Pondìlí 3. února 1930

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 13. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pondìlí dne 3. února 1930.







2. Øeè posl. inž. Kalliny (viz str. 18 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Bevor ich auf den zur Debatte stehenden Bericht des Herrn Außenministers eingehe, möchte ich einige Worte zur parlamentarischen Behandlung dieses Berichtes verlieren. Der Herr Außenminister hat seit Jahren das Plenum dieses Hauses geflissentlich gemieden, und zwar als eine Art Maßregelung, weil bei einem der letzten von ihm an dieser Stelle erstatteten Berichte einige Zwischenrufe sein Mißfallen erregt haben. Daß sich eine Parlamentsmehrheit eine solche Behandlung durch Jahre hindurch bieten ließ, ist an und für sich für die Zustände des èechoslovakischen Parlamentarismus bezeichnend. Am meisten muß es aber überraschen, wenn sich trotz der Kenntnis dieser Dinge Zeitungen finden, die den diesmaligen Entschluß Beneš's, im Plenum zu referieren, als Fortschritt bezeichnen. Ich sehe in diesem Entschluß Dr. Beneš's durchaus keine höhere Wertschätzung des Plenums, sondern nur die Fortsetzung seiner überheblichen Einstellung. Sein Entschluß, im Plenum zu sprechen, entsprang nur reinen Opportunitätsgründen, da ihm diesmal wieder daran gelegen war, einer in Einzelheiten gehenden Aussprache, die doch erfahrungsgemäß nur im Ausschuß durchgeführt werden kann, auszuweichen. Weiters scheint es ihm notwendig zu sein, eine ihm genehme Abstimmung im offenen Hause herbeizuführen, die ihm ja einerseits seitens der überdemokratischen Parteien, die trotz schärfster Kritik und entgegengesetzter programmatischer Forderungen sich jederzeit hinter die Vertrauensfrage verschanzen, und andererseits der Parteien, denen nur die Staatsraison für ihr Handeln richtunggebend ist, von vornherein gesichert ist. Dr Beneš ist ein viel zu kluger Demokrat und gewiegter Diplomat, als daß er nicht alle diese sich ihn bietenden Chancen ausnützen würde, um wenigstens nach außenhin den klaren Haager Mißerfolg seiner persönlichen Politik durch eine Vertrauenskundgebung der so eingeschüchterten Regierungsmehrheit verbrämen zu können. Schon die Vorgänge und das Abstimmungsergebnis in der letzten Außenausschußsitzung bestätigen an und für sich die Richtigkeit meiner Auffassung, daß Dr Beneš diesmal bewußt einer Aussprache im Ausschuß ausgewichen ist. Es wäre aber falsch anzunehmen, die Ursachen der Unzufriedenheit, die bis weit in die Koalitionskreise hineinreicht, nur in dem Haager Mißerfolg zu sehen. Es ist nicht zu verkennen, daß hier auch die gegneris che Einstellung gegen den präsentierten Präsidentschaftskandidaten Dr Beneš eine merkliche Rolle spielt.

Nach dieser Einleitung möchte ich mich nun zum Gegenstand der Verhandlungen selbst wenden. Das Haager Ergebnis bedeutet für mich den Zusammenbruch der einseitig im französischen Fahrwasser segelnden Außenpolitik Dr Beneš's und der Kleinen Entente. Ich kann daher auch die große Unzufriedenheit der èechischen Öffentlichkeit begreifen, die durch ein Jahrzehnt der Beneš-Propaganda willfährig Gehör schenkte und sich in dem Wahne wiegte, daß die Mentalität, die zur Zeit der Friedendiktate auf Seiten der großen Ententestaaten vorgeherrscht hat, noch immer andauere, und die jetzt plötzlich erkennen mußte, daß die Kriegspsychose verschwunden und das Interesse der Staaten der Großen Entente für die neugeschaffenen Kleinstaaten bedeutend gesunken ist. Solange wir in Reden und Artikeln darauf hingewiesen haben, daß die Haßverträge des Jahres 1919 einer Revision unterzogen werden müssen, sollen nicht alle Völker Schaden leiden, die Unruhe in der Welt wachsen und dieser Machtfrieden im Interesse der Völker durch einen wahren Friedenszustand abgelöst werden - da antwortete Dr Beneš, umjubelt von der èechischen Presse: "Die Bestimmungen der Friedensdiktate sind unabänderlich, ja ihre Unabänderlichkeit allein garantiert die Aufrechterhaltung des Friedens." In den Augen Dr Beneš's gilt ja bekanntlich selbst der Versuch, im wirtschaftlichen und sozialem Interesse an die Schaffung größerer Wirtschaftseinheiten zu schreiten - so einer Zollunion zwischen Deutschland und Deutschösterreich - als eine Bedrohung des Friedens, oder wie er sich drastisch ausdrückte, daß eine solche Zollunion für ihn den Krieg bedeute. Die ganze Kunst seiner Diplomatie erschöpfte sich zum größten Schaden für alle beteiligten Völker, sein eigenes nicht ausgenommen, in der starren Betonung der Unabänderlichkeit auch der unsinnigsten Friedensdiktatbestimmungen, deren Unverletzbarkeit ja geradezu zum Dogma der Kleinen Entente-Politik erhoben wurde. Er widmete der Erhaltung dieses Dogmas die Arbeit eines ganzen Jahrhunderts, ohne zu erkennen, daß die großen Ententestaaten unter den verschiedensten Titeln und Konferenzbeschlüssen, von Spaa über London, Locarno, Genf und Haag systematisch daran gegangen waren, immer mehr und mehr die undruchführbarsten Bestimmungen abzubauen.

Der Weltkrieg mit seinen ungeheueren Dimensionen hat insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiete Auswirkungen und Zusammenhänge erkennen lassen, die jedem verantwortlichen Staatslenker es zur Pflicht machen müßten, der Einkehr geordneter Verhältnisse den Weg zu bahnen, soll nicht über ganz Europa ein Chaos hereinbrechen, weder Sieger noch Besiegte schonend.

Sogar der französische Außenminister Briand hat schon in einer Kammerrede am 11. Juli 1921 die große Gefahr und Tragweite der Auswirkungen der Pariser Haßverträge erkannt, aber zum Schaden der europäischen Völker nicht den Mut gehabt, den zum Wahnsinn aufgepeitschten Volksmassen diese Auswirkungen auch in Bezug auf Deutschland zu kennzeichen, beziehungsweise bei der Führung seiner Politik zu berücksichtigen. Er begnügte sich in dieser Rede, dies nur auf die entferntliegende Türkei zu tun, obwohl doch jedem Einsichtigen klar sein mußte, daß jedes seiner Worte auch für die mitteleuropäischen Friedensverträge und Staaten volle Geltung besitzt. Er sagte: "Eines von beiden: entweder wollen wir in Zukunft in Freundschaft und Frieden mit der Türkei leben - dies ist mein dringender Wunsch - und wir nehmen unsere Beziehungen wieder auf, wie sie vor dem Kriege bestanden, oder wir bleiben in einem Zustand dauernder Feindschaft. In diesem Falle muß Frankreich ständig Truppen an der Grenze von Cilicien und Syrien unterhalten, ständig Krieg führen. Wenn die Mehrheit so denkt, wäre es besser, den Konflikt sofort und um jeden Preis mit den Waffen auszutragen. Dies soll jedoch nach meiner Auffassung vermieden werden. Wenn zwei Völker die Beziehungen wieder aufnehmen, muß es im Geiste freundschaftlicher Zus ammenarbeit für die Zukunft geschehen. Dann tritt auch die Frage der Grenzen, der Zugehörigkeit der Flüsse, Berge und Bahnlinien an Bedeutung zurück. Es geht dann nicht an, daß das eine Volk darauf ausgeht, sich im Gebiete des anderen festzusetzen und ihm seine Einnahmsquellen wegzunehmen." Und in einem weiteren Teil der Rede sagt er: "Frankreich erklärt, daß es keine Forderung stellt, die dem Nationalitätenprinzip widerspricht." Und dann weiter: "Die türkischen Nationalisten sind mißtraurisch, wie alle Nationalisten. Sie sind vielleicht aus Reaktion gegen gewisse übertriebene Härten des Friedensvertrages zu diesem Nationalismus gedrängt worden. Patriotismus nennt man dieses Gefühl, wenn es sich um Frankreich handelt. Fanatismus heißt es, sieht man es anderswo, auch wenn der Ursprung der gleiche ist."

Ich glaube, die Gegenüberstellung dieser Worte Briands zu der tatsächlich von ihm durchgeführten französischen Politik beleuchtet blitzartig die unglückseligen Verhältnisse, in denen die Völker Europas schmachten. Wenn die Außenminister der Großen und Kleinen Entente diese Worte Briands beherzigt und sich zum Verkünder dieser, einem wahren Frieden dienenden Auffassung gemacht hätten, so wäre es gewiß möglich gewesen, die französische nationalistische Haßwelle zum Stillstand zu bringen. Hier hätte auch Dr. Beneš bei seiner Vielseitigkeit und Beweglichkeit verdienstvoll wirken können, denn die französischen Politiker konnten nur, gestützt und ermuntert durch Polen und die Kleine Entente, sich so bedenkenlos gegen Deutschland austoben. Für Frankreich gab es ja nur dann Augenblicke der Ernüchterung, wenn sich trotz der unter sozialistischem Einfluß zum schweren Schaden der arbeitenden Massen auswirkenden Erfüllungspolitik Deutschlands, durch allzu rücksichtsloses Sklavenhaltertum, Anzeichen neuerlichen wirtschaftlichen Zusammenbruches zeigten und damit die Quellen zu versiegen drohten, die allein es Frankreich ermöglichen, seine das Volk in der Siegerpsychose erhaltende Rüstungspolitik fortzusetzen. Die Politik Frankreichs widerspricht den von mir zitierten Worten Briands so restlos, daß man wohl nur von einer bewußten Brutalität der französischen Politik und ihrer Trabanten sprechen kann. Das Ziel dieser Politik, maskiert durch Friedensreden und demagogische Schlagworte, ist nichts anderes, als das deutsche Volk auf Generationen hinaus zu versklaven und dem französischen Machtrausch dienstbar zu machen.

England scheint als erster Staat, leider sehr spät, erkannt zu haben, daß die Niederringung Deutschlands die ungeheuere Machterweiterung Frankreichs und die gleichzeitige Auslieferung der europäischen Wirtschaft an das amerikanische Großkapital zur Folge hatte. Es ist nicht zu bezweifeln, daß diese Auswirkungen auf wirtschaftlichem Gebiete sich in dem zollpolitisch balkanisierten Teil Europas am stärksten einstellen werden, d. h. also, je kleiner die Zollgebiete sind. Diese durch die Aufrechterhaltung der Haßfriedensdiktatbestimmungen geradezu verewigte Selbstzerfleischung Europas beginnt sich nunmehr auch für die großen Ententestaaten verhängnisvoll auszuwirken. Die englischen Dominions streben nach staatlicher Loslösung vom Mutterland - der schwindende Machteinfluß Europas in wirtschaftlicher und politischer Beziehung beginnt sich eben zu rächen. Der gewaltige Machtzuwachs Amerikas hingegen, als des einzigen wahren Siegers im Weltkrieg, droht dem europaischen Kontinente als dem einstigen Kultur-, Macht- und Wirtschaftszentrum der Welt den Todesstoß zu versetzen. Den verantwortlichen europäischen Politikern sollte es daher klar werden, daß die Fortsetzung der bisherigen engstirnigen Sieger- und Auchsiegerpolitik, gestützt auf die Unabänderlichkeit der Friedensdiktate, diese drohende Entwicklung nur beschleunigen kann.

Ich sehe daher im Verlauf der letzten Haager Verhandlungen nur insofern einen, wenn auch nur einen kleinen Fortschritt zur Selbstbesinnung, daß die großen Ententestaaten, wie dies z. B. der englische Schatzkanzler gegenüber Dr. Beneš wohl in drastischer, aber nicht mißzuverstehender Art zum Ausdruck gebracht hat, sich von der Rücksichtnahme auf die Großmannssucht der gewiß nicht zum Vorteil Europas entstandenen Kleinstaaten zu befreien trachten, um einer großzügigen Politik die Wege zu ebnen, die nach einer durchgreifenden Revision der Friedensverträge zu einer wirklichen Konsolidierung Europas führen könnte.

Ich kann es der èechischen Öffentlichkeit und vor allem Dr. Beneš nachfühlen, wie schmerzhaft es sein muß, von den Wogen des Kriegsglücks hochgetragen zu werden, aber wie jedem Wellenberg das Wellental folgt, schon so bald den Realitäten normalen Völkerlebens Rechnung tragen zu müssen. Auch in Zukunft werden nur die großen Völker das Weltenschicksal entscheidend zu beinflussen vermögen.

In dem Ringen der 28 Völker, die sich zur Vernichtung Deutschlands aus Revanchesucht und Handelsneid zusammengeschlossen hatten, wurden auch die Kleinvölker als Buchsenspanner begeistert begrüßt. Heute, 10 Jahre nach Kriegsschluß müssen sie sich langsam wieder damit abfinden, die Aschenbrödelrolle zu übernehmen. Die der Èechoslovakei vorgeschriebene Befreiungstaxe ist trotz ihrer Herabsetzung wohl der schwerste Schlag, der sich in seinen Auswirkungen an Prestigeverlust erst in der nächsten Zeit ganz ermessen lassen wird. Die Zuerkennung der einprozentigen Beteiligung an den Ostreparationen ist für das immer zur Schau getragene Siegerbewußtsein wohl als beschämend zu bezeichnen, besonders wenn man diesen mageren Ergebnissen der mit gewaltigen Mitteln aufgezogenen Beneš'schen Außenpolitik das erfolgreiche Abschneiden Deutschösterreichs und Ungarns im Haag gegenüberstellt. Nicht zu vergessen, daß Rumänien die gesamte Freiheitsschuld im Betrage von 1,900.000 Goldfranken gestrichen wurde. Es ist nicht meine Absicht, Dr. Beneš nachzuweisen, ob er zahlenmäßig im Haag gut oder schlecht abgeschnitten hat; ich will sein Referat, soweit es sich mit der Reparationsfrage beschäftigt, nur insoweit behandeln, als es offensichtlich den Tatsachen widerspricht, und will Behauptungen, die er bezüglich der von ihm erzielten Erfolge aufgestellt hat, auf das richtige Maß zurückführen. Im einleitenden Teil seiner Ausführungen, in welchem er sich mit dem angeblichen Widerstand und dem Kampfe Deutschlands gegen die Reparation beschäftigt, stellte er die Entwicklung zu Beginn des Jahres 1923 so dar, als ob Deutschland mutwillig die Leistung weiterer Zahlungen abgelehnt hätte und dadurch die Anwendung von Sanktionen - Besetzung der Ruhr - verschuldet hätte. Dr. Beneš spricht weiter davon, daß die Deutschland ehedem vorgeschriebene Reparationssumme von 132 Milliarden Mark, die bekanntlich kein Volkswirtschaftler von Ruf ernst genommen hatte, durch den Dawesplan zwar nicht formell herabgesetzt worden sei, aber faktisch eine Herabsetzung auf 50 Miliarden Goldmark erfahren hätte. Dr. Beneš errechnet weiter, daß auf Grund des Young-Planes der heutige Kapitalswert der deutschen Reparationszahlungen bei Annahme einer 5 1/2%igen Verzinsung rund 38 Milliarden Goldmark entspreche und daß daher Deutschlands Reparationsschuld um 33% herabgesetzt worden sei. Dieses Spiel mit den Zahlen könnte den Eindruck erwecken, als ob Deutschland tatsä chlich bei diesen Verhandlungen auf die Einsicht der Gegner gestoßen wäre. Es wird eben geflissentlich verschwiegen, daß Deutschland ohne Einbeziehung der ungeheueren Werte, die es durch die Gebietsverluste, durch Sachund Vermögenswerte erlitten hat, bis zum 31. August 1925 auf Grund der Berechnung des statistischen Reichsamtes an Leistungen aus dem Titel des Friedensvertrages bereits den Betrag von 60 Milliarden Goldmark aufbringen mußte. Würden alle diese gewaltigen Opfer, die Deutschland bereits im Laufe der 10 Jahre gebracht hat, tatsächlich auf Reparationskonto verrechnet worden sein, so würde die Welt anerkennen müssen, daß es an Unmenschlichkeit grenzt, noch auf zwei Menschenalter hinaus die im Young-Plan vorgesehenen Beträge herauspressen zu wollen. Aus diesen Feststellungen geht aber auch hervor, daß die von Dr. Beneš angeführten Zahlen und die angebliche Herabsetzung der Reparationssumme von 132 auf 38 Milliarden den Tatsachen vollständig widersprechen. Auch der Hinweis Dr. Beneš's, daß durch den Young-Plan, durch die Einrichtung der Internationalen Bank und durch die augenblickliche Mobilisierung eines Großteils der deutschen Reparationszahlungen, vorläufig bis zu einer Maximalhöhe von 300 Millionen Dollars, das Reparationsproblem mehr oder weniger entpolitisiert worden sei, gehört zu jenen famosen Irreführungsversuchen, die scheinbar das Handwerkszeug der Nachkriegsdiplomatie bilden. Die Mobilisierung dieser Beträge, bezw. der Reparationsschuldverschreibungen bedeutet doch praktisch nichts anderes als die Vergrößerung der bisherigen Gläubigermacht, bedeutet doch nichts anderes als die Versklavung des deutschen Volkes an das internationale Bankkapital. Es handelt sich um den raffinierten Versuch, Deutschland auch dann, wenn es beim besten Willen den neuen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann, eine Abanderung dieser Zahlungsverpflichtungen fast unmöglich zu machen. Es ist doch unglaublich, daß Dr. Beneš trotz genauer Kenntnis dieser Absichten und Zusammenhänge den Mut aufbringt, das Haager Verhandlungsergebnis in dieser Richtung als tatsächliche Liquidierung des Krieges zu bezeichnen. Mehr als das muß ich aber seine Kurzsichtigkeit bestaunen, daß er nicht begreift, daß in dem Augenblicke, wo infolge dieser übertriebenen Forderungen Deutschlands Wirtschaft zusammenbricht, doch die Èechoslovakei als Nachbarstaat mit am schwersten betroffen werden würde. In diesem Zusammenhang wäre es auch von besonderem Interesse zu wissen, ob die Nachricht zutreffend ist, daß sich beim Abschluß der Konferenz zur größten Überraschung der Konferenzteilnehmer Dr. Osuský erhoben hat und den grundsätzlichen Ausspruch der Èechoslovakei auf deutsche Reparationen vertreten hat. Nachdem der Außenminister sich zu dieser Frage in seinem umfangreichen Berichte nicht geäußert hat, würde ich es begrüßen, wenn er in sein em Schlußworte dazu Stellung nehmen würde.

Die den Ostreparationen und der Freiheitsschuld gewidmeten Ausführungen ließen erkennen, daß es hier zwischen der Kleinen Entente und Ungarn, besser gesagt zwischen Frankreich und Italien, wiederholt von England unterstützt, zu einem heißen Ringen um den Einfluß in Südosteuropa gekommen ist. Das Ergebnis beweist fraglos, daß für das von Italien geförderte Ungarn, wenn man die Verhältnisse sich vor Augen führt, wie sie hier noch vor vier Jahren zu verzeichnen waren, und mit dem jetzigen Zustande vergleicht, sich die Lage auffällig zum Nachteile der Kleinen Entente gewendet hat. Die ständig gegenüber Ungarn geführte Nadelstichpolitik hat sich durchaus nicht bewährt und Ungarn kann heute dank seiner zielbewußten und klugen Außenpolitik auf die im Haag erzielten Erfolge stolz sein. Daran ändern auch die außerordentlich vorsichtig formulierten Äußerungen Dr. Beneš's herzlich wenig, die den Eindruck zu erwecken versuchen, daß Ungarn nur einen kleinen Bruchteil dessen erreicht hatte, was es erreichen wollte. Besonders unbegründet erscheint mir der Triumph Dr. Beneš's in der Frage der Bodenreform. Ich bin überzeugt, daß die Unterhändler Dr. Beneš und Osuský in diesen Tagen sich nur zu oft der Worte, die Prof. Pekar niedergeschrieben hat, erinnert haben werden: "Ich glaube nicht, daß wir unserer nationalen Sache dienen, wenn wir uns im Wege eines wie immer maskierten Raubes oder Gewaltaktes der wirtschaftlichen Güter bemächtigen, die bisher in den Händen des nationalen Gegners waren." In den westlichen Demokratien wird eben auch von sozialistischen Regierungen das Privateigentum für unantastbar gehalten, und vermochte auch die viele Millionen verschlingende wissenschaftliche Propaganda des èechischen Außenministeriums an dieser Auffassung nichts zu ändern. Man kann wohl mit Recht sagen, daß Ungarn gerade in dieser Frage auf das größte Verständnis gestoßen ist, welches dann die Grundlage für weitere Erfolge bot. Dr. Beneš mag sich noch so sehr bemühen, durch Anführung geduldiger Zahlenreihen den Nachweis zu erbringen, daß die Èechoslovakei aus dem Kapitel Bodenreform keine Verpflichtungen übernommen hat, so wird er aber doch nicht ernstlich bestreiten können, daß mittelbar jeder Abstrich, der Ungarn, Deuschösterreich und Bulgarien an den Reparationen gewährt wurde, sich wieder dahin ausgewirkt hat, die Zahlungsverpflichtungen der Èechoslovakei als dem reichsten Gebiete möglichst aufrechtzuerhalten. Es ist eben grundfalsch, hier jeden der einzelnen Staaten getrennt vorzunehmen, da doch die Zahlungsvorschreibungen und Zahhungsverpflichtungen so innig ineinandergreifen und es den Weststaaten doch in erster Linie darum zu tun war, ohne ihren Säckel zu belasten, einen ihren wirtschaftlichen, aber auch ihren speziellen Machtinteressen dienenden Ausgleich zwischen diesen Kleinstaaten herbeizuführen. Das ist auch der wahre Grund, daß einzelne dieser Staaten sich der gleichen Großmacht zu Dank verpflichtet fühlen, und zwar auch dann, wenn sie sich, wie die Èechoslovakei und Ungarn, als Gegner gegenüberstanden.

Dr. Beneš hat sich die stärkste Wirkung seiner Ausführungen von der Gegenüberstellung der im Jahre 1920 für die Èechoslovakei zu erwartenden und von der Regierung und dem Parlamente anerkannten Verpflichtungen im Betrage von fast 29 Milliarden Kè und der nunmehr erzielten Herabsetzung auf 2 Milliarden versprochen. Ich halte es für notwendig, auch in dieses Zahlenspiel hineinzuleuchten, um zu zeigen, wie solche Erfolge erzielt werden. Vorausschicken muß ich, daß Deutschösterreich alle Verpflichtungen aus dem Kriege und aus den Friedensverträgen gestrichen wurden und alle Beziehungen zwischen der Reparationskommission und Deutschösterreich gelöst wurden. In den Artikeln 203 und 208 des Friedensvertrages von St. Germain wurden die Verpflichtungen der Nachfolgestaaten festgelegt, die sie mit den auf sie entfallenden Territorien des früheren österreichischen Staates zu übernehmen hatten. Der entscheidende Absatz des Art. 208 lautet: "Der Wiedergutmachungsausschuß bestimmt den Wert des seitens der verschiedenen Staaten ausschließlich Österreichs erworbenen Besitzes und Eigentums; diese Werte werden dem übernehmenden Staate angelastet und der Republik Österreich in Anrechnung auf die Wiedergutmachungsschuld gutgeschrieben." Dr. Beneš schätzt nun auf Grund der ihm zugänglichen Unterlagen diesen auf die Èechoslovakei entfallenden Anteil auf 24 Milliarden Kè und kommt so zuzüglich der 750 Mill. Goldfrank der Befreiungsschuld, das sind 4 1/2 Mililarden Kè, auf die ursprüngliche Gesamtverpflichtung von fast 29 Milliarden. Nachdem nun im Haag Deutschösterreich seine ganzen Verpflichtungen gestrichen wurden, ist es eine doch mehr als selbstverständliche Sache, daß auch der Deutschösterreich aus dem Titel "von der Èechoslovakei übernommener Staatsbesitz" von dem Wiedergutmachungsausschuß gutzuschreibende Betrag von 24 Milliarden nachgelassen wurde. Ich kann in diesem Vorgange keinen besonderen Erfolg der sich zu den Siegerstaaten zählenden Èechoslovakei erblicken und noch weniger einen solchen der Unterhändler; für diese wäre es ja geradezu beschämend gewesen, diesen Durchlaufposten der Wiedergutmachungsschuld der Republik Deutschösterreich, nachdem diese im Haag vollständig gestrichen wurde, ganz oder auch nur teilweise zur Zahlung aufrechtzuerhalten. Daß die Bezahlung dieses Betrages nachgesehen wurde, ist doch nur den Einflüssen zu verdanken, die in Erkenntnis der durch die unsinnigen Friedensdiktatbestimmungen heraufgeführten katastrophalen wirtschaftlichen Lage Deutschösterreichs die Streichung aller Verpflichtungen Deutschösterreichs aus dem Friedensvertrage durchgesetzt haben. Es bleibt also noch zu untersuchen, wie es sich mit dem Restbetrage von 4 1/2 Milliarden, d. s. 750 Mill. Goldfranken der Befreiungstaxe verhält. Vor allem sei darauf hingewiesen, daß in der diesbezüglichen Bestimmung von einem Betrage bis zu dieser Grenze gesprochen wird.

Dr. Beneš erklärte außerdem, daß es sich hier um die Bezahlung einer Ehren- und Dankesschuld handelt, und zwar mit Rücksicht auf die ungeheuer großen Blut- und Geldopfer der großen Ententestaaten, denen doch nur, wie er selbst sagt, unbedeutende finanzielle und Blutopfer auf èechischer Seite gegenüberstehen. Er weist weiter auf die furchtbaren Verwüstungen hin, die der Krieg in den Ententestaaten angerichtet hat, und schließt mit der Feststellung der erzielten Abstriche an der Befreiungsschuld, deren Bezahlung die Voraussetzung dafür ist, daß die Èechoslovaken ihren Staat und ihre Selbständigkeit mit eigenen Mitteln erkämpft und nicht erbettelt haben - wobei noch zu berücksichtigen sei, daß ein beneidenswertes Geschick diese Länder verschont habe, Kriegsschauplatz zu werden. Dr. Beneš hat nur nicht erbettelt haben, wobei noch zu bezeichnen, denen allein durch ihre Hingabe an Blut, Gut und Leben die Länder Böhmen, Mähren und Schlesien dieses beneidenswerte Geschick zu verdanken hatten - den deutschösterreichischen, magyarischen und reichsdeutschen Soldaten, die trotz des èechischen Überläufertums siegreich an den Fronten standhielten und so diese Gebiete vor der drohenden Gefahr, Kriegsschauplatz zu werden, bewahrt haben.

Es wäre daher auch meines Erachtens Ehrenpflicht der èechischen Öffentlichkeit, denen zu danken, die dieses beneidenswerte Geschick mit heraufführen halfen. In Wirklichkeit geschah und geschieht aber das Gegenteil. Die sudetendeutschen Offiziere und Unteroffiziere wurden zum Teufel gejagt und ihrer Chargen für verlustig erklärt, dem Heere der Kriegsbeschädigten die Erfüllung ihrer berechtigten Forderungen vorenthalten. In dieses Kapitel gehört auch die ungeheuerliche Behandlung der Kriegsanleihefrage die Vernichtung von Milliarden deutschen Volkseigentums - auf deren gerechte Lösung hinzuwirken gerade der Außenminister in diesem Zusammenhange berufen wäre. Denn einerseits war es den österreichischen Heeren nur durch die Zeichnung der Kriegsanleihen ermöglicht worden, den Schutz der Heimatsgebiete erfolgreich zu gestalten und so diese Gebiete vor Überflutung durch feindliche Heeresmassen zu schützen, andererseits besteht bei sinngemäßer Auslegung des Artikels 205 des Friedensvertrages und der Streichung der im Artikel 208 der Èechoslovakei auferlegten Verpflichtung auf Ablösung der übernommenen Staatsgüter mehr denn je auch die moralische Verpflichtung auf Volleinlösung der Kriegsanleihe. Hier eröffnet sich daher auch für die deutschen Regierungsparteien ein weites und dankbares Betätigungsfeld.

Bei der Schlußaufstellung der Verbindlichkeiten aus dem Kriege kommt Dr. Beneš nach der Schilderung der entgegenkommenden Haltung der italienischen, französischen und nordamerikanischen Regierung zu der Feststellung, daß diese sich einschließlich der Befreiungsschuld auf 2 Milliarden Kè belaufen. Was er aber füglich verschweigt, sind die anderweitig vertraglich eingegangenen Verpflichtungen gegenüber Frankreich, die sich in erster Linie auf den für den kleinen Staat übertrieben hohen Friedensstand der Armee beziehen, deren Kosten in dem abgelaufenen Jahrzehnt allein sich auf 25 Milliarden Kè belaufen, und was für die Wirtschaftslage am schwerwiegendsten ist, auch weiterhin alljährlich 2 Milliarden Kè verschlingen.

Diese Feststellungen allein würden schon genügen, um zu beweisen, daß der rosenrote Optimismus Dr. Beneš's bezüglich der aus dem Kriege stammenden Verbindlichkeiten durchaus nicht gerechtfertigt ist, ja ein vollständig verzeichnetes Bild der geradezu trostlosen Lage liefert. Zu den bereits angeführten Ziffern kommen noch, wie ich dem Blatte Dr. Beneš's, dem "Èeské Slovo" entnehme, ein Betrag von 18ÿ9 Milliarden Kriegsschuld an Amerika und England, Vorkriegsrenten und Kriegsanleiheverpflichtungen hinzu. Ein wirklich objektives Bild ergibt sich eben nur dann, wenn man sich nicht damit begnügt, einseitig nur die eine oder die andere Verpflichtung hervorzuheben und mit dem eingeschätzten Maximalwert anzuführen und dann den hier erzielten Erfolg herauszuarbeiten, sondern man muß in dem Kreis der Erörterungen alle Verpflichtungen, die sich mittelbar und unmittelbar ergeben haben, zahlenmäßig zu erfassen suchen und mit aller Offenheit darlegen.

Zusammenfassend kann also gesagt werden, daß die Èechoslovakei, entscheidend beeinflußt durch die politischen Bindungen, die sie neben den finanziellen Verpflichtungen eingegangen ist, auch nach Abschluß der Haager Verhandlungen allen Grund zur Unzufriedenheit hat. Diese Empfindung, die weite Bevölkerungskreise unter besonderer Hervorkehrung bald dieser oder jener Gründe teilen, sollte den Regierenden in diesem Staate den Anlaß bieten, den wahren Ursachen dieser Entwicklung nachzugehen.

Wir Sudetendeutschen sehen den Ursprung des Übels vor allem in der sowohl der Zusammensetzung der Bevölkerung dieses Staates, als auch der geopolitischen und wirtschaftlichen Lagerung widersprechenden Führung der Außenpolitik, die noch immer den Ausfluß der èechischen Nationalstaatspolitik - bei 50% nichtèechischer Bevölkerung und des französischen Vasallentums bildet, statt endlich den Realitäten, wie sie sich aus der Zusammensetzung des Staates als Nationalitätenstaat und der Lagerung der angrenzenden Staaten als notwendig erweisen würde, Rechnung zu tragen. Trotz aller gegenteiligen Versicherungen Dr. Beneš's muß heute festgestellt werden, daß die Kleine Entente-Politik Schiffbruch gelitten hat. Das Verhalten Frankreichs im Haag, dessen guter Wille zu helfen hiebei gar nicht geleugnet werden soll, und die auffallende Zurückhaltung Südslaviens in einzelnen Verhandlungsphasen muß doch auch den begeitersten Anhänger dieser der Kriegspsychose entstammenden politischen Einstellung ahnen lassen, wie sich nun gar in einem Ernstfalle die Dinge gestalten würden.


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