Wenn wir aus diesem Grunde wiederum auf die
geschäftliche Lage vor 30 Jahren einen kurzen Rückblick
werfen und mit der heutigen vergleichen, so kommen wir zu folgendem
Resultat:
"Es ist Tatsache, daß sich der Umsatz
im Handel seit 30 Jahren vielleicht verdreifacht hat. Ziehen wir
aber in Rechnung, daß so manche Branche heute mit kaum 3
bis 4 Prozent Bruttonutzen arbeitet, beachtet man die oben zitierten
I großen, sich jährlich steigernden Lasten des Handels,
erwägen wir, daß sich die Konkurrenz seit der genannten.
Periode nicht verdreifacht, sondern wenigstens im Verhältnisse
zu der damaligen Bevölkerungszahl verzehnfacht hat, so muß
jeder Kenner der Verhältnisse, ja selbst der Laie, zugeben,
daß die Lasten zu dem Erfolge in grellem Mißverhältntisse
und zwar zu Ungunsten der Geschäftsleute stehen."
Diese Reassumierung drängt uns zu dem
unbeugsamen Fazit, daß, wenn nur auf Kosten des Arbeitgebers
die Prinzipien der Humanität in überschwänglicher
Weise zur Ausübung gelangen sollen, dieser in seiner Existenz
bedroht und insbesondere der wirtschaftlich Schwächere dem
Untergange geweiht ist, daher seitens der Bedrängten alles
aufgeboten werden muß, um diesem Vorgang ein "bisher
und nicht weiter" zu gebieten, so lange die bisherigen Verhältnisse
bestehen.
Wir geben uns durchaus keinen Illusionen hin
und wissen recht gut, daß die Bewegung der Jetztzeit in
ihren Forderungen unaufhaltsam weiter gehen wird, aber wir sind
fest überzeugt, daß diese Forderungen gleichen Schritt
mit den jeweils bestehenden Verhältnissen halten müssen,
sollen anders nicht die reellen Prinzipien des Handels untergraben
werden, und diese sollten sich unsere Mitarbeiter stets vor Augen
halten.
Es ist - wir verwahren uns jedoch gegen die
etwaige Zumutung, als wollten wir alle unsere Angestellten des
Handels und der Industrie damit meinen - es ist aber vielen unseren
Mitarbeitern Nebensache, die Belastung oder die Einschränkung
des Handels mit dem Erfolge gleichen Schritt hält. Manche
freuen sich dieser Bewegung. "denn sie ist die Frucht ihrer
Staat, aus der sie reiche Ernte erhoffen", ohne zu bedenken,
daß die Entnerbung des Handels ihnen unmöglich für
die Dauer Nutzen bringen kann.
Die Anhängger aus kaufmännischen
Kreisen dieser Prediger müssen wir aber recht bedauern, daß
sie als angehende Kaufleute die Grundlagen des Handels, die in
möglichster Freiheit und strengster Wahrung der Einzelexistenzberechtigung
bestehen, mit wuchtiger Faust ins Gesicht schlagen, indem sie
sich "zu Stürmern gegen die Existenz der Handelswelt"
ausnützen lassen.
Es ist ferner zu bedauern, daß unsere
Mitarbeiter, die dem praktischen Berufe des Handels angehören,
diese Bewegung teilweise unterstützen, ohne zu überlegen,
daß sie - meist unbewußt gegen sich selbst, als unsere
Nachfolger, arbeiten.
Die heutige Bewegung eines großen Teiles
unserer Mitarbeiter richtet sich auf die Erlangung der "ganztägigen
Sonntagsruhe im Handel und der Industrie".
Wir sondern im Nachstehenden nicht umsonst
die Teilhaber dieser Bewegung in drei Gruppen, denn wir haben
es uns zur Aufgabe gemacht, "den wahren Wert der ganzen Bewegung"
ins "rechte Licht" zu stellen, um den Beweis zu erbringen,
daß dieselbe meist nachdrücklich geleitet und organisiert
wurde von einer Mitarbeitergruppe, die "zur Unzufriedenheit
gar keine Berechtigung hat" und die eigentlich interessierte
Gruppe durch Verheißungen und durch "Vorzeigung nur
der Lichtseiten der Forderung" mit sich reißt.
