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dar Mühe zu unterziehen, auch nur einen einzigen
konkreten Grund anzuführen, der zu einer der-
artigen, weitreichenden Maßnahme berechtigen
würde.
Mehr wie einmal hat das Oberste Verwaltungs-
gericht entschieden, daß die abstrakte Formel
"Gefährdung der öffentlichen Ruhe und Ordnung"
an sich nicht genügt, um eine Entscheidung oder
ein Verbot einer Verwaltungsbehörde zu begrün-
den. Es müssen vielmehr konkrete Tat-
sachen angeführt werden, welche die Ver-
waltungsbehörde zu der Annahme berechtigen,
daß eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe und
Ordnung zu erwarten ist.
Die Bezirksbehörde Dauba unterzieht sich aber
dieser Mühe nicht. Es würde ihr auch schwer-
fallen, konkrete Gründe für ihre Massenverbote,
die die Bevölkerung des ganzen Bezirkes beun-
ruhigen, zu finden. Die Bezirksbehörde kann keine
einzige solche konkrete Tatsache anführen, die
ihr die Ermächtigung geben würde, sich einen
Eingriff in die verfassungsmäßig gewährleisteten
Rechte der Versammlungsfreiheit zu erlauben.
Insofern hat die Bezirksbehörde Dauba bei
der Verfügung ihrer Massenverbote sich einer
Ungesetzlichkeit schuldig gemacht.
Wir stellen daher an den Minister des Innern
die nachstehenden Anfragen:
1. Ist der Minister bereit, die verantwortlichen
Leiter der Bezirksbehörde Dauba wegen ihres be-
wußten, gesetzwidrigen Vorgehens und wegen
ihrer bewußten, rechtswidrigen Einschränkung
der Versammlungsfreiheit zur Rechenschaft zu
ziehen ?
2. Ist der Minister bereit, an alle ihm unter-
stellten Verwaltungsbehörden den strengen Auf-
trag zu erlassen, sich jeden gesetzwidrigen Ein-
griffes in die Versammlungsfreiheit zu enthalten
und für jede Einschränkung der Versammlungs-
freiheit konkrete Gründe anzuführen ?
3. Ist der Minister bereit, Garantien zu schaf-
fen, daß das verfassungsmäßig gewährleistete
Recht der Versammlungsfreiheit der Staatsbürger
auch dann von der Verwaltungsbehörde geachtet
wird, wenn es von Mitgliedern der Sudetendeut-
schen Partei in Anspruch genommen wird?
Prag, am 8. Feber 1936.
May,
Birke, Dr. Rosche, Nemetz, Obrlik, Jäkel, Dr. Pe-
ters, Stangl, Gruber, Frank, Sandner, Ing. Künzel,
Illing, Axmann, Nickerl, Wagner, Knöchel, Jobst,
Fischer, Ing. Richter, Kundt.
Pùvodní znìní ad 291/VII.
Interpellation
des Abgeordneten Ludwig Wagner
an den Minister des Innern
wegen gesetzwidriger Aufhebung der Ver-
sammlungsfreiheit und parteiischen Vor-
gehens seitens der Bezirksbehörde Kaplitz
gegen die Sudetendeutsche Partei.
Die Amtswalter der Sudetendeutschen Partei,
Fridolin Studener und Anton Höpfl, zeigten der
Bezirksbehörde in Kaplitz an, daß sie am 14. Jän-
ner 1936 in Hohenfurth und Klein Umlowitz
öffentliche Versammlungen der Sudetendeutschen
Partei veranstalten würden. Die Bezirksbehörde
Kaplitz hat die ordnungsgemäß angezeigten Ver-
sammlungen nicht zur Kenntnis genommen und
beide Versammlungen aus folgenden Gründen
verboten:
"In der letzten Zeit mußte der auf eine von der
SdP veranstalteten öffentlichen Versammlung ent-
sandte Vertreter der hiesigen Behörde diese Ver-
sammlung gemäß § 13 des Versammlungsgesetzes
auflösen.
Aus dieser Tatsache ist ersichtlich, daß die Ein-
berufer öffentlicher Versammlungen der SdP im
hiesigen Verwaltungsbereiche nicht immer dafür
bürgen können, daß in diesen Versammlungen das
Gesetz nicht verletzt wird, bezw. daß die öffent-
liche Ruhe und Ordnung nicht gestört wird".
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß diese
neuerlichen Versammlungsverbote der Bezirksbe-
hörde Kaplitz keine rechtliche Grundlage haben
und daß sie einen bloßen Akt der Verwaltungs-
willkür darstellen.
Nach § 6 des Versammlungsgesetzes können
Versammlungen von der Behörde nur dann unter-
sagt werden, wenn ihr Zweck den Strafgesetzen
zuwiderläuft, oder ihre Abhaltung die öffentliche
Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet.
Daß der Zweck der von den Amtswaltern der
Sudetendeutschen Partei angezeigten Versammlun-
gen dem Strafgesetze zuwiderläuft, wird wohl
auch die Bezirksbehörde Kaplitz nicht zu behaup-
ten wagen. Die Bezirksbehörde Kaplitz hat aber
auch in ihren Bescheiden keinen anderen konkreten
Grund angeben können, der sie zur Annahme be-
rechtigen würde, daß die von den Funktionären
der Sudetendeutschen Partei angezeigten Ver-
sammlungen das öffentliche Wohl oder die öffent-
liche Sicherheit gefährden könnten. Ein Ver-
bot der von den Amtswaltern der Sudetendeutschen
Partei angezeigten Versammlungen war also nur
möglich, wenn der konkrete Tatbestand einer Ge-
fährdung des öffentlichen Wohles und der öffent-
lichen Sicherheit vorhanden gewesen wäre.
Die Bezirksbehörde Kaplitz bemüht sich aber
gar nicht, den konkreten Tatbestand einer Ge-
fährdung nachzuweisen. Sie beruft sich lediglich
darauf, daß "in der letzten Zeit" eine von der Su-
detendeutschen Partei veranstaltete Versammlung
aufgelöst werden mußte. Die Bezirksbehörde Kap-
litz gibt die Daten dieser angeblich aufgelösten
Versammlung nicht an. Aber selbst wenn man an-
nähme, daß die Behauptung der Bezirksbehörde
Kaplitz zutrifft, so ergibt sich aus dem § 13 des
Versammlungsgesetzes, daß die Versammlung nur
deswegen aufgelöst wurde, weil sie gegen die Vor-
schriften des Versammlungsgesetzes als solche
veranstaltet wurde, das heißt, daß zum Beispiel
irgendein Formerfordernis, welches das Versamm-
lungsgesetz vorschreibt, versehentlich nicht be-
achtet wurde. Eine solche, wegen eines Formver-
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sehens aufgelöste Versammlung braucht aber we-
der die öffentliche Ruhe noch Ordnung zu stören.
Die Bezirksbehörde K a p l i t z
ist aber nur berechtigt, eine
Versammlung aufzulösen, die
die öffentliche Buhe und Ord-
nung gefährdet!
Die Berufung auf eine gemäß § 13 des Ver-
sammlungsgesetzes aufgelöste Versammlung der
Sudetendeutschen Partei kann also keine konkrete
Begründung dafür abgeben, daß die von den Amts-
waltern der Sudetendeutschen Partei angezeigten
Versammlungen die öffentliche Buhe und Sicher-
heit gefährden könnten, da nicht einmal die auf-
gelöste Versammlung diese Gefährdung in sich
barg.
Die Bezirksbehörde Kaplitz ist auch nicht die
Instanz, um über die Rechtsmäßigkeit der von ihr
angeführten Versammlungsauflösung zu urteilen.
Falls die Veranstalter dieser Versammlung das
Versammlungsgesetz irgendwie verletzt haben
sollten, so bleibt diese strafrechtliche Beurteilung
den ordentlichen Gerichten überlassen, keineswegs
jedoch der Bezirksbehörde Kaplitz.
Die Bezirksbehörde Kaplitz kann daher diese
Versammlungsauflösung, die von ihr vielleicht ge-
gen Gesetz und Recht vorgenommen wurde, nicht
zum Anlaß neuerlicher Versammlungsverbote neh-
men. Wäre dies richtig, so würde diese eine, wenn
auch zu Unrecht vorgenommene Versammlungs-
auflösung der Bezirksbehörde Kaplitz die Ermäch-
tigung verleihen, jede Versammlung der Sudeten-
deutschen Partei in ihrem Sprengel, unter Beru-
fung auf diese Versammlungsauflösung, zu ver-
bieten. Auf diese Weise könnte die Bezirksbehörde
in Kaplitz die verfassungsmäßig gewährleistete
Versammlungsfreiheit, die selbstverständlich auch
den Mitgliedern der Sudetendeutschen Partei zu-
gute kommt, außer Kraft setzen.
Die rechtliche Überprüfung
ergibt also die völlige Halt-
losigkeit der erlassenen Ver-
sammlungsverbote.
Daraus geht hervor, daß die Bezirksbehörde
Kaplitz wieder juristische Scheingründe vorge-
schoben hat, um die verfassungsmäßig gewähr-
leistete Tätigkeit der Sudetendeutschen Partei und
ihrer Parlamentarier in gesetzwidriger Weise zu
beschränken und die Sudetendeutsche Partei in
ihrer Entwicklung nach Möglichkeit zu behindern.
Es braucht wohl nicht betont zu werden, daß ein
derart parteiisches und voreingenommenes Ver-
halten einer Bezirksbehörde dem Gesetze, allen
demokratischen Grundsätzen und auch der Idee
des Rechtsstaaates widerstreitet.
Die V e r s a mm l u n g s v e r b o t e der
Bezirksbehörde Kaplitz wurden
mutwillig und rechtswidrig
erlassen!
Angesichts dieses Verhaltens drangt sich die
Frage auf, ob unsere Verfassung, die das Recht
der Versammlungsfreiheit feierlichst proklamiert,
überhaupt noch das ihr zugeschriebene Gewicht
und die ihr entsprechende Bedeutung besitzt, wenn
ein Bezirkshauptmann es wagen darf, in seinem
Sprengel gegen jedes Gesetz, gegen jedes Recht
und gegen jede Billigkeit, die Versammlungsfrei-
heit der Mitglieder der größten Partei unseres
Staates mit einem Federstriche und ohne jede
konkrete Begründung zu beseitigen.
Wir richten daher an den Minister des Innern
die nachstehenden Anfragen:
1. Ist dem Minister des Innern das gesetzwidrige
und voreingenommene Verhalten des verantwortli-
chen Leiters der Bezirksbehörde Kaplitz gegen die
Sudetendeutsche Partei bekannt?
2. Ist der Minister des Innern bereit, den ver-
antwortlichen Leiter der Bezirksbehörde Kaplitz
wegen seiner rechtswidrigen Eingriffe in die Ver-
sammlungsfreiheit zu disziplinieren?
3. Ist der Minister des Innern bereit, dafür zu
sorgen, daß die von den niederen Verwaltungs-
behörden praktisch beseitigte Versammlungsfrei-
heit wieder hergestellt und den Mitgliedern der
Sudetendeutschen Partei nicht einseitig vorent-
halten wird?
Prag, am 8. Feber 1936.
Wagner,
Sandner, Axmann, May, Ing. Richter, Fischer,
Dr. Rösche, Nickerl, Dr. Peters, Jobst, Kundt,
Jäkel, Frank, Stangl, Obrlik, Ing. Künzel, Birke,
Nemetz, Knöchel, Gruber, Illing.
Státní tiskárna v Praze. - 843-46.