Meine Damen und Herren! Es ist ein alte Wahrheit und unterliegt
kein em Zweifel, daß neue Steuern und insbesondere Steuern
in diesem Au smaß, wie sie in diesem Hause noch nicht verabschiedet
wurden, von allen Parteien als drückend empfunden werden.
Die Sache wird jedoch einigermaß en anders, wenn man an
diese Angelegenheit das Kriterium der objektiven Staatsnotwendigkeit
anlegt, namentlich dann, wenn diese Staatsnotwendigkeit heißt:
Maßnahmen zur Erhaltung des Friedens. In diesem Moment haben
dann große Kreise volles Verständnis dafür, denn
es handelt sich um nichts Neues, sondern um eine Aktualisierung
des alten römischen Spruches: Si vis pacem, para bellum.
Erreichen wir dieses Ziel, dann ist der Aufwand, den wir zu bewilligen
haben, vollkommen am Platze. Und weil wir deutsche Christlichsoziale
mit jeder Faser unseres Hirnes und Herzens den Frieden wollen,
deshalb werden wir für diese Gesetze stimmen.
Es ist klar, daß die Koalition für die Härten,
die diese Gesetze zweifellos bringen, verantwortlich gemacht wird.
Ebenso richtig ist es aber, daß die Koalition bestrebt war,
diese Härten zu mildern und es ist ihr auch in vielen Belangen
gelungen. Es gelang uns, den Wehrbeitrag milder und gerechter
zu gestalten; es gelang uns, die Biersteuer auch wesentlich milder
zu gestalten; bei den Mineralwässern gelang es, die Kurgäste
am Brunnen von der Steuer zu befreien und nicht unerwähnt
soll die Tatsache bleiben, daß für die autonomen Selbstverwaltungskörper
keine Umlagenmöglichkeit besteht. Es wäre ein Irrtum,
und zwar ein tendenziöser Irrtum, wenn man sagen wollte,
daß diese neuen Steuern ein eklatanter Beweis für die
Defizitwirtschaft des Staates seien. Meine Damen und Herren! Ohne
Rüstungserfordernisse wäre unsere Rechnung, wäre
unsere Präliminare aktiv. Und mit den Rüstungen, die
so viel Geld kosten, haben wir nicht begonnen. Die Gesetze bringen
aber auch nicht unwesentliche Erleichterungen für die Wirtschaft
und hier verweise ich zunächst auf den Gesetzentwurf über
die Weinsteuer.
Es ist eine alte Binsenwahrheit, daß unsere Weinhauer das
Stiefkind der Steuergesetzgebung gewesen sind. Es schien noch
unmittelbar vor einigen Wochen, daß man an dieser Tradition
festhalten wolle, als man daran ging, die steuerliche Belastung
auch beim Wein zu vergrößern. Anscheinend war jede
Bemühung vergeblich, diese drückenden Lasten zu mildern,
und doch ist es, ich sage Gottlob, gelungen; mit besonderer Freude
erwähne ich da die Anstrengungen der deutschen christlichsozialen
Parlamentarier mit Minister Zajièek an der Spitze,
die Jahre lang, unentwegt daran gearbeitet haben, diese Gefahr
abzuwenden. Das ist eine Gefahr für die Weinhauer, aber auch
für die Konsumenten, denn es hätte fraglos eine Verteuerung
des Weines zur Folge. Wir konstatieren, daß der vorliegende
Gesetzentwurf über die Weinsteuer der erste nennenswerte
Erfolg auf diesem Gebiet seit langer Zeit ist. Wir begrüßen
diesen Erfolg nicht nur der Weinhauer, denn das sind die kleinsten
Leute in der Landwirtschaft mit den zahlreichsten Kindern, aber
auch den Erfolg der Gastwirte und das werden auch die Konsumenten
begrüßen, weil es keine Verteuerung bringen wird. Unsere
Weinhauerschaft sieht in dieser Tatsache den Beginn einer Besserung,
den Beginn zu einer notwendigen Regelung. Diese Regelung ist begründet,
weil unser Weinbau selbstgenügsam ist in Bezug auf die Menge,
weil er den Beweis geliefert hat, daß er auch in Bezug auf
die Qualität voll und ganz leistungsfähig ist. Es ist
ein Unding, daß im Sektor des Weinhandels Preisspannen bis
um 500 Prozent zu verzeichnen sind. Diese Regelung ist begründet,
um die Übererzeugung, vor der wir knapp stehen, abzuwehren,
weil das sofort Unrentabilität zur Folge hat. Daher appelliert
die Weinhauerschaft an die zuständigen Regierungsstellen,
sie mögen diesen Erfolg weiter ausbauen zur Normierung des
Weinbaues, der Anbauflächen und der Sortenfrage, ferner zur
Organisierung der Kellerwirtschaft und des Absatzes und vor allem
als Krönung zur Herausgabe eines neuen Gesetzes über
die Weinsteuern.
Der Herr Berichterstatter Dr. Novák hat in seinem
Berichte das "geflügelte" Wort verwendet, daß
man Gänsen, wenn man sie rupft, zureden, daß man sie
streicheln möge und sagte, daß die Praxis dieser Weiblein,
die es machen, auch nicht vergißt, gerupfte Gänse besser
zu füttern, damit sie wieder neue Federn bekommen. Diese
Volksweisheit sollte auch unsere staatliche Finanzverwaltung beachten,
welche als Rupferin fungiert. Sie sollte ihre Organe anhalten
zum Zureden. Das Volk wird begreifen, daß es zahlen muß,
aber es wird niemals begreifen, daß es dazu rücksichtslos
und gewaltsam behandelt wird. Trotz aller Richtlinien, welche
die Finanzverwaltung herausgegeben hat in dieser Richtung, die
eine bessere Behandlung der Steuerzahler zum Ziele haben, muß
ich doch feststellen, daß es noch vereinzelte Vorstände
der Steuerverwaltung gibt - im deutschen Gebiete leider Gottes
sehr viele - die sich absperren, nicht mit sich reden lassen und
ihre Haupttätigkeit darin sehen, Pfändungen und Exekutionen
anzuordnen. Ich will durchaus keine Lanze brechen für die
chronischen Nichtzahler, jedoch ein nachhaltiges Wort sprechen
für die größere Beachtung der Höflichkeit,
die man bisher nicht allenthalben festzustellen in der Lage ist.
Nun einiges zumm Kapitel "Streicheln und Füttern der
gerupften Gänse". Wir wissen alle, wie vor aller Öffentlichkeit
unser Hinweis auf eine Mußleistung gegenüber dem Staate
aufgenommen wird und dieser Hinweis wird nicht genügen, denn
man wird uns die Frage stellen, die wir beanworten müssen,
ob der Staat entschlossen ist, Opfer und Vertrauen zum selbstgewählten
Termin zu honorieren. Diese Frage stellt man uns seitens der Besitzer
von Renten, von Obligationen, von Pfandbriefen aus der Zeit vor
1914, aber auch aus der Zeit nach 1918. Diese Besitzer von Renten
aus der Zet vor 1914, die sogenannten Altrentner, sind bei Gott
nicht das Spezifikum eines Volkes oder einer Partei, die Frage
der Altrentner ist eine Angelegenheit des ganzen Staates und der
ganzen Finanzpolitik. Die Altrentner machen uns den konkreten
Vorwurf, daß keine Hilfsaktion durchgeführt wurde für
die im Zuge der Maßnahmen vor dem Nichts stehenden Rentner.
Während es im Friedensvertrage heißt, daß die
öffentlichen Kreditgeber keinen Schaden erleiden sollen,
daß die übernommenen Schuldverpflichtungen zahlbar
sind ohne jede Steuer, Gebühr oder sonstigen Abzug, finden
diese Bestimmungen leider keine Anwendung für die Altrentner.
Es traten vielmehr Tatsachen ein, welche das ersparte und dem
Staate zur Bewirtschaftung anvertraute Geld so vermindert haben,
wie die Frühjahrssonne den Schnee. Es kam die Gleichsetzung
der alten Krone mit der Kè, deren zweimalige Abwertung,
die Senkung des Zinsfusses, die Einführung der Rentensteuer,
und das Ergebnis ist, daß die heutige Kaufkraft der Kupons
der Ersatzrente kaum 10 Prozent der Kaufkraft vor 1914 ausmacht.
Man forderte Aufwertungen. Wir wissen das Schicksal dieser Forderungen.
Bisher sind sie abgewiesen worden. Der Hinweis der Altrentner
auf die Beispiele in Deutschland, wo die Aufwertung auf 15 Prozent
durchgeführt wurde, oder der Hinweis, daß in Österreich
ein Schutzgesetz für die Kleinrentner erlassen wurde, wurde
immer damit abgetan, daß man sagte: der Kurswert Eurer Papiere
ist ja höher als 15 Prozent, infolge dessen fehlen die sachlichen
Voraussetzungen dafür, daß wir analoge Maßnahmen
ergreifen, wie Deutschland oder Österreich. Inzwischen sind
aber die Kurswerte gefallen und betragen heute kaum 10 Prozent
und daher bestehen neue Voraussetzungen. Viele Altrentner sind
tot. Es sind daher keine großen Opfer seitens der Finanzverwaltung,
bezw. des Staates notwendig. Ein Vorbild für uns könnte
meiner Ansicht nach das Kleinrentnerschutzgesetz in Österreich
sein. Ich unterschätze hier nicht die Schwierigkeiten, gerade
im Rahmen der Verhandlungen über die neuen Steuern, auch
durchaus nicht die Schwierigkeiten, die mit der Realisierung dieser
Frage verbunden sind. Ich bitte aber auch nicht zu verges en und
nicht zu unterschätzen die grundsätzliche und psychologische
Seite dieses Problems. Schauen wir uns die soziale Seite des Problems
an, so sehen wir, daß der Großteil der Altrentner
in bitterer Not lebt. Diese und ihre Umgebung werden als Opfer
des sogenannten besten Schuldners bezeichnet, nämlich des
Staates. Viele haben den Freitod gew ählt, andere sind zur
Last der öffentlichen Einrichtungen geworden. Die meisten
von ihnen haben keine Pensionen, keine Mittel und auch keine Möglichkeiten,
in soziale Altersversorgungsanstalten aufgenommen zu werden, weil
man ihnen sagt, sie seien zu jung oder aber sie seien ja Besitzer
von Altrenten. Hier in diesem Hause wurde das geflügelte
Wort gesprochen, das auch viel Anklang gefunden hat, nämlich,
daß die Pensionen keine Gnaden sind, und ich ergänze
diesen Spruch dahin, daß auch die Renten keine Almosen sind.
Abschließend möchte ich meine Auffassung zu diesem
Kapitel folgendermaßen formulieren: Es ist Pflicht und Aufgabe
der Regierung, für diese Opfer der Finanzpolitik, die ich
als Invaliden der staatlichen Finanzpolitik bezeichnen möchte,
genügend vorzusorgen und zwar dadurch, daß wir ein
Kleinrentnerschutzgesetz vorbereiten, daß ferner bis dahin
durch verwaltungstechnische Maßnahmen eine Erleichterung
bei der Aufnahme und bei der Einbeziehung in die soziale Altersfürsorge
in besonders krassen Fällen bei solchen Altrentnern getroffen
werde.
Die Finanzverwaltung zerbricht sich best immt den Kopf darüber,
ich bin überzeugt davon, wie sie in ihrem Rahmen nächstes
Jahr das Jubiläum feiern wird. Sie müssen es würdevoll
machen und so machen, daß jeder etwas davon hat und daß
diese Pracht und diese Feier ein unauslöschliches De nkmal
hinterlassen wird. Ich denke mir da, daß man so ein unauslöschliches
Denkmal setzen könnte, wenn die Staatsfinanzverwaltung die
Angelegenheit der Altrentner wieder in Ordnung bringen würde.
Das würde in der Öffentlichkeit dankbare Aufnahme und
ein großes Echo hervorrufen.
Im Zusammenhang mit diesen Steuervorlagen steht noch eine Sache,
über die ich das alte Motto setzen würde: "Gib
und es wird Dir gegeben werden!" Das ist ein Motto, das schon
oft erprobt wurde und an dem auch die Finanzverwaltung nicht vorübergehen
kann. Es handelt sich um eine alte Sache, die viele von Ihnen
in diesem Parlament durchberaten haben, nämlich darum, daß
nach dem Umsturz eine große Zahl von aktiven und nicht aktiven
Offizieren im Zuge eines Verwaltungsverfahrens ihre Charge verloren
hat. Sie wissen, das hing mit der Anmeldung, der pøihláška,
zusammen. Damals haben auch anonyme Anzeigen eine Rolle gespielt,
es wurden Zeugen verlangt und die Entscheidungen wurden getroffen,
vielfach ohne die Leute anzuhören. Die Folge war, daß
die Leute die Charge verloren haben. Die Reserveoffiziere leiden
nicht so sehr darunter, aber für die ehemaligen aktiven Offiziere
hat es auch den Verlust der Offizierspension zur Folge, an deren
Stelle sie eine Militärgagistenpension bekommnmen haben.
Meine Damen und Herren! Es liegt mir vollkommen ferne, an diesem
Gesetz Kritik zu üben, aber ich möchte auf etwas aufmerksam
machen, was heute nach 18 Jahren viele der Betroffenen sagen.
Wir hören von ihnen nach wie vor stereotyp die Erklärung:
"Ich bin unschuldig, ich bin ungerecht behandelt worden!"
Das sollte uns zu denken geben. Wenn auf die Leute auch nur ein
Sc himmer von Schuld fallen würde, so würden sie das
nicht stereotyp fort und fort wiederholen. Darüber hinaus
erklären sie, sie seien verurteilt worden, ohne gehört
zu werden, man habe ihnen keine Möglichkeit gegeben, sich
zu verteidigen. Man hat sie nun auf Lebensdauer verurteilt, 18
Jahre sind seither verflossen, viele haben sich mit ihrem Schicksal
abgefunden, aber viele leiden bittere Not. Viele geraten deshalb
auf Abwege, die niemand mehr bedauert, als jene, die es mit den
Stützen des Staates ehrlich meinen, das ist die Armee und
das Offizierskorps. Es wäre viel Leid vermeidbar gewesen,
wenn man eine Rechtfertigungsmöglichkeit geboten hätte.
Auch sind es nicht durchwegs Deutsche, freilich in der Mehrzahl,
aber es sind auch Angehörige anderer Nationen darunter. Als
ich einmal die Frage stellte, sagten viele: Heute denkt man darüber
anders als damals im Jahre 1919 und 1920. Ich glaube, daß
viele von den Betroffenen nur deswegen verurteilt wurden, weil
man ihnen Handlungen vorgeworfen hat, die sie im mißverstandenen
Pflichtbewußtsein durchgeführt haben. Es war aber Pflichtbewußtsein
und pflichtbewußte Offiziere, die den Eid streng beachten,
braucht man immer, jetzt und in aller Zukunft.
Im Zusammenhang damit möchte ich die Anregung geben, daß
man darüber nachdenkt, ohne eine Änderung des Gesetzes
die Möglichkeit zu schaffen, eine Prüfung der alten
Entscheidungen vorzunehmen, und zwar in der Form von individuellenAnsuchen.
Wer darum ansucht, soll die Möglichkeit haben, daß
sein Fall neuerdings überprüft wird. Man könnte
das vielleicht so machen, um die Sache nicht endlos in die Länge
zu ziehen, daß bis zum 31. Dezember 1938 anzusuchen wäre
und dann abschließend im günstigen Falle eine Zuerkennung
der Charge, bzw. eine Neuregelung der Pensionen der ehemaligen
Offiziere und Gagisten zu erfolgen hätte.
Ähnlich liegt die Lage bei den längerdienenden Unteroffizieren.
Man sagte, es sollten ihnen die Charge und die Dienstzeit eingerechnet
werden, sie sollten mit den anderen èechoslovakischen Pensionisten
gleichgestellt werden. Es kam aber nicht dazu. Man sage nicht,
es gehe nicht. Man halte dieser Forderung keine Zahlen oder Geldwerte
entgegen. Es handelt sich nicht nur um Geld, sondern hier um viel
höhere Werte, um Recht, Sittlichkeit und nicht zuletzt um
staatspolitische Raison. Ich bin der Ansicht, daß das Jubiläumsjahr
des Staates der würdige Rahmen für eine würdige
Tat wäre. Und in diesem Zusammenhange möchte ich abschließend
auf die Interessen der Altrentner und auf die seinerzeit degradierten
Offiziere und Militärgagisten aufmerksam machen.
Ich schließe damit, daß bei den Steuervorlagen, die
wir in diesem Ausmaß zu bewilligen haben, nicht nur die
Zahlen entscheidend sind. Man achte auch auf Schmerzen und Leid,
die viele Herzen, die Herzen, die ich angeführt habe, erfüllen
und trachte, diese Herzen für Staat und Wirtschaft zu gewinnen.
(Potlesk.)
Hohes Haus! Wenn wir nach wochenlangen Beratungen in der Regierung
und in den Ausschüssen, in der Koalition und schließlich
hier im Hause die Steuervorlagen zum Gesetz erhoben haben, dann
wird sich die Bevölkerung, sobald man die ersten Auswirkungen
spüren wird, eingehender als bisher mit unserer Arbeit auseinandersetzen.
Was liegt da näher, als daß wir die Tribüne des
Parlaments dazu benützen, um der deutschen Arbeiterschaft
dieses Staates in der gedrängten Form einer kurzen Rede die
Gründe darzulegen, die uns bestimmen, für die Vorlagen
in der nunmehr endgültigen Fassung zu stimmen. Unser erstes
Wort gilt selbstverständlich den Ursachen der neuen schweren
steuerlichen Belastung der ganzen Bevölkerung des Staates.
Wir wissen schon, was es heißt, neue Steuern in der Höhe
von fast 100 Kè pro Köpf und Jahr zu beschließen
und es ist klar, daß wir nur in Würdigung der außerordentlich
ernsten Situation, in der sich Europa gegenwärtig befindet,
dazu bereit sein können, die Verantwortung dafür zu
übernehmen, was der sudetendeutschen Arbeiterschaft aufgebürdet
wird. Wie sieht die europäische Situation aus? Der ganze
Kontinent rüstet. England gibt die phantastische Summe von
250 Milliarden Kè dafür aus, um so rasch als möglich
aufzurüsten, um für alle Eventuali täten bereit
zu sein. Das gleiche gilt von Frankreich und Rußland. Bei
dieser Situation ist es klar, daß die übrigen Staaten
Europas in der gleichen Zwangslage sich befinden. Woraus ist dieses
Rüstungsfieber zu erklären? Aus der Politik, die Italien
und Deutschland gegenwärtig machen, aus der Politik der Achse,
die in den letzten Monaten nun noch erweitert wurde zum Dreieck
Rom-Berlin-Tokio. In einer großen Rede hat jüngst Mussolini
den Austritt Italiens aus dem Völkerbunde erklärt. Diese
Erklärung ist ganz falsch. Denn es handelt sich damit nur
um eine Formalität. Italien ist aus dem Völkerbunde
schon längst ausgetreten, u. zw. in dem Moment, als der erste
italienische Soldat abessinischen Boden betreten hat. Damals ist
das Band zerrissen worden, es war der Fehler der europäischen
demokratischen Staaten, daß sie zugelassen haben, daß
mit Mitteln der Gewalt Politik gemacht wird und daß man
darauf verzichtet, dort Diplomaten einzusetzen, wo es Gegensätze
auszugleichen gibt. Mussolini hat in seiner Rede erklärt:
"Wir glauben nicht mehr daran, daß die Politik der
letzten 20 Jahre in Europa fruchtbringend sein kann. Wir wissen
eines, daß wir in zwei siegreichen Kriegen unsere Waffen
erproben konnten". Er telegraphiert seinen Generälen
nach Spanien und beglückwünscht sie zu zweifelhaften
Erfolgen. Kurz und gut, er schwört auf die Kraft der Waffen
und verzichtet darauf, Methoden anzuwenden, die man Genfer Methoden
nennt. Wenn nun das in Italien geschieht und man gleichzeitig
sieht, wie in Deutschland das Schlagwort geprägt wird, daß
Kanonen wichtiger sind als Butter und daß die Kanonen das
entscheidende politische Wort zu sprechen haben, dann sind eben
die anderen, die sich anderer Methoden in ihrer Politik gerne
bedienen möchten, in einer Zwangslage, denn sie können
einfach nicht warten, bis eines Tages sich die Mündungen
dieser Kanonen gegen sie selbst richten. Schließlich ist
die Tragödie in Asien ein Beispiel dafür, was geschehen
kann, wenn ein Volk, das genug Widerstandswillen hat, nicht Waffen
besitzt, die es braucht, um einen räuberischen Einfall in
sein Land abzuwehren. Also der Einfall in Abessinien, das Abenteuer
in Spanien und jetzt der Krieg im Fernen Osten, all das muß
uns doch dazu zwingen, aus dieser Entwicklung die notwendigen
Konsequenzen abzuleiten. Was lehrt uns diese Entwicklung? Vor
allem: Es gibt kein friedliches Mittel gegen den Faszismus, keinen
politischen und, wie sich jetzt zeigt, moralischen Schutz gegen
räuberische Überfälle. Europa wird vielleicht -
vielleicht! - den Frieden zu erhalten vermögen, aber nur
dann, wenn die demokratischen Staaten auch militärisch so
stark sein werden, daß sie einen Krieg nicht nur führen,
sondern auch entscheiden können. Darauf kommt es letzten
Endes an. Unserem Volke müssen wir da empfehlen, sich durch
die optischen und akustischen Mittel der modernen Propaganda nicht
täuschen zu lassen. Mit Lärm macht man keine Politik,
sondern höchstens Paraden. Politik macht man mit den realen
Verhältnissen, die eben da sind. Für die Èechoslovakei,
für die Politik, die wir hier machen, darf man wohl sagen,
das gilt ausnahmslos, daß die Èechoslovakei erst
dann an die Rüstung gegangen ist, als sozusagen etwas anderes
überhaupt nicht mehr übrig blieb. Deshalb, glaube ich,
müssen wir zu der Auffassung kommen, daß man jene Politik
machen muß, die den gegebenen Verhältnissen entspricht.
Ich will keine geschichtliche Rekrimination über die Politik
anstellen, die die Èechoslovakei noch vor einem Jahrzehnt
gemacht hat, ich begnüge mich damit, festzustellen: Wir haben
die 14monatige Dienstzeit gehabt und es war in Aussicht genommen,
die zwölfmonatige Dienstzeit einzuführen. Wir hatten
ein sehr niedriges Rekrutenkontingent, wir hatten viele junge
Menschen, die körperlich geeignet waren, Soldaten zu werden,
man hat sie aber nicht genommen und auf sie verzichtet, man hat
eine Auslese durchgeführt und sich damit begnügt, ein
Minimum von Menschen unter Waffen zu halten. Schließlich
kann man darauf hinweisen, daß die Èechoslovakei
und besonders ihre Außenpolitik jede Friedenspolitik, mag
sie wo immer in Europa betrieben worden sein, unterstützt
hat.
Und nun schließe ich an das an, was ich vorhin gesagt habe
über die Ereignisse in der Welt. Weil wir nun nicht wollen,
daß fremde Heere etwa unsere Heimat verwüsten, weil
wir nicht wollen, daß es uns so geht, wie den Abessiniern,
den Spaniern und den Chinesen. Deshalb und nur deshalb müssen
wir leider rüsten. Niemand in diesem Staate, auch das kann
man ruhig aussprechen und das ist nie widersprochen worden, niemand
in diesem Staate denkt daran, einmal als Angreifer aufzutreten,
aber alle wollen zum Ausdruck bringen, daß man entschlossen
ist, sich zu wehren, wenn man einmal in die Rolle des Angegriffenen
gedrängt werden sollte. Was ich bis jetzt gesagt habe, ist
sozusagen die politische Erklärung unseres Verhaltens.
Nun einige Bemerkungen zu den Vorlagen selbst. Die Vorlagen tragen
einen Kompromißcharakter, das kann auch nicht anders sein,
und die deutschen Arbeiter, die sich nun mit dies em Steuerwerk,
das da morgen seinen Abschluß finden soll, kritisch auseinandersetzen
werden, haben, glaube ich, die Frage zu stellen, ob wir, die deutsche
sozialdemokratische Arbeiterpartei, unsere Pflicht erfüllt
haben, als es darum ging, diesen Vorlagen jene Form und jenen
Sinn zu geben, die sie jetzt haben. Die Vorlagen sind das Spiegelbild
der Zusammensetzung der Koalition. Das erklärt auch die Vielheit
der Vorlagen. Ich erinnere mich daran, daß einmal in Deutschland
ein mächtiger Sturm losging, als man die sogenannte Kopfsteuer
einführte. Arithmetisch gesehen und behandelt wäre es
kein Kunststück gewesen, bei uns den Mehrbedarf für
die Rüstungen von sagen wir etwa 2 Milliarden Kè auch
in der Form aufzubringen, daß man sagt: Pro Kopf der Bevölkerung
sind 100 Kè zu zahlen. Das hätte sogar etwas mehr
gegeben. Aber kann man in solcher Art und Weise das Volk besteuern.
Es mußte das Bestreben vorwalten, eine möglichst weitmaschige
Verteilung vorzunehmen. Es mußte versucht werden, die Steuern
auch so in indirekte und direkte Abgaben zu teilen, daß
der Steuerdruck selbst wenig fühlbar wird. Ganz läßt
sich das nicht vermeiden. Nachdem ich also ausgeführt habe,
daß die Vorlagen einen Kompromißcharakter tragen und
tragen müssen, möchte in der Zeit, die man hier eben
zur Verfügung hat, mich noch kurz mit einigen, nicht mit
allen Vorlagen selbst beschäftigen.