Die Bewegung für die ganztägige Sonntagsruhe
ging vor allem von der sozialistischen Partei aus, welche in ihrer
Presse unausgesetzt das Wort für selbe führt - die Handelsangestellten
als "monerne Sklaven" - die Chefs als "Ausbeuter"
charakterisiert! Nun liegt ja im Wesen das Menschen selbst, daß
man gerne dem Gehör schenkt, der vermeintlich unser Bestes
anstrebt; die soziale Richtung gewann leider auch in den Kreisen
der Handelsangestellten teilweise Anhängerschaft, die die
Theorie des Sozialismus eingesaugt und blindlings derselben huldigt.
Die Anhängerschaft der sozialen Richtung im Handel rekrutiert
sich zumeist aus ganz jungen Leuten - oft kaum der Schule entwachsenen
Knaben, was eigentlich nur als ein gutes Zeichen im allgemeinen
betrachtet werden möge, denn es gehört eine ganz eigentümliche
Auffassung dazu, daß ein gereifter Kaufmann solchen den
Handelsstand zersetzenden Theorien huldigen könnte. Das ist
die eine Gruppe.
Die zweite Gruppe, die tonangebende und bis
nun meist die Versammlungen der Angestellten leitende, sind die
Herren Angestellten in den Industriekomptoirs. Auch sie bedienen
sich der Losung, welche die Sozialisten, um recht zahlreiche Anhänger
zu gewinnen, als Parole ausgegeben haben: "Mehr Freiheit!"
Recht leicht haben es die Herren dieser zweiten Gruppe mit der
Forderung nach ganztägiger Sonntagsruhe. Selbst in günstigen
sozialen Stellungen, mit den Verhältnissen des Klein- und
Mittelhandels gar nicht oder meist nur der Theorie nach bekannt,
an ein Etablieren nur in den seltensten Fällen und da doch
wieder nur in ihrem Beruf als Industrielle denkend, die sonst
an Sonntagen kaum zwei Stunden das Nötigste im Komptoir erledigen
oder in den Sommermonaten, weil leicht zulässig, die ganztägige
Sonntagsruhe schon genießend, sind nun zu Führern der
Bewegung geworden. Es wird behauptet, daß es des Standes
"unwürdig" ist, daß dem Kommis nicht 24 Stunden
freie Zeit gelassen wird, es wird zitiert, "daß nach
einer ganztägigen Sonntagsruhe der Angestellte mit frischem
Geist und doppelter Kraft freudig an sein Tagwerk gehen werde",
usw.
Eines schickt sich nicht für alle!
"Glauben uns doch die Herren, wir Kaufleute
würden selbst gerne den ganzen Sonntag für uns und unsere
Familien widmen - wir Kaufleute würden recht gerne bei weniger
Arbeit und mehr Vergnügen gleiche Losungen erzielen! Glauben
die Herren aber ja nicht, daß es von uns ein Iustamentsstandpunkt
ist - nur der Arbeit halber, sondern bitterer Ernst um die Existenz!"
Also kein Iustamentsstandpunkt ist es, das
werden wir noch später nachweisen. Oder sollten die Herren
Industrieangestellten nicht soweit orientiert sein, daß
sie nicht einsehen müssen, daß die ganztägige
Sonntagsruhe speziell dem Detailhandel großen Schaden zufügen
würde und dennoch an dieser Forderung halten? Das wäre
ein großes Unrecht "meist begangen an ihrem Anhange
aus der dritten Gruppe", welche zum großen Teile an
eine Selbständigkeit denkt, es wäre "eine direkte
Untergrabung der Interessen eigener Berufsgenossen"! Es gibt
noch ein Drittes, was die Herren, betreffend die Konsequenzen,
anführen könnten, und zwar, daß sich altes ausgleicht!
Nun, auf das kommen wir auch noch zu sprechen und werden es mit
tatsächlichen Beweisen widerlegen!
Und nun die dritte Gruppe! Die Angestellten
der Detail- und Grossogeschäfte, die der sozialen Richtung
nicht huldigen, zum Teil aber dennoch die Bewegung nach ganztägiger
Sonntagsruhe unterstützen. Diesen unseren Mitarbeitern können
wir nur zurufen:
"Aus eigener Erfahrung seht ihr ja, wie
schwer und mühsam die Existenz des Kaufmannes ist! Wollt
ihr denn das bißchen Verdienst, welches die Frequenz des
betreff enden Ortes an einem Sonntagvormittage mit sich bringt,
euren Brotherren kürzen? Wir wissen ja, daß ihr euch
nicht als "moderne Sklaven" betrachtet, als die man
euch so gerne ausspielt. Ihr wißt aber auch, daß wir
keine Ausbeuter sind, die von euerem Fleiße prassen; ihr
wißt aber auch, daß euere geschickten Hände unsere
Auslagen zu Ausstellungen machen, die an Sonntagen selbst verkaufen
und daß bei der Erfüllung euerer Forderung dieses Sonntagsgeschäft
uns entgeht! Aber nicht "uns allein" entgeht momentan
der Verdienst, sondern auch euch, die ihr doch unsere Nachfolger
seid! Bederkt, daß die Wunden, die ihr uns heute schlagt,
euch morgen schon schmerzen werden, ja daß ihr selbst daran
verblutet! Schaut nicht die Medaille nur von derenen Seite an,
betrachtet, als Männer der Praxis" beide Seiten, und
wir sind überzeugt, es wird euch vor der andern schaudern!"
Wir können nicht so oberflächlich
über das Thema!Schädigung des Klein- und Mittelhandels
durch die ganztägige Sonntagsruhe" hinweggehen, ohne
diese Schädigung auch gründlich zu beweisen:
Zuerst wollen wir das Verhältnis der Gruppe
III. der Angestellten der Detail- und Grossohändler ein wenig
erörtern. Die Schlagworte "der Arbeiter, der Taglöhrer
hat es besser als der Kommis" sind eben nur Schlagworte,
die keinem ernsten Mitarbeiter imponieren sollten! Der Tagarbeiter
arbeitet physisch, arbeitet seine 8 bis 10 Stunden herunter und
bekommt auch für diese Zeit gezahlt. Anders ist das Verhältnis
beim Handelsangestellten. Dieser muß jetzt mehr ein geistiger
Arbeiter als ein physischer dein, er muß denken, das bringt
sein Beruf mit, sonst ist er kein Kaufmann.
Der Kaufmann hat nicht permanent so und so
viele Stunden zu tun, für die er entl hnt wird, sondern er
wartet auf die Kunde, wartet oft sehr, sehr lange samt seinem
Personale. Unsere Mitarbeiter werden auch nicht nach der Sturde
bezahlt, sondern sie beziehen ein jährliches Salair, gleichgültig,
ob nun "gar nichts", wenig oder viel zu tun ist - ob
Feiertag oder Sonntag.
Auch das Verhältnis zwischen dem Klein-
und Mittelhandelangestellten und dann der Industrie ist ein grundverschiedenes.
Der erstere muß, wie schon bemerkt, auf die Kunde warten,
während der Industrielle seine Kunden selbst oder durch seine
Vertreter aufsucht. Während beim Industriellen Sonntags eingelaufene
Bestellungen nicht effektuiert werden können, weil die Fabrik
still steht, "muß" und soll der Kaufmann gerade
diese Ruhezeit der Fabriken und ihrer Arbeiter und Bediensteten
ausnützen, um ihre Anwesenheit in dem betreffenden Sammelort
für die Anbringung seiner Waren zu benützen. Beim Fabrikanten
laufen die Aufträge zu 95 Prozent brieflich ein, beim Detailhändler
nicht; sobald er seinen Laden geschlossen hat, ist auch seine
ganze Tätigkeit, sein Verdienst unterbunden.
Wenn wir nun das Verhältnis der Detail-
und Mittelhandelangestellten auseinandergesetzt haben, gelangen
wir zu den eigentlichen Nachteilen, die die ganzsonntägige
Sperre mit sich brächte.
