Im ganzen sudetendeutschen Volke und darüber hinaus in der gesamten Kulturwelt muss dieser Versuch tiefste Entrüstung hervorrufen. Indem die Gefertigten dieser Entrüstung Ausdruck geben, stellen sie an den Herrn Minister für Schulwesen und Volkskultur folgende Anfragen:
1. War dem Herrn Minister der Inhalt der Festschrift vor deren Verteilung bekannt?
2. In wessen Auftrage wurde die Festschrift verfasst und verteilt?
3. Was gedenkt der Herr Minister zu tun, um unsere Schule vom Geiste der Urwahrhaftigkeit freizuhalten?
Prag, am 10. März 1925.
Knirsch, Simm,
Patzel, Wenzel, Ing. Jung, Zierhut, Dr. Lodgman, Ing. Kallina, Dr. E. Feyerfeil, Kraus, Dr. Lehnert, Dr. Brunar, Dr. Keibl, Matzner, Dr. Radda, Dr. Schollich, Dr. Jabloniczky, Dr. Lelley, Dr. Körmendy-Ékes, Dr. Korláth, Palkovich, Szentiványi, Füssy, Kurak.
Pùvodní znìní ad V./5148.
Interpellation
des Abgeordneten Dr. Rudolf Lodgman und Genossen
an den Minister für Post- und Telegrafenwesen
in Angelegenheit des Postamtes in Obergeorgenthal.
In der Gemeinde Obergeorgenthal befindet sich ein staatliches Postamt, welches einen èechischen Oberpostmeister, 2 Èechische und 1 deutschen Briefträger hat. Der deutsche Oberpostmeister Kaspar ist seinerzeit nach Brüx versetzt worden, kann jedoch dort keine Wohnung erhalten und wohnt deshalb noch immer in Obergeorgenthal. Ein deutscher Briefträger (Invalide) wurde entlassen, weil er die Èechische Sprache nicht beherrscht, an seiner Stelle wurde ein Èeche angestellt. So hat der Ort nunmehr bei 10% èechischer Bevölkerung 2 èechische und 1 deutschen Briefträger, von denen der eine sehr schlecht und der andere gar nicht deutsch spricht. Der neue èechische Oberpostmeister will nun beraten und beansprucht eine Wohnung mit 3 Zimmern und Küche, welche er bei der Gemeinde angefordert hat. Dieser Wunsch konnte nicht erfüllt werden, weil es in Obergeorgenthal gegen 80 wohnungsuchende Parteien gibt. Nunmehr langte vom Postministerium bei der Gemeinde ein Schreiben ein, in dem die Gemeinde aufgefordert wird, dem èechischen Oberpostmeister binnen 4 Wochen eine Wohnung zu beschaffen, widrigens das Postamt nach Niedergeorgenthal verlegt würde.
Die Gefertigten fragen den Herrn Minister:
1. Hält es der Herr Minister für richtig, dass sein Ministerium das Bestehen oder Nichtbestehen eines Postamtes in einer Gemeinde davon abhängig macht, dass die Gemeinde trotz der bestehenden Wohnungsnot eine Wohnung beschaffen müsse?
2. Hielte es der Herr Minister nicht vielmehr für richtig, den nach Brüx versetzen Oberpostmeister Kaspar auf den Posten von Obergeorgenthal zu berufen, so dass auf diese Weise die Wohnungsfrage sachgemäss erledigt werden könnte?
Prag, den 26. März 1925.
Dr. Lodgman.
Ing. Kallina, Dr. Brunar, Böllmann, Szentiványi, Füssy, Dr. Keibl, Dr. Körmendy-Ékes, Kraus, Kurak, Dr. E. Feyerfeil, Dr. Schollich, Dr. Lehnert, Dr. Jabloniczky, J. Fischer, Dr. Radda, Matzner, Dr. Medinger, Palkovich, J. Mayer, Dr. Lelley.
Pùvodní znìní ad VI/5148.
Interpellation
des Abgeordneten Dr. Ernst Schollich und Genossen
an den Minister für Schulwesen und Volkskultur
betreffend die Feier des 7. März an den Schulen.
Im Heft 2 der diesjährigen Mitteilungen des Ministeriums für Schulwesen und Volkskultur ist ein Erlass dieses Ministeriums vom 6. Feber 1925, Z. 16.811-I, betreffend die. Feier des 75. Geburtstages des Präsidenten Masaryk enthalten, in welchem es u. a. heisst: Die Direktionen und Leitungen der Schulen mögen Massnahmen treffen, dass dieses bedeutungsvolle Ereignis an dem genannten Tage an den Schulen würdig, innig und den örtlichen Verhältnissen entsprechend gefeiert werde. Die Konzepte der Kundgebungen und Reden, die bei diesem Anlasse gehalten werden, sind in der Schulchronik oder im Archive aufzubewahren.
Diese letzte Weisung zeigt, dass in diesem Staate derartige Feiern nicht nur anbefohlen werden, sondern dass man die Lehrer sogar beauftragt, den Wortlaut ihrer Reden der Schulchronik beizulegen, damit jederzeit überprüft könne, ob der betreffende Lehrer im gewünschten Sinne auch gesprochen habe. Diese Stelle des Erlasses muss von jedem, dem Gesinnung etwas mehr ist als Auftrat, als eine sittliche Nötigung angesehen werden. Eine derartige Weisung wäre im alten monarchistischen Oesterreich einfach unmöglich gewesen.
Die Gefertigten fragen daher den Herrn Minister:
Wie verantworten Sie als Minister eines demokratischen freiheitlichen Staates eine solche Anordnung und finden Sie sie mit dem Geiste einer modernen, freiheitlichen Schulerziehung vereinbar?
Prag, am 31. März 1925.
Dr. Schollich.
Dr. Brunar, Dr. E. Feyerfeil, Dr. Lodgman, Szentiványi, Dr. Medinger, Dr. Körmendy-Ékes, Dr. Korláth, Ing. Kallina, Kraus, J. Fischer, Dr. Radda, Böllmann, Dr. Jabloniczky, Füssy, Dr. Keibl, J. Mayer, Dr. Lelley, Palkovich, Kurak, Dr. Lehnert, Matzner.
Pùvodní znìní ad VII./5148.
Interpellation
des Abgeordneten Ing. Othmar Kallina und Genossen
an den Minister des Innern
in Angelegenheit der unglaublichen Zensurpraxis des Polizeikommissariates in Karlsbad.
Die Freiheit der Presse ist das höchste Gut, das ein demokratischer Staat sein eigen nennt. Die zügellose Willkür des alten Beamtensystems darf in der Republik keinen Raum finden. Mit diesen Worten hat der Herr Staatspräsident Masaryk eine Richtschnur für die Behandlung der fresse seitens der Zensurbehörde aufgestellt. Trotzdem die Èechoslovakische Republik laut Verfassungsgesetz eine demokratische Republik sein soll, wird dieser Grundsatz täglich und stündlich von den untergeordneten staatlichen Organen in der gröbsten Weise verletzt. Seit Bestand dieses Staates wird ein systematischer Vernichtungsfeldzug gegen die deutsche, nationale Presse geführt, der seinen Gipfelpunkt keineswegs nur in der spitzfindigsten, jeder freiheitlichen Auffassung ins Gesicht schlagendem Auslegung mittelalterlicher Gesetzesparagraphe, zum Zwecke der Unterdrückung der freien Meinungsäusserung gefunden hat, sondern der, wie in nachfolgenden Fällen gezeigt wird, noch weiter geht. Sogar die. Feststellung einer Tatsache, aus der bei Aufwendung aller Scharfsinnigkeit kein Verstoss gegen irgendeine gesetzliche Bestimmung gefolgert werden kann, verfällt der Beschlagnahme, wenn sie einem èechischen Fanatiker aus parteiischen Gründen nicht genehm ist. So wurden In der Deutschen Tageszeitung, in der Folge 71 vom 28. März d. J. folgende zwei Notizen beschlagnahmt:
Deutscher Gruss. Donnerstag den 26. d. M. ist der ehemalige Abgeordnete Dr. Alois Baeran mit dem Abendschnellzuge zum Kurgebrauche in Karlsbad eingetroffen. Die Kunde seiner Ankunft wurde mit Rücksicht auf den eben Freigelassenen nicht verbreitet. Trotzdem hatten sich einige deutsche Volksgenossen am Bahnhofe eingefunden, um den, in erster Linie seiner Zugehörigkeit zum deutschen Volke wegen, zu schweren Leiden Verurteilten, auf deutschem Boden willkommen zu heissen. Ein Händedruck - ein Heilguss - eine stumme Anklage in den Augen - und Baeran geht, von seiner Frau gestützt, mühsam zum bereitgestellten Kraftwagen. Um den Wagen stehen einige Volksgenossen, die, am Bahnhofe anwesend, von der allgemeinen Bewegung mitgetragen, Baeran bis zum Standplatz des Fahrzeugs gefolgt sind. Als der Wagen abfährt, erklingt spontan ein deutscher Heilgruss und - eine Unzahl staatspolizistischer Bände greift nach fünf Deutschen, die unter starker Bedeckung abgeführt werden. Ein deutscher Gruss im deutschen Gebiete fordert das Prestige der friedlichen Besatzung heraus und gibt Gelegenheit, den Staat zu retten.
Unter falscher Flagge. In Karlsbad haben einigt Vertreter der èechischen Minderheit mit Dr. Milan Mixa als Präsidenten an der Spitze eine Spar- und Vorschusskasse, reg. Gen. m. b. H., gegründet und diesem Institute den Namen Karlsbader Vorschusskasse, reg. Gen. m. b. H. gegeben. An dieser Tatsache wäre gewiss nichts auszusetzen, da es den Deutschen natürlich fern liegt, der Èechischen Minderheit ein eigenes Geldinstitut etwa nicht zu gönnen. Wir wollen hier lediglich registrieren, dass selbst Funktionäre des bekannten Èechisierungsvereines Národní jednota severoèeská sich der sonst so gehassten deutschen Sprache bedienen, wenn es gilt, Deutsch für ihre Zwecke zu missbrauchen. Es geschieht dies auf folgende Art: Die rein èechische Anstalt, welche èechisch, deutsch, französisch und englisch protokolliert ist und sich Karlovarská záložna nennt, arbeitet in Karlsbad und weiterer Umgebung hauptsächlich mit einsprachigen deutschen Drucksorten, Stampiglien und sogar Unterschriften. Sie scheint sich hier durch das Los-Ratengeschäft einführen zu wollen. Die Losverkäufer erhalten einsprachig deutsch geschriebene Verkaufsurkunden, auf welchen mit keinem Worte erwähnt ist, dass die Karlsbader Vorschusskasse ein rein èechisches Institut ist.
Die Beschlagnahme lässt also klar erkennen, dass die untergeordneten Organe nicht genügend über die Pflichten des Zensors im Sinne der Auslegung des Herrn Präsidenten Masaryk unterrichtet sind und die Unterzeichneten fragen daher:
Ist der Herr Minister bereit, die untergeordneten Zensurorgane über ihr, den Verfassungsgesetzen und den Worten des Herrn Präsidenten Masaryk widersprechendes Vorgehen im Allgemeinen und in den beiden angeführten Fällen im Besonderen aufzuklären und zu beauftragen, in Zukunft eine solche, das Ansehen der Republik schädigende Zensurpraxis zu unterlassen?
Prag, am 31. März 1925.
Ing. Kallina.
Dr. Lehnert, Dr. Keibl, Matzner, Kraus, Dr. Radda, Dr. Jabloniczky, J. Mayer, Dr. Lelley, J. Fischer, Dr. Körmendy-Ékes, Kurak, Szentiványi, Füssy, Dr. Schollich, Schubert, Böllmann, Palkovich, Dr. Lodgman, Dr. Brunar, Dr. E. Feyerfeil, Dr. Korláth.
Pùvodní znìní ad VIII./516.
Interpellation
des Abgeordneten Dr. Ernst Schollich und Genossen
an den Minister des Innern
betreffend den Auftrag der politischen Bezirksverwaltung Neutitschein an die Stadtgemeinde zur Beflaggung am 7. März 1925.
Die Stadtgemeinde Neutitschein erhielt von der politischen Bezirksverwaltung unter Zahl 1591 pres. vom 2. März 1925 folgende Zuschrift:
Die Stadtgemeinde Neutitschein wird dringend eingeladen, aus Anlass der bevorstehenden Feier des 75jährigen Geburtsfestes des Herrn Präsidenten der Republik T. G. Masaryk am 7. März 1925 das Rathaus mit der Staatsflagge zu beflaggen.
Nachdem die Befürchtung vorliegt, dass für den, Fall der Nichtbeflaggung des Rathauses die öffentliche Ruhe und Ordnung in Neutitschein gestört werde, wird die Gemeinde im Grunde der Ministerialverordnung vom 19. Jänner 1853, R. G. Bl. Nr. 10 verpflichtet, die Staatsflagge am 6. März 1925 von 12 Uhr mittags bis 8. März um 8 Uhr früh auf dem städtischen Rathause in würdiger Grösse und Form hissen zu lassen.
Nach dem zitierten Gesetze hat die politische Behörde für die öffentliche Ruhe und Ordnung zu sorgen und für Wahrung derselben alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen, welche sie unmittelbar oder mittels eigener hiezu bestimmter Organe vollzieht, oder dadurch, dass sie die entsprechenden Aufträge denen erteilt, welche zur Mitwirkung bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung verpflichtet sind.
Der Vorsteher einer Gemeinde ist aber nach § 59 der Gemeindeordnung das berufene Organ zur Vollziehung der Ortspolizei und ist daher die politische Behörde berechtigt, ihn anzuweisen, dass er bei Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung mitwirke und in dieser Beziehung ihm Aufträge zu erteilein und darüber zu wachen, dass sie erfüllt werden. Hiebei ist aber der Gemeindevorsteher nicht Partei; sondern ein der politischen Behörde untergeordnetes Organ.
Gegen diesen Auftrag steht dem Herrn Bürgermeister keine Berufung zu und würde eine wie immer geartete Beschwerde keine aufschiebende Wirkung haben.
Rat der politischen Verwaltung |
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Šèava m. p. |
Diese Anordnung wird damit begründet, dass die politische Bezirksverwaltung befürchtete dass für den Fall der Nichtbeflaggung des Rathauses die öffentliche Ruhe und Ordnung in Neutitschein gestört wurde.
Da aber nach Ansicht der politischen Bezirksverwaltung diese auf Grund der zitierten Ministerialverordnung für die öffentliche Ruhe und Ordnung zu sorgen hat und zur Wahrung derselben alle notwendigen Vorkehrungen treffen kann, der Vorsteher der Gemeinde aber nach § 59 der Gemeindeordnung das berufene Organ zur Vollziehung der Ortspolizei ist, glaubte die politische Bezirksverwaltung nicht nur berechtigt zu sein, dem Bürgermeister den genannten Auftrag zu geben, sondern erklärte gleichzeitig, dass der Gemeindevorsteher in diesem Falle nicht Partei, sondern ein der politischen Behörde untergeordnetes Organ ist.
Die Verfügung der politischen Bezirksverwaltung stellt sich in jeder Hinsicht als Besetz- und rechtswidrig dar, sie ist in ihrer Begründung in keiner Weise stichhältig.
Nach § 27 der mährischen Gemeindeordnung (Gesetz vorn 15. März 1864 L. G. Bl. Nr. 4) gehört zum selbständigen Wirkungskreis der Gemeinde überhaupt alles, was das Interesse der Gemeinde zunächst berührt und innerhalb ihrer Grenzen durch ihre eigenen Kräfte besorgt und durchgeführt werden kann. Dieser Wirkungskreis ist derjenige, in dem die Gemeinde mit Beobachtung der bestehenden Reichs- und Landgesetze nach freier Selbstbestimmung anordnen und verfügen kann.
In diesem Sinne gehört zum selbständigen Wirkungskreise unter anderem: 1. die freie Verwaltung. des Gemeindevermögens, 2. die Sorge für die Sicherheit der Person und des Eigentums.
Nach § 55 der mährischen Gemeindeordnung ist der Bürgermeister verpflichtet, die zur Handhabung der Ortspolizei erforderlichen Massregeln und Verfügungen rechtzeitig zu treffen. In allen Fällen, in denen zum Schutze des öffentlichen Wohles ortspolizeiliche Vorkehrungen der Gemeinde nicht ausreichen oder in denen zur Abwendung von Gefahren die Kräfte der Gemeinde nicht auslangen, hat der Bürgermeister unverzüglich die Anzeige an die politische Behörde zu machen, die sogleich die nötigen Vorkehrungen trifft und sich mit der autonomen Aufsichtsbehörde ins Einvernehmen setzt.
Daraus geht klipp und klar hervor, dass nach 27 und § 55 der mährischen Gemeindeordnung die Handhabe der Sicherheitspolizei ausschliesslich in den selbständigen Wirkungskreis der Gemeinde fällt und dass dadurch die Ministerialverordnung vom 19. Jänner 1853 R. G. Bl. Nr. 10 abgeändert worden ist.
Nichts anderes sagt auch das Oberste Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 16. November 1923, Zl. 17152 betr. die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde der Stadtgemeinde Teplitz-Schönau in der Beflaggungsfrage dieser Stadt am 28. Oktober 1921. Das Oberste Verwaltungsgericht liess sich bei dieser Entscheidung von folgenden Erwägungen leiten:
Nach der böhmischen Gemeindeordnung ist die Gemeinde Trägerin der ortspolizeilichen Gewalt. Sie übt diese als ihren selbständigen Wirkungskreis zu eigenem Rechte, doch ist sie nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Ortspolizei auszuüben.
In konsequenter Durchführung des Grundsatzes der Gemeindeordnung, wonach der selbständige Wirkungskreis der Gemeinde alles das, aber auch nur das umfasst, was das Interesse der Gemeinde berührt, und innerhalb ihrer Grenzen durch ihre eigenen Kräfte besorgt und durchgeführt werden kann, wird in der böhm. Gemeindeordnung u. a. der Fall vorgesehen, wo zur Abwendung von Gefahren die Kräfte der Gemeinde nicht auslangen.
Aus dieser Bestimmung im Zusammenhange mit jener des § 23 der Ministerialverordnung vom 19. Jänner 1853,.R. G. ABI. Nr. 10, wonach die unmittelbare Handhabung der Polizeigewalt dem politischen Bezirksamte zukommt insoweit hiezu nicht andere Organe bestimmt sind ergibt sich, dass in dem in der Gemeindeordnung vorgesehenen Falle die ortspolizeiliche Amtsgewalt auf die politische Bezirksbehörde überzugehen hat.
Die im § 55 der mährischen Gemeindeordnung vor gesehene Anzeige an die politische Bezirksverwaltung für den Fall, in denen die ortspolizeilichen Vorkehrungen in der Gemeinde nicht ausreichen oder in denen zur Abwendung von Gefahren die Kräfte der Gemeinde nicht auslangen, wäre ganz illusorisch, wenn die politische Bezirksverwaltung von vorneherein alle polizeilichen Massnahmen auch örtlichen Charakters treffen könnte.
Wie das Oberste Verwaltungsgericht in der Begründung seiner Entscheidung hervorhebt, kommt auch nach der Ministerialverordnung vom L9. Jänner 1853 R. G. 331. Nr. 10 im Zusammenhange mit der Gemeindeordnung betrachtet, die unmittelbare Handhabung der Polizeigewalt dem politischen Bezirksamte nur insoweit zu, als dazu nicht andere Organe bestimmt sind.
Diese Ausführungen gelten natürlich auch für den vorliegenden Fall. Trotzdem aber die im § 55 der mährischen G. O. vorgesehene Anzeige an die politische Bezirksverwaltung seitens der Stadtgemeinde Neutitschein nicht gemacht wurde, da nach dem Ermessen der Gemeinde als Ortspolizeibehörde hiefür kein Grund vorlag, hat die politische Bezirksverwaltung in Neutitschein schon am 2. März 1925 gemäss dem angefochtenen Erlasse die Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung im Falle der Nichtbeflaggung des Rathauses befürchtet. Eine Begründung dieser Befürchtung bezw. dieser Aengstlichkeit erfolgte aber nicht. Die politische Bezirksverwaltung hielt es auch Bai nicht für notwendig, sich bei der Stadtgemeinde Neutitschein über die Notwendigkeit einer Furcht zu versichern, trotzdem die Stadtgemeinde gesetzliche Ortspolizeibehörde mit einem gesetzlichen Wirkungskreise ist und trotzdem der Bürgermeister, bezw. Stadtrat und die Stadtvertretung eine freigewählte Vertretung der Bewohnerschaft darstellen. Auch wenn die im § 55 der mährischen Gemeindeordnung vorgesehene Anzeige an die politische Bezirksverwaltung erstattet wird, zu der nach Ansicht der Stadtgemeinde als Ortspolizeibehörde nicht der leiseste Anlass war, da die Stadtgemeinde in Ausübung ihrer Rechte nichts zu fürchten braucht ist es eine gesetzliche Bedingung, dass die politische Bezirksverwaltung mit der autonomen Behörde das Einvernehmen sucht. Der Vorgang der politischen Bezirksverwaltung stellt somit eine Gesetzverletzung dar, wie auch ein Eingreifen in die Kompetenz der Gemeinde.
Die, politische Bezirksverwaltung verfügte aber nicht nur die Beflaggung des Rathauses, sondern fühlte sich auch berechtigt, der Gemeinde den Auftrag geben zu müssen, in welcher Zeit die Fahne, in welcher Art und in welcher Form am Rathause u hissen war und verfügte, dass die Staatsflagge am 6. März 1925 von 12 Uhr mittags bis 8. März 1925 um 8 Uhr früh auf dem Rathause in würdiger Form und Grösse zu hissen sei.
Dies bedeutet ebenfalls eine Beschränkung in der Ausübung des Eigentumrechtes von dem der § 354 des a. b. G. B. sagt: dass das Eigentum als ein Recht betrachtet, die Befugnis ist, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten und jeden anderen davon auszuschliessen und das laut § 109 der Verfassungsurkunde nur durch ein Gesetz beschränkt werden kann. Es wurde daher die Stadtgemeinde Neutitschein durch das Vorgehen der politischen Bezirksverwaltung beeinträchtigt.
Es ist weiters selbstverständlich, dass zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung nur gesetzliche Mittel in Anwendung gebracht werden, wie auch andererseits niemand in seinem gesetzlichen Rechte durch ein derart angewandtes Mittel verkürzt werden darf.
Die Verfügung der politischen Bezirksverwaltung konnte sich nicht auf Umstände stützen, die darauf hätten schliessen lassen, dass für den Fall der Nichtbeflaggung des Rathauses die öffentliche Ruhe und Ordnung in Neutitschein gestört worden wäre. Ausserdem kann sich die Polizeigewalt nur gegen die Störei der öffentlichen Ruhe und Ordnung, nicht aber gegen die Freiheit bei der Ausübung des Eigentumrechtes und gar gegen die Gemeinde wenden.
Was den Gebrauch der Staatsflagge selbst anbelangt, so sei hiemit auf § 8 der leg. Verordnung vom 20. August 1920, Slg. d. G. u. V. Nr. 512 verwiesen, der besagt: Die Staatsflagge kann bei feierlichen Anlässen vorübergehenden Charakters auch von Korporationen, Anstalten und Aemtern die nicht staatlich sind, verwendet werden. In dieser Norm ist daher nur die Möglichkeit der Verwendung der Staatsflagge ausgesprochen und es stellt sich auch im Vergleich mit dieser Norm der ausgeübte Zwang und Druck der politischen Bezirksverwaltung durch ihre Verfügung als ein bedeutendes Überschreiten ihrer rechtlichen Befugnisse dar. Dies geht noch klarer aus § 10 der zitierten Verordnung hervor, wonach um die Bewilligung der Verwendung der Staatsflagge im öffentlichen Leben seitens der im § 8 genannten Korporationen, Anstalten und Aemter, die nicht staatlich ind, in begründeter W eise bei den zuständigen Stellen anzusuchen ist.
Auch der Standpunkt der politischen Bezirksverwaltung, wonach der Bürgermeister als untergeordnetes Organ verpflichtet wurde, die Fahne zu hissen, bezw. anzuschaffen, ist vollkommen unrichtig. Es kann gar kein Zweifel darüber bestehen, dass es nach der derzeitigen Gesetzgebung lediglich Sache der Stadtgemeinde ist, nach ihrem eigenen Gutdünken ihre Gebäude zu schmücken oder nicht zu schmücken und die Form zu wählen, in der die Schmückung zu erfolgen hat. Es ist eine Verkennung der Tatsachen, wenn die politische Bezirksverwaltung glaubt, aus dem selbständigen Wirkungskreise der Gemeinde zu dem alles gehört, was die Interessen der Gemeinde zunächst berührt und innerhalb ihrer Grenzen durch ihre eigenen Kräfte besorgt und durchgeführt werden. kann, in der Fahnenfrage zu einem übertragenen Wirkungskreise zu machen und den Bürgermeister zu einem untergeordneten Organe zu machen.
Da also in diesem Falle der Stadtgemeinde auch die Stellung einer Partei zukommt, war die Verfügung der politischen Bezirksverwaltung unbedingt auch mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen.
Die Gefertigten richten daher an den Herrn Minister die Anfrage, ob er gewillt ist, diesen Auftrag der politischen Bezirksverwaltung Neutitschein an die Stadtgemeinde als ungesetzlich aufzuheben und den Leiter der politischen Bezirksverwaltung zu bedeuten, dass er sich bei seinen Verfügungen und Verordnungen genau an die geltenden Gesetze zu halten habe?
Prag, am 1. April 1925.
Dr. Schollich.
Dr. Brunar, Ing. Kallina, Dr. Lodgman, Kraus, Dr. Lehnert, Dr. E. Feyerfeil, Dr. Keibl, Matzner, Dr. Radda, J. Fischer, Dr. Jabloniczky, Dr. Lelley, Palkovich, J. Mayer, Füssy, Dr. Körmendy-Ékes, Dr. Korláth, Kurak, Szentiványi, Böllmann.