Meine Herren! Ihr Appell für die Durchbringung der neuen
12 Steuern, den die Berichterstatter und Koalitionsredner geradezu
einheitlich ausgesprochen haben, richtet sich mit dem Schlagwort
der Staatsverteidigung besonders an dem Opfermut der Staatsbevölkerung.
Der freie Wille, den jedes Opfer voraussetzt, wird allerdings
gleich durch den Steuerzwang erschlagen. Dazu kommt, daß
nicht alle Steuerträger in gleicher Weise betroffen werden
und nicht alle gleiche Anteile an dem Kreislauf der Steuergelder
erhalten. Diese unbedingten Notwendigkeiten und Voraussetzungen
treffen bei den neuen Steueranforderungen ebenso wenig zu wie
bei den alten. Die Steuerungleichheit ist bei den neuen Steuervorlagen
fast noch größer und schafft Leistungsverhältnisse
bei verschiedenen Einkommensgruppen bei gleichen Einkommen von
1: 3 und höher. In der Bemessungspraxis, die wir zur Genüge
kennengelernt haben. wird dieses Verhältnis bestimmt noch
ungünstiger gestaltet werden. Die zahllosen Klagen aus den
Kreisen der Steuer- und Abgabepflichtigen, besonders hinsichtlich
der Bemessungspraxis, zeigen, daß die Finanzverwaltung bis
heute nicht imstande war, den moralischen und gesetzlichen Forderungen
nach Steuergleichheit Rechnung zu tragen. Durch die ungleiche
und ungerechte Steuereintreibung bestand und besteht ein altes
Mißverständnis zwischen den Leistungen im sudetendeutschen
Gebiet gegenüber denen im èechischen Gebiet. Bei uns
beträgt, wie wir schon des öfteren betonen mußten
und immer wieder betonen müssen, die Kopfquote an direkten
Steuern allein über 200 Kè jährlich, im Bezirke
Karlsbad, Reichenberg, Aussig sogar 215, im èechischen
Gebiet aber, selbst in den reichen Bezirken, wie Königgrätz,
Náchod, Pilsen, Pardubitz, nur etwas über 100 Kè.
Die erzwungenen Leistungen, die im sudetendeutschen Gebiet geradezu
den Charakter von Kontributionen tragen, erreichen in zahllosen
Fällen bei kleinen Steuerträgern selbst 50 % des Einkommens,
ja übersteigen oft sogar noch das einbekannte Einkommen.
Dafür konnten wir Ihnen unzählige Beispiele bereits
aufzeigen.
Ich will auch heute nicht über die Verhältnisse hinweggehen
und Ihnen an einzelnen Beispielen neuerlich die Ungeheuerlichkeit
dieser Mißstände aufzeigen. Ein Fleischer in Böhm.
Krumau mit einem Fleischumsatz von 52.000 kg jährlich mußte
im vergangenen Jahr 16.746 Kè an Steuern zahlen. Also pro
kg 3ÿ20 Kè Steuer. Ein èechischer Fleischer
in dem gleichen Ort zahlte bei 29.000 kg an Steuern 5480 Kè,
also nur 1.90 Kè pro kg. Dabei hat der deutsche Fleischer
eine Steuerschuld von 56.000 Kè, was unter diesen Verhältnissen
ja nicht anders sein konnte, aber gleichzeitig eine Gesamtverschuldung
von 220.000 Kè. Trotzdem hat man ihm bei dieser Sachlage
nicht einmal eine Abschreibung um 6000 Kè gewährt.
Ein Fleischer in Komotau mit einer Steuerschuld von 55.778 Kè
einbekannte in den Jahren 1933 bis 1935 eine Erwerbssteuergrundlage
von 88.499ÿ90 Kè, während ihm an Erwerbssteuergrundlage
302.000 Kè vorgeschrieben wurde, was einer Übersteuerung
um 3 % gleichkommt. Dabei war seine jährliche Steuervorschreibung
jährlich 30.000 Kè, also mehr, als er überhaupt
Ertrag hatte. Infolgedessen war die Verschuldung in einem einzigen
Jahre, im Jahre 1935, 45.000 Kè. Ein Spengler in Ober-Altstadt
wurde um 300 % übersteuert. Ein Tischler in Rehberg bei Bergreichenstein,
der eine neunköpfige Familie zu ernähren hat, erhielt
bei einem Umsatz im Jahre 1935 von 4749 Kè 94 Heller eine
Steuer von 20.000 Kè vorgeschrieben, obwohl er auf eine
Steuerschuld am 6. November 1 936 1492.70 Kè 900 Kè
bezahlte, erhielt er am 14. Jänner 1937 neuerlich eine Vorschreibung
in der Höhe von 2357.80 Kè. Es ist schleierhaft, woher
das Steueramt diese Erhöhungen nimmt. Ein Gastwirt in Dunkeltal
bei Trautenau, der sein Gasthaus um 670 Kè verpachtet hatte,
und eine Steuerschuld von 3526 Kè hatte, wurde mit seinem
Ansuchen um Abschreibungen abgewiesen und es wurde die Exekution
gegen ihn durchgeführt. Ebenso wurde die Versteigerung eines
Gasthauses in Wegstädtl ausgeschrieben dessen Steuerschuld
13.471.85 Kè betrug bei einer Gesamtverschuldung von 51.855
Kè. Eine kleine Schuhfabrik in Warnsdorf, die in den Jahren
1924 bis 1930 insgesamt 1.3 Millionen Kè an Steuern entrichtete
und im Jahre 1935 an Aktiva nur 436.220 Kè hatte, an Passiva
hingegen 954.869 Kè, hatte eine Steuerschuld von 468.970
Kè bei einer Überschuldung von 518.000 Kè.
Diese Verhältnisse werden vollkommen außeracht gelassen
und rücksichtslos zugesehen, wie die Betriebe gezwungen sind,
stillgelegt zu werden. Ein Gemischtwarenhändler in Freiwaldau
bekannte im Jahre 1 936 ein Einkommen von 16.230 Kè. Vorgeschrieben
hat er 61.000 Kè bekommen, dabei hatte er im Jahre 1935
einen Verlust von 1639.60 Kè. Die Steuervorschreibung im
Jahre 1936/37 betrug 22.766 Kè, also mehr als das einbekannte
Einkommen. Ein Drogist in Freiwaldau mit einem Einkommen im Jahre
1936 von 25.514.80 Kè wurde auf 82.000 Kè geschätzt;
für 1935 erhielt er eine Steuervorschreibung von 22.000 Kè
und für die Jahre 1936/7 von 37.807.75 Kè, was 75
% des Einkommens gleichkommt.
Solche Erscheinungen, die ich nur an einzelnen Beispielen aufzählen
kann, sind zahllos. Ebenso zahllos aber auch das rücksichtslose
Eintreiben der Steuervorschreibungen. So wurden einem Landwirt
in Horkau bei Kaaden bei einem Besitz von 6 ha Boden für
eine Steuerschuld von 700 Kè 3 Zugkühe, ein Kalb mit
5 Jungen gepfändet. Einem Landwirt in Èakowitz für
eine Steuerschuld von 2000 Kè 2 Kühe und 2 Schweine,
und außerdem eine Hausdurchsuchung vorgenommen, bei der
eine Uhr, Eßbesteck usw. beschlagnahmt wurden, so daß
er sich 500 Kè ausleihen mußte, um überhaupt
nur der Beschlagnahme der Waren auszuweichen.
Wie die Steuerämter gegenüber den Steuerträgern,
wenn diese einen Vorteil haben können, vorgehen, zeigt ein
Fall in Weipert, wo das dortige Steueramt an dem Anschlagzettel
Anfang Juni 1937 eine Namensliste veröffentlicht hat, mit
daneben stehenden Beträgen und der Terminangabe 30. Juni
1937, ohne jeden weiteren Text. Erst bei einer Nachfrage hat sich
herausgestellt, daß dies das Verzeichnis jener Steuerträger
sein soll, die Überzahlungen geleistet haben und die mit
diesem Zettel aufgefordert werden sollen, ihre Überzahlungen
beheben zu lassen, ansonsten sie verfallen.
Sie, meine Damen und Herren von der èechischen Seite, haben
alle diese Beschwerden bisher, wenn nicht mit innerer Befriedigung,
so doch wie eine unangenehme Jammeriade hingenommen. Sie waren
allerdings nie in einer derartigen Lage und haben sie auch nie
im èechischen Gebiet kennen gelernt. Sie haben sich bei
Mehrbelastungen, die Sie uns durch Gesetze, wie die Bodenreform,
die Industrie- und Kreditreform usw., auferlegt haben, vielmehr
von dem ungerechten Gedanken der Wiedergutmachung oder Vergeltung
leiten lassen. Sie haben sich an den ersten Kontributionen gegen
uns nicht gesättigt. Sie scheinen vielmehr erst auf den Geschmack
gekommen zu sein, weil das Sudetendeutschtum bei den damaligen
innen- und außenpolitischen Verhältnissen hilfs- und
einflußlos war.
In der Zwischenzeit haben Sie es leider gelernt, die Grundsätze
der gleichen Rechte und Pflichten im Sinne einer wahren Demokratie
gesetzlich außer Kraft zu setzen und für unsere Gebiete
Ausnahmsverhältnisse zu schaffen, die heute durch eine überspitzte
Schärfe der willkürlichen Verwaltung noch übersteigert
werden. Allein an finanziellen Mehropfern an den Staat muß
das Sudetendeutschtum seit Jahren über 3 Milliarden leisten,
die nun durch die weitere Mehrbelastung bei den Methoden der Steuereintreibung
die 4-Milliardengrenze erreichen muß, da nicht zu erwarten
ist, daß die Steuerbehörde von nun ab von diesen Methoden
abweichen wird. Für Sie, meine Damen und Herren, ist dies
allerdings kein unangenehmes Problem, vielmehr eine angenehme
Erleichterung der eigenen Verhältnisse. Denn diese uns abgezwungene
unerhörte Mehrbelastung fließt in unsere sudetendeutsche
Wirtschaft nicht wieder zurück, dafür sorgen Sie schon
durch die Benachteiligung im Staatsdienste, bei den öffentlichen
Lieferungen und Arbeiten, bei den Sanierungen der Geldanstalten,
die bei uns im sudetendeutschen Gebiet immer zu Liquidierungen
werden, bei den Subventionen, Fürsorgemaßnahmen usw.
Diese Beträge, die wir mehr aufzubringen haben und die mehr
als ein Viertel des gesamten Volkseinkommens ausmachen, fließen
vielmehr in die èechische Wirtschaft, die um diese Beträge
in den Leistungen für den Staat begünstigt ist.
Was Sie uns aber dabei zu Ihrer Erleichterung nehmen, das ersparen
Sie uns gerne auf der anderen Seite bei der Zuerkennung von Rechten
und Vorteilen des staatlichen Wohlwollens. Das ganze nennen Sie
dann disziplinierte Demokratie; mit Recht aber nur in dem Sinne,
daß Sie uns dauernd unter dem Schlagwort einer starken Demokratie
mit völlig undemokratischen Methoden in allen Bereichen unseres
Lebens auf das schärfste disziplinieren. Die ärgsten
Disziplinärorgane sind dabei die Steuerbeamten, die Steuereintreiber
und die Staatspolizei samt Gendarmerie als Austreiber des Verständigungswillens.
Die neuen Organe, um deren Willen das Budget des Ministeriums
des Innern um 164 Millionen erhöht wurde, brauchen unserer
Meinung nach nicht erst den Ertrag der neuen Gewinnsteuer. Sie
schaffen sich diese Bedeckung selbst durch die unerhört scharfen
Verwaltungs- und Ordnungsstrafen, sowie Amtshandlungsgebühren
als außerordentliche Kontributionen, die nach dem bisherigen
Berichte im sudetendeutschen Gebiete die 100-Millionengrenze jährlich
überschreiten müssen. Die dank des Steuerchaos bei uns
mögliche Willkür der Steuerbeamten ist noch weit ertragreicher
und macht das Steuerproblem des Staates neben dem nationalpolitischen
Rechtsproblem zum zweitgrößten Problem des Staates
überhaupt.
Die Notwendigkeit einer umfassenden Reform der Finanzverwaltung
und der Staatsverwaltung wird seit Jahren aufgezeigt und wurde
erst in der letzten Zeit vom Herrn Ministerpräsidenten selbst
anerkannt und betont. Die wirtschaftlichen Körperschaften
haben zur Reform der Finanzverwaltung schon eine ganze Reihe eingehend
begründeter Vorschläge erstattet. Bis jetzt ist allerdings
der weitaus größte Teil der Anträge in den Archiven
verschwunden, wahrscheinlich deshalb, weil sie den kleinen Schönheitsfehler
haben, daß sie dem Grundsatze "gleiche Rechte - gleiche
Pflichten" und der Forderung nach Klarheit und Eindeutigkeit
entsprechen. Die Folgen der Willkür und des Chaos zeigen
sich auch in der Überlastung der Ämter und Kommissionen;
besonders letztere müssen oft in wenigen Sekunden Rekurse
erledigen.
Eine andere Ursache für diese Mißstände liegt
schon in der Art und Weise der Vorbereitung der betreffenden Gesetzesanträge.
Statt die Entwürfe geschulten und erfahrungsreichen Fachleuten
der wirtschaftlichen Organisationen zur Begutachtung vorzulegen,
werden sie bis zum letzten Augenblick geheimgehalten. Im Parlamente
ist infolge der kurzen Behandlungsfrist keine Möglichkeit
zu einer gründlichen Umarbeitung gegeben, umsomehr als die
Vorschläge bereits vorher politisch ausgehandelt worden sind
und durch Änderungen die politische Handelsbilanz aus dem
Gleichgewicht geraten würde.
Die weitere Folge ist die Notwendigkeit, später in der Praxis
die vielen Mängel und Lücken durch die Durchführungsverordnungen
und Nacherlässe auszufüllen, bezw. die praktischen Verhältnisse
durch rücksichtslose Maßnahmen den Bestimmungen anzupassen.
Selbst die Durchführungsverordnungen und Erlässe werden
ohne Befragung der wirtschaftlichen Fachleute herausgegeben und
die Beamtenwillkür durch geheime Steuerrichtlinien und Ertragsvorschreibungen
systemisiert. Dazu kommt, daß das Finanzministerium vielfach
zögert, authentische Aufklärungen der Gesetzestexte
herauszugeben, so daß in der Praxis die von der willkürlichen
Auslegung Betroffenen unter schweren Opfern gezwungen sind, bis
zum Verwaltungsgerichtshof hinaufzuklettern, ohne oft den entsprechenden
Schutz zu erhalten, und ohne daß auf der anderen Seite die
Verwaltung sich nachher diesen Entscheidungen anpassen würde.
Dies führt aber zu einer starken Unsicherheit der Beamten
und zu einer schleppenden Arbeitsweise und weiter zu dem Bestreben,
sich weitestgehend der Verantwortung in schwierigen Fällen
zu entziehen. Weniger verantwortungsvolle und minder schwierige
Fälle werden dafür mit umso größerer Hast
und Rücksichtslosigkeit erledigt, nur um das durch die kürzlich
eingeführten Tagebücher vorgeschriebene Pflichtpensum
zu erreichen. Auf die Qualität und die richtige Erledigung
der Arbeiten wird weniger Wert gelegt, denn die Kosten dieser
Aktenschreiberei tragen ja nur die Steuerträger. Daß
die Steuergrundlage und die Wirtschaft dabei zugrundegehen, scheint
egal. Die Beamten sind andererseits meistens nicht durch allzugroße
Kenntnisse belastet, die zu einer klaglosen Durchführung
ihrer Amtsaufgabe notwendig wären. Dazu kommt häufig
ein durch schlechte Besoldungs- und Amtsverhätlnisse bedingter
Mangel an Eifer sowie die veraltete Form der Steueramtsbuchhaltung,
durch die vielfach Zahlungsbelege für die Steuerzahler verloren
gehen. All dies schreit geradezu nach einer gründlichen Reform.
Statt dessen wird die Belastung und Kompliziertheit nur noch vergrößert.
So vermehren sich die Beschwerden, Rekurse und Klagen, steigen
die Aktenzahlen für die Steuerberufungskommissionen, deren
Wert dadurch illusorisch wird und deren bisherige Zusammensetzung,
gegen die immer wieder Beschwerden erhoben wurden und werden,
sogar den Verdacht berechtigt, daß sie die Praxis der Bemessungsämter
stören. Berechtigte Klagen haben diesbezüglich vor allem
wir Sudetendeutschen vorzubringen. So gibt es keinen Schutz, auch
gegenwärtig nicht, da trotz der Steuernovelle irrsinnige
Übersteuerungen ohne Vorbehalteverfahren und Strafverfahren,
ohne hinreichenden Verdachtsgrund eingeleitet werden. Der durch
die abwegige und verlustreiche Außen-, Innenund Wirtschatfspolitik
der Regierung überspannte Staatshaushalt, für den die
Initiatoren und Verantwortlichen leider nichts beitragen können,
verlangt nach Steuererhöhung und neuen Steuern. Das gewünschte
Erträgnis wird durch gewaltsame Eintreibungsmittel geschaffen,
in deren Handhabung einzelne Beamte und Steuerreferenten die zum
Schutze der Steuerträger vorhandenen gesetzlichen Vorschriften
ein fach beiseite ließen und selbst im Wege von Hausdurchsuchungen
sich Strafverfolgungs gründe zu beschaffen versuchen. Diese
Haussuchungen sind in der Mehrzahl der Fälle durch gesetzliche
Vorschriften überhaupt nicht gedeckt, da die Steuergesetzgebung
lediglich das Recht zur Besichtigung von Gewerberäumen und
die Bestimmungen über die sogenannte obligatorische Bucheinsicht
kennt, welche für die Durchsuchung von Betrieben, insbesondere
aber von Privatwohnungen keinerlei Handhabe bietet.
Am traurigsten ist jedoch das Kapitel der Exekutionen, bei denen
fast überhaupt kein Unterschied mehr zwisch en Privatbesitz
und Betriebsmitteln gemacht wird. Wegen der lächerlichsten
Kleinbeträge an Steuerrückständen werden Pfändungen
und Versteigerungen durchgeführt, Vermögen verschleudert,
Besitzübertragungen im Sinne der Èechisierungswünsche
erzwungen, Betriebssperrungen verschuldet oder Verschuldungen
veranlaßt, die schon tausende Betriebe als Steuergrundlagen
vernichtet haben. Gegen die Schädigungen haben wir neben
vielen anderen auch aus dem èechischen Lager mit Recht
die Haftung der Finanzorgane und Beamten für Schadloshaltung
der Betroffenen verlangt, da nur dadurch vor allem die sudetendeutschen
Gewerbetreibenden und Steuerträger gesichert werden können.
Die Regierung muß diese Sicherung schaffen, sie muß
aber auch der Besteuerung eine Grenze setzen, denn die Belastung
an Steuern, Abgaben und Umlagen usw. pro Kopf der Bevölkerung
hat die 1000 Kè-Grenze bereits überschritten, was
über 25 % des Volskeinkommens ausmacht.
Da die Besteuerung im sudetendeutschen Gebiet um mehr als ein
Drittel höher ist, als im Staatsdurchschnitt, bedeutet -
dies eine steuerliche Belastung von nahezu 40 %. Die Besteuerung
durch die 12 neuen Steuern geht bei uns völlig auf Kosten
der Substanz und verhindert damit nicht nur Reservenbildung, sondern
muß die Verschuldung erhöhen, d. h. die Lasten gehen
bereits auf Kosten der späteren Generation, die außerdem
schon über 3000 Kè Staatsschulden pro Kopf übernehmen
muß - ein höchst unsoziales Wirken einer Demokratie.
Verlangt dies alles schon schärfste Kritik, so fordert die
ungleiche Belastung geradezu heraus. Es ist schon genug, daß
durch die Steuern noch eine große Zahl unrentabler Staatsbetriebe,
Staatsgüter und Unternehmen erhalten werden müssen,
durch deren Verkauf bedeutende Mittel zur Deckung des Budgetdefizits
gewonnen würden. Auch die von besonderem Wohlwollen der Regierung
bzw. einzelner Koalitionsparteien gehaltenen Wirtschaftseinrichtungen,
die Konsumvereine, Einheitspreisgeschäfte, Filialen von Großbetrieben,
genießen eine ungleich bevorzugte Stellung hinsichtlich
der Besteuerung. Besonders die Konsumvereine genießen Steuer-,
Gebühren-, Frachterleichterungen und Bevorzugungen bei der
Kontingentaufteilung der staatlichen Ernährungsaktion. Darüber
hinaus haben sie noch Subventionen, die ihnen zum Schaden der
Wirtschaft eine Monopolstellung sichert. Durch diese Begün-stigungen,
die ihnen markt- und genossenschaftsrechtlich noch durch die Verordnung
Nr. 116 ex 1935 erweitert wurden, besitzen sie Wettbewerbsvorteile,
die wir schon als unlauter bezeichnen müssen. Die Marktstörungen
durch Rabatterhöhungen und Kontingentbegünstigungen
wirken sich vor allem gegen den Kleinhandel und das Handwerk aus,
die ohnedies den Steuerausfall mit dekken müssen und damit
doppelt belastet sind.
Es ist dies nicht nur ungerecht, sondern unmoralisch und schädlich
für die Wirtschaft und ihre aufbauenden Kräfte. Destruktive
Elemente dürfen bei uns scheinbar alles tun, wenn sie nur
die Marke der Koalition tragen und den patentierten Dogmen entsprechen.
Nicht genug daran, diese Pfründnerbetriebe erhalten noch
Subventio nen, die in die hunderte Millionen gehen und ebenfalls
durch Überbesteuerung der Gewerbetreibenden hereingebracht
werden müssen. Ungeheuerlich ist, daß diese Tendenzen
als Wesenheiten demokratischer Gesinnung unter dem Schutze des
Gesetzes zum Schutz der Republik stehen. Wenn diese Verfallserscheinungen
nicht warnen können, dann muß unsere Wirtschaft zugrunde
gehen. Jene Menschen aber, die als Gewerbetreibende durch ihren
Fleiß, ihre Fähigkeiten und ihre Betriebe die Wurzeln
unserer ganzen technischen Produktion und die Kraftpole wirtschaftlicher
Entwicklung und Weiteraufbaues schützen, werden rücksichtslos
den willkürlichen Zugriffen der Behörden und dem ganzen
Drucke der Gesetze ausgeliefert. Selbst im èechischen Lager,
wo die Möglichkeit der Schadloshaltung auf anderen Wegen
besteht, werden die Gefahren erkannt, wenn man auch vielfach noch
Umwege in der Geltendmachung der Wünsche geht. Im we sentlichen
aber wird dadurch nichts geän dert, im Gegenteil immer neue
Bestimmun gen getroffen, die nur als Strafen für die gewerblich
Tätigkeit überhaupt aufgefaßt werden können.
Solche Strafen schärfsten Ausmaßes sind die Übersteuerungen.
Schon die Normalbesteuerungen nach den neuen Gesetzen, nach denen
die Gewerbetreibenden dreimal so viel zu leisten haben wie die
Fix besoldeten, sind eine ungeheure Belastung. Im sudetendeutschen
Gebiet wird die Flucht aus dem Gewerbe, die dadurch bedingt wäre,
aufgehalten nur du rch die Wirtschaftsnot. Im èechischen
Gebiet bestehen diese Hem mungen allerdings nicht. In diese Zonen
ge ringeren Widerstandes dringen dann die markt- und wirtschaftsstörenden
Elemente umso stärker ein. Die Schäden, die dadurch
entstehen, werden durch keine Gesetze und keine Maßnahmen
behoben, denn auch gegen den Wirtschaftstod ist kein Kraut gewach
sen. Durch die Ausbeutung des Gewerbes wird die Wirtschaft von
innen her ausge höhlt. Die verarmten Gewerbetreibenden werden
ihrem trostlosen Schicksal hilflos überlassen. Für sie
gibt es keine Fürsorge, keine staatliche Ernährungsaktion,
keine Al tersversicherung. In ihrem Kampf nicht al lein für
sich, sondern um den wirtschaft lichen Wiederaufstieg sind sie
verlassen. Viele Staaten haben den dadurch drohenden Gefahren
durch Schutzmaßnahmen für Handwerk und Einzelhandel
Einhalt geboten. In vielen Staaten wurde der Gewerbeförde
rung ein besonderes Augenmerk gewidmet. Bei uns nichts dergleichen.
Der Posten, der dem Handelsminister für Gewerbeförderung
zur Verfügung steht, ist so gering, daß auf einen Gewerbetreibenden
ungefähr 40 Heller im Jahr entfallen, obwohl jeder im Durch
schnitt über das 10.000fache an Steuern jährlich abliefert.
Ebenso schlecht bestellt ist es um das Fortbildungsschulwesen,
das noch immer der Regelung durch ein Gesetz harrt. Der bisher
vorgelegte Entwurf ist un annehmbar, da er den Hauptteil der Lasten
auf die Gemeinden und die Gewerbetreiben den überwälzen
will.
Besonders benachteiligt bei der derzeitigen Subventionierung sind
wieder die Sudeten deutschen. Für Böhmen und Schlesien
wer den jetzt an Subventionen von der Landesverwaltung für
die èechischen Fortbildungsschulen 93.000 Kè, für
die deutschen aber nur 3.000 Kè zur Verfügung gestellt,
das heißt für einen deutschen Schüler ungefähr
20 Heller im Jahr.
Die gleichen Klagen müssen immer wieder vorgebracht werden
betreffs des gewerblichen Kredits. Man treibt die Gewerbetreibenden
in die größte Verschuldung, ohne auch nur die Verschuldung
so erträglich zu machen, daß die Betriebe nicht gefährdet
sind. Man kann wohl, es ist die unsinnigste Wirtschaftsmethode
die es gibt, wenn ein Bauer seine Melkkuh, von der er lebt, verhungern
läßt. Dem neuen Handelsminister Herrn Mlèoch,
der unter solchen Verhältnissen sein Amt antritt, kann man
dazu nicht gratulieren. Er übernimmt eine schwere Last und
eine große Verantwortung. Vielfältiges wird von ihm
erwartet, vor allem, daß er der weiteren Schädigung
des Gewerbes Einhalt gebietet, wodurch er viel zur Besserung der
wirtschaftlichen Verhältnisse beitragen könnte. Die
Zustände bei seinem Amtsantritt sind allerdings wenig versprechend.
Die neuen Steuergesetze bringen schwere Belastungen für die
man dem Gewerbe nicht einmal den silbernen Sonntag als Verkaufstag
bewilligt hat, damit sich der Umsatz wenigstens etwas hebt, wie
sich im vergangenen Jahr gezeigt. Allein der Werbewert dieses
Tages ist schon bedeutend.
Wünsche des Gewerbes fallen aber anscheinend unter den Tisch
und tragen hiermit das gleiche Schicksal wie die Wünsche
und Forderungen der Sudetendeutschen. Unter den Tisch fallen alle
die tausende und tausende der Resolutionen, die jährlich
eingebracht wurden, die wie am laufenden Band lediglich - und
zweifelhaft ob dies immer der Fall ist - den Gewerbeausschuß
passieren, um letzten Endes ein stilles Leichenbegängnis
im Archiv der Ministerien zu begehen.
Versucht das Gewerbe von sich aus durch Selbsthilfemaßnahmen,
durch Aufklärung, durch Werbung, durch Genossenschaften,
durch Zusammenarbeit, seine Lage zu bessern, dann stößt
es auf den schärfsten Widerstand nicht nur der Behörden,
sondern vor allem auf den Widerstand der durch das Wohlwollen
der Regierung getragenen Konsumenten. So wurden Schaufensterwettbewerbe
verboten, Werbezettel beschlagnahmt, Werbemaßnahmen erschwert,
aber sofort wird jede verdiente Krone fast zur gleichen Zeit weggesteuert.
Hoffentlich gelingt es dem neuen Handelsminister wenigstens, der
Übersteuerung in Zukunft Einhalt zu gebieten, damit die Gewerbetreibenden
sich später zu ihrem Handelsminister selber gratulieren können
und mit Recht sagen können, daß er ihr Minister war.
Die Regierung aber möge in letzter Minute erkennen, daß
sie daran ist, sich den wirtschaftlichen Ast, auf dem sie sitzt,
abzusägen. Wir fordern mit allem Nachdruck unser Recht, für
das Gewerbe gleichen Schutz und gleiche Wettbewerbsverhältnisse,
entsprechend ihrer Bedeutung und ihren Opfern, entsprechend ihren
Leistungen für den Staat auch entsprechende Berücksichtigung
von Seite des Staates nach dem Grundsatz: Gleiche Rechte, gleiche
Pflichten. (Potlesk poslancù strany sudetskonèmecké.)