Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Finanzminister hat uns im Staatsvoranschlage ein ziemlich reiches Ziffernmaterial geboten und aus diesem Ziffernmaterial haben meine Herren Vorredner geschöpft, um zu zeigen, wie die einzelnen Ressorts, die einzelnen Ministerien und die ihnen unterstehenden Verwaltungszweige im Staatsvoranschlage bedacht worden sind. Der Staatsvoranschlag weist, vom nationalen Standpunkt aus betrachtet - und von diesem Gesichtspunkte aus möchte ich den Staatsvoranschlag, soweit es die Zeit zuläßt, einer Prüfung unterziehen, - den großen Mangel auf, daß es unmöglich ist, daraus zu entnehmen, in welcher Weise die einzelnen in diesem Staate wohnenden Völker bedacht sind. Man kann das nur in großen Zügen entnehmen, in den Details ist dies unmöglich. Wir haben in der vorigen Woche die Generaldebatte über den Staatsvoranschlag abgeführt und sind jetzt zur Spezialdebatte geschritten. In der Generaldebatte nun hat sich ein Ergebnis gezeigt und dieses Ergebnis war das, daß die Herren von der èechischen Seite endlich einmal zur Einsicht gelangt sind, daß es in diesem Staate ein Nationalitätenproblem gibt. Bisher haben sie die Tatsache, daß es ein solches Problem gibt, geleugnet, und es ist ein Zeichen des Fortschrittes, wenn ein derartig übertrieben nationalistisch geschriebenes Organ wie die "Národní Politika" den zurückgekehrten Legionären zuruft, es handle sich halt doch nicht um einen rein èechischen Staat: "Náš stát pøece není èistì národní . . . ." und sie darauf aufmerksam macht, daß sie mit Minderheiten, mit beträchtlichen Minderheiten anderer Völker zu rechnen haben und sich nicht der in ihnen in Rußland erzeugten Fantasie hingeben dürfen, daß es sich um einen rein èechischen Nationalstaat handle.
Das Nationalitätenproblem also ist aufgerollt, auch von der èechischen Seite aufgerollt und es fragt sich, welche Grundlagen für die Lösung des Nationalitätenproblems maßgebend sein sollen. Nach èechischer Auffassung liegt das ganze Um und Auf des Nationalitätenproblems darin, wie sich die Deutschen zu diesem Staate stellen, ob sie geneigt sind, eine Loyalitätserklärung diesem Staate gegenüber abzugeben, nicht nur diese Erklärung abzugeben, sondern sich auch loyal zu verhalten. Das ist eine Grundlage für die Lösung des Nationalitätenproblems, die ganz und gar unhaltbar ist. Ganz im Gegenteil. Nicht der Umstand ist maßgebend, wie sich die Deutschen zu diesem Staate verhalten, sondern maßgebend ist der Umstand, wie sich der Staat und das Volk, welches in diesem Staate die Herrenrolle spielen will, zu den Deutschen verhält. Und da müssen sich nun für die Lösung auf dieser Grundlage folgende Richtlinien ergeben: erstens einmal muß festgestellt werden, daß diese Richtlinie nicht sein darf der Nationalismus Dr. Kramáø's, denn diesem fehlen die sittlichen Grundlagen des Nationalismus und die weltpolitische Perspektive. Zwischen dem Nationalismus eines Dr. Kramáø und dem Nationalismus beispielsweise unseres Lodgman besteht derselbe Unterschied, wie zwischen einem hellodernden verzehrenden Feuer und einem wohltuenden wärmenden häuslichen Herdfeuer. Die Richtlinie besteht also nicht in einem chauvinistischen imperialistischen Nationalismus, sie liegt vielmehr erstens einmal in der sittlichen Anschauung über die Heiligkeit des Lebens eines Volkes und daher der Verwerfung der Unterdrückung eines Volkes und zweitens in der Unterwerfung unter die zwingende Logik der gegebenen Tatsachen. Diese unleugbaren Tatsachen sind, daß in dieser Republik mehr als 3 1/2 Millionen Deutsche im geschlossenen Sprachgebiet wohnen, daß diese 3 1/2 Millionen ein Teil des angrenzenden 70-Millionenvolkes sind, und die geographische Lage dieses Staates. Demgegenüber, gegenüber diesen Richtlinien, steht die èechische Fiktion von dem verdeutschten gemischtsprachigen Gebiete und von der Möglichkeit, trotz der geographischen Tatsachen den Staat durch Militärkonventionen schützen zu können. Wir müssen also, wenn wir uns bemühen wollen, den Herren von der èechischen Seite Richtlinien zu geben, nach denen sie ihren Staat aufbauen müssen, wenn sie den Staat erhalten wollen, aus dieser Tatsache die Folgerungen ziehen. Ich sagte, die geographische Lage dieses Staates weist darauf hin, daß er durch die besten, schönsten Militärkonventionen sich für den Fall eines feindlichen Angriffes nicht am Leben zu erhalten vermag. Der Staat ist daher in erster Linie darauf angewiesen, die Freundschaft seiner Deutschen, derjenigen Deutschen zu suchen, die er - ich will nicht sagen, auf welche Weise - in sein Gebiet hineingezwungen hat; er ist aber auch darauf angewiesen, das Wohlwollen und die Freundschaft des benachbarten Deutschen Reiches zu suchen. Es ist lächerlich, wenn man Tatsachen verkennen will, wenn man sich verblenden läßt von imperialistischen Gelüsten und wenn man trotz aller natürlichen, gegebenen Tatsachen eine westliche Orientierung sucht und in der Unterstellung dieses Staates unter Frankreich als Vasallenstaat die Sicherungen gegeben erachtet für den Bestand dieses Staates.
Es wird also notwendig sein, daß der Staat in erster Linie auch seine Außenpolitik vollkommen umorientiert, wie eines der schönen neugeprägten Worte lautet: er wird das bisherige nahezu feindschaftliche Verhältnis zu Deutschland und Deutschösterreich aufgeben müssen, er wird aufgeben müssen die geradezu feindselig anmutenden wirtschaftlichen Absperrungsmaßregeln gegenüber Deutschland und Deutschösterreich. Wieviel namentlich die deutschen Randgebiete durch diese Absperrungsmaßregeln gelitten haben, ist unbeschreiblich und nam entlich hat unter diesen Absperrungsmaßregeln auch jene Klasse des Volkes gelitten, die am meisten der Unterstützung bedarf, nämlich der Arbeiter. Wie viele ungezählte Wiengeher, Sachsengänger, Maurer, gibt es, die im Frieden ihr Auskommen, ihr Brot gefunden haben im benachbarten Deutschösterreich, Sach sen u. s. w. Durch die dem Umsturz folgenden Absperrungsmaßregeln wurden diese Leute brotlos gemacht und das, was der Staat dafür bietet und manchmal auch nicht bietet, die Arbeitslosenunterstützung, ist ja doch nur ein Gnadengeld, das eigentlich die Betroffenen hätten mit Recht zurückweisen müssen, weil wir ja als moderne Menschen und somit auch Ihr Staat als moderner Staat auf dem Standpunkte stehen müssen, daß jeder einzelne Staatsbürger das Recht auf Arbeit hat. Was nun die Verhältnisse des Staates und des Staatsvolkes zu den Deutschen in seinem Innern, zu denjenigen Deutschen, die durch die Friedensverträge in seinen Staat hineingezwungen wurden, anbelangt, so liegt eigentlich der beste Ausdruck für die bi sher herrschende Denkungsart der èechischen Mehrheitsparteien für dieses Verhältnis darin, daß sie, wie bereits erwähnt, das geschlossene deutsche Sprachgebiet nicht anerkennen wollen, sondern immer nur vom "znìmèené" oder "smíšené území" reden, worin der èechische Imperialismus, der fiktive Anspruch auf die Èechisierung dieser Gebiete seinen besten Ausdruck findet. Meine Herren, Sie sprechen fort davon - die Herren von der èechischen Seite nämlich - daß die Deutschen verpflichtet wären, in diesem Staate mitzuarbeiten und wir haben von èechischer und deutscher Seite über diese Mitarbeit Worte gehört, mit denen man gegebenenfalls übereinstimmenkönnte oder auch nicht. Aber eines ist Tatsache: solange das èechi sche Volk eine derartige Denkungsweise hat, wie sie in dem Worte "oèista" und in seiner Anwendung auf die Prager Verhältnisse zum Ausdruck kommt, solange ist an eine Änderung des Verhältnisses der Deutschen in diesem Staate zu den Èechen in diesem Staate überhaupt nicht zu denken. Wenn man sagt, daß man in Prag oder in anderen Städten Gassen, Plätze reinigen müsse von der deutschen Sprache, so kommt darin zum Ausdruck, daß die deutsche Sprache etwas verächtliches, schmutziges sei. Und solange das Staatsvolk in diesem Staate eine Ansicht hat über uns, die unserer Sprache derartig ins Gesicht schlägt, solange wird es eine Fläche, auf der wir uns vereinigen können zu irgend einer Mitarbeit, nicht geben. Es ist also notwendig, daß sich das èechische Volk von der Denkungsart, die ihm ward durch den Nationalismus eines Dr. Kramáø, freimacht. Die Partei Dr. Kramáø's ist heute eine zahlenmäßig kleine Partei, aber der Geist des Dr. Kramáø, die Mentalität seines Nationalismus hat nahezu die ganze Masse des èechischen Volkes erfaßt. Beweis dessen ist, daß sich das Wort von der "oèista" nicht nur in èechischen nationalistischen Blättern, sondern auch in sozialistischen Blättern findet. Beweis dessen ist, daß auch sozialdemokratische èechische Organe nicht davor zurückscheuen, entgegen allen Tatsachen, entgegen der Geschichte unser urdeutsches geschlossenes Sprachgebiet als "znìmèené území" zu bezeichnen, daß auch sie die Tatsachen so verfälschen, daß sie ein rein deutsches Gebiet nicht anerkennen, sondern nur von einem "smíšené území" reden.
Wenn einmal die Èechen zur Erkennung der Tatsachen gekommen sein werden, daß wir Deutsche hier sind, daß wir ein geschlossenes Sprachgebiet bewohnen, daß es für ihren Staat notwendig ist, sich mit uns in ehrlicher Weise auseinanderzusetzen, dann werden sie auch ganz anders denken lernen über die von uns erhobene Forderung der Selbstverwaltung, auf der wir unter allen Umständen und immer bestehen bleiben müssen. Eine Vorbereitung wenigstens zu einer Besserung der Verhältnisse wäre darin gegeben, wenn man zuvörderst an eine Entpolitisierung der Verwaltung schreiten wollte. Diese Entpolitisierung der Verwaltung wäre viel wichtiger als die Entpolitisierung der Armee, wie sie sich beispielsweise der Herr Nationalverteidigungsminister vorstellt. Ich werde darauf noch zu sprechen kommen. Diese Entpolitisierung der Verwaltung müßte sich in doppelter Richtung vollziehen: Erstens müßte ausgeschaltet werden der Einfluß nichtstaatlicher Organe auf die staatliche Verwaltung. Es gibt sich doch heute keiner von uns einer Täusch ung darüber hin, daß die èechischen Schutzvereine, wie sie in den verschiedenen jednoty organisiert sind, daß die výbory, die trotz aller formalen Aufhebungen heute noch bestehen, daß die družiny der Legionäre viel einflußreicher sind als die einzelnen Ministerien oder die einzelnen Chefs dieser Ministerien. Ich habe es wiederholt in meiner Praxis als Abgeordneter und Politiker erlebt, daß es zu irgendwelchen Verhandlