Das Budget teilt sich in vier Teile. Es ist in der öffentlichen Verwaltung überdimensioniert, in den Betrieben unrentabel und in der Finanzwirtschaft der Selbstverwaltungskörper ruinös. Die öffentliche Verwaltung ist zu hoch, sie beträgt 19·2 Milliarden Kè. Wenn man den Bedarf der Selbstverwaltungskörper hinzurechnet, kommen noch mindestens 7 bis 8 Milliarden hinzu, ergibt zusammen 27 Milliarden. Die Ausgabenbelastung der Staatsverwaltung beträgt für die Steuerträger 9·7 Milliarden, vom Aufwand für die öffentliche Verwaltung und die Staatsbetriebe von 14·9 Milliarden beträgt der Personalaufwand 7·2 Millia rden. Da glaube ich mit vollem Recht, an den ganzen Apparat des Beamtentums in der öffentlichen Verwaltung, im Staat, Land, Bezirk und Gemeinden den Appell richten zu müssen, daß die Lebenshaltung des Beamten zur Voraussetzung hat eine gesunde Wirtschaft, die imstande ist, dauernd die erforderlichen Mittel für den Personalaufwand aufzubringen. Wenn das nicht der Fall ist, muß zwangsläufig an die Wurzel, an das Fundament des ganzen Beamtentums und der öffentlichen Verwaltung gegriffen werden.
Das Gleichgewicht des Budgets ist problematischer Natur. Das Budget für 1934 ist mit 1·1 Millionen aktiv. Das ist an und für sich kein Betrag. Das sind Hausnummern. Es könnte auch mit 3 oder 5 Millionen aktiv oder passiv sein. Das spielt keine Rolle. Das Budget für 1934 wäre aktiv und wäre wahr, wenn man es mit einem Überschuß von 1 1/2 bis 2 Milliarden abschließen könnte. Dann könnte man sagen, daß dieses Budget dem Ergebnis des Rechnungsabschlusses annähernd nahe kommen wird. Wir haben in den Jahren 1931 bis 1933 mit einem Defizit gegenüber den Budgetziffern von weit über vier Milliarden abgeschlossen. Wie wird das gedeckt? Jedes Budget fängt mit Null an. Jede kaufmännische Rechnung aber übernimmt einen Saldo. Unser Budget fängt immer mit Null an. Infolgedessen muß das ganze Defizit auf eine andere Art erledigt werden. Man kommt auf den Weg der Kreditoperationen. Wie lange können diese Kreditoperationen fortgesetzt werden? Es ist von groß em Interesse, wenn man sich einmal der Mühe unterzieht zu vergleichen, was die Èechoslovakische Republik seit ihrem Bestande bereits verbraucht hat. Ich habe eine Statistik der Budgets in ihren Ausgaben und Einnahmen und der Rechnungsabschlüsse in ihren Ausgaben und Einnahmen seit Beginn vor mir liegen. Da ist es von großem Interesse festzustellen, daß die Èechoslovakei seit dem Jahre 1919 bis zum Jahre 1933 die Summe von 282 Milliarden ausgegeben und 256 Milliarden eingenommen hat; das ist das Präliminare der Ausgaben und Einnahmen nach den Budgets und das bedeutet, daß die Ausgaben die Einnahmen um 26 Milliarden übersteigen. Nach den Rechnungsabschlüssen ergibt sich eine Ausgabensumme von 290 Milliarden gegenüber einer Einnahme von 271 Milliarden, das ergibt eine Mehrausgabe von 19 Milliarden. Sie werden vielleicht nicht in der Lage sein, die Ziffern so rasch, wie ich Sie Ihnen genannt habe, zu vergleichen, ich stelle mich Ihnen gerne zur Verfügung, Sie werden aber finden, daß wir im Grunde genommen mit passiven Rechnungsabschlüssen und Budgets gewirtschaftet haben, da wir heute ein Manko von 18 Milliarden in den Rechnungsabschlüssen haben. Wenn ich zu diesen 290 Milliarden Ausgaben nach den Rechnungsabschlüss en dazurechne die 100 Milliarden, die die Selbstverwaltungskörper verbraucht haben, so stehen wir vor einer Ausgabensumme von rund 400 Milliarden, welche Ausgabensumme in diesen 15 Jahren von der Bevölkerung aufgebracht worden ist. Da muß ich sagen, daß man in diesem Trommelfeuer des Drucks auf die Wirtschaft, Landwirtschaft, Handel, Gewerbe, Industrie und die darin beschäftigten Arbeitnehmer, die Wirtschaft mit einer Ausgabenbelastung von 400 Milliarden zum Weißbluten gebracht hat und daß heute die Wirtschaft zwangsläufig vor dem Zusammenbruche stehen muß, daß man die Wirtschaft ausgepumpt hat, daß man die Reserven der Wirtschaft erschöpft hat, weil man nicht bereits in den Jahren 1922/23, wo infolge der Stabilisierung der Krone der maßgebende Zeitpunkt zu einer Änderung war, diesen Zeitpunkt erkannt und umgedr eht hat. Man hat auf einer falschen Konjunktur aufgebaut, weiter gewirtschaftet und heute steht man vor dem politischen, dem wirtschaftspolitischen und finanzpolitischen Katzenjammer, heute, wo es schwer ist, den Menschen beizubringen, daß die ganze finanzpolitische Aufbauarbeit hinsichtlich Budget und Rechnungsabschluß falsch gewesen ist.
Die Ziffern beim Budget sind ganz gleichgültig. Wichtig ist das Erfassen der Situation und der Probleme und dazu gehört eine große politische Konzeption und eine große politische Linie. Wir stehen heute vor dem Trümmerfeld der Wirtschaft. Vergessen Sie nicht die Auswirkungen des Krieges, die Zerreißung des großen einheitlichen Wirtschaftsgebietes. Aber es war ein Unglück für uns, daß wir die Konjunktur in der Nachkriegszeit falsch beurteilt haben. Wir haben die Konjunktur der Nachkriegszeit als eine normale Konjunktur angesehen und haben auf diese Konjunktur gebaut, investiert und den ganzen Wirtschaftsapparat überdimensioniert und nachher hat es sich herausgestellt, daß diese Konjunktur doch nur eine falsche Konjunktur war, herbeigeführt durch den momentanen größ eren Bedarf der notwendigsten Artikel. Dazu kam die Rationalisierung, die Auswirkungen der Politik, und dazu ist die große Verarmung in Europa gekommen. Man darf sich doch nicht dem Gedanken verschließen, daß durch den Krieg und die Nachkriegszeit und die Verhältnisse in ganz Europa eine große Verarmung der Bevölkerung eingetreten ist und dadurch eine Schwächung der Konsumkraft. Das größte Unglück aber war, daß man im Jahre 1922/23, zur Zeit, als man die Krone mit 15 stabilisierte, nicht auch tabula rasa machte und sagte: Die Krone hat den dreifachen Wert erreicht, die Schulden sind dreifach größer geworden, dadurch sind aber auch die Bestände der Gläubiger dreifach wertvoller geworden, die Budgets sind falsch, wir müssen sie herabsetzen und alles auf das richtige Maß zurückführen. Von diesem Zeitpunkt an beginnt in der èechoslovakischen Finanzpolitik der große Irrtum, daß man mit den falschen Wirtschaftsziffern weiter gearbeitet hat und von diesem Zeitpunkte an beginnt auch die Unaufrichtigkeit Ihrem ganzen Beamtentum gegenüber. Das Beamtentum wird mit falschen Wirtschaftsziffern vertröstet und es wird nicht ehrlich und offen gesagt, daß sich im Jahre 1922/23 die Verhältnisse geändert haben und daß man ein anderes Budget hätte aufstellen müssen. Wenn Sie die Rechnungsabschlüsse in den Ausgaben für das Jahr 1922/23 und der folgenden hernehmen, so haben wir die Budgets durchschnittlich trotz der Veränderung der Währung auf dem Betrage von 21 Milliarden gehalten, ohne Veränderung ob vor oder nach der Stabilisierung, die Ausgabensumme ist durchschnittlich die gleiche geblieben. Darin liegt der grundlegende Fehler der finanzpolitischen Verwaltung der Èechoslovakei, ein Fehler, der vielleicht nicht mehr gut zu machen ist. Aber das ganze sagt Ihnen doch, daß man mit der Wirtschaft nicht herumexperimentieren darf, daß die Wirtschaft solche Dinge nicht verträgt, und da möchte ich sagen, daß es doch schließlich keine Zeit so wie die jetzige erfordert, die Menschen zur Vernunft zu bringen. Alles schreit: Staat, Staat, hilf! Staat, gib! Wer ist der Staat? Der Staat sind wir ja doch selbst, in der Aufbringung der finanziellen Mittel. Sind die Steuerträger der Staat? Kommt es nicht in den meisten Fällen vor, daß der jenige, der fordert, im selben Atemzuge verweigert? Kommt es nicht vor, daß gerade derjenige, der eine Subvention haben will, die Belastung auf einen anderen Teil verschieben will? Deswegen sage ich, wir werden aus dem Subventionssystem herauskommen müssen, weil es auf diese Weise nicht mehr tragbar ist.
Die Probleme sind heute so schwerwiegender Natur, daß es unmöglich ist, in Aphorismen oder Gedankensplittern zu den Dingen Stellung zu nehmen. Das wichtigste Problem aber bleibt: Wie beheben wir die Krise? Da gibt es ohne Zusammenwirkung der Menschen, Völker und Staaten keinen Ausweg. Überlegen Sie, daß heute der Welthandel von 862 Milliarden Kè im Jahre 1929 auf 240 Milliarden Kè herabgesunken ist, der èechoslovakische Export in derselben Zeit um 16 Milliarden zurückgegangen ist. Politik ist das Schicksal der Wirtschaft. Das wirtschaftliche Gedeihen, das sage ich besonders der èechischen Seite, ist die Vorbedingung für die Unabhängigkeit, Freiheit und Stärke eines Volkes und eines Staates und seiner Bevölkerung, alles andere führt zur Abhängigkeit, Revolution, Krieg und Vernichtung. Daran glaube ich anzuschließen, um zu sagen: Herr Minister Dr. Beneš, Herr Minister Dr. Trapl und Herr Ministerpräsident Malypetr, Sie beginnen heute zu erfassen, daß für alles, auch für das Politikmachen das wirtschaftliche Gedeihen die Voraussetzung ist. Und wenn Sie heute beim größten Egoismus in nationaler Hinsicht nicht den Verstand aufbringen, daß das Primäre das Gedeihen der Wirtschaft ist, dann greifen Sie selbst an den Lebensnerv Ihres Staates, dann hilft kein Herrgott, dann wird auf der anderen Seite unter allen Umständen das Niveau der Bevölkerung auf einen Grad herabsinken, der absolut nicht Ihrem Wunsche nach politischer Bedeutung entspricht.
Es gibt in der Politik, in der Wirtschaftspolitik, es gibt aber auch in der Parteipolitik nichts Neues, nichts, was nicht schon gesagt worden wäre. Es ist alles bereits gesagt worden. Nur ist es im Leben so, daß es, zu anderen Zeiten von anderen Menschen ausgesprochen, etwas anders ist. Aber in Wirklichkeit können wir den Anspruch darauf erheben, daß wir auf die Dinge aufmerksam gemacht haben und da kann ich die Kollegen von der Regierungsseite, die damals bei den verschiedenen Budgetarbeiten mit mir beisammen saßen, als Zeugen aufrufen, ob wir nicht über die ganzen Probleme, wie sie heute zur Diskussion stehen, bereits damals im Jahre 1927 und später gesprochen haben. Herr Koll. Remeš, was haben wir über die Währung, über die Kredit-, Zinsfuß- und Preisprobleme und über vieles andere gesprochen, nur mit dem Unterschiede, daß wir damals hätten vieles gut machen können und daß wir seit der Zeit in eine Situation hineingeschlittert sind, aus der es heute kein Aus und kein Ein gibt. Zur Befriedung beizutragen ist heute ein sehr wichtiger Umstand. Wir müssen das eine erkennen, daß den politischen Antipathien und Vergiftungsmöglichkeiten in der Vergangenheit Raum genug gegeben wurde, daß man aber die Zeit nicht verstehen würde, wenn wir mit diesen Dingen nicht Schluß machen würden, weil das letzten Endes an den Lebensnerv des eigenen Staates greift. Wir haben ein Gesetz zum Schutze der Republik. Von den Paragraphen dieses Gesetzes wird ausgiebig Gebrauch gemacht, man geht bis in die kleinsten Dörfer und Nester, bis zum kleinsten Studenten und wendet das Gesetz zum Schutz der Republik an. Was wir jedoch notwendiger brauchen würden, ist ein Gesetz zum Schutz der Wirtschaft. Ein analoges Gesetz zum Schutz der Wirtschaft würde viel Segen bringen. Wir hören so viel von Ab rüstung. Was wir brauchen, ist eine Wirtschaftsabrüstung, die in der Befreiung der Wirtschaft von den schweren Hindernissen, von dem Druck der öffentlichen Belastung, von den Hindernissen der Devisenbewirtschaftung, Ein- und Ausfuhrschwierigkeiten, Kompensationen usw. besteht. Heute bleibt nichts anderes übrig, bei der Mentalität der Bevölkerung, die doch heute verschüchtert, ängstlich, mit banger Sorge in die Zukunft blickt, als zusammenzutragen die letzten Reste des Mutes und der Hoffnung und moralisch auf die Bevölkerung einzuwirken, standzuhalten, um die Verhältnisse zu überwinden. Bis jetzt haben sich Eingriffe der Gesetzgebung und der Verwaltung in die landwirtschaftliche und industrielle Erzeugung, in Handel und Gewerbe immer nur störend ausgewirkt, sie haben sie, statt sie in ihrer Existenz zu schützen, bis zur Vernichtung bedroht. Wir müssen zurück zur Wirklichkeit in Gesetzgebung, Verordnung und Verwaltung und praktisch geübter Politik. Die wirtschaftliche Zerreißung Europas droht zu einer Verewigung der wirtschaftlichen Krise zu führen. In Europa ist die wirtschaftliche Betätigung heute in die Enge nationalstaatlicher Grenzen gezwängt. Was wir brauchen, ist die Aufrichtung eines großen Wirtschaftsraumes und da versagt leider der Völkerbund mit seinen internationalen Konferenzen. Ich glaube, wir sind zur Einsicht gekommen, daß wir auf die internationale Lösung, auf die weltwirtschaftliche Lösung nicht warten können, daß wir selbst Hilfsaktionen im Innern vo rnehmen müssen, und zwar auf dem Gebiete der Handelspolitik durch die Festigung, bzw. durch den Abschluß günstiger bilateraler Handelsverträge. Da bin ich beim Kapitel der Kleinen Entente, zu dem ich später noch ein paar Worte bezüglich des Verhältnisses zwischen Landwirtschaft und Industrie sagen werde.
Wichtig wäre endlich einmal die Anerkennung Rußlands. Ich rufe hier gleichfalls das Haus als Zeuge auf, daß wir schon vor vielen Jahren von der Èechoslovakei die Anerkennung Rußlands gefordert haben. Die Herren von der nationaldemokratischen Seite waren immer das Hindernis. Absolut hätten sie sich nichts vergeben, im Gegenteil, sie hätten manches günstige Geschäft für unsere Wirtschaft mit Sowjetrußland machen können. Man darf nicht die wirtschaftliche Annäherung an ein Land mit den politischen Geschehnissen und der politischen Konstellation verwechseln. Wir dürfen nicht übersehen, daß die Èechoslovakei seit 10 Jahren eine aktive Zahlungsbilanz gehabt hat, daß diese seit dem Jahre 1932 passiv ist. Die èechoslovakische Zahlungsbilanz ist in erster Linie abhängig von der Handelsbilanz. Da haben wir einen Rückgang des Außenhandels, des Fremdenverkehrs, eine Verringerung des Transitverkehrs usw.
Ich freue mich, den Herrn Minister Hodža hier zu sehen, weil ich die Gelegenheit benützen möchte, ein paar Worte über das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Industrie zu sprechen. Bei dem hohen Grade der Arbeitslosigkeit in der Èechoslovakei müssen wir zwei Schritte unternehmen, die in erster Linie uns gar nichts kosten und zu einer großen Erleichterung des Arbeitslosenmarktes führen würden. Ich habe bereits im Budgetausschuß die Behauptung aufgestellt, daß wir zu normalen, guten Zeiten eine Landflucht hatten, indem große Teile der ländlichen Bevölkerung von draußen in die Stadt, u. zw. in Handel, Gewerbe und Industrie gekommen sind. Heute müßten wir eigentlich eine Stadtflucht haben, da die Landwirtschaft so gut wie keine Arbeitslosen aufzuweisen hat. Wir haben andererseits hunderttausende von Arbeitslosen in der Industrie und nun sage ich, wenn man jenen Teil der Arbeitslosen, die der bäuerlichen Bevölkerung entstammen, wieder hinaus aufs Land bringen würde, und dieser Teil imstande wäre, im Vaterhaus wenigstens das Brot zu verdienen, wenn man gleichzeitig auf dem Lande eine Zeit lang die Maschinen in den Scheuern lassen und die Menschen wieder aufs Feld schicken würde, so könnte eine große Entlastung des Arbeitslosenmarktes eintreten. (Posl. dr Goldstein: Wie soll man das machen?) Herr Koll. Goldstein, das ist eine einfache Geschichte. Meine Redezeit ist beschränkt, ich bin aber bereit, Ihnen über das Problem der Arbeitslosenfürsorge Aufklärung zu geben, ich bin auch gerne bereit, wenn Sie mir die entsprechende Redezeit beschaffen würden, darüber hier im Hause ausführlich zu sprechen. Wir sind nun den tatsächlichen Verhältnissen mit den Erfindungen und in der Rationalisierung weit vorausgeeilt. Dort, wo früher hunderte Menschen waren, sind jetzt 1 bis 2 Traktoren und diese besorgen die ganze Arbeit für den betreffenden Besitzer. Genau dasselbe Problem ist auch in der Industrie: auch hier müßte man, für eine Zeitlang wenigstens, die modernsten Maschinen ruhen lassen, damit nicht weiterhin die Arbeitskraft des Menschen ausgeschaltet wird. Das müssen wir solange machen, bis sich die Verhältnisse auf dem großen internationalen Markt geändert haben. Wenn ich gerade beim Kapitel Landwirtschaft und Industrie bin, so möchte ich sagen, daß ich glaube, daß sich der Herr Minister Hodža und der Herr Minister Beneš in einem gewissen Gegensatz befinden. Ich glaube, daß der Herr Minister Hodža ganz sicher im Recht ist, wenn er sagt, daß die Èechoslovakei nicht imstande ist, daß die überschüssigen Agrarprodukte aus Jugoslavien und Rumänien von uns aufgenommen werden und daß eigentlich in dieser Beziehung Westeuropa herhalten müßte. Da müssen wir aber auch Verträge mit den anderen haben. Wenn wir aber im Rahmen der Kleinen Entente stehen, so müssen wir derzeit mit diesen Verhältnissen rechnen und da hat der Herr Minister Hodža Recht, wenn er fordert, daß erst Ordnung im Lande zwischen Industrie und Landwirtschaft hergestellt werden muß. Der Landwirtschaft und der Industrie, allen zusammen geht es schlecht, das muß anerkannt werden. Es muß aber auch anerkannt werden, daß die Landwirtschaft selbst durch die Vernichtung der Industrie den größten Nachteil hätte. Ich habe das praktisch immer so ausgedrückt: Ihr Bauern, verstehet das eine: Wenn ein Industrieunternehmen kaput geht, dann müssen 20 Bauern die steuerlichen Lasten dieses Industrieunternehmens übernehmen! Vom rein egoistischen Gesichtspunkt aus müßte eigentlich heute die agrarische Seite das größte Interesse an der Aufrechterhaltung der Industrie haben, weil dadurch die Entlastung der Agrarier von öffentlichen Abgaben ermöglicht wird. Ich bin bereit, mit Ihnen die 400 Milliarden Kè Ausgaben, von denen ich sprach, zu zergliedern - das sind die Ausgaben auf Grund der Rechnungsabschlüsse für Staat, Gemeinden, Bezirke und Länder seit 1919 - und wir werden dann die Rechnung machen, was Industrie, Handel und Gewerbe und was die Landwirtschaft hiefür aufgebracht hat. Da werden Sie sehen, daß Handel, Industrie und Gewerbe zu diesem Erfordernis unverhältnismäßig mehr beigetragen haben, und deswegen gebe ich Ihnen den guten Rat: Tun Sie alles, um die Industrie zu erhalten, weil Sie, wenn die Industrie zugrunde geht, die Lasten übernehmen müßten und wenn Sie diese nicht übernehmen können, so werden Sie sich selbst auf ein Niveau herabdrücken, das Ihnen allen nicht sympathisch sein wird, Sie werden dann nicht in der Lage sein, Ihre politische Bedeutung zu erhalten.
Ich will bei dieser Gelegenheit den Notruf des Herrn Präsidenten Liebieg übernehmen, daß in den Industriegebieten Nordböhmens Hunger herrscht. Herr Minister Hodža, nur ein Wort darüber: Es ist doch wahr, daß es sich bei der Landwirtschaft um die Preise handelt. Bei der Landwirtschaft handelt es sich nicht um die Arbeit, die Landwirtschaft hat Arbeit zum Brechen. Bei der Landwirtschaft ist aber der wirtschaftliche Fehler vorhanden, daß sie nicht die Preise bekommen kann, die sie braucht. Der Unterschied gegen die Industrie ist der, daß die Industrie keine Arbeit hat, wir können überhaupt niccht vom Preis reden, weil wir keine Arbeit haben. Den Preis in Handel, Gewerbe und Industrie bestimmen heute nicht wir selbst, sondern der Käufer. Der Käufer sagt: "Ich gebe nur so und soviel dafür", und heute hat der Industrielle, der Kaufmann und der Gewerbetreibende nur noch zu prüfen, ob das Geschäft überhaupt noch gemacht werden kann. Wir sind mit Herrn Generaldirektor Federer von den Witkowitzer Eisenwerken nicht einverstanden, wenn er sagt: "Wir müssen eine Umstruktur in dem Sinne vornehmen, daß wir jenen Teil der Industrie, der für den Export nicht mehr arbeiten kann, ersetzen durch einen anderen Teil, der für das Inland arbeitet." Das heißt mit anderen Worten nichts anderes, als die Preisgabe des Großteiles der Exportindustrie und im besonderen der Textilindustrie. Meine Herren, seien Sie froh, daß Sie die Exportindustrie haben, schaffen Sie die Voraussetzungen, daß sie Arbeit hat und dann werden Sie das wirtschaftliche Niveau am besten aufrecht erhalten.
Ein anderes Beispiel sind die Einheitspreisgeschäfte. Ich mache dem Herrn Handelsminister Dr. Matoušek den allergrößten Vorwurf, daß er in dieser Sache nicht energisch genug vorgeht. Seine Erläuterungen im Budgetausschuß befriedigen uns absolut nicht. Sie sollten einmal die Not und das Elend sehen, das bei der Kaufmannschaft und bei den Gewerbetreibenden eingetreten ist. Jetzt gibt man diesen Menschen noch die Einheitspreisgeschäfte, die nicht einmal verpflichtet sind, beim Verkauf qualifizierte Kräfte zu haben. Bei einem kleinen Kaufmann muß der Lehrjunge, der Gehilfe, drei Jahre lernen bzw. gelernt haben, im Einheitspreisgeschäft nimmt man ungelernte Mädel auf, die schon am nächsten Tage verkaufen können. Wir erheben dagegen den schärfsten Protest und ich verweise auf meine Ausführungen im Budgetausschuß.
Es hat sich ein Zehnerausschuß gebildet aus Industrie und Landwirtschaft. Da muß ich sagen, daß es doch direkt beschämend und deprimierend ist, daß in diesem Zehnerausschuß seitens der deutschen Landwirtschaft und Industrie nicht ein einziger Repräsentant sitzt. Geben Sie mir eine Aufklärung dafür! Das sind wirtschaftspolitische Fragen, keine nationalen Fragen, warum können Sie uns Deutsche nicht dabei haben? Wenn wir dabei nicht berücksichtigt werden und vertreten sind, müssen wir da nicht mißtrauisch werden? Es ist ein bitteres Unrecht, daß Sie in diesem Stadium der loyalen Mitarbeit der Deutschen dies em Ausschusse die Vertreter der deutschen Wirtschaft nicht zuziehen. Auf der einen Seite sich darauf zu berufen: "Ihr müßt mitarbeiten!" und auf der anderen Seite uns auszuschalten, das paßt nicht zusammen.
Ein paar Worte über die Währung. Wir Abgeordneten sind verpflichtet, zu diesem schwerwiegenden Kapitel zu sprechen. Die ganze èechische Öffentlichkeit ist sich darüber klar, daß die Währung seinerzeit zu hoch stabilisiert wurde. Sie wurde im Verhältnis zum Schweizer Franken mit 15 stabilisiert, es wäre besser gewesen, man hätte sie auf 10 stabilisiert. Die Währung hat von der èechoslovakischen Bevölkerung große Opfer in Form der Vermögensabgabe, neuer Steuern und Erhöhung der alten Steuern gefordert. Die Bevölkerung hat alles aufgebraucht und die Èechoslovakei hat auch die stabilste Währung Europas gehabt. Aber es ist in der Politik nichts fest und unveränderlich, und man kann nicht auf ewige Zeiten, selbst auf die Gefahr hin, daß sich die Umgebung anders einstellt, an einem starren Standpunkt festhalten. Ich habe im Budgetausschuß den Antrag gestellt, man solle über das Kapitel diskutieren und Sachverständige hinzuziehen, von den Banken, von der Industrie usw. Man hat es nicht gemacht, es ist nicht notwendig, denn nur die Opposition hat das vorgebracht. Es gibt zwei Richtungen: die eine Richtung will unbedingt an der Stabilität der Währung festhalten; die andere Richtung verlangt eine gewisse Kreditausweitung, eine bestimmte Vermehrung des Notenumlaufs. Der zweiten Richtung schließe ich mich an. Ich war bisher ein strenger Verfechter der Stabilität der Währung. Unter gar keinen Umständen dürfen wir eine Inflation zulass en. Aber was wir brauchen, ist ein Mittelweg durch Kreditausweitungen, eine Vermehrung des Notenumlaufs, um eine bestimmte neue Blutmenge dem Kreislauf der Wirtschaft zuzuführen. Können wir das machen? Bei der geringen Auslandsverschuldung der Èechoslovakei, bei den engmaschigen Devisenvorschriften können wir, meiner Ansicht nach, ohne weiteres den Notenumlauf erhöhen. Ich will dabei nicht mißverstanden werden. Ich verurteile unter allen Umständen die Inflation, trete aber für eine Kreditausweitung ein, um der Wirtschaft Anregungen für ihr Leben zu geben. Denn mit diesem Problem, meine Herren, hängt doch das ganze Problem des Kredites zusammen, das Problem des Zinsfußes und der Preise. Ist es denn möglich, immer zu schreien: Preise herab, Preise herab! wenn man auf der anderen Seite die öffentliche und soziale Belastung gleich hoch läßt? Sie kommen dadurch in die Sackgasse und müssen ernstlich die Dinge prüfen. Wir sind heute schon nüchtern genug, um offen über die Dinge miteinander sprechen zu können.
Ich hätte noch sehr viel über das Kapitel Selbstverwaltung zu sprechen. Es herrscht da eine derartige Deroute in der Finanzwirtschaft der Selbstverwaltung, die dringend der Erörterung bedarf. Aber meine Zeit drängt und ich muß mir dieses Kapitel für ein anderesmal aufheben.
Ich möchte nun noch ein paar Worte mit Ihnen sprechen über das sudetendeutsche und nationale Problem. Das interne sudetendeutsche Problem haben wir unter uns selbst auszumachen. Dieses Problem wollen wir hier nicht öffentlich vor Ihnen erörtern, obwohl es fast den Eindruck macht, als ob Sie für uns bessere sudetendeutsche Politik machen, als wir es selbst treffen. Zustände, die wir selber nicht herbeiführen konnten, haben Sie mit einem Schlage herbeigeführt und mit einem Schlage eine Situation geschaffen, die wir nach eigener Einsicht niemals zuwege gebracht hätten. Wenn ich in camera caritatis mit Ihnen, Herr Minister Hodža sprechen würde, würde ich Sie jetzt Folgendes fragen: Wie hätten Sie, wenn Sie Sudetendeutscher wären, in der Vergangenheit sudetendeutsche Politik gemacht? Und da glaube ich behaupten zu können, daß das èechische Volk viel bessere sudetendeutsche Politik gemacht hätte wie wir. Aber, meine Herren, Staatsfeinde in der Èechoslovakei haben Sie nur mit Worten gehabt. In Wirklichkeit sind die Menschen bei uns schon lange staatstreu gewesen und von diesem Gesichtspunkte aus wird natürlich vielleicht manches anders zu beurteilen sein. Das Schicksal für uns Sudetendeutsche ist gegeben: Wir kämpfen heute bei uns um die Frage: volkspa rteiliche oder ständische Gliederung. Ich weiß nicht, in welchem Maße bei uns die Situation auf èechischer wie auf deutscher Seite reif geworden ist, um den Ständegedanken nach Prof. Spann überhaupt in Erwägung zu ziehen. Aber ich glaube, daß bei der Kleinheit des Volkskörpers bei uns Sudetendeutschen es doch darauf ankommt, die Massen zu erfassen. Im volksparteilichen Charakter und auch in der ständischen Auffassung muß beides im Endziel auf dasselbe hinauskommen. Die Volkspartei, die die Massen erfaßt, wird sich zwangsmäßig nach unten ständisch gliedern und die ständische Gliederung muß zwangsläufig in dem Ausgleich der wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Gegensätze zu einer einheitlichen Auffassung in kultureller und nationalpolitischer Hinsicht kommen. Von diesem Gesichtspunkte aus sage ich, daß zu dieser Auffassung sicher auch die Parallele auf der èechischen Seite gehört. Eine Einheitspartei auf sudetendeutscher Seite wird es niemals geben. Wer daran glaubt, befindet sich auf einem Irrwege, weil die Verhältnisse bei uns Sudetendeutschen ganz anders liegen, wie z. B. in Österreich oder in Deutschland. Ich behaupte, daß niemand und mag er eine noch so große Propagandakraft besitzen, imstande wäre, den Großteil der Parteien zu vernichten. Ich behaupte, z. B., daß jemand, mag er über die größte Werbekraft verfügen, die deutschen Sozialdemokraten wohl schwächen, aber nicht vernichten kann. Dasselbe gilt für die Christlichsozialen und den Bund der Landwirte. Vernichten kann nur eine autoritäre Bestimmung. Sie haben als Regierung Parteien aufgelöst und eine eingestellt. Aber im Parteienkampf selbst ist niemand imstande, bestimmte Gruppen, die sich weltanschaulich festgesetzt haben, und ihre Lebensdauer haben, aus der Welt zu schaffen. Von dem Gesichtspunkt aus sieht natürlich bei uns die Sache ganz anders aus und es ist ein Wahnsinn, ein Irrtum, bei uns von Faszismus und Diktatur zu sprechen, oder sie uns zu unterschieben. Eine Diktatur kann praktisch nur eine èechische Diktatur sein. Daß an einer solchen Diktatur Deutsche teilnehmen könnten, müssen wir und Sie bezweifeln. Wir Deutsche haben absolut keine Sehnsucht nach einer èechischen Diktatur. Uns ist das demokratische System, wenn es auch sehr viele Mängel hat, wie ich sie aufgezeigt habe, in der Praxis viel sympathischer.
Aber eines darf ich auch in allem Freimut sagen: Ich habe in diesem Hause immer frisch von der Leber gesprochen und mir kein Blatt vor den Mund genommen, selbst auf die Gefahr hin, daß es mir übel genommen wird. Aber durch die Sorge um die Wirtschaft ist die Erörterung des nationalen Problems aus Ihrem Gedankenkreis gewichen. Schauen Sie, meine Herren, Sie haben im Grunde genommen - und das mache ich Ihnen zum Vorwurf - kein Interesse für unsere eigenständische nationale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung. Uns fehlen auf der èechischen Seite die Treuhänder, die in uns Deutschen nicht nur Gehilfen für das jeweilige Regierungssystem sehen, sondern Menschen, die in diesem Staate als Deutsche leben, die den Begriff der Loyalität erfaßt haben und die sich loyal zum Staate eingestellt haben. Infolgedessen dürfen wir nicht in den Fehler der Vergangenheit fallen, sondern müssen unter allen Umständen trachten, die Reibungsflächen in nationaler Hinsicht aus der Welt zu schaffen, um freie Bahn zu bekommen für wirklich ersprießliche sozialpolitische Aufgaben. Und da glaube ich Ihnen meine Herren einen Vorwurf machen zu müssen, daß Sie an dieser Entwicklung zum großen Teile selbst Schuld sind. Sie haben bereits in den vergangenen Jahren schon viele Menschen gehabt, die sich zu Ihnen ganz loyal eingestellt haben. Und die haben von Ihnen Beweise gefordert, daß ihre Politik einen Zweck hat. Sie haben das nicht begriffen und dadurch eine Strömung entstehen lassen, von der Sie geglaubt haben, daß sie sich Ihnen gegenüber feindlich einstellt. Auf allen èechischen Seiten haben Sie konstatiert, daß anläßlich des 28. Oktober der größte Teil der deutschen Bevölkerung sich vollständig loyal eingestellt hat und ich frage Sie: Welche Konsequenzen haben Sie aus dieser loyalen Einstellung der deutschen Bevölkerung gezogen? Im Grunde genommen haben Sie keine gezogen. Sie haben die Dinge absolut nicht verändert. Das sehen Sie selbst an dem primitiven Beispiel, das ich Ihnen vorhin genannt habe. (Posl. Dubický: To se nevybubnuje!) Herr Koll. Dubický, ich werde in vieler Hinsicht in diesem Punkte Recht haben, wenn auch gerade wir uns vielleicht am schwersten verstehen werden. Aber wir beide sind unter Umständen auch grob genug, um uns Wahrheiten zu sagen und gerade über den Weg der Wahrheit kommen wir weiter und deswegen bin ich empört, daß man die Redezeit so beschränkt, weil wir Menschen doch nur durch das Reden zusammenkommen. Wir kommen nicht zusammen, um in den Couloirs einander "guten Tag" zu sagen, mit den Ministern kann man nicht sprechen, weil sie mit Arbeit überlastet sind, will man mit ihnen sprechen, hören sie mit halbem Ohr zu, mit dem anderen wird schon ein anderer angehört. Wann soll man mit Ihnen über diese Dinge sprechen? Im Hause gibt es 10 Minuten Redezeit für den Abgeordneten; und es gibt soviel zu sagen! Und gerade in der heutigen Zeit ist die Herstellung des Verhältnisses zwischen Ihnen und den anderen Völkern des Staates das Wichtigste was Sie brauchen. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich, meine Herren, ob Sie heute an der "Nationalstaats"-Idee festhalten, ob wir an der "Nationalstaats"-Idee festhalten, das ist ganz nebensächlicher Natur. Hauptsache ist die Herbeiführung eines Zustandes, daß wir als Deutsche in diesem Staate zufrieden sind, tatsächlich zueinander so eingestellt sind, daß wir zum Segen Aller gemeinsam arbeiten können.