Støeda 19. listopadu 1930

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 81. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve støedu dne 19. listopadu 1930.

1. Øeè posl. Schuberta (viz str. 9 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Auch heute müssen wir an die Spitze unserer Ausführungen den Protest stellen, wie hier Gesetze erledigt und die Gesetzgeber behandelt werden. Gerade jetzt wird eine ganze Serie von Gesetzen in einem Tempo durchgepeitscht, daß die so notwendige sachgemäße Behandlung und Stellungnahme unmöglich gemacht wird. Wer nicht Mitglied eines Sonderausschusses oder Mitglied der Partei des betreffenden Ressortministers ist, hat keine Gelegenheit zum Studium und kann sich keine Kenntnis über die Details und Einzelheiten der Fragen schaffen. Wenn man auf die Mitarbeit außerhalb des Ministerrates und der Parteiführer keinen Wert legt, so möge man es sagen und nicht eine Komödie aufführen, um dem Volk Demokratie vorzutäuschen. Über alle Resolutionen im Ausschuß und im Hause wird auf einmal abgestimmt, ohne den Inhalt auch nur zu prüfen, und dies im Zeitalter sozialdemokratischer Mitregierung. Eine derartige Behandlung wichtiger Angelegenheiten namentlich wirtschaftlicher Natur ist nicht ohne Folgen. Eine Novelle jagt die andere, fünf auf einmal werden in der nächsten Zeit verhandelt, und dort, wo man die Form nicht wählt, kommt man mit ewigen Verlängerungen und erklärt das altösterreichische Prinzip des Fortwurstelns in Permanenz. Bis zum letzten Augenblick wurde auch wieder mit der definitiven Regelung der Bau- und Wohngesetze zugewartet. Was das Fürsorgeministerium in 8 Monaten nicht fertiggestellt hat, was der Wohnungsbeirat in derselben Zeit nicht erledigen konnte und worüber der Ministerrat schon seit Wochen verhandelt, muß jetzt von dem zuständigen Ausschuß in 24 Stunden und vom Haus binnen 48 Stunden erledigt werden, und das Ergebnis monatelanger Verhandlungen ist wiederum ein Provisorium, weil man sich nicht anders zu helfen weiß. Der einzige Vorteil der jetzigen Verlängerung gegenüber der im Frühjahr besteht darin, daß die Wirksamkeit des Gesetzes vor der kommenden Bausaison beginnt, und dieser einzige Vorteil darf nicht aufgehoben werden durch eine ungebührlich la nge Verzögerung der Erledigung der Bau- und Subventionsgesuche.

Wenn wir vom Wohnungsproblem vollständig absehen, so bedeutet die Regierungsvorlage doch wenigstens den Versuch einer teilweisen Behebung der Wirtschaitskrise. Da das Baugewerbe als Schlüsselgewerbe für eine ganze Reihe von Industrien und Gewerben bezeichnet werden kann, so bedeutet jede Bauförderung die Unterstützung derselben, aber auch produktive Arbeitslosenfürsorge durch Beschäftigung der Arbeiterschaft im Gewerbe und Industrie. Nicht zuletzt aus diesem Grunde hätten wir statt der ewigen Provisorien ein langfristiges Gesetz gewünscht, das die ganze Bauförderung nicht nur auf Jahre hinaus nach einem scharf umrissenen Plan regelt, sondern sie auch fördert. Wir hätten eine dauernde Regelung gewünscht bis zur vollständigen Beseitigung des Wohnungselends und der Wohnungsnot. Denn nur bei einer dauernden Regelung staatlicher Bauförderung kann die Mieterschutzfrage erörtert werden. Der Preis für einen Wohnbau und damit der Mietzinspreis für die Wohnungen richtet sich nach den Gestehungskosten, dem Zinsfuß der Darlehen und der staatlichen Unterstützung. Auf die Gestehungskosten kann und muß der Staat entsprechenden Einfluß nehmen, vor allem deshalb, um die Mietzinse auf ein halbwegs erträgliches Maß zu stellen. Ich weise auch heute wiederum auf die Tatsache hin, daß vor mehr als 300 Jahren die restlose und entschädigungslose Enteignung von Baustellen möglich war, und die damalige preußische Wirtschafts- und Rechtgesinnung vermissen wir heute ganz im Zeitalter sozialistischer Mitregierung. Nach dem klaren Wortlaut der Bodenreformgesetze hatten die Gemeinden in allererster Linie Anspruch auf Zuweisung von Baugrund. Diese Bestimmung ist nicht oder nicht im genügenden Maße insbesonders bei deutschen Gemeinden eingehalten worden, sondern der Boden wurde zu Spottpreisen Protektionskindern zugeschanzt, die ihn vielfach gar nicht halten können, und ihn heute mit Gewinn von 2.000 % an die Gemeinde weiterverkaufen. (Hört! Hört!) Die niedrigen Übernahmspreise sind nicht einmal bezahlt, zugewiesener Kunstdünger wird verkauft, Boden brachgelegt, und heute wird schon weitere Unterstützung, des neuen Landadels angekündigt. Eine Bodenreform, die nicht die freie Gemeinde zur Herrin über Grund und Boden macht und damit die erste Voraussetzung zu einer planmäßigen Boden- und Wohnpolitik schafft, mißbraucht eine soziale Maßnahme, die im Leben der Völker immer eine bedeutende Rolle gespielt hat.

Die Grundstückpolitik der Gemeinden ist dadurch erschwert, daß es an den notwendigen Geldmitteln zu rechtzeitigen Ankauf in der Regel fehlt, insbesondere aber dadurch, daß im allgemeinen große Raumnot herrscht und der Grund und Boden heute vielfach in der Hand gewissenlosester Spekulanten ist. Heute fehlen den Gemeinden jedoch ausreichende gesetzliche Grundlagen für ihre eigene Grundstückpolitik und für die Bedürfnisse des Wohnungs- und Siedlungswesens.

Wir haben zwar das Recht der Beschlagnahme von Grund und Boden auch in dem heutigen Antrage verankert, was wir aber benötigen, ist ein Gesetz, das die rechtzeitige Erwerbung größerer Grundkomplexe ermöglicht, ohne einen Verbauungstermin zu begrenzen.

Wir sehen auch, daß die Gemeindefinanznovelle für eine ganze Reihe von Aufgaben den Gemeinden die Möglichkeit zur Aufnahme von Darlehen bietet, nicht aber zur Erwerbung von Bauland. Hiebei wird ein Rentabilitätsnachweis verlangt, der doch nur bei sofortiger Verbauung erbracht werden kann, nicht aber bei einer Bodenpolitik auf lange Sicht. Wir werden hiezu unsere Anträge stellen und auch bei Beratung dieses Gesetzes verweisen wir auf unseren diesbezüglichen Antrag.

Und im Zusammenhang damit stehen auch die Wünsche der Städtte auf Eingemeindung der angrenzenden kleinen Nachbarorte oder einzelner Grundstücke derselben. Nur selten werden die kleinen Gemeinden auf diese eingehen. Da einer zwangsweisen Eingemeindung ganzer Ortschaften der Grundsatz der Selbstverwaltung entgegensteht, muß wenigstens die Eingemeindung von Baugelände aus Nachbargemeinden ermöglicht werden, wenn die eigene Gemeinde über denselben nicht in genügendem Maße verfügt, insbesondere dann, wenn dieser Boden sich im Besitze der eigenen Mitbürger befindet. Wir fordern daher die Handhabung des Bauförderungsgesetzes in einer Weise, daß der Bodonwucher bekämpft wird, Gewinne ausgeschaltet und die Baugrundpreise im allgemeinen herabgedrückt werden, weil dadurch allein die Gestehungskosten um mindestens 5 % bei Eigenhäusern erniedrigt werden.

Der Ausdruck "ortsübliche Preise" für Enteignung von Baugrund ist deshalb durch nichts zu rechtfertigen und es soll nur der seinerzeitige Erwerbswert maßgebend sein, besonders dann, wenn die Erwerbung nach dem Jahre 1918 stattfand. Die Wertsteigerung von Ackerboden zu Baugrund darf keine Grundlage für das Enteignungsverfahren sein. In allererster Linie muß der Staat mit gutem Beispiel vorangehen, auch er darf nur die Übernahmspreise verlangen und diese nicht unverantwortlich erhöhen, wie dies in einzelnen Gemeinden der Fall war, da er doch über genügende Praxis bei der Preiserstellung der beschlagnahmten Großgrundbesitze verfügt. Aus Trzyniez wird uns berichtet, daß die staatliche Forstverwaltung in Prag der Gemeinde seit Monaten Baugrund bewilligt hat, die Forstdirektion in Friedek sich aber um den antlichen Auftrag einfach nicht kümmert, sondern die Übergabe sabotiert, so daß trotz der größten Wohnungsnot ein Baujahr verlorenging.

Die Gestehungskosten und damit die Mietzinse können durch die Herabdrückung der Preise für alle Baumaterialien ermäßigt werden. Zement. Kalk, Eisen und Ziegel sind immer noch viel zu hoch und es wird der ganze Einfluß des Staates aufgewendet werden müssen, damit nicht die neue Verlängerung des Bauförderungsgesetzes zur Stabilisierung der Preise der wichtigsten Baumaterialien verwendet wird. Daß das möglich ist, beweisen die Dividenden der großen Unternehmungen.

Der Staat kann wirksamste Bauförderung auch dadurch betreiben, daß er Ausnahmstarife für den Transport von Baumaterialien bewilligt. Wir machen bei dieser Gelegenheit auf den Umstand aufmerksam, wie unverantwortliche Kreise die Geltung der Bauförderungsgesetze auf èechische Gemeinden und Genossenschaften beschränken wollen. In Neu-Oderberg in Ostschlesien, einer Stadt mit einem deutschen - Bürgermeister, wirkt eine èechische und eine deutsche Baugenossenschaft mit Unterstützung der Gemeinde segensreich zur Behebung der Wohnungsnot dieser Grenzstadt. Die rührige Arbeit der deutschen Genossenschaft ist einigen Èechen ein Dorn im Auge und ihre nationale Organisation hat sich an die zuständigen Stellen gewendet und verlangt, man möge dieser Genossenschaft Baukredite, Staatsgarantien und Zuschüsse verweigern. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlangung der Unterstützung gegeben sind, hat man sich gescheut, dem Referenten einen bestimmten Auftrag zu erteilen. Man hat aber die Zuschrift dem Amtsakt beigelegt, wahrscheinlich zu dem Zweck, damit sie Beachtung finde. Der Akt kam zur Ergänzung nach Oderberg zurücck und dort fand man die ominöse Eingabe, weil der Referent sie aus dem Akt herauszunehmen übersehen hatte. Die Möglichkeit einer solchen Eingabe ist bei der bekannten Einstellung einiger Heißsporne immer gegeben. Wir fragen aber an, wieso sie, statt in den Papierkorb zu wandern, dem Akt beigelegt wurde und zu welchem Zwecke.

Verbunden mit dem letzten Bauförderungsgesetz war die Bereitstellung eines Betrages von 50 Millionen durch die Zentralsozialversicherungsanstalt. Wohl wurden dieselben in der ursprünglichen Weise nicht verwendet, weil die günstige Erledigung der einlaufenden Gesuche den neunfachen Betrag erfordert hätte. Die Zentralsozialversicherungsanstalt hat aber die Baubewegung in anderer Weise gefördert. Bis zur Stunde liegt ein neues ähnliches Angebot nicht vor. Das Fürsorgeministerium müßte sich bemühen, von der Anstalt mindestens die Bereitstellung des gleichen Betrages zu denselben Bedingungen zu erreichen, weil es sonst besonders den kleineren Gemeinden unmöglich sein würde, allein mit den Zuwendungen aus dem Bauförderungsgesetz zu bauen. Nach dem bisher geltenden Gemeindefinanzgesetz ist eine Zuweisung aus dem Dotationsfonds von der Einführung aller geeigneten Abgaben abhängig gemacht worden und dieselben mußten bis zur zulässigen Höchstgrenze ausgenützt werden, was vielfach durch Zwangsverfügungen angeordnet wurde. Die derzeitige Novelle verlangt dies allerdings nicht mehr in so schroffer Form, die Praxis wird aber keine große Änderung bringen. Die drückendste Abgabe ist auf den Mietzins umgelegt, die Belastungen bis zur Wahnsinnshöhe von 40 % bringt. Da nur der Mietzins die Grundlage bildet, so sind die Mieter mit denselben Einkommen gleich, d. h. in diesem Falle ungleichmäßig belastet und sie zahlen je nach dem Verhältnis, in welchem die Mietwohnungen zum Mieterschutz und Bauförderungsgesetz stehen, bis zum 400fachen des geringsten Betrages.

Der Staat hat die Zinssteuer herabgesetzt, ihre Mehrbelastung mit Umlagen unmöglich gemacht, zwingt aber gleichzeitig die Gemeinden, in Form von Mietzinshellern eine 40 % ige Mehrbelastung - deer Mietzinse aufzuerlegen. Er erscheint als der fürsorgliche Schützer der Mieter und zwingt die Gemeinden zu Belastungen, um seine Unterstützungsfonds und Gelder zu schonen, und bringt dadurch absichtlich oder unabsichtlich die Gemeinden bei ihren Bürgern in Mißkredit Wenn jemals die definitive Regelung der Mietzznse in Angriff genommen wird, so muß man sie erst von den die Mietzinse schwer drückenden Zinshellern befreien, ohne dabei zu vergessen, für den Entfall der Erträgnisse den betroffenen Gemeinden neue Einnahmsquellen in gleich großem Ausmaße zu erschließen. Da die Mietzinse in den unter der Geltung der Bauförderungsgesetze gebauten Häusern zur Gä nze oder zur Hälfte von den Mietzinshellern befreit sind, haben sie unter falschem Namen heute schon den Charakter des seinerzeit abgelehnten Baufondbeitrages, oder wenn Sie wollen, der Wohnungsabgabe der Stadtgemeinde Wien. Im ersten Falle sind die Zinsheller niedriger, im zweiten höher, aber nicht gestaffelt. Diese Staffelung ist jedoch unerläßlich. Um ihnen den Charakter einer dieser Abgaben zu geben, müßte ihre Zweckbestimmung fixiert werden. Wir legen Wert darauf, ausdrücklich festzustellen, daß wir für die generelle Einführung der Mietzinsumlagen aus sozialen Erwägungen heraus keinesfalls plädieren, sondern nur jene Gemeinden im Auge haben, die zur Einhebung behördlich oder durch die örtlichen Verhältnisse gezwungen sind, um ihre Aufgaben einschließlich der Bauförderung zu erfüllen. Diese Erträgnisse der Mietzinsheller wären ausschließlich zur Bauförderung von den in Betracht kommenden Gemeinden zu verwenden und erst diese Ergänzung der staatlichen Bauförderung würde es ermöglichen, Wohnungen mit Mietzinsen zu erstellen, die auch für die ärmsten Familien erschwinglich sind. Wir verlangen daher die Herausgabe diesbezüglicher Weisungen an die Aufsichtsbehörden, diese Zweckbestimmung, bei Überprüfung der Gemeindevoranschläge zu berücksichtigen und darauf Bezug habende Vorsehriften in die von den Landesvertretungen zu erstellenden Regulative für die Verfassung der Gemeindevoranschläge und die Wirtschaftsgebarung der Gemeinden aufzunehmen.

Nach der heutigen Praxis werden die für die Wohnungsfürsorge eingesetzten Beträge den Gemeinden von den Aufsichtsbehörden gestrichen, mit der Begründung, daß Wohnungsfürsorge nicht Aufgabe der Gemeinden ist. Die mit staatlicher Bauförderung erstellten Kleinstwohnungen bedingen im günstigsten Falle einen Wohnungszins von 130 bis 140 Kè, also fast doppelt soviel wie in Wien. Textilarbeiter mit einem Monatseinkommen von 320 Kè und darunter können die Zinse nicht aufbringen, noch weniger das steigende Heer der Kurzarbeiter und am allerwenigsten die gerade im deutschen Gebiet sich am stärksten rekrutierende Armee der Arbeitslosen. Der Staat erstellt keine billigen Wohnungen, die Gemeinde darf es nicht. Was soll aus diesen Ärmsten der Armen werden, wenn sie nicht nur brotlos, sondern auch obdachlos werden? Bei aller Anerkennung jeder Bauförderung durch den Staat, muß in diesem Zusammenhang auch heuer wieder auf die Tatsache hingewiesen werden, daß die Gemeinden auch dann weit größere Opfer für die Bauförderung bringen als der Staat, wenn sie auch direkt keine Beiträge geben. Jedwede Bautätigkeit bedingt für die Gemeinde eine Unsumme von Ausga ben für Straßen, Kanalisation, Wasserleitung, Beleuchtung u. s. w., so daß die Opfer größer sind als die des Staates, besonders bei Flachbau und daß damit nicht zuletzt ein Anwachsen der Gemeindeschulden erklärt werden kann. Ich habe im Budgetausschuß bei Beratung der Gemeindefinanznovelle gefordert, daß bei Aufzählung jener Ausgaben, für welchen die Aufnahme von Darlehen erlaubt ist, auch die Erwerbung von Baugrund aufgenommen werden soll, da eine Gemeinde Grundstückpolitik á la longue zu betreiben hat. Obwohl einige Kollegen aus dem Regierungslager sich bereit erklärten, dafür zu stimmen, ist der Antrag an dem unverständlichen Widerstand des Referenten gescheitert.

Auch hier nehme ich diesen Antrag nochmals auf, daß die Gemeinden berechtigt unl verpflichtet werden, die ihnen aus der Wertzuwachsabgabe zufließ enden Beträge in erster Linie zum Ankauf von Baugrund zu verwenden, als erste und wichtigste Voraussetzung jedweder Bau- und Wohnungspolitik. Es ist zu befürchten, daß alle jene Gemeinden, die von den Begünstigungen des Bauförderungsgesetzes Gebrauch gemacht und mit Staatsgarantie und staatlicher Unterstützung Wohnhäuser gebaut haben, Gebührenäquivalentszahlungsaufträge erhalten werden. Eine Befreiung oder wesentliche Herabsetzung des Gebührenäquivalents für solche Realitäten kann wohl in der für das neunte Dezennium zu erlassenden Regierungsverordnung nicht verfügt werden. Hiezu wäre die Abänderung der Tarifpost 105 B a) des Gebührengesetzes im Wege eines Gesetzes erforderlich [vergleiche Anmerkung 2 a) bis e) der bezogenen Tarifpost]. Wie uns das Bürgermeisteramt Türmitz mitteilt, werden Gemeinden, die die subventionierten Wohnungsbauten auf einem Grund errichtet haben, der schon vor dem Jahre 1920 ihr Eigentum war, ohne Rücksicht auf die vorgeschriebene zehnjährige Besitzdauer schon jetzt zur Zahlung des Gebührenäquivalents von diesen inzwischen verbauten Grundstücken verpflichtet sei. Auch hier wäre eine Änderung nur im Gesetzgebungswege möglich.

Nach § 5 des Gesetzes vom 28. Dezember 1911. R. G. Bl. 243, ist, wenn auf einem im Eigentum einer gemeinnützigen Bauvereinigung stehenden Gebäude mit Kleinwohnungen in dem im § 7 des Gesetzes vom 22. Dezember 1910, R. G. Bl. 242, bezeichneten Umfange zugunsten des Staates als Reallast die Verpflichtung des Eigentümers bücherlich eingetragen wird, das Gebäude ohne Bewilligung des Ministeriums für öffentliche Arbeiten nicht zu veräußern, für die Zeit bis zur grundbücherlichen Löschung dieser Reallast der Wert dieses Gebäudes zum Zwecke der Bemessung des Gebührenäquivalents nur mit der Hälfte des nach den allgemeinen Gebührenvorschriften festgesetzten Wertes zu veranschlagen. Diese Begünstigung kann mangels einer gesetzlichen Grundlage nicht auf die Wohnungsbauten der Gemeinden analog angewendet werden. Es ist daher notwendig, in der heutigen Gesetzesvorlage für die Wohnungsbauten der Gemeinden außer den üblichen Steuer- und Gebührenbegünstigungen auch die Befreiung vom Gebührenäquivalent vorzusehen.

Es liegt keinerlei Grund vor, die Errichtung, von Kleinhäusern Weniger ausgiebig zu fördern, als die von Großhäusern. Die Fortschritte der Bautechnik ermöglichen es heutzutage. Kleinhäuser ebenso ökonomisch herzustellen wie Großhäuser. Das Kleinhaus ist der Zinskaserne in hygienischer und sittlicher Hinsicht entschieden vorzuziehen und in manchen Gegenden durch Überlieferung und Geländebeschaffenheit geradezu geboten.

Alle ärztlichen Erkenntnisse über die Ursachen der englischen Krankheit haben der Hochbauweise ihr Todesurteil gesprochen. Berlin hatte 1911 unter 1.000 zur Erstimpfung gebrachten Kindern 532, die aus Kleinstwohnungen stamnten und von diesen waren nicht weniger als 518 rhachitisch, darunter mehr als 300 mit Rhachitis schweren und schwersten Grades behaftet. Flügge, der große Meister der hygienischen Wissenschaft, sieht in der überragenden Bedeutung der Bewegung im Freien den wichtigsten Grund für die hygienische Überlegenheit des Siedlungshauses über den Hochbau. Die Hygieniker erklären alle, daß sie mit Bangen an den Ausbruch von Keuchhusten, Diphterie, Masern u. dgl. in den Zinsburgen denken. Wir dürfen niemals vergessen, daß zur Feststellung eines Wohnungsminimums nur billigstes Wohnen bei Erfüllung aller hygienischen Mindestforderungen gehört. Wenn die vom Wohnungsbeirat aufgestellten Grundsätze weiter für alle Bauförderung maßgebend sein sollen, dann darf man nicht vergessen, daß sie fordern, dem Bedarfe und den Anforderungen der Gesundheit, Sittlichkeit und Kultur entsprechende Räume zu schaffen.

Auch unsere Bauförderung, wird von der Wiener Wohnungspolitik beinflußt. Es wird hiebei eben übersehen, daß sehr einflußreiche Wohnungspolitiker Deutschlands, die auch der sozialdemokratischen Partei angehören, Gegner dieser Lösung des Wohnungsproblems sind und es entschieden bekämpfen, und daß trotz vieler Studienfahrten nach Wien die Großstädte sich nicht entschließen, in gleicher Weise zu bauen. Maßgebend für diesen Entschluß dürfte der Umstand sein, daß in Wien mit Hilfe der Wohnbausteuer die Wohnungen eine Monatsmiete von 50 K gegen 120 bis 160 K hier erfordern. Festgestellt sei, daß letzte Absicht dieser Politik nichts weniger ist, als die schrittweise Kommunalisierung des Hausbesitzes. Trotzdem muß in diesem Zusammenhange auch auf die Tatsache hingewiesen werden, daß auch in Wien die Förderung des Baues von Eigenheimen, wenn auch nur in bescheidenem Maße, erfolgt. Wir geben ohne weiters zu, daß in Großstädten aus verschiedenen Gründen die Bauförderung sich nicht auf Einfamilienhäuser beschränken kann. Wir geben auch zu, daß die Schaffung des Eigenheimes mit kleinem Garten über die wirtschaftliche Kraft der Arbeiter und vieler Angestellten hinausgeht. Wir geben schließlich auch noch zu, daß die gleich große Wohnung im Eigenheim etwas größere Baukosten verursacht als im Hochbau, deshalb auch eine größere Mietaufwendung bedingt.

Wollen wir unser Volk nicht zu Nomaden werden lassen, dann müssen wir die Erwerbung eines Eigenheimes fördern, das dem Menschen zur Heimat wird, und wir dürfen nie die sittlichen Kräfte mißachten, die ihre Wurzel nur schlagen können in Heimat und Heim. Das stolze Wort des Engländers: "Recht oder Unrecht, es ist mein Vaterland", ist nicht nur in dem Nationalcharakter dieses Volkes verankert, sondern auch in den hunderttausenden Eigenheimen, die die Massen der Arbeiterschaft in Verbindung bringen mit Boden und Vaterland und wo kein politischer Führer zu sagen wagen würde: Ich kenne kein Vaterland, das England heißt. Wir fordern daher auch heute wieder die Ausdehnung staatlicher Bauförderung auf Eigenheime und damit sie nicht vergeudet wird an Leute, die diese Unterstützung nicht benötigen, können Sie ja die bewohnbare Fläche auch hier begrenzen wie in Miethäusern.

Wenn der Grund Ihrer ablehnenden Haltung darin zu suchen ist, daß die Subventionierung der Eigenheime zu große Mittel erfordert, so können Sie ja die Bestimmung aufnehmen, daß die Subventionierung und die Staatsgarantie nur in der Höhe der Baukosten erfolgt, die für eine gleich große Wohnung im Hochbau die Grundlage der Unterstützung bildet. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wenn Sie ein größeres Interesse an der Kasernierung der Bevölkerung haben, als an deren Seßhaftigkeit, dann wäre uns eine diesbezügliche Erklärung lieber als die fadenscheinige Begründung des ablehnenden Standpunktes. Unsere ganze Wohnungspolitik ist richtungslos, ein ewiges Lavieren von Provisorium zu Provisorium, ein Leben von der Hand in den Mund, obwohl kein Zweig unseres Wirtschaftslebens eine klare und langfristige Regelung nötiger hätte als gerade das Bau- und Wohnungswesen.

Wir müssen klar sehen in der Wohnungsund Baufrage und nicht immer nur auf ein halbes oder auf ein Jahr voraus. Sie spielen mit dem Gedanken, die staatliche Bauförderung einzustellen und noch über das heute schon allzu stark reduzierte Ausmaß weiter zu vermindern, wenn die Baukosten stabilisiert sind. Als ob nur die Angst vor dem gegenwärtigen sogenannten "verlorenen Bauaufwande" die einzige oder doch der wichtigste Grund wäre, die Bautätigkeit nicht voll zu entfalten. Der Hauptgrund liegt doch nach wie vor darin, daß die stabilisierten oder nichtstabilisierten Baukosten zu hoch sind, daß ohne staatliche Subvention hergestellte Wohnungen zu teuer kommen, weil die Mieten unerschwinglich sind. Das Hemmnis liegt also durchaus nicht allein auf der Seite der Produktion und des Angebotes, sondern auch auf Seite der Nachfrage, die zu wenig kaufkräftig ist. Der Jahreszins für ein Zimmer in einem ohne Staatssubvention hergestellten Neubau in Prag wird mit 4.000 Kè, für ein Zimmer mit einem mit Staatssubvention errichteten Neubau mit 1.400 Kè angenommen. Die Nachfrage ist daher fast überall nach wie vor dringend, aber zu wenig zahlungskräftig, um ein entsprechendes Angebot hervorzurufen. Daß die Einkommensverhältnisse der Wohnungssuchenden sich in absehbarer Zeit wesentlich bessern werden, ist leider nicht anzunehmen, es ist eher das Gegenteil zu befürchten. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als die staatliche Unterstützung solange fortzusetzen, bis das richtige Verhältnis zwischen den Mietpreisen und der Leistungsfähigkeit des Großteiles der Wohnungsbedürftigen erreicht wird. Die Frage, wie hoch die Miete im Verhältnis zum Einkommen sein kann, wird von allen Sozialpolitikern dahin beantwortet, daß sie so hoch sein kann, daß nicht andere Minima unerreichbar werden, d. h. daß im Minimallohn die Wohnung nicht die Ernährung und die Ernährung nicht die Wohnung verdrängen darf. Nach dem Schwabe´schen Gesetz ist, je geringer das Einkommen, desto größer der verhältnismäßige Aufwand für die Miete. Dies bestätigen nicht nur alle Städte Deutschlands, sondern auch die Tatsache, daß für die Einheit der Bodenfläche der Ärmste den größten Mietzins zahlt.

Das englische Baugesetz sichert Staatssubvention ohne Rücksicht auf die Schwankungen der Baukosten auf 15 Jahre voraus. Nur dieser Grundsatz ist einzig richtig. Aber gerade wenn Sie die Absicht aben, die Bauförderung mit dem Sinken und der Stabilisierung der Baupreise abzubauen, müssen Sie endlich den Weg ewiger Provisorien verlassen. Es ist doch ganz klar, daß Sie gerade deshalb das Bauen mehr verteuern, als die ganze staatliche Unterstützung beträgt. Nur ein langfristiges Bauprogramm sichert Organisation der Produktion, des Absatzes und der Finanzierung. Die Behauptung Dr. Wagners braucht gar nicht zur Gänze zuzutreffen, daß die dauernd gesicherte Produktion der Baustoffe, Halbfabrikate uund Bauteile durch ein langfristiges Bauförderungsgesetz, durch leistungsfähige Auftraggeber, sogenannte Bauherrenorganisationen die grundlegende Voraussetzung für eine 50 %tige Verbilligung der Produktion, vor allem der Serienproduktion nach amerikanischem Muster ist. Deshalb ist ein langfristiges Gesetz notwendig, nicht zuletzt zur teilweisen Lösung des Arbeitslosenproblems.

Das Wohnungsproblem ist aber nicht nur eine Frage des Wohnungs-, sondern auch des Geldzinses. Zu einer definitiven Regelung gehören daher nicht nur in entsprechender Höhe bereitgestellte Mittel zur Bauförderung, sondern auch niedrig verzinsliche Baudarlehen. Jeder Erfolg, den der Fürsorgeminister in dieser Richtung, durch die Verhandlungen mit den in Betracht kommenden Instituten erzielt, ist Bauförderung in des Wortes bester Bedeutung. Der Weg der alljährlichen Provisorien wird ja auch deshalb beschritten, weil eine definitive Bauförderung von der Frage des Mieterschutzes nicht zu trennen ist. Nach den Erhebungen des Industriellenverbandes ist angeblich nur noch ein Drittel der Industriearbeiter an der Mieterschutzgesetzgebung unmittelbar interessiert. Wir können diese Behauptung auf ihre Richtigkeit nicht überprüfen, wissen aber, daß das Verhältnis bei anderen Mieterkategorien nicht so günstig sein dürfte. Sicher ist aber, daß von einer Einheitsfront der Mieter derzeit nicht mehr gesprochen werden kann, denn wir haben mindestens dreierlei Mieter, und zwar solche, die in alten Häusern wohnen, die unter Mieterschutz stehen, ferner die, welche Wohnungen in alten Häusern innehaben, die aber Neuvermietungen sind, und dann die, welche in Neubauten wohnen, die mit kleinerer oder größerer staatlicher Unterstützung gebaut wurden. Auf die Besitzer von Eigenhäusern und die Inhaber von Werkswohnungen sei in diesem Zusammenhang nur hingewiesen.

Zehntausende von Arbeiterfamilien sind heute gezwungen, das Mehrfache an Mietzins und den Zins belastenden Abgaben aufzubringen, als ihre Arbeistkollegen bei völlig gleichem Einkommen. Ausgleichende Gerechtigkeit und Schutz der wirtschaftlich Schwachen ist also auch unter dem Mieterschutzgesetz leider nicht möglich. Das brennende Problem wird immer mehr von einer Wohnfrage zu einer Lohnfrage. Hauptsächlich deshalb kommen wir zu keiner Lösung. Denn die Regierung weiß, daß sie dem Heer der Arbeitnehmer und sonstigen Mieter keine Gewähr für eine entsprechende Erhöhung ihres Einkommens zur Bestreitung größerer Wohnungsauslagen zu garantieren vermag. Sie weiß aber vor allem, daß sie mit dem Abbau des Mieterschutzes unbedingt die Gewährung ausreichender Wohnungszulagen allen Kategorien der öffentlichen Angestellten verbinden muß. Wir verstehen diese Zwangslage, doch wird ein anderer Weg niemals beschritten werden können. Wir sind die letzten, die gerade jetzt, in Zeiten größter wirtschaftlicher Depression, mit dem Heer der Arbeitslosen und der Masse der Kurzarbeiter einem gefährlichen Experiment das Wort reden. Denn weitgehendste Berücksichtigung durch die Gesetzgebung haben alle diejenigen zu verlangen ein Recht, die kaum ihr nacktes Leben fristen können.


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