Úterý 9. èervna 1936

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 51. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v úterý dne 9. èervna 1936.

Øeè posl. de Witteho (viz str. 19 tìsnopisecké zprávy):

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da über die Erweiterung des Handelsvertrages mit Frankreich verhandelt wird, ist wohl nichts mehr am Platze, als den dringenden Wunsch auszusprechen, daß es in abs ehbarer Zeit möglich sein werde, unsere Handelsverbindungen mit Frankreich noch ganz wesentlich zu erweitern und zu vertiefen. Wenn wir uns das Bild unserer allgemeinen wirtschaftlichen Verbindungen ansehen und im besonderen das unseres Wirtschaftsverkehrs mit Frankreich, so können wir nicht leugnen, daß es außerordentlich trist ist. Man muß aussprechen, daß Frankreich es leider bisher nicht verstanden hat, auf die mit ihm politisch verbündete Èechoslovakische Republik wirtschaftlich entsprechend Rücksicht zu nehmen. Man muß offen einbekennen, daß die wirtschaftliche Orientierung in Frankreich mit der politischen seit jeher leider stark auf Kriegsfuß gestanden ist und daß das ein Zustand ist, der auf die Dauer natürlich unmöglich wird gehalten werden können. Allerdings kann man wohl auch der Hoffnung Ausdruck geben, daß die politische Neugestaltung in Frankreich auch auf dem Gebiete des Wirtschaftsverkehrs zwischen der Èechoslovakei und Frankreich bald eine fühlbare Besserung zeitigen wird.

Lassen Sie mich zu diesem Teile des Themas einige Worte sagen. Ich möchte zum Ausdruck bringen, daß rein politisch gesehen, vom Standpunkt nicht nur des Sozialisten, sondern einfach von dem des Europäers, diese Änderung in Frankreich eine auß erordentlich erfreuliche ist, und daß wir uns alle zu ihr beglückwünschen können. Ich möchte das noch deutlicher konkretisieren und hier aussprechen . Ich glaube, wir haben es mit einem aus schwerer Erkrankung genesenden Frankreich zu tun, mit einem Frankreich, das seine alten freiheitlichen Traditionen wieder aufleben läßt und dem es gelungen ist, den Verfall in Ungeistigkeit und Gewaltherrschaft, der anderen Staaten und Völkern leider nicht erspart geblieben ist, rechtzeitig abzustoppen. Bei der großen Bedeutung, die Frankreich für die ganze Welt hat, und angesichts der besonderen traditionellen geistigen und seelischen Bindungen der Èechoslovakei an Frankreich können wir diese Entwicklung nur auf das herzlichste begrüßen. Ich möchte hier der ganz außerordentlichen Freude über den Sieg der Front zur Verteidigung der Demokratie in Frankreich Ausdruck geben und auch der Freude über die Erklärung, mit der sich der neue französische Regierungschef, der Sozialist Leon Blum, der Kammer vorgestellt hat, über eine Erklärung, die klar, deutlich und unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat, daß die Faszisten in Frankreich sich nichts erhoffen können.

Es ist allerdings auch bezeichnend für den geistigen Zustand der französischen Reaktion, daß sie in der Debatte über die Regierungserklärung kein besseres Rüstzeug aufzutreiben vermochte als solches aus der Zeit der traurigsten Episode der letzten französischen Geschichte, aus der unrühmlichen Zeit der Dreyfuß-Affäre. Aber es ist andererseits wieder mit besonderer Freude festzustellen, daß der Präsident im Palais Bourbon es verstanden hat, dem Redner der Reaktion auf diesen Rückfall in eine so ungeistige Epoche eine Abfuhr zu erteilen, die er sich wahrscheinlich sehr lang. und ausgiebig merken wird. Es wäre zu wünschen, daß wir hier bei uns daraus auch gewisse Nutzanwendungen ziehen würden. Wenn diese hohe Auffassung staatlicher und menschlicher Moral, die wir da jetzt in der französischen Kammérerklärung erlebt haben, hier beispielgebend wirken sollte - mindestens so beispielgebend, als das entsprechen würde der Anbetung. des Gegensatzes staatlicher und menschlicher Moral, den wir in einem unserer Nachbarstaaten kennen gelernt haben - so könnten wir mit diesem Ergebnis wahrhaftig zufrieden sein. Ebensno erfreut dürfen wir sein über den von Blum erklärten starken Willen zu sozialen Reformen. Frankreich ist ein Staat, der sozialpolitisch außerordentlich im Argen liegt. Das ist natürlich auf die Umwelt auch nicht ohne Einfluß. Jeder Drang nach sozialen Reformen, der in einem anderen Staate zum Ausdruck kommt, stößt immer wieder auf den Hinweis auf die viel geringeren sozialen Lasten der Industrie in anderen Staaten. Die Rückständigkeit eines bedeutenden europäischen Staates färbt so ungünstig auch auf die anderen Staaten ab. Umgekehrt aber werden die sozialen Reformen, an deren Erfüllung Leon Blum, wie wir wohl annehmen dürfen, schreiten wird, für uns ebenfalls von außerordentlichem Nutzen sein. Das wird beispielgebend und befruchtend auch auf die Sozialpolitik bei uns einwirken. Aber ganzbesonders froh dürfen wir sein über die Bekundung des Friedenswillens, die aus der Erklärung Leon Blums mit solcher Kraft und erfrischender Stärke hervorgegangen ist. Und hier möchte ich doch eine politische Rminiszenz einschalten. Wir wollen nicht vergessen, daß Leon Blum zu einer Zeit, als in den Jahren 1918 bis 1919 die große Mehrheit des franz sischen Volkes vom Siegeskoller erfüllt war, die Fahne der Völkerverständigung hochgehalten hat, trotzend der Welle hochgehalten hat, die damals über Frankreich hinweggegangen ist und die gleichzuse zen war der Welle, die wir heute in besonders reaktionären Staaten rasen sehen. Wir wollen nicht vergessen, daß Leon Blum und die französischen Sozialisten die geistige und seelische Stärke bekundet haben, sich dieser Welle entgegenzustellen. Um es kurz zus ammenzufassen: die französischen Sozialisten sind nicht mit Versaills belastet. Die französischen Sozialisten haben in der Zeit, in der dazu eine große Portion Courage gehört hat, den Gedanken an Europa, den Gedanken an die Notwendigkeit des Völkerausgleichs und der Völkerversöhnung propagiert, und deshalb darf ein Friedensruf aus diesem Munde als ein ehrlicher und als einer bezeichnet werden, der bestimmt frei von aller Hinterhältigkeit ist. Das Frankreich vor Leon Blum hat noch mit seiner schwankenden Haltung gegenüber einem Friedensbrecher den Völkerbund außerordentlich gefährdet. Von Blum darf man erwarten, daß er alles aufbieten wird, Frankreich die Fehler, die seine Vormänner verschuldeten, nicht wiederholen zu lassen.

Es bleibt also ein Wunsch nur, auf den ich schon eingangs meiner Ausführungen zu sprechen kam, daß es möglich sein wird, beiderseits wirtschaftlich zu ein em Ergebnis zu kommen, das die Handelsbeziehungen zwischen der Èechoslovakei und Frankreich nicht nur leichter gestalten würde, sondern auch zu einer praktischen Vertiefung in kurzer Zeit führen möchte.

Aber denselben Wunsch, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich aus aussprechen in Bezug auf den Handelsverkehr zwischen der Èechoslovakei und den Staaten der Kleinen Entente. Auch da liegen die Dinge außerordentlich im Argen. Wir waren soeben Zeugen der großen Freundschafts- und Friedensmanifestation in Bukarest, und ich darf wohl sagen, daß in dieser Zeit des ungeheueren Druckes, der aus den faszistischen Ländern kommt, es schon eine große -Erleichterung ist, zu wissen, daß eine achtunggebietende Friedensfront aufgebaut wurde, deren Stärke als ein Warnungssignal gegenüber jedem Friedensbrecher wirken muß. Umso erfreulicher natürlich ist dies, wenn wir uns vergegenwärtigen, was in der heutigen Zeit ein Krieg bedeuten würde, der Europa in eine Wüste verwandeln würde, der niemandem nützen könnte und der in Massen unsere Greise, Frauen und Kinder morden würde. Mit großer Genugtuung und mit aller Bewunderung wollen wir hier aussprechen, daß wir in dem, was sich in diesen Tagen in Bukarest manifestiert hat, ein Werk unseres Staatspräsidenten sehen, das groß ist in seiner Konzeption und das man wohl beschreiben darf als einen hervorragenden Beitrag zur Verteidigungs- und Aufbauarbeit der europäischen Kultur.

Aber es wäre natürlich innig zu wünschen, daß die um die Friedenserhaltung bemühten Staatengruppen auch an Österreich in weiterem Sinne als bisher denken würden. Der Leitsatz, daß Österreichs Selbständigkeit gewahrt bleiben müsse, ist ein bißchen zu wenig. Er genügt den Erfordernissen der Gegenwart nicht und wird erst recht nicht den Erfordernissen genügen, die wir als in der nächsten Zukunft gegeben erachten müssen. Das Ziel müßte sein, daß Österreich aus seiner heutigen, seine Selbständigkeit zur Farce machenden Umklammerung befreit werde, aus einer Umklammerung gelöst werde, die ihm selbst den Frieden raubt und die vielleicht in Bälde dieses Land zum Sprungbrett für die Kriegsbestie machen könnte.

Kaum minder dringlich wäre die wirtschaftliche Unte rmauerung der Friedensbündnisse. Da fehlt es allerdings an allen Ecken und Enden, da fehlt es auf der ganzen Linie. Es muß gesagt werden, daß die militärische Bereitschaft zur Verteidigung des Friedens zwar sehr viel, aber noch lange nicht alles ist. Es muß daran erinnert werden, daß uns die Geschichte lehrt, wie aus Wirtschaftsfragen Kriege entstehen können und wie eine ordentliche Bereinigung von Wirtschaftsfragen eine Festigung des Friedens sein kann. Es muß daran erinnert werden, daß unser Handelsverkehr mit Rumänien, vor allem aber der mit Jugoslavien, alles zu wünschen übrig läßt. Wir haben eben jetzt wieder ein Beispiel dafür bekommen. Jugoslavien hat bis zum vergangenen Jahre die Produkte unserer Porzellanindustrie gekauft, es ist heuer mit seinem Kauf nach Deutschland übersiedelt. Das bedeutet für uns in Westböhmen einen Verlust von nicht weniger als 600 Arbeitsplätzen. Das ist natürlich nichts, was die Stimmung heben kann, und es ist ein Zustand, dessen rascheste Erledigung wir dringend wünschen müssen im Interesse unserer Wirtschaft, im Interesse unserer Ind strie, der Festigung unserer Bündnisse und der Erhaltung des Friedens,

Die Dinge nur politisch ssehen, heißt, sie mangelhaft sehen; man muß dem Frieden auch durch eine kluge, nicht kurzsichtige und nicht egoistische Wirtschaftspolitik dienen. Die Friedenspolitik muß, wenn ich so sagen darf, eine politische, eine wirtschaftliche, eine internationale und innerstaatliche sein. Denken wir bei den Wirtschaftsverhandlungen mit den befreundeten Staaten an unsere ganze Wirtschaft, nicht nur an einen ihrer Zweig.e, denken wir an unser ganzes Gebiet und vergessen wir dabei auch nicht, wohin heute die wirtschaftliche Entwicklung zum guten Teil infolge der Unordnung in Europa, zu einem wesentlichen Teil infolge der Devisenschwierigkeiten und infolge der ungünstigen und auf die wirtschaftlichen Tatsachen zu allerletzt Rücksicht nehmenden Handelsverträge gekommen ist. Das ganze Randgebiet unse es Staates gleicht heute einer Ruine, gleicht heute einem Friedhof. Es ist ein furchtbarer, ganz unmöglich weiter zu erhaltender Zustand, den wir hier vor uns haben. Der Staat müßte sehr bald an den Wiederaufbau dieses zerstörten Gebietes gehen. Es ist die Aufgabe des Staates, es muß seine Sorge sein, und es ist ganz unmöglich, diese Sorge allein dem Unternehmertum zu überlassen.

Der französische Regierungschef Leon Blum hat in der Antwort zur Debatte auf die Regierungserklärung auch die Frage der Streiks in Frankreich besprochen und hat dabei auf die lange Krise, auf die schwere Erschütterung der Menschen im physischen und psychischen Leben hingewiesen, die es erklärlich macht, daß die Streikwelle durch Frankreich gegangen ist. Wie müßte es erst hier ausschauen, angesichts des Umstandes, daß wir eine Krise haben, die doppelt so lang und zehnmal so groß ist, wie die Frankreichs. Und wenn Leon Blum auf die dringende Notwendigkeit hinweist, durch Wirtschafts- und Sozialmaßnahmen das Elend zu bannen und damit die Gefahr abzuwenden, wie notwendig. wäre es erst, daß man hier sich allgemein auf derselben Idee finden würde, denn die Gefahren sind hier viel drohender, weil das wirtschaftliche Los hier noch um vieles schlechter ist, als in Frankreich. Statt dessen sehen wir leider - verzeihen Sie, daß ich es offen ausspreche, Offenheit hat nie geschadet, sie ist gut und Freundschaften erhalten sich besser, wenn man offen zu einander spricht - statt essen, daß man daran geht, in ähnlicher Weise, wie Leon Blum in Frankreich, die Schlußfolgerungen zu ziehen, sehen wir, daß man das Volk reizt, daß man die Behandlung der Frage der Vierzigstunden- Woche in infititum hinausschiebt, daß man sich in der Ernährungsaktion Kunststücke leistet, die ganz untragbar sind. Wir zittern bei Beginn jeder Ernährungsperiode in unserem Elendsgebiet vor dem, was am nächsten Tag kommen wird. Wir haben eben jetzt wieder eine derartige Katastrophe erlebt. Ich weiß nicht, wieso so viele Herren in Prag dazu kommen, einfach eigene Kombinationen anzustellen, auf die Mitteilungen aus den Bezirken keine Rücksicht zu nehmen und in den einzelnen Bezirken die Ernährungszuweisungen um zehntausende Kronen zu kürzen, in einem Bezirk beispielsweise die Brotzubuße um 50% herabz usetzen bei einer gesteigerten Arbeitslosenziffer. Unseren Menschen wird seelisch Ungeheueres zugemutet. Wenn wir vom Frieden sprechen, denken wir einmal daran, was wir noch im eigenen Staat zu tun haben, um eine wirkliche Verteidigungsstellung gegenüber allen uns umdrohenden Gefahren herzustellen. Denken wir daran, wie bei Arbeitereinstellungen bei den Arbeiten der öffentlichen Hand vorgegangen wird. Da möchte ich betonen, daß ein erheblicher Teil der Bürokratie, vor allem der Post und der Eisenbahn, leider hinsichtlich der Herstellung der psychologischen Verteidigungsstellung in den deutschen Randgebieten alles zu wünschen übrig ließ. Hier anzupacken und rasch gründliche Remedur herbeizuführen ist das erste Gebot der Stunde.

Da ein Vertrag mit Frankreich zur Debatte steht, war es notwendig, zur politischen Entwicklung Frankreichs etwas zu sagen, soweit diese Entwicklung wahrscheinlich internationale Auswirkungen zeitigen wird. Es ist eine Entwicklung, von der wir uns viel Gutes für die Festigung des Friedens, für die Völkerverständigung, für die kulturelle und soziale Beispielgebung erhoffen. Alle aber, die hier Arbeiter am Frieden und an der Hebung der Kultur sein wollen, mögen von sich das ihre dazu beitragen, die Friedensarbeit aus der Sphäre der nur politischen Konzeption in die der wirtschaftlichen zu überführen; und vor allen Dingen mögen sie eines nicht vergessen: daß alle Friedensarbeit zu Hause zu beginnen hat. (Potlesk.)


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