Hohes Haus! Während draußen in Gottes freier Natur unsere Militärverwaltung ihre Schlagkraft ausprobt und die Artillerie ihre Schießübungen hält, wo jedes mittlere Geschoß den gesamten Wochenlohn einer Arbeiterfamilie kostet, während dieser Zeit zerbricht sich die Regierungskoalition dieses Hauses den Kopf, wie einen Abgang von 1700 Millionen im Staatshaushalt zu decken. (Výkøiky.) Die Bürger des Staates fürchten schon von Woche zu Woche den Zusammentritt der Koalitionsparteien zu irgend einer Sitzung (Sehr richtig!). In der ersten Bürgerregierung wurde der sog. Achterausschuß stets lächerlich gemacht. Heute haben wir nicht nur so einen Ausschuß und einen Ministerrat, heute haben wir daneben ein Wirtschaftsministerium, eine Koalition und die böse Sieben, die Siebenerausschüsse, vor denen sich die Bürger des Staates fürchten, schon wenn sie zusammentreten, weil wir die Überzeugung haben, daß aus diesem Schoße noch nie etwas gutes geboren wurde. Man ist sehr besorgt um die Schlagfertigkeit der Armee, sollte aber doppelt besorgt sein um die Schlagfertigkeit unserer Wirtschaft. Denn allein die Schlagfertigkeit der Wirtschaft kann uns über die Misere der gegenwärtigen Krise, des gegenwärtigen wirtschaftlichen Zusammenbruches, hinweghelfen.
So würdig, wie in dieser Koalition die gesamte Frühjahrssession gearbeitet wurde, so würdig wird diese Arbeit auch abgeschlossen. Geschossen für die Bürger des Staates, die immer da sind, wenn neue Steuern eingeführt und erhöht werden. Es ist das der Abschluß der Manöver unserer Regierungsparteien.
Nach Mitteilungen des Herrn Finanzministers hatten wir Ende April noch keinen Abgang in den Einnahmen. Ende April waren die Einnahmen nach dem Staatsvoranschlag 1932 noch vollständig aktiv, sie waren nicht geringer im Verhältnis zu den ersten Monaten des Jahres 1931, ja bei der Tabakregie war sogar bis 31. Mai dieses Jahres eine Mehreinnahme von 2 1/2 Millionen. Nun fragen wir uns: "Wo kommt jetzt auf einmal dieser 1700 Millionen-Abgang im Staatshaushalt her?" (Výkøiky.) Er kann sich doch nur aus Mehrausgaben herauskristallisieren. Nun beliebt man oft die Not zur Ausflucht zu nehmen und bei jeder Gelegenheit heißt es: Ja, das sind die Arbeitslosengelder, 600 Millionen Arbeitslosenunterstützung, und die Herren Vertreter der Arbeiter im Gewerbeausschuß und im Budgetausschuß, wenn es heißt, Gesetze zu beschließen, die eine Erhöhung der Steuerzahlungen der Bevölkerung bewirken, decken sie damit: "Ja, unsere Arbeitslosen brauchen Geld, und deshalb müssen wir diese Ausgaben, die Steuererhöhung und die neuen Steuern bewilligen." Diese 600 Millionen, bzw. die gesamte Arbeitslosenunterstützung ist wie eine Mücke zum Elefanten im Verhältnis - zum Abgang, den wir im Staatshaushalt haben, nichts als eine Ausrede. Nebenbei bemerkt ist ein großer Teil der Ausgaben für die Arbeitslosenfürsorge bereits im ordentlichen Staatsvoranschlag enthalten.
Meine Verehrtesten! Dieser Fehlbetrag von 1700 Millionen ist also einmal hier und muß bezahlt werden. Wie das geschehen soll, ist eine andere Sache. Man rechnet mit 450 Millionen Kè Steuerertrag aus der Einkommensteuer, und mit 30 Millionen aus der Hefesteuer. Außerdem rechnet man mit 350 Millionen aus der erhöhten Umsatzsteuer, mit 100 Millionen aus der Erhöhung der Tabakerzeugnisse, weiteren 100 Millionen aus dem Arbeitslosenfond, der Zündholzsteuer usw. einschließlich Hefesteuer.
So würdig die Koalition die Frühjahrssession begonnen, so würdig beschließt sie sie, indem sie die Volkswirtschaft mit 1000 Millionen mehr belastet. Als Entschuldigung wird die Arbeitslosenunterstützung vorgeschützt.
Was die Einkommensteuer anbelangt, so sind wir es schon gewohnt, daß der Herr Finanzminister gewöhnlich das Doppelte oder Dreifache dessen verlangt, was er zu erhalten beabsichtigt. So glaubten wir auch, als der Entwurf der Einkommensteuererhöhung herauskam, daß man statt der Grenze von 12.000 Kè zuletzt eine solche von 30.000 oder 36.000 Kè herausbekommen werde. Aber diesmal scheint man in der Koalition recht schnell einig geworden zu sein und recht willig gehandelt zu haben. Denn man ist von 12.000 nur auf 15.000 hinaufgegangen, so daß alle Bezüge über 15.000 von der Erhöhung betroffen werden. Es zahlt also ein solcher armer Teufel mit 15.000 Kè Einkommen, vielleicht mit einer großen Familie, vielleicht mit einer Regie in der Großstadt, die bedeutend größer ist als am Lande, nach dem neuen Gesetz eine Einkommensteuer von 663 Kè, also fast 2 Kè täglich, im Verhältnis zu den bisherigen 500 Kè und im Verhältnis zu den 876 Kè vor dem Inkrafttreten des so viel geschmähten Finanzgesetzes, der Steuerreform. Man hat die frühere bürgerliche Koalition verhöhnt und geschmäht, daß sie die Steuern erhöht hat, daß sie den Ärmsten der Armen das Brot verteuert, und heute finden wir im Motivenbericht zur jetzigen Einkommensteuererhöhung den interessanten Satz, daß bei dieser jetzigen Erhöhung die Einkommensteuer bei Reineinkommen von 12.000 bis 100.000 Kè immer noch bedeutend niedriger ist als vor der Steuerreform. Man beweist also der früheren Bürgerkoalition, daß sie durch die Steuerreform die Steuer herabgesetzt hat. Vor der Steuerreform waren 876 Kè, nachher 500 Kè, für ein Einkommen von 15.000 Kè abzuliefern.
Ein ganz besonderer Übelstand, und ich möchte fast sagen eine Praxis, welche die Steuermoral untergraben muß, ist die Bestimmung der Rückwirkung der Steuer für 1931. Der Herr Finanzminister macht es sich sehr bequem, indem er sagt, daß die Steuer erst im Juli oder August für das vergangene Jahr vorgeschrieben wird, deshalb schreiben wir jetzt die Erhöhung der Einkommensteuer schon für 1931 vor. Er vertritt die Ansicht, daß das keine Rückwirkung sei. Es ist aber ganz widersinnig und unkaufmännisch. Ein Kaufmann, der im laufenden Jahr mit der ihm vorgeschriebenen Einkommensteuer rechnet, die er auch tatsächlich gewissenhaft gezahlt hat, kann doch nicht die Erhöhung der Steuern im Geschäft rückwirkend nachfakturieren. Das gibt es nicht gegenüber den Kunden, das erlaubt sich nur der Staat, der so die Steuermoral und das Vertrauen zu den vorschreibenden Behörden untergräbt. (Posl. Krumpe: Es gibt ja schon keine Steuermoral mehr!) Man möchte fast sagen, daß sie nicht mehr existiert, aber nicht durch die Schuld des Steuerzahlers, sondern durch die Schuld derjjenigen, die diese Gesetze machen und die die Steuern einzutreiben haben.
Am meisten in Mitleidenschaft gezogen ist der Handel, das Gewerbe und die Industrie. Wir haben gegenwärtig vielleicht 7 bis 8 Milliarden Steuerrückstände. Ein Beweis von der wirtschaftlichen Schwäche jener Unternehmungen, welche verpflichtet sind, die Steuer aufzubringen. Angesichts dieser Tatsachen will man noch die bestehenden Steuern erhöhen und übersieht, daß sie nicht mehr bezahlt werden können. Wenn wir die einzelnen Wirtschaftszweige durchgehen, so sehen wir, daß der größte Teil der Steuern durch die Industrie, den Handel, das Gewerbe, die Landwirtschaft aufgebracht werden sollen und müssen. Die Schuh- und Lederindustrie liegt fast vollständig brach, den kleinen Schuhmacher, der mit seinen 60.000 Betrieben noch einen großen Teil der Steuern mit aufgebracht hat, hat man einer einzigen Firma wegen ruiniert. Die Textilbranche liegt vollständig brach, ebenso die Holzindustrie und die Glasindustrie. Und dabei kommen immer noch neue Steuern und Steuererhöhungen. Die einzige Industrie, die bisher noch lebensfähig geblieben ist, war die Hefeindustrie, der man jetzt ebenfalls den Garaus machen will. Sie soll mit dem jetzigen Gesetze umgebracht werden, die Hefesteuer soll mit 5 Kè bemessen werden. Der jetzige Hefepreis betrug 6 Kè und zu diesem Preise soll eine neue Steuer von 5 Kè hinzukommen. Daraus errechnet man sich eine Einnahme von 30 Millionen Kronen. Meine Verehrtesten, dieser Steuer wird von der Öffentlichkeit viel zu wenig Beachtung beigemessen. Es heißt zwar im Gesetz, daß der Staat berechtigt ist, den jeweiligen Preis der Hefe festzusetzen, aber ob jetzt der Staat durch irgendwelche Organisationen oder sonst jemand hier eingreifen will, um die freie Wirtschaft zu behindern? Niemals wird man verlangen können, daß ein Erzeuger welcher Produktion immer vielleicht ohne Nutzen oder mit Schaden arbeitet. Man wird ihm zumindest einen bürgerlichen Nutzen belassen müssen. Durch die neue Hefesteuer erhöht sich die Verarbeitung von 100 kg Mehl um 20 Kè. Wir müssen damit rechnen, daß die Hefe nicht nur für das gewöhnliche Weißgebäck, sondern auch für das bessere Weißgebäck verwendet wird und müssen auch rechnen, daß wenigstens 4 kg Hefe zu 100 kg Mehl verarbeitet werden. Nun kommt es vor, daß der Bäcker nicht einmal 100 kg Mehl im Tage verarbeitet. Wenn also durch die Verteuerung der Hefe die Verarbeitung dieser 100 kg Mehl sich um 20 Kè höher stellt, dann wissen wir ganz genau, daß die Konsumenten diese Teuerung werden bezahlen müssen. Es wird nichts anderes übrig bleiben als die Abwälzung auf den Konsumenten, und man will doch bekanntlich die Lebensmittel nicht verteuern nach dem alten demokratischen Rezept und bei uns kommt ein Gesetz nach dem anderen, das die Lebensmittel verteuert, die die Ärmsten der Armen benötigen.
Ein weiterer Übelstand, der sich aus der Inkrafttretung des Gesetzes herauskristallisieren wird, ist der, daß wir mit der Hefeerzeugung wenigstens um 50 % zurückgehen werden. Ich habe vorhin erwähnt, daß der Staat durch das Gesetz die Vernichtung bzw. Herabsetzung der Hefeindustrie beabsichtigt, nachdem er 30 Millionen von diesem 5 Kè-Aufschlag fordert und aber diese 11 Hefefabriken, die wir hier in der Èechoslovakei haben, ungefähr 1.200 Waggons Hefe erzeugen, so stimmt es trefflich: Mit 600 Waggons Hefe zukünftiger Erzeugung kommen wir auf diese 30 Millionen Kronen. Der Staat rechnet also schon damit, daß die Hälfte Hefe in Zukunft weniger erzeugt wird. Auf der einen Seite 30 Millionen aus der Hefesteuer, auf der andern eine Industrie zugrunderichten. Was bringt das mit sich? Diese 1.200 Waggons gehen zurück auf 600 Waggons jährlicher Erzeugung. Von diesen 600 Waggons werden wir büßen mit einem Betrage von ungefähr 66 Millionen jährich an Umsatzs teuerverlust, von diesen 66 Millionen Rückgang verlieren wir die Einkommensteuer, die Erwerbssteuer, die Fracht und das schwerste: die Hälfte der Arbeit in der Hefeindustrie. Ja, meine Verehrtesten, wo bleibt dann der Vorteil des Staates aus diesen 30 Millionen, der für den Staatshaushalt des Jahres 1932 gedacht ist?
Das Gesetz selbst hat so viele technische Mängel, daß es uns fast vorkommt, als wenn man in die Zwangswirtschaft der Kriegszeit zurückschreiten würde. (Posl. Krumpe: Da sind wir schon drin!) Beinahe!
Die Hefeerzeuger werden um die Hälfte weniger Arbeiter brauchen, aber sie werden einen oder den andern Angestellten mehr brauchen, weil trotz des halben Umsatzes nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Mehrarbeit in der Administrative entstehen wird. Es mutet einen an, wie das Mahlscheinsystem während des Krieges. Vier bis fünf Bücher müßte der Mann mehr führen, Ausweise jede 8 bis 14 Tage, jederzeit bei Tag und Nacht müßte er sich die Kontrolle gefallen lassen in seinem Hause und bis zum 3. jedes Monats soll er für den vergangenen Monat die Steuer abgeliefert haben. Die Hefeproduzenten verfrachten ihre Ware nicht zu 100 kg, sondern in kleinen Kisten, die Aufträge gehen jeden Tag ein, immer zu 5 kg-Kisteln. Schon das erschwert die bisherige Manipulation. Jetzt aber muß für jedes dieser Kistchen, außer dem Postfrachtbrief, der Postbegleitadresse und der Rechnung eine neue Verbuchung für den Staat wegen der Gefällskontrolle separat vorgenommen werden. (Výkøiky posl. Krumpeho.)
Dadurch, daß wir in diesem Gesetz wieder den Paragraphen enthalten haben, daß beim Verbraucher jederzeit die Geschäftsbücher eingesehen werden können, wird die Steuermoral unter den Hefefabrikanten ganz bestimmt nicht gefördert, man stempelt sie schon im Vorhinein zu Verbrechern, man verdächtigt sie und das Vertrauen zum Staate zu den Gefällsorganen, die die Steuer einzuheben haben, wird nur herabgesetzt.
Meine Verehrtesten! Ich halte mich verpflichtet, auf ein weiteres Kapitel zu sprechen zu kommen. Ich habe vorhin erwähnt, daß wir über 7 Milliarden Steuerrückstände haben. Man bemüht sich natürlich seitens des Staates, diese Steuerrückstände möglichst kurzfristig einzutreiben. Bei diesen Eintreibungen aber geht man unmenschlich vor. Wenn man das dem Herrn Finanzminister immer wieder im Ausschuß oder hier im Hause erzählt, (Posl. dr Luschka: Er ist nie da!) glaubt man es nicht, wenn es sich um Sachen handelt, die an den Nerv der Leitung dieser Steuerorganisationen gehen, der Finanzverwaltung, so weicht man uns, soweit als möglich aus, weil man die Wahrheit nicht gerne hört, und deshalb finden wir die Plätze hier immer wieder unbesetzt, man will die Klagen der Steuerzahler, die unter dem Druck des jetzigen Steuersystems leiden, nicht hören. (Posl. Krumpe: Wir haben dazu die Sedmièka!) Wir haben den Siebnerausschuß, von dieser bösen Sieben haben wir nichts zu erwarten. Es kommen Steuereintreibungen vor, die an Unmenschlichkeit grenzen. Einem kleinen Landwirt pfändet man eine Kuh. Er ist 200 Kronen an Steuern schuldig, und man verpfändet ihm eine Kuh, die einen Wert von 1.000 Kronen hat. Ein Käufer kommt natürlich nicht, weil jeder anständige Mensch zu solchen meistbietenden Verkäufen nicht geht, und nun bringt man sich gleich den Metzger mit, der die Kuh um 200 Kè wegführt. Und so geht es auch in der Industrie. Ich verweise nur darauf, daß man in der letzten Zeit in Nordböhmen in der Musikinstrumentenindustrie den Musikinstrumenten-Erzeugern die ganzen Geigen beschlagnahmt und für den zehnten Teil des Wertes in den Handel gebracht hat, für die rückständigen Steuern. Wie ist zu helfen? Die Steueradministration droht mit Zwangsversteigerung, dann kommt der Betreffende zu einem Abgeordneten, und dieser Abgeordnete soll in höchster Instanz an das Gefühl der Menschlichkeit appellieren und im Finanzministerium um Stundung bitten. Bis vor kurzem hatten solche Vorsprachen noch teilweise Erfolg, es wurden die Verkäufe zurückgestellt, die Akten abverlangt und im Verhandlungs- oder im Stundungswege wurde irgendwie ein Ausgleich geschaffen. Nun drängt das Finanzministerium wöchentlich bei den Administrationen und Steuerämtern auf eine energische und rücksichtslose Eintreibung der rückständigen Steuern. Selbst Taschenpfändungen sind befohlen und vorgesehen. Man will lauter Bettelleute haben, auch jene darunter sehen, die heute den Staat mit ihren Steuern erhalten. Nun, nachdem Aufträge hinausgegangen sind, die Steuern rücksichtslos einzutreiben, macht die Steueradministration, die Finanzlandesdirektion das Ministerium aufmerksam: "Ja, wir hätten ja die Steuer rücksichtslos eingetrieben, aber Ministerium, Du hast ja den Akt abverlangt, um ihn zu überprüfen." Seit dieser Zeit hat das Finanzministerium an seine Referenten die Weisung hinausgegeben, sobald eine Exekution stattgefunden hat, dürfe nicht mehr eingegriffen werden. Dadurch ist der Steuerzahler vogelfrei geworden. Die Rekurse laufen Jahr und Tag, der betreffende Steuerzahler wird gepfändet, niemand soll mehr für ihn bei der höheren Behörde vorsprechen. Man will ja nichts geschenkt, man will nur, daß die Akten überprüft werden, weil tatsächlich Fälle vorkommen, wo durch die Krise und den wirtschaftlichen Zusammenbruch die Arbeitgeber beim besten Willen nicht in der Lage sind, rückständige Steuern zu zahlen. Es liegt uns vollständig ferne, jene, die Steuerhinterziehungen beabsichtigen, zu schützen. Diese Drohnen sind ja den Steuerdirektionen und den Steuerbehörden bekannt. Wir wollen nicht die in Schutz nehmen, die nicht zahlen wollen, wir wollen nur nicht den Ruin vieler Existenzen durch die übertriebene und rücksichtslose Steuereintreibung, den Ruin von Existenzen, woran das Schicksal Hunderter Arbeiter hängt. Für diese Existenzen verlangen wir nur Schonung.
Eine Praxis, die sich in den letzten Jahren die Behörden sehr gerne zu eigen gemacht haben, sind die Intabulationen der rückständigen Steuern. Gut, dagegen wäre nichts zu sagen. Jeder Gläubiger will sich seine Schuld sichern, aber jeder Gläubiger ist verpflichtet, seinen Schuldner zuerst zu verständigen, mit dessen Einverständnis die Schuld sicherzustellen, zumindest einen Schuldschein mit der Intabulationsklausel von ihm zu verlangen. Dagegen ist der Steuerfiskus berechtigt und praktiziert es sehr häufig, die rückständige Schuld, ohne daß der Schuldner etwas davon weiß, auf seinen Besitz intabulieren zu lassen. Wenn der Besitz heute 500.000 Kè wert ist und die Belastung 200.000 Kè beträgt und ihm an die 10.000 Kè Steuerschuld nach den 200.000 Kè intabuliert werden, so ist der gute Mann erledigt, er bekommt von keiner Seite mehr einen Heller, weil die Intabulation der Steuerschuld sich für den Besitzer furchtbar auswirkt. Sie bringt ihn um die ganze Achtung und um sein ganzes Ansehen. Wir verlangen zumindest, daß beim Steuerfiskus ebenso vorgegangen wird, wie im zivilrechtlichen Verfahren, daß zuerst der Schuldner verständigt wird, bevor die Steuer auf seinen wohlerworbenen Besitz intabuliert wird.
Ein weiteres Kapitel, das ich zur Sprache bringen muß, nachdem durch die Erhöhung der Steuern am meisten Handel, Gewerbe und Industrie betroffen sind, sind die Vergebungen der staatlichen Lieferungen. Hier können wir ganz besonders in den letzten Jahren mit Bedauern feststellen, daß die deutschen Bewerber immer mehr und mehr zurückgesetzt werden. Auch wenn sie die günstigsten Angebote bringen, bekommen sie die Arbeit nicht. Es wird irgendwie ein Ausweg gesucht, und wir wissen ja, wo der wahre Grund steckt. Man will künstlich das Heer der deutschen Arbeitslosen vergrößern. Deshalb gibt es für die deutsche Industrie so wenig öffentliche und staatliche Lieferungen. (Posl. dr Luschka: Man will die deutsche Industrie ruinieren!) Jawohl, man will die deutsche Industrie ruinieren, weil man ganz genau weiß, wenn die Wirtschaft eines Volkes untergraben wird, dann wird auch das gesamte Volk schwach.
Ich verweise hier auf unsere Steinindustrie. Die Steinindustrie in Schlesien beherrscht in ihrer Erzeugung 3/4 der gesamten Steinindustrieerzeugnisse des Staates. Diese drei Viertel setzen sich wieder zusammen zur Hälfte aus einem einzigen schlesischen Bezirk, dem Freiwaldauer Bezirk, wo die Steinindustrie mit ihren so hoch qualitativen Marmor-Granitbrüchen, staatlichen Fachschulen und Landesfachschulen zu Hause ist. In der letzten Zeit ereignete es sich, daß man in Böhmen eine Bezirksstraße, eine Staatsstraße zur Pflasterung ausgeschrieben hat, wobei es ausdrücklich heißt, es dürfe der Stein nur von den Skutzer Werken genommen werden, so daß schon in der Ausschreibung die Hauptsteinindustrie des Staates, die früher von ganz Österreich gelebt hat und jetzt wenigstens hier im Staate ihren Absatz finden soll, im Vorhinein ausgeschaltet ist. Auch wenn die Offerte billiger, Qualität besser ist, es ist eben eine deutsche Industrie und man macht sich die Ausrede, was in Böhmen gebraucht wird, das muß auch aus böhmischen Erzeugnissen gedeckt werden. (Posl. Krumpe: Hunderte Kilometer weit fährt man Schotter!) Sehr richtig! Man bezahlt teueres und schlechteres Material. Ich verweise auf einen Einzelfall: die Straße in Senftenburg. Wir sind um 10% billiger und liefern bedeutend besseres Material, und trotzdem liegt der Akt schon monatelang im Landesamt in Böhmen, auch wenn es sich um Bezirksstraßen handeln würde, der Staat zahlt fast 3/4 Subvention aus dem Straßenfond dazu, deshalb ist auch Pflicht des Staates, daß wir in unserem kleinen Staat, den man auf der Landkarte kaum sieht, uns nicht noch länderweise absperren. Es wäre Pflicht des Staates dafür zu sorgen, daß die schlesische Steinindustrie, die weltberühmt ist, nicht zugrunde geht. Wenn die Praxis so weiter gehandhabt wird - ich bedauere nur, daß unsere deutschen Regierungsparteien länger zusehen können - gehen wir mit der schlesischen Steinindustrie zugrunde. Wir haben gegenwärtig in einem einzigen kleinen Bezirk über 10.000 Waggons Würfel liegen, die wir nicht anbringen können und ein Teil der 6.000 Steinarbeiter mußte entlassen werden, jetzt in der Saison, weil Böhmen sich absperrt und von uns nichts nehmen will.
Man hat in den letzten Monaten auch einmal an das Kleingewerbe gedacht, und zwar wurde vom Ministerium für soziale Fürsorge eine Verordnung herausgegeben, wonach zwei Millionen Kronen für notleidende Kleingewerbetreibende-Heimarbeiter flüssig gemacht werden sollten. Da war nun die Freude groß. Ich hatte im Gewerbeausschuß und im Budgetausschuß verlangt, daß aus jener Steuererhöhung, die die Industrie mit mehr als drei Filialen bezahlen muß, die Erträge diesem Fond überwiesen werden sollen, nachdem ja diese Kleingewerbetreibenden durch die Großindustrie - in Wirklichkeit war die Firma Baa gemeint, die so viele Filialen hat - zugrunde gerichtet wird. Natürlich wurde darüber zur Tagesordnung übergegangen, man war an die Koalitionsbeschlüsse gebunden, und wenn auch eine vernünftige Anregung kommt, wird sie nicht akzeptiert. Es wurden da Notstandsbezirke nominiert, und aus diesen sollten sich die Kleingewerbetreibenden um Unterstützung aus den 2 Millionen Kronen melden. In dem ersten Erlaß hieß es ausdrücklich, daß Kleingewerbetreibende, die im Besitz eines Gewerbescheines sind, d. h. die auch ausübende Gewerbetreibende sind, auch das Recht haben, sich, wenn sie sich in Not befinden, um Unterstützung aus den 2 Millionen zu bewerben. Nun sind die Ansuchen in einer so großen Zahl eingelaufen, wie es vielleicht das Ministerium für soziale Fürsorge am grünen Tisch gar nicht erwartet hatte. Mann wollte jedem Gewerbetreibenden 100 bis 200 Kronen geben, aber in den ersten vierzehn Tagen lagen bereits 14.000 Gesuche vor. Da mußten nun Mittel und Wege gefunden werden, um diese Bestimmungen zu ändern und es kam nachträglich ein Erlaß heraus, daß jene Gewerbetreibenden mit Gewerbeschein, die für Kunden arbeiten, an der Begünstigung dieser Aktion nicht partizipieren dürfen. Jetzt frage ich Sie: Wer bleibt da noch übrig? Heimarbeiter, Gewerbetreibende, welche Heimarbeiter sind? Jene Hilfsarbeiter, die bei den Gewerbetreibenden sind, die für eine Industrie beschäftigt sind, sind sozialversicherungspflichtig und der Gewerbetreibende, der eine Anzahl solcher Hilfsarbeiter beschäftigt, benötigt die Unterstützung nicht, der arme Schuster oder Schneider, der für einen Kunden vielleicht nur eine Woche im Jahre arbeitet, kann an der Aktion nicht partizipieren. Das Gesetz ist also zwar vorhanden, aber bis auf wenige Ausnahmen, z. B. in der Glasindustrie, bei den Proßnitzer Hausschneidern, den Stückarbeitern, kommt es für niemanden in Betracht. Man verlangt von den Gewerbetreibenden Steuern und immer wieder Steuern und erhöht dazu die bestehenden Steuern. Damit werden wir zwar momentan die Staatsfinanzen sanieren, aber die Staatswirtschaft zugrunde richten. (Posl. Krumpe: Das sind Notschlachtungen!) Sehr richtig, das sind Notschlachtungen. Für uns gibt es nur zwei Wege und der eine Weg wäre das Einsparen von Luxusausgaben. Da wird man uns sagen: "Ihr ward auch einmal in der Regierung, Ihr hättet auch schon sparen können." Ja, aber bei den damaligen Verhältnissen in den Jahren 1927 bis 1929 war die Lage noch verhältnismäßig gut. Aber wenn wir sehen, daß die Wirtschaft von Tag zu Tag zurückgeht, daß wir immer mehr Arbeitslose haben, dank der schlechten Außenpolitik, dann müssen wir uns auch in den Ausgaben nach der Decke strecken und Ausgaben unterlassen, die nicht unumgänglich notwendig sind. Ich möchte noch einige Posten berühren. Es gäbe in diesem Staate zu sparen. Diese 1.700 Millionen, die wir jetzt aus dem Mark des Steuerträgers, aus der Volkswirtschaft herausreißen, ließen sich ganz bestimmt in anderer Weise leichter ersparen. Nehmen wir nur im Staatsvoranschlag die Ausgaben für das Ministerratspräsidium her. Dieses kostet uns allein 20,675.000 Kronen. Das Berliner ist bedeutend billiger, das kostet nur 9.600 Millionen. Da ließe sich, ohne dem Ministerratspräsidium großen Abbruch zu tun oder es besonders zu schädigen, ganz bestimmt ein Teil streichen, so daß wir Steuererhöhungen oder eine Einführung neuer Steuern nicht brauchen würden. Oder nehmen wir das Kapitel Außenministerium. Dort läßt sich noch mehr sparen. Das Budget des Außenministeriums beträgt 155,483.000 Kè. Das Ministerium verfügt über gesetzlich zurecht bestehende Fonds für Information und Propaganda in der Höhe von 12.5 Millionen und 10 Millionen, dazu kommen die politischen und wirtschaftlichen Informationen mit 800.000 Kronen, für Publikationszwecke sind 6.5 Millionen gewidmet, für kulturelle Auslandsbeziehungen 6ÿ5 und für das slavische und russische Archiv 1.5 Millionen. Hiezu kommen noch Subventionen für ausländische kulturelle und sportliche Organisationen, in der Höhe von 4.7 Millionen. (Posl. dr Petersilka: Wieviel bekommen die russischen Emigranten?) Das ist nur eine kleine Post. Aber an den angeführten Ziffern sieht man, daß Millionen erspart werden könnten, ohne die Volkswirtschaft irgendwie zu belasten. Im Ministerium für nationale Verteidigung ließen sich ebenfalls mancherlei Posten herabsetzen. Im Jahre der Abrüstungskonferenz beträgt das ordentliche Budget dieses Ministeriums 1.309.5 Millionen Kronen. Das ist aber nur scheinbar, denn wir wissen genau, daß ein großer Teil des Erfordernisses dieses Ministeriums im Ministerium für soziale Fürsorge untergebracht ist, man hat die soziale Agenda fast vollständig auf das Ministerium für soziale Fürsorge übertragen. So kann man sich rühmen, daß der Staatsvoranschlag des Ministeriums für soziale Fürsorge erhöht und der des Nationalverteidigungsministeriums herabgesetzt wurde. In Wirklichkeit ist es aber dasselbe. Im Jahre 1931 betrug der Aufwand für Naturalien 287.918 Millionen, im Jahre 1932 276.648 Millionen, es ergibt sich also eine Differenz von 11 Millionen. Wenn wir aber den Wertrückgang mit nur 15% annehmen, so müßte diese Differenz größer sein. Die Valuta ist gestiegen, der Rückgang des Wertes beziffert sich auf 15, 18, ja 20% und um diesen Betrag müßte sich auch die entsprechende Ziffer beim Nationalverteidigungsministerium ermäßigen. Es sind aber höchstens 6% an Rückgang aus den genannten Ziffern zu ersehen. Für Militärattachés wurden 3.77 Millionen ausgegeben, in Wien 450.000, in Paris 471.000, die französische Militärmission bezieht im 14. Jahre nach dem Krieg 1.348 Millionen Kronen. Auch da ließe sich noch sparen. Die vom Kriegsdichter- General geleitete Denkmalsabteilung kostet uns 2,583.000 Kè, wenn wir aber für unsere Denkmalämter etwas haben wollen, dann ist kein Geld hier. Die Studienreisen für Offiziere erfordern 1,051.000 Kè, die Militärrösser fressen für 93.724 Kè, geschossen wird bei Übungen für 76.515 Kè. Hier ließen sich sicherlich Einsparungen machen, ohne daß dadurch die Schlagkraft unseres Heeres geschwächt zu werden brauchte.
Und dann das Volksernährungsministerium. Wir wissen überhaupt nicht, warum dieses Ministerium geboren worden ist. Das ist heute noch ein spanisches Dorf. Es kostet uns 14,531.000 Kè. (Posl. Krumpe: Es ist ein Unterernährungsministerium!) Sehr richtig, es ist kein Ernährungsministerium, sondern ein Unterernährungsministerium. An Honoraren werden gezahlt 2,800.000 Kè, für Notstandsausgaben sind 2,700.000 Kè eingesetzt, die Verwaltung dieses sozialen Ministeriums, das eigentlich in das Sozialfürsorgeministerium gehört, allein kostet 2,810.000 Kè.
Dann ist noch so ein Kapitel, wo sich manches ersparen ließe, das staatliche Bodenamt. Hier will ich mich ganz kurz halten. Das staatliche Bodenamt erfordert 23,021.000 Kè, davon sind allein Personalausgaben 20,482.000 Kè. Das spricht Bände.
Es läßt sich also sparen, ohne daß man immer an den Nerv des Steuerzahlers geht und bei jeder Gelegenheit neue Steuern einführt und die bestehenden erhöht. Eine weitere Sache, die zur Sanierung der Staatswirtschaft und Staatsfinanzen führen kann, ist eine vernünftige Handelspolitik, vernünftige Handelsverträge mit den Nachbarstaaten. Wenn sich die europäischen Staaten nicht finden werden, gehen wir alle miteinander zugrunde, und ich meine, es müßte gerade die Èechoslovakei als einer der reichsten der Nachfolgerstaaten und weil sie am zentralsten gelegen ist, am meisten dahin wirken, daß wir uns endlich mit der europäischen Wirtschaft finden. Nur dann wird unsere Industrie wieder aufleben und wird die Arbeitslosigkeit eingedämmt werden können. Das ist das Um und Auf. Es fehlt uns an Arbeit. Mit dem ungarischen Handelsvertrag will und will es nicht vorwärtsgehen, und jene, die ihn an jenem Montag, den 15. Dezember 1930 zerschlagen haben, tragen die Verantwortung für die 50.000 Arbeitslosen mehr. Im Entwurf des ungarischen Handelsvertrages ist enthalten, daß wir 17% der Baumwolle und 58% Schafwolle einführen dürfen, 1.600 Gesuche liegen wo, die nicht erledigt werden können, so lange nicht der Handelsvertrag perfekt ist. Inzwischen gehen wir mitsamt der Arbeiterschaft zugrunde und hier dichtet man jetzt schon jahrelang, daß der Handelsvertrag endlich zustande komme.