Ganz besonders in den großen und größeren
Städten, Kurorten und Badestädten, wo sich der rege
Verkehr nicht nur der Landbevölkerung, sondern auch der Touristen
usw. zentralisiert, muß auf die Ausschmückung der Läden
und das Arrangement der Auslagen nicht nur viel Fleiß, sondern
auch viel Geld verwendet werden. Geschäfte in freguentierten
Straßen, welche Tausende Kronen für die Läden
zahlen und Hunderte zur Ausschmückung der Auslagen usw. verwenden,
so zum Beispiel Herren- und Damenmodekonfektions-, Schnitt-, Manufaktur-,
Kurz-, Spielwaren-, Delikatessen-, Hausbedarfwarenhandlungen,
die favorisierend um die geschmackvolle Ausschmückung ihrer
Auslagen besorgt sind, zu was bieten sie diesen Fleiß, diese
Geldopfer auf? Wohl nur zur Dekoration des Ortes selbst? Genügt
denn nicht, wenn einfach an der Firma zu lesen ist: Kolonial-,
Mode-, Schnittwaren usw.? Osa, es genügt für den täglichen
gewöhnlichen Gebrauch vollständig. Aber der Kaufmann
will und muß mehr absetzen als das Publikum braucht, er
"verleitet durch Schaustellungen in seinen Auslagen dasselbe,
zu kaufen, was es, ohne durch die Auslage angezogen zu sein, nicht
machen würde.
"Das Auge sieht's, das Herz begehrt's,
der Mann bezahlt's!" Solche Kaufe nennt man Gelegenheits-
oder Auslagenkäufe, die nicht erfolgen, wenn die Auslage
nicht verleitet.
Ferner sind die Auslagen förmlich Ausstellungen
en miniature. Es herrscht ein notgedrungener Wettbewerb, das Beste,
Schönste zu zeigen: da der duftende Kaffee und die goldgelben
Rosinen, dort der geschmackvoll arrangierte elegante Stoff, da
das reizende Schürzchen, dort das nette Kaffeeservice, da
die schöne Brosche, dort die frisch angelangten Krebse. "Das
find lauter berechnete Schaustellungen auf die Kassa des Publikums",
die, wenn sie nicht gesehen, auch nicht gekauft werden.
Und "wann" werden solche Auslagengeschäfte
abgewickelt? An Tagen der größten Frequenz, an Sonntagvormittagen,
die wir dem Verlangen der Angestellten gemäß einbüßen
sollen.
"Bedenkt man aber, daß diese Käufe
in ganz Oesterreich Millionen an Entgang der Losungen ausmachen,
bedenkt man, daß dieser Entgang nicht nur den Kaufmann,
sondern auch den Industriellen trifft, bedenkt man, daß
durch die Einförmigkeit der Stadt - bei geschlossenen Läden
- auch die Frequenz nach der Stadt nachläßt, denn die
Auslagen sind "die Magnete" für das auswärtige
Publikum, so wird man erst die ganze Tragweite dieser Forderung
ermessen."
"Es gleicht sich eben nicht alles aus!
Der Bedarfsartikelverkauf vielleicht -
Der en passant-Verkauf nie!"
Gehen wir weiter in der Verfolgung des Nachteiles
der ganztägigen Sonntagsruhe: 52 halbe Sonntage sind bereits
den Angestellten jährlich freigegeben: 52 weitere sollen
folgen: rechnen wir noch die hohen Feiertage und die Sommerfeiertagsnachmittage
dazu, so gelangen wir zu dem Ergebnisse, daß "ganze
zwei Monate im Jahre" der Handel Ferien geben müßte.
Wenn ein Zinshaus durch zwei Monate freisteht,
erhält es vom Staate einen entsprechenden Steuernachlaß.
Uns würde aber niemand für diese
zwei Monate die Erwerb-, Einkommen- usw. Steuer vergüten,
ebensowenig würde das Personal mit einem kleineren Gehalte
zufrieden sein, ja eher größere Ansprüche an Gehalt
würde es erheben, weil die größere Erholungszeit
naturgemäß größere Auslagen bedingt, denn
wir glauben nicht, daß unsere Angestellten den Sonntagvormittag
ausschließlich zu ihrer geistigen Ausbildung benützen
werden.
Wir kommen zu den Vorteilen, die durch die
ganztägige . Sonntagsruhe unseren Mitarbeitern erwachsen
würden:
Zur Erweiterung ihrer Bildung könnten
sie, wenn schon der gute Wille vorhanden, den Sonntagvormittag
nicht verwerten, denn Schulunterricht wird weder offiziell noch
privat erteilt. Oder würde zu religiösen Uebungen die
Zeit angewandt? Daran zweifeln wir, ohne beleidigen zu wollen.
Oder zur körperlichen Erholung? Nun fragen wir, ist denn
bei uns in Oesterreich der Geschäftsgang ein derartiger,
daß die jetzt gebotenen Erholungsstunden nicht genügen?
"Wir glauben an einen derartigen Geschäftsgang
nicht, sind vielmehr überzeugt, daß gerade der sich
etablierende Kommis erst durch seine Selbstständigkeit zur
Einsicht kommt, wie oft nur zu bitter das Los des Chefs ist, daß
er "erst dann" zur Einsicht gelangt, welcher enormen
geistigen und körperlichen Anstrengung es bedarf, um unter
den obwaltenden Umständen in Oesterreich - sich im Fahrwasser
zu erhalten."
Wenn wir die mehr begehrten 4 bis 5 Stunden
der Sonntagsruhe rechnen, die doch dem Angestellten keinen Nutzen,
dem ganzen Kaufmannsstand aber großen Schaden bereiten würden,
so finden wir, daß dem Verlangen nach mehr Ruhe in einer
praktischeren Form entsprochen werden könnte, und zw. durch
die gesetzliche Regelung der Tagesarbeit, indem für Groß
oder Klein ein Fixum der Arbeitszeit, sagen wir 12 bis 14 Stunden,
je nach Branche und den Verhältnissen normiert werden könnte.
Dadurch würde niemand eine Einbuße erfahren, dafür
aber den Angestellten genügende Zeit zu ihrer geistigen Fortbildung
und weiteren körperlichen Erholung geboten werden, was bei
einzelnen Branchen zirka 6 bis 8 Stunden der Woche freie Zeit
betragen würde.
Und schließlich kommen wir noch zu einem
Punkte, den die Herren Mitarbeiter immer ins Treffen führen,
indem sie auf Deutschland und England hinweisen, welche Länder
ganzsonntägige Ruhepause haben sollen!
England müssen wir schon ganz und gar
aus dem Spiele lassen, denn in England ruht jedes Gewerbe, nicht
ein Glas Porter wird einem gereicht. Nun, solche Verhältnisse
wünschen wir und unsere Herren Mitarbeiter gewiß nicht.
Englands Verhältnisse können keinen Maßstab für
Oesterreich bilden, weil die Landes-, Lebens- und Existenzbedingungen
dort andere sind als in Oesterreich, und bis zur Zeit der Einführung
englischer Verhältnisse in Oesterreich noch manches Jahrzehnt
im Strome der Zeit dahinfließen wird.
Deutschland! Ja, das ist das Eldorado so manchen
Jünglings, das ist das Reich der Freiheit. Auch wir beneiden
Deutschland um seine besseren geschäftlichen Verhältnisse,
auch wir wünschten, bei uns in Oesterreich würde man
für die Ausbildung des Handels so viel tun. Doch die Verhältnisse,
betreffend die Ruhestunden, nun, da scheinen unsere Herren Mitarbeiter
schlecht orientiert zu sein, denn wir haben uns die Mühe
genommen und haben aus den größten Handelsstädten
Deutschlands Berichte eingeholt von Firmen, die als Elitefirmen
gelten, und sind wir in der angenehmen Lage, sowohl schriftliche
als auch gedruckte Verordnungen, die im Original zu unserer Verfügung
stehen, und die uns belehrten, daß sich die Sache etwas
anders verhält, anführen zu können.
Wir erlaubten uns, den betreffenden Firmen
folgende Fragen zur Beantwortung vorzulegen und geben diese und
deren Beantwortungen hier hiemit bekannt:
1. Frage:
Wird in Fabriks- und Geschäftskomvtoirs
in Deutschland an Sonntagen überhaupt nicht gearbeitet, auch
die wichtigste Post nicht erledigt?
Antwort:
An Sonntagen darf, so in Fabriks- als auch
Geschäftskomptoirs, durch drei Stunden, außerhalb des
Gottesdienstes, gearbeitet werden.
An Sonntagen wird in Berlin in den Fabriks-
und Geschäftskomptoirs nur ausnahmsweise gearbeitet.
An Sonntagen wird in Hamburg in den Fabriks-
und Geschäftskomptoirs von halb 12 bis 2 Uhr im Sommer, von
halb 12 bis 3 Uhr im Winter gearbeitet, außerdem steht es
den Angestellten frei, freiwillig zu arbeiten, solange sie wollen.
2. Frage:
Wird die Wochentagesarbeit in den Komptoirs
und Läden an eine bestimmte Zahl von Stunden gebunden?
Antwort:
Nein! Es muß nur eine tägliche achtstündige
Ruhezeit den Angestellten gewahrt werden.
Berlin und Hamburg gleich Dresden.
3. Frage, den Detailhandel betreffend:
Ist im Deutschen Reiche die ganztägige
Sonntagsruhe gesetzlich vorgeschrieben?
Antwort:
Nein! Es dürfen an Sonntagen die Verkaussläden
von 7 bis 9 Uhr früh und von 11 bis 2 Uhr mittag offen gehalten
werden. - Doch ist die Bestimmung der Verkaufsstundeneinteilung
den örtlichen Verhältnissen anzupassen.
Nein! Es dürfen in Berlin die Detailläden
bis 10 Uhr vormittag und von 12 bis 2 Uhr nachmittags offen gehalten
werden.
Nein! In Hamburg dürfen an den hohen Feiertagen,
das ist Weihnachten, Oftern. Pfingsten, die Kolonialwarenhändler
von 7 bis 9 Uhr vormittag - andere nicht - an Sonntagen im Sommer
von 7 bis 9 1/2 Uhr vormittag und 11 1/2 bis 2 Uhr nachmittag,
im Winter von 8 bis 9 1/4 Uhr vormittag und 11 1/2 bis
3 Uhr nachmittag, ferner an den vier Sonntagen vor Weihnachten
und dem Sonntag vor Neujahr von 8 bis 91/2 Uhr vormittag und von
11 1/2 bis abend alle Geschäfte offen haben.
4. Frage:
Wenn ganztägige Sonntagsruhe in Deutschland
eingeführt, wirkt selbe auf den Gefchäftsgang schädigend
und auf welche Branchen meistens?
Es hat eine Verringerung des Absatzes stattgefunden,
der sich jedoch, nachdem keine ganztägige, sondern nur bestimmte
Stunden Sonntagsruhe in Deutschland eingeführt ist, durch
die Gewöhnung an diese Anordnung ausgeglichen hat.
Nachdem keine ganztägige Sonntagsruhe
sondern nur 7 Stunden verkauft werden darf, gewöhnt man sich
an diese Bestimmung.
Der Detailhandel ist mit dieser Verordnung
unzufrieden, besonders die Kolonialwarenhandlung, weil Geschäfte,
die die Landkunde bedienen, sehr empfindlich geschädigt sind.
Wir ersehen daraus, daß die neu reformierten
diesbezüglichen Verhältnisse in Deutschland bei weitem
noch hinter den unseren zurück sind, wo wir seit Jahren die
volle Sonntagsnachmittagsruhe und andere, dem Auslande frommende
Begünstigungen unseren Angestellten eingeführt haben.
Ob es unseren Herren Mitarbeitern passen würde,
an Sonntagen mit Unterbrechungen erst um 2 oder 3 Uhr nachmittags
die Läden zu schließen? Außerdem an fünf
Sonn tagen vor Neujahr zu arbeiten, wo man bei uns wegen zwei
solchen schon Lärm schlägt!"
Mit Hochdruck wird seitens der Angestellten
um die Einführung der ganztägigen Sonntagsruhe bei allen
maßgebenden Behörden und den Reichsrats- und Landtagsabgeordneten
gearbeitet, man beschwört förmlich die Herren Abgeordneten,
sich der Handelsangestellten anzunehmen und bauscht diese Forderung
zu einer Existenzfrage auf! Wie wir konstatieren können,
haben in den diversen Versammlungen auch bereits einige Herren
Abgeordneten ihre Unterstützung zugesagt, ja nicht nur zugesagt,
sondern, wie die Berichte der Presse mitteilen, erklärt,
daß sie von der "Notwendigkeit" dieser Einführung
überzeugt sind!
Nur zu leicht wird eine Zusage gemacht, insbesondere,
wenn auf die Prinzipien der Humanität hingewiesen wird, denn
"dem Bedrängten" beizustehen ist ein "edles
Werk" und eines wahren Volksoertreters würdig. Man setzt
sich ganz besonders gerne für solche "humane Forderungen"
ein, insbesondere dann, wenn man annimmt, daß dem anderen
Teile dadurch kein Schaden entsteht!
Wir bitten aber unsere Herren Abgeordneten,
in unseren Kreisen, in den Kreisen ihrer Wähler, bei den
kaufmännischen Steuerträgern nachzufragen, ob denn diese
Forderung wirklich so unschuldiger Natur ist, die uns keinen Schaden
zufügt?
Leider, wenn auch erklärlich und entschuldbar,
ist den meisten Herren Abgeordneten der ganze Apparat des kaufmännischen
Getriebes fremd, wenigstens müssen ihnen die jetzigen kaufmännischen
Verhältnisse ganz fremd sein, sonst konnten einige der Herren
ihr Wort für diese Forderung gewiß nicht verpfänden!
Wolle man uns gestatten, noch eines Umstandes
zu gedenken, der gewiß zu dem Mitbeachtenswerten gezählt
werden muß: Falls diese Forderung der Angestellten zum Gesetze
erhoben würde, würde der Druck derselben den österreichischen
Grenzkaufmann ganz außerordentlich belasten, ja die größere
Zahl derselben wohl ruinieren! Es dürfte nur wenigen der
Herren Abgeordneten bekannt sein und auch die Regierungskreise
sind damit nicht genügend vertraut, daß heute schon
der österreichische Grenzkaufmann zufolge der verschiedenen,
bei manchen Artikeln ganz außerordentlich in die Wagschale
fallenden Zollverhältnisse des Auslandes gegenüber Oesterreich,
seinen oft kurz entsernt etablierten ausländischen Kollegen,
punkto "Konkurrenzfähigkeit" im großen Nachteile
ist. So ist zum Beispiel der ausländische Kaufmann bei Artikeln
wie Zucker, Kaffee, Rosinen, Petroleum, Gewürze etc., welche
doch die Kaffefüller jedes Kolonialwarenhändlers sind,
im ganz bedeutenden Vorteile, indem er selbe um 6-10 Pfennig per
1/2 Kilogramm billiger verkaufen kann, was doch bei dem bekannt
geringeren Nutzen dieser Branche gewiß ein nennenswerter
Faktor ist und von der Grenzbevölkerung in ausgiebigster
Weise benutzt wird. Wir können aus eigener Wahrnehmung konstatieren,
daß die in hunderten Fällen für diesen Zweck so
günstigen Situationen der österreichischen und ausländischen
Orte und Städte, der in nahen ausländischen Fabriken
und anderer Beschäftigung nachgehenden Arbeiterklasse nur
zu willkommenen Anlaß geben, um dort ihren täglichen
Bedarf an Lebensmitteln zu decken.
Aber nicht nur die Arbeiterklasse, oder die
zufällig über der Grenze Beschäftigten, sondern
scharenweise pilgern Kinder und Große die paar Schritte
über die Grenze, um das zollämtlich gestattete Minimumquantum
von Ware einigemale täglich nach Oesterreich zu schaffen,
was bei der großen Ausdehnung der Grenze abermals hunderttausende
von Kronen an geschäftlichem Nutzen dem österreichischen
Kaufmanne entreißt.
Sollte aber der österreichische Grenzkaufmann
noch zur Einhaltung der ganztägigen Sonntagsruhe gezwungen
sein, während, wie wir nachgewiesen haben, selbst die Hauptstädte
Deutschlands vor- und nachmittags an Sonntagen verkaufen dürfen,
für das Land, besonders aber die ausländischen Grenzorte
noch weitere, diesbezügliche Begünstigungen bestehen,
so ist es nur zu leicht begreiflich, daß es mit der Existenz
der österreichischen Grenzkaufleute so ziemlich schlecht
bestellt wäre, ja die größte Zahl derselben um
die Existenz gebracht würde. Diese Forderung gewähren,
heißt: "auf einer Seite "Humanität"
pflegen, auf der anderen "Brutalität" üben!
Wir können nicht annehmen, daß man
maßgebenden Orts und in den Abgeordnetenkreisen diese unsere
tatsächlich verbürgten Argumente nicht würdigen
will, sondern wir nehmen an, daß die betreffenden KK reise
über die Tragweite dieser Forderung bisher nicht oder nicht
genügend orientiert waren, weshalb wir lebhaft wünschten,
daß diese Darlegungen den gesetzgeberischen Kreisen ganz
Oesterreichs bekannt würden, damit dieser Forderung der Handels-
und Industrieangestellten gleich in vorhinein der Boden entzogen
würde.
In Anbetracht dieses unseres Gutachtens kommen
wir zur folgenden unwiderleglichen Schlußfolgerung:
"Die noch weitere Schmälerung der
Arbeitszeit im Warenhandel, welche von den Handels- und Industrieangestellten
durch die Forderung der ganztägigen Sonntagsruhe herbeigeführt
werden soll, bedeutet eine enorm große Schädigung des
ganzen Handels in Oesterreich, welche sich aber auch auf die Industrie
und sonstigen Erwerbszweige indirekt verpflanzen müßte.
Unsere Handelsverhältnisse halten bei
weitem nicht den Vergleich mit Deutschland aus, obzwar dieses
viel weniger Ruhepausen an Sonntagen, wie wir jetzt schon seit
Jahren geboten - gewährt. - Man möge doch hiherenorts
endlich zu der Ueberzeugung gelangen, daß die Grundlage
des Wohlstandes eines Volkes, eines Staates nur in gesunder Handelspolitik
liegt, die unserer Industrie das Arbeitsfeld öffnet und den
Handel fördert.
Wir versichern nochmals, daß unsere Ausführungen
nicht von Animosität gegen die Handels und Industrieangestellten
geleitet wurden, doch diese Forderung bringt den Handelsangestellten
nicht nur keinen Nutzen, sondern ist geeignet, nicht nur den jetzigen,
sondern auch den kommenden Chefs - also unseren Mitarbeitern -
den Angestellten selbst - dauernden geschäftlichen Nachteil
zu bringen, weshalb wir uns nochmals ganz entschieden gegen die
Bewilligung derselben aussprechen und bitten daher der Belastung
und teilweisen Existenzbedrohung des Detailhandels und der Industrie,
die unbedingt auch in Mitleidenschaft gezogen wird, dadurch einigermaßen
Einhalt zu tun, daß diese Forderung der Handels- und Industrieangestellten
nicht zur gesetzlichen Vorlage und Verhandlung gelange.
Da die in dieser Petition angeführten
Verhältnisse noch unverändert bestehen, erfolgt die
Anfrage:
Ist die hohe Regierung geneigt, auf die, in
dieser Petition enthaltenen Anregungen Rücksicht zu nehmen?
Prag, am 4. Feber 1910.
Abg. Dr. Herold und Genossen. |
Oberstlandmarschall: Anfrage
der Abgeordneten Dr. Pergelt und Genossen an seine Exzellenz den
Herrn Statthalter.