Proschwitz a. Neisse zählt derzeit in rund 600 Haushaltungen mehr als 2000 Einwohner, deren Erwerbsmöglichkeit zum Teil in der Ortsansässigen sowie auswärtigen Textilindustrie, z. anderen Teil in der auch hier stark im Rückgange befindlichen Gablonzer Heimindustrie liegt. Eine ganze Reihe anderer Industriebetriebe im Bereiche der Gemeinde Proschwitz, Modewaren- und Textilfabriken, Spinnerei, Steindruckerei usw. sind seit Jahren gänzlich stillgelegt. Die Zahl der Arbeitslosen läßt sich infolge mangelhafter Organisation des Meldewesens nicht ermitteln; sie wird auf etwa 40 Personen geschätzt. Als Kurzarbeiter sind mehr als 100 Menschen gemeldet. Das Wocheneinkommen der vollqualifizierten Textilarbeiter beträgt derzeit noch etwa durchschnittlich 200 Kronen, die Glasarbeiter weisen einen solchen von etwa 100 bis 120 Kronen auf. Die staatl. Ernährungsaktion ist eingeleitet worden. Für Kanalisierung und Herstellung eines Gehsteiges wurden Subventionen angesprochen, bisher leider ohne Erfolg. Die Steuerrückstände werden auf mindestens 2 Millionen Kronen geschätzt, die Umlagenrückstände auf 300.000 Kronen. In letzter Zeit wurden mehrere Feilbietungen angeordnet. Eine Haus- und mehrere Mobilarexekutionen waren ergebnislos. Die Lage der Gemeinde und ihrer Bevölkerung ist sehr trostlos und wird durch den fortschreitenden Entgang der Absatzgebiete für die örtliche Industrie auch in der Zukunft kaum eine Besserung erfahren. In der ortsansässigen Landwirtschaft ist es in letzter Zeit infolge der großen Notlage zu einer ganzen Reihe von Besitzveräußerungen gekommen.
Ganz besonders besorgniserregend liegen die Verhältnisse in Morchenstern, das derzeit rund 7200 Einwohner in 2000 Haushaltungen zählt. Die Glasindustrie, die neben der Textilindustrie die Haupterwerbsmöglichkeit bildet, liegt nahezu gänzlich still. Naturgemäß sind die übrigen kleineren anderen Gewerke stark in Mitleidenschaft gezogen. Mehr als 1500 Kurzarbeiter und 600 Arbeitslose sind allein in Morchenstern gemeldet. Kurzarbeiter verdienen wöchentlich etwa 50 bis 60 Kronen, Vollbeschäftigte das Doppelte. Die Stadtgemeinde hat fast eine halbe Million Kronen für Arbeitslosenfürsorge und Notstandsbauten verausgabt. Begreiflicherweise sind die vorhandenen Steuerrückstände sehr enorm, sodaß Pfändungen u. dgl. auf der Tagesordnung stehen. Es erfolgte in jüngster Vergangenheit 44 Feilbietungen, 6 Transferierungen, 4 gerichtliche Hausversteigerungen und mehr als 100 Mobilarexekutionen. Bei zunehmender Überschuldung wird die allgemeine Lage als äußert beängstigend und die Aussichten für die nächste Zeit als denkbar schlechtest beurteilt.
Fast das gleiche Bild bieten die Verhältnisse in der Stadtgemeinde Tannwald, die annähernd 5000 Einwohner in 1800 Haushaltungen zählt. Die überwiegende Beschäftigungsmöglichkeit bildete die gegenwärtig zur Hälfte stillgelegte Textilindustrie, während der Glasindustrie nur untergeordnete Bedeutung beigemessen werden kann. Die Zahl der Arbeitslosen muß mit mindestens 120, jene der Kurzarbeiter mit rund 950 Menschen angenommen werden. Die Arbeitslosen sowie auch die Kurzarbeiter müssen größtenteils aus öffentlichen Mitteln unterstützt werden. Durch Neubau eines Kinogebäudes und bedeutende Straßenreparaturen konnte nur geringe Linderung geschaffen werden. Auch hier sind Steuerexekutionen unausbleibliche Regel geworden. Die Aussichten auf eine Besserung der Lage werden als äußerst ungünstig beurteilt.
Die Bewohner von Schumburg a. Desse, das nach der letzten Volkszählung 3131 Einwohner in 847 Familien zählt, sind vor allem auf die örtlichen Textilbetriebe der Firmen Liebieg und Mauthner sowie auf die Tannwalder Maschinenfabrik angewiesen. Der Betrieb der Mauthnerwerke wurde vollständig eingestellt und durch die teilweisen Stilllegungen in den Betrieben der Fa. Liebieg sind derzeitig rund 300 Arbeitslose und 800 Kurzarbeiter zu verzeichnen. Das Wocheneinkommen der Vollbeschäftigten in der Textilindustrie beträgt etwa 120 Kronen, bei Kurzarbeitern bestenfalls die Hälfte. Zwecks Steuerung der Arbeitslosigkeit bewilligte die Gemeinde ohne in Anspruchnahme staatlicher Subventionen 305.000 Kronen für den Bau einer èechischen Schule und 20.000 Kronen für Straßenbauten. Die Steuerrückstände werden mit ca 400.000 Kronen beziffert. Die Finanzlage der Gemeinde wird infolge der Auswirkung des Gemeindefinanzgesetzes Nr. 77/27 und geringer Zuwendungen aus dem Dotationsfonde als sehr schlecht bezeichnet.
Die Gemeinde Pøichowitz, welche nach der letzten Volkszählung 2761 Menschen in 1100 Familien aufweisen hat, ist gleichfalls auf Textil- und Glasheimindustrie eingestellt. Die Textilindustrie liegt vollkommen still, die Glasindustrie arbeitet nur an wenigen Tagen. 238 Personen sind als arbeitslos gemeldet, die Zahl der wirklich Arbeitslosen wird als weitaus höher bezeichnet. Der Durchschnittsverdienst der Vollarbeiter beträgt rund 80 bis 120 Kronen wöchentlich; Kurzarbeiter erreichen diesen Betrag in der Regel erst in 2 bis 3 Wochen. Im Zuge der Notstandsarbeiten wurde die Staatsstraße im Bereiche der Gemeinde gepflastert. Die Mittel hiezu wurden von Gemeinde und Bezirk unter Zuhilfenahme der Staatssubvention aufgebracht. Ein zweiter Straßenbau wird zur Ergänzung aus Gemeindemitteln finanziert. Die Steuerlage wird als sehr drückend bezeichnet. Es waren in letzter Zeit 4 Feilbietungen, 2 gerichtliche Versteigerungen von Häusern und etwa 50 Mobilarversteigerungen angesetzt. Die Höhe der Steuerrückstände betrug vor etwa drei Jahren bereits rund drei Millionen, die derzeitige Höhe läßt sich nicht genau schätzen. Aus alldem ist ersichtlich, daß die allgemeine Lage im höchsten Grade unerträglich geworden ist, da viele Familien buchstäblich ohne das geringste Einkommen der öffentlichen Unterstützung und Fürsorge zur Last liegen. Die ungeheuere Arbeitslosigkeit hält schon seit der Dauer eines Jahres im vollem Umfange an und hatte sogar im Frühjahr, das alljährlich ein Abflauen der Arbeitslosigkeit brachte, fortgesetzte Steigerung zu verzeichnen. Nach dem Urteil des Gemeindeamtes ist auf eine Besserung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen, im Gegenteil herrscht die Befürchtung, daß das ganze Gebiet einer gleichen Verarmung, wie sie im Erzgebirge oder Böhmerwald herrscht, entgegen geht. Viele Bewohner tragen sich schon heute mit Auswanderungsgedanken.
Auch die Stadtgemeinde Polaun mit ca 5100 Einwohnern in 1500 Haushalten bildet keine Ausnahme. Die Baumwollspinnfabrik der Fa Riedl in Wurzelsdorf wurde mit März d. J. wegen Arbeitsmangel vollkommen stillgelegt, wodurch rund 350 Arbeiter brotlos geworden sind. Auch waren in den Textilwerken Mauthner in Schumburg eine größere Anzahl von Webereiarbeiter aus Polaun beschäftigt. Diese wurden bereits im Herbst des Vorjahres arbeitslos. In den Glasfabriken der Fa Jos. Riedl in Unterpolaun wird schon seit langer Zeit nicht mehr voll gearbeitet, auch die meisten Glasschleifereien sind beschäftigungslos. Amtlich gemeldet sind rund 400 Arbeitslose und Kurzarbeiter. In den nächsten Wochen wird eine starke Steigerung in der Zahl erwartet. Die Einkommensverhältnisse sind durchaus ungünstig. Notstandsarbeiten konnten nicht zur Durchführung kommen, da keine entsprechenden Mittel zur Verfügung standen. Steuerexekutionen sind nur vereinzelt vorgekommen.
In Dessendorf mit 2000 Einwohnern in 600 Haushaltungen bildeten die Glasindustrie, Porzelanfabriken und ein Textilbetrieb die Erwerbsmöglichkeiten der Bewohnerschaft. Die beiden letzteren, Textil und Porzelanindustrie kommen infolge gänzlicher Stillegung in Wegfall. In der Glasindustrie wird überall nur 2 bis 3 Tage in der Woche gearbeitet. Die Zahl der Arbeitslosen und Kurzarbeiter ist infolgedessen unverhältnismäßig groß. Sie beträgt im ersteren Falle rund 230, im letzteren 450. Die Kurzarbeiter verdienen bestenfalls 60 bis 80 Kronen pro Woche. Die vollkommen unzureichenden Gemeindemittel lassen eine Unterstützung der Erwebslosen von dieser Seite als unmöglich erscheinen. Auch Notstandsbauten konnten aus dem gleichen Grunde nicht durchgeführt werden. Trotz mehrfacher Ansuchen an die Landesfinanzdirektion um Zuweisung der rückständigen Umlagen oder wenigstens eines Vorschusses auf dieselben sind der Gemeinde noch immer nicht die dringend benötigten Mittel zugegangen. Die Steuerlage ist naturgemäß sehr schlecht, die Zahl der ausgeschriebenen Feilbietungen entsprechend hoch. Die äußerst triste Finanzlage der Gemeinden wird wohl am besten dadurch charakterisiert, wenn man in Betracht zieht, daß selbst die Auszahlung der Armenunterstützungen und Bedienstetenbezüge eingestellt werden mußten.
Albrechtsdorf mit ca. 1020 Einwohnern in 650 Haushalten meldet eine 70 bis 80%ige Stillegung der dortigen Glasindustrie, die vorwiegend als Heimarbeit betrieben wird. Ein Fünftel der gesamten Einwohnerschaft ist vollkommen arbeitslos, zwei weitere Fünftel müssen sich mit Kurzbeschäftigung begnügen. Der Wochenverdienst der Kurzarbeiter beträgt etwa 60 bis 100 Kronen. Die notwendige Durchführung von Notstandsarbeiten könnte nur mit Hilfe staatlicher Subventionen in die Wege geleitet werden. Diesbezügliche Ansuchen blieben bis zur Stunde ohne Erledigung. Die Höhe der derzeitigen Steuerrückstände wird mit 50.000 bis 60.000 Kronen angenommen. Es erfolgten etwa 40 bis 50 Feilbietungen, 3 gerichtliche Versteigerungen von Häusern und 5 Mobilarexekutionen. Auch hier werden die Aussichten auf baldige Besserung als trostlos bezeichnet.
In Josefstal mit rund 2000 Einwohnern in 600 Haushalten sucht die Bewohnerschaft ihren Lebensunterhalt durch Beschäftigung in den bestehenden Glashütten sowie in der Kristall-Flakonerie und Hohlperlenerzeugung. Aber auch hier sind die Auswirkungen der gegenwärtigen Krisenverhältnisse sehr hart fühlbar. Eine ganze Reihe von Betrieben mußten die Arbeitszeit bedeutend einschränken, eine Glashütte wurde gänzlich stillgelegt. Die Hohlperlenerzeugung weist nahezu gar keine Beschäftigung auf, während die Kristallerie nur noch Kurzbeschäftigung verzeichnen kann. Es werden rund 250 vollkommen Arbeitslose und mindestens 500 Kurzarbeiter gemeldet. Die allgemeine Einkommenhöhe beträgt kaum die Hälfte gegenüber dem Vorjahre. Sozusagen die ganze Bevölkerung des Ortes ist betroffen. Die Arbeitslosen wurden zum Teil aus Gemeindemitteln unterstützt. Als Notstandsarbeiten kommen hier in Betracht Straßenbauten, Wasserleitungsbauten, ein größerer Brückenbau. Die Steuerrückstände betragen hier 2 Millionen Kronen. Feilbietungen finden alle Wochen statt.
Antoniewald hat 1200 Einwohner, 400 Familien. Hauptsächlich besteht als Beschäftigungsmöglichkeit hier die Glasschleiferei, Perlenbläserei, Weberei. Die Industrie im Großbetriebe arbeitet nur verkürzt. Alle Arbeiter sind, die 100 Arbeitslosen nicht gerechnet, Kurzarbeiter. Als Arbeitslosenaktion kommt hier die Ernährungsaktion des Staates in Betracht, die Notstandsarbeiten an Straßen. Die Steuerlage ist ungünstig. Allwöchentlich finden Exekutionen statt.
Untermaxdorf hat annähernd 1600 Einwohner in 560 Haushaltungen. Die Bevölkerung beschäftigt sich in Glas und Textil. Sowohl die Glas- als auch Textilindustrie liegt beinahe ganz darnieder. Die Zahl der Arbeitslosen beträgt 50, die Zahl der Kurzarbeiter 700. Notstandsarbeiten sind wohl geplant, jedoch kann die Gemeinde solche nicht durchführen lassen, weil ihr die Mittel fehlen. Nach der Schätzung dürften die Steuerrückstände 400.000 Kronen betragen. Wegen der Steuerrückstände werden wiederholt Pfändungen durchgeführt, bisher über 200. In der letzten Zeit läßt die Steuerverwaltung größere Steuerrückstände auf Liegenschaften grundbücherlich sicherstellen. Mobilarversteigerungen sind an der Tagesordnung. Die Lage ist trostlos und für die Arbeiterschaft verzweifelt. Wenn nicht Mittel und Wege zur Hebung der Krise gefunden werden, sind Ausstände der Notstehen den unvermeidlich.
Obermaxdorf mit 1142 Einwohnern und 290 Haushaltungen hat 70 bis 75% seiner Bevölkerung in schwierigen Verhältnisse. In dieser kleinen Gemeinde gibt es 100 Arbeitslose und 150 Kurzarbeiter. Die Steuerlage ist katastrophal. Da der Winter die Notlage noch verstärken wird, sind Ausstände zu erwarten. Not kennt kein Gebot.
Dalleschitz hat 420 Einwohner, 120 Haushaltungen. Ihre Arbeitsverhältnisse sind ebenfalls stark gestört. Die Steuerträger bemühen sich nach Kräften, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Es ist ihnen jedoch nicht möglich.
Niemand wird leugnen wollen, daß das Wirtschaftsbild eines Bezirkes, das ich nun aufgezeigt habe, ein schreckliches ist. Ich habe nun noch zu verlauten, daß die geschilderte Lage die Zeit vor Eintritt in den Herbst betrifft, also eine Zeit, die immerhin noch Möglichkeiten der Arbeitsbeschaffung offen gehalten hat. Seit einem Monate sind im Gablonzer Bezirke die wirtschaftlichen Verhältnisse nur noch komplizierter gestaltet worden. Gewiß liegen die Dinge überall so, und da und dort vielleicht noch grausamer. Aus allem erhellt das eiserne Gebot, daß sich die Regierung den Winter über zur sozialen Hilfe im Höchstausmaße rüstet. Ansonsten kann es wohl nicht verhütet werden, daß die Not von Tausenden von Menschen sich in Verzweiflungstaten zum Ausdrucke bringt.
Ich habe es gerade bei der heutigen
Tagesordnung als notwendig betrachtet, auf das alles zu verweisen,
weil entgegengesetzt einer entsprechenden Fürsorge durch das heute
zu verabschiedende Gesetz gehandelt wird. Wir lehnen aus diesem
Grunde das Gesetz auch ab. (Potlesk.)
Meine Herren! Die in Beratung stehende Regierungsvorlage Nr. 803, mit welcher das Gesetz über die Umsatz- und Luxussteuer abgeändert und seine Geltung bis 31. Dezember 1932 verlängert werden soll, veranlaßt mich als Vertreter des Handels- und Gewerbestandes hiezu Stellung zu nehmen. Die Mehrheit dieses Hauses hat vor kaum acht Tagen die Finanzvorlagen verabschiedet, welche dem ohnehin schwer um seine Existenz ringenden gewerblichen Mittelstande neuerliche Belastungen bringen. Namentlich sind dies die Erhöhung der besonderen Erwerbsteuer, welche unsere gewerblichen Kreditgenossenschaften trifft, und die Erhöhung der Biersteuer. Besonders schwer empfunden wird die Änderung des Gesetzes über die Finanzgebarung der territorialen Selbstverwaltungskörper durch Erhöhung des Umlagenlimits von 470 auf 650%. Diese Erhöhung allein beträgt fast das Doppelte des direkten Steuersatzes.
Ein großer Teil der Sprecher zu diesen Vorlagen, auch solche der Regierungsparteien, haben in ihren Ausführungen die schwersten Bedenken geäußert und darauf hingewiesen, daß bei der heutigen wirtschaftlichen Not kein Stand in der Lage ist, eine Mehrbelastung zu tragen. Der deutsche Handels- und Gewerbestand hält es für seine Pflicht, alle verantwortlichen Stellen der Staatsverwaltung nochmals und in letzter Stunde darauf aufmerksam zu machen, daß eine Erhöhung der öffentlichen Lasten den unaufhaltsamen Zusammenbruch des Wirtschaftslebens nach sich ziehen muß. Die Desorganisation in der gesamten Produktion, der verschärfte Daseinskampf, nehmen in vielen Zweigen des Wirtschaftslebens bedrohliche Formen an.
Die Krise in der Landwirtschaft, die Arbeitslosigkeit, besonders aber die gesunkene Kaufkraft in unseren eigenen Reihen, setzen uns schwer zu. Immer schwerer wird es, den Betrieb einigermaßen aufrecht zu erhalten und dadurch die Existenz nicht nur der eigenen Familie, sondern auch jene des gewerblichen Hilfspersonals zu sichern. Das Bestreben der Großindustrie, durch ein ausgedehntes Netz von Verkaufsstellen direkt mit den Käufern in Verbindung zu treten, bedroht ganze Schichten des gewerblichen Mittelstandes mit der Vernichtung - siehe Baa u. dgl. Dem gleichen Zwecke dienen mehr oder weniger die unter staatlicher Förderung immer mehr erstarkenden genossenschaftlichen Organisationen der Landwirtschaft und der Arbeitnehmerschaft - siehe Lagerhaus-, Verwertungs- und Konsumgenossenschaften. Sie sind es, die dem Handels- und Gewerbestande immer mehr die Existenzmöglichkeit nehmen. Dazu kommen bei manchen Ständen, ungesunde Auswirkungen angeblicher Selbsthilfe, die den betreffenden nichts nützen, uns aber schaden. Ich verweise hiebei nur unter anderen auf das letztbeschlossene Mehlmischungsgesetz, welches der Landwirtschaft kaum die erhoffte Hilfe bringen wird, andererseits aber anderen Berufsständen, wie zum Beispiel Bäcker und Kaufleute, schwer schädigt und dieselben außerdem den ärgsten behördlichen Schikanen aussetzt.
Der Herr Finanzminister stellt auf der einen Seite ungeheure Summen an Umsatzsteuer auf die Einnahmenseite des Staatsvoranschlages, hilft aber auf der anderen Seite die Bestandsmöglichkeit gerade jenes Standes untergraben, der zu diesem Einnahmeposten, wenn auch nur gezwungen, ganz bedeutend beiträgt. Wenn sich nicht endlich die Erkenntnis durchringt, daß der Handels- und Gewerbestand von allen hemmenden und ihn benachteiligenden Eingriffen der öffentlichen Gewalt verschont bleibt, wird dies die staatliche Finanzverwaltung selbst am meisten bedauern. Wir sind am Ende unserer Leistungsfähigkeit. Wir können und wollen nicht länger tatenlos zusehen, wie von allen Seiten versucht wird, den Handels- und Gewerbestand zu vernichten. Unsere Partei hat diesen Stand zur Selbsthilfe aufgerufen, er wird und muß dem Rufe folgen. Wir stellen außerdem fest, daß eine Erhöhung der öffentlichen Abgaben über das Maß des für die Wirtschaft erträglichen dem Staate keine Mehreinnahmen schafft, weil auf der anderen Seite das Fundament geschwächt wird.
Der Herr Finanzminister wird meiner Ansicht nach kein Glück haben, wenn er in dieser Zeit schwerer wirtschaftlicher Not höhere Einnahmen für die Gemeinden und öffentlichen Körperschaften durch Steuererhöhungen, Steuerexekutionen, verschärfte Strafmaßnahmen und höhere Verzugszinsenberechnung schaffen will, wie dies die in Beratung stehende Regierungsvorlage beinhaltet. Es wäre meiner Ansicht nach zweckdienlicher, wenn er gemeinsam mit den Wirtschaftsministern durch planmäßige, verständnisvolle und großzügige Förderung der Wirtschaft, insbesondere des Stiefkindes, des vernachläßigten Handels- und Gewerbestandes, eine Besserung der Lage herbeizuführen versuchen würde.
Um die Wirtschaftslage zu bessern und dann zu festigen, ist vor allem erforderlich, daß mittels durchgreifender Maßnahmen die Ordnung in der ges amten Steuergebarung und Steuerverrechnung endlich hergestellt werde. Die heutigen chaotischen Zustände auf diesem Gebiete sind das Grundübel und die Hauptursache der finanziellen Schwierigkeiten der Finanzverwaltung, nicht nur des Staates, sondern auch der Selbstverwaltungskörper. Der versuchte Ausgleich der Gegensätze zwischen Steuerbehörde und Steuerträger ist nach den heutigen Verhältnissen unmöglich geworden. Er wird durch die von den Steuerbehörden geübte dem Geiste der Steuerreform hohnsprechende Auslegung und Handhabung der Steuergesetze verhindert. Die Athmosphäre des Mißtrauens zwischen Finanzverwaltung und Steuerträger, zwischen Veranlagern und Zensiten muß gebessert werden. Der Steuerträger tut hiezu das Seinige, möge die Finanzverwaltung auch der Ihrige beitragen, um alle Reibungsflächen zu vermeiden. Steuermoral darf von seiten der Finanzverwaltung nicht nur gepredigt, sie muß auch geübt werden. Weg mit den kleinlichen, oft geradezu schikanös anmutenden Bedenkenvorbehalten - es geht nicht gut an, nach Einbringung der Bekenntnisse vierfünftel der Steuerträger einfach als Lügner, als Steuerhinterzieher zu bezeichnen.
Weg mit der Einforderung oft kaum zu erbringender Beweise. Auf der einen Seite wurde die Verpflichtung zur Führung von Umsatzsteueraufzeichnungen aufgehoben, auf der anderen Seite verlangt man vom kleinen und mittleren Handelstreibenden und Handwerker Daten und deren Nach weis, die man nur erbringen könnte, wenn ständig ein Buchhalter beschäftigt würde. Welcher kleine Handwerker und Kaufmann führt heute ein Lagerbuch? Er ist froh, wenn er in angestrengter zwölfstündiger Arbeit für sich und die Seinen das Essen verdient. Von ihm noch komplizierte Nachweise verlangen, ist eine ungesunde Auswirkung eines wirtschaftsfremden bürokratischen Apparates. Weg mit der schematischen Handhabung der Steuerschlüssel. Die Verhältnisse sind örtlich und zeitlich zu verschieden. Nur wenn die Verhältnisse beim einzelnen Steuerträger individuell behandelt und geprüft werden, wird man auch zur Steuergerechtigkeit gelangen. Das Vertrauensmännersystem ist verwerflich - Vertrauensmänner sind selten genau informiert, oft von Konkurenzauswirkungen beeinflußt. Direkte, von vernünftigen und nicht gar zu wirtschaftsfremden Beamten geführte Verhandlungen mit dem Zensiten werden bei einigermaßen guten Willen auf beiden Seiten zu einer Regelung führen, die beiden Teilen entspricht und die die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Steuerzahlers berücksichtigt.
Zur Steuermoral gelangen wir nur dann, wenn beide Teile sie üben. Das Vertrauen des Steuerträgers wurde zu oft schon getäuscht, und mißbraucht. Zur Umsatzsteuer selbst übergehend bemerke ich, daß sich dieselbe zu einer wahren Geißel des Handels- und Gewerbestandes entwickelt hat. Sie war seinerzeit als vorübergehende Einrichtung gedacht - heute ist sie für den Herrn Finanzminister eine unentbehrliche, nieversiegende Quelle und der Stolz der Aktivseite im Staatsvoranschlage geworden. Sie, die nach den Versprechungen der verschiedenen Finanzminister längst beseitigt und begraben sein sollte, zeigt aufsteigende Tendenz. Immer mehr wird unter diesem Titel aus dem kranken Wirtschaftskörper herausgepreßt. Und wenn die Steuer selbst sich nicht mehr erhöhen läßt, so werden eben die Verzugszinsen und die Strafen erhöht.
Das neue Umsatzsteuergesetz will die Nichteinhaltung der quartalmäßigen Vorauszahlungen der Umsatzsteuer als Defraudation bezeichnen und auch so behandeln, also den Kaufmann und Handwerker, der diese Zahlungen in den gesetzlichen Fristen nicht ordnungsgemäß leistet, nach den Tatbeständen des Strafrechtes der Unterschlagung an Geldern bezichtigen, die dem Staate gehören, die er von der Kundschaft einnimmt, ihm eigentlich nicht gehören, und die er als Inkassant des Staates an diesen abzuführen hat. Tut er dies nicht, wie ihm das Umsatzsteuergesetz befiehlt, dann hat er sich fremdes Eigentum widerrechtlich angeeignet und wird als Betrüger behandelt. Nicht nur, daß nach den Beschlüssen des Ministerrates das neue Umsatzsteuergesetz die größte und drückendste Steuer unseres Wirtschaftslebens in seiner Gültigkeit auf weitere 2 Jahre verlängert werden soll, soll die Milliardeneinnahme dieser Steuer um weitere Beträge erhöht werden, die sich die Finanzverwaltung aus der Zahlungssäumigkeit unserer Steuerträgerschaft erhofft und die sie ihr mit hohen Strafen abgewöhnen will. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Roudnický.)
Die Strafen werden für säumige Schuldner um 100% erhöht, die Verzugszinsen gehen Hand in Hand mit Erhöhungen um 5 % der Umsatzsteuer, wenn diese nicht binnen vier Wochen nach dem Fälligkeitstage bezahlt werden kann, und um weitere 5 %, wenn der Steuerträger in weiteren vier Wochen im Verzuge bleibt. Sehr bezeichnend für diese Auffassung und vollkommen unrichtig ist der Standpunkt des vorliegenden Gesetzentwurfes, wonach diese nicht rechtzeitig gezahlte Umsatzsteuer eine Veruntreuung des Steuerträgers darstelle, der diese Steuer für den Staat vom Käufer einkassiert und nicht abgeführt habe, und daß er dafür bestraft werden müsse. Die Dinge liegen anders. In Wirklichkeit bekommt der Kaufmann und Handwerker in Zeiten einer so schweren Krise, wie es die gegenwärtige ist, oft nicht einmal das, was die Ware wert ist, oder was er dafür bezahlt hat. Von einer Bezahlung der Umsatzsteuer durch den Käufer kann in der Tat bei den heutigen Wirtschaftsverhältnissen meist nicht die Rede sein. Außerdem entstehen die Steuerrückstände, wie ich bereits anführte, meist aus der Unmoral der Steuerbehörden, welche sehr oft die Steuergrundlage willkürlich und unangemessen erhöhen. Gar nicht mehr ferne sind die Zeiten, wo es keinen Steuerträger mehr geben wird, der nicht in den Registern der Steuerverwaltung als vorbestraft verzeichnet ist. Ganz demokratisch.
Weil ich gerade bei dem Kapitel Strafen bin, muß ich eine Marktgemeinde in Nordmähren Deutsch Liebau erwähnen. Diese Gemeinde wurde vor zirka einer Woche an einem Tage mit mehr als 90 Straferkenntnissen bedacht, weil ebensoviele Steuerträger aus Gewerbekreisen die Umsatzsteuer für die ersten beiden Quartale 1930 angeblich nicht eingezahlt haben. Viele dieser Steuerträger hatten auf die amtliche, mit der Strafandrohung versehene Mahnung hin, die Umsatzsteuer eingezahlt und die Zahlung als solche für 1930 ausdrücklich bezeichnet. Das Steueramt in Mähr. Schönberg verrechnete und verbuchte die Zahlung entgegen der ausdrücklichen Weisung durch Vermerk auf der Rückseite des Posterlagscheines auf andere Steuern und die Steuerverwaltung verhängte die angedrohte Geldstrafe. Diese Strafe beträgt ein Viertel bis ein Drittel der ganzjährigen Umsatzsteuer. Die Nachweise hierüber bin ich in der Lage zu erbringen. Ein solches Vorgehen ist ein Hohn auf alle Steuergerechtigkeit. So wird die Steuermoral nicht gehoben.
Einen anderen Mißstand muß ich noch beleuchten. Selten wird dem Einbekenntnisse geglaubt. Die Summe des tatsächlich erzielten und einbekannten Umsatzes, wird ohne vorherige Verhandlung mit den Zensiten willkürlich erhöht. Der Steuerträger fürchtet die Qualen des Berufungsverfahrens und unterläßt oft aus diesem Grunde die Berufung. Zum Danke dafür wird dann die erhöhte, nur auf willkürlicher Einschätzung beruhende Umsatzsumme der Bemessung der Erwerbsund Einkommensteuer zu Grunde gelegt. Die Folge ist, daß der von der Steuerbehörde angenommene Reingewinn oft 60 bis 70% des tatsächlich erzielten Bruttoumsatzes beträgt.
Wenn es dann dem Steuerträger auch im Berufungsverfahren gegen die Einkommenund Erwerbsteuer nicht gelingt, seinen Standpunkt durchzusetzen, was ihm ja meistens nicht gelingt, weil er die verlangten komplizierten Nachweise nicht erbringen kann, dann bleiben die hohen Steuervorschreibungen in Kraft, seine Steuerschuld steigt, die Post Verzugszinsen wird immer größer und sein Betrieb wird durch die Steuern erdrückt.
Für die Finanzverwaltung bedeutet dies den Wegfall einer Steuerquelle, für die Wirtschaft eine erwerbslose Familie mehr. Das ist meines Erachtens höchste Unmoral, der gegenüber keine Entschuldigung und keine Worte gefunden werden können.
Wir sind von allen Anfang Gegner der Umsatzsteuer überhaupt. So lange aber deren Aufhebung von der Finanzverwaltung verhindert und von der Regierungsmajorität nicht durchgesetzt wird, verlangen wir, namens der großen hinter uns stehenden Steuerkraft eine Herabsetzung des Prozentsatzes der Umsatzsteuer, die weitgehendste Pauschalierung derselben beim Erzeuger und die Pauschalierung der kleinen und mittleren Steuerträger mit allen ihren Steuern. Ganz besonders verlangen wir mit allem Nachdruck die endliche Durchführung der Pauschalierung der Umsatzsteuer von Textilien. Die Vorarbeiten haben bereits soviel Zeit beansprucht und sind so vielseitig durchgeführt worden, daß gar kein Grund mehr besteht, daß das Finanzministerium die Pauschalierung der Umsatzsteuer für Textilien derzeit nicht durchgeführt hat. Wir verlangen, daß auch bei der Umsatzsteuer das Veranlagungs- und Bemessungsverfahren, sowie das Berufungsverfahren jenen über die anderen direkten Steuern nach der Steuerreform vom Jahre 1927 angepaßt werde, wobei der Einfluß der Kommissionsmitglieder aus unseren Kreisen mehr zur Geltung kommen müßte.
Bezüglich der Luxussteuer verlangen
wir neuerliche Revision der bezüglichen Verzeichnisse und die
Ausscheidung aller jener Sachen, die nicht als Luxusartikel zu
bezeichnen sind, sondern durch Fortschritt der Kultur und aus
anderen Gründen, längst Gegenstände des allgemeinen täglichen
Gebrauches geworden sind. Die diesbezüglichen Wünsche zu dieser
Revision sind der Finanzverwaltung durch die Fachorganisationen
längst unterbreitet worden. Es gibt keinen Gewerbetreibenden,
der nicht einsieht, daß er zu den Erfordernissen der öffentlichen
Verwaltung beitragen muß. Er verlangt nur Ordnung und Gerechtigkeit.
Wenn der Gewerbetreibende die Überzeugung hat, daß die Steuervorschreibungen
seinem wirtschaftlichen Leistungsvermögen entsprechen, wird er
dagegen nicht aufmuksen. Und wenn er dann ohne unverständliche
Steuerbücher in ruhiger Aussprache mit den Beamten oder durch
regelmäßige kostenlose Ausweise erfährt, wieviel er zu zahlen
hat, dann wird er sichs einteilen und wird zahlen. Und wenn wir
zahlen, wollen wir aber wissen, wofür wir zahlen, und was mit
dem Gelde geschieht. Und wenn der Staat mit den, den wirtschaftlichen
Verhältnissen angemessenen Steuern sein Auskommen nicht findet,
dann muß er eben dasselbe tun, wie diejenigen Unternehmer, dessen
Einnahmen kleiner geworden sind. Er muß sparen! Möglichkeiten
hiezu gibt es mancherlei, sie sind dem Herrn Finanzminister ebenso
bekannt wie uns. Es ist ein Unding, wenn man nach Preisabbau schreit,
wenn man ganze Zweige des Handels- und Gewerbestandes pauschaliter
des Wuchers und der Preistreiberei verdächtigt, von Seite des
Staates aber alle jene Abgaben erhöht, die auf der Produktion
und dem Vertrieb ruhen. Die in Beratung befindliche Vorlage verfolgt
denselben Zweck, sie wird die Wirtschaftslage nur schwieriger
gestalten. Wir lehnen sie aber auch aus dem Grunde ab, weil sie
Warenlieferungen zwischen Genossenschaften und deren Verbänden
von der Umsatzsteuer befreit. Dadurch werden einzelnen Wirtschaftsgruppen
Nachteile und anderen Vorteile zugewendet. Aus allen diesen Gründen
werden wir gegen diese Vorlage stimmen. (Potlesk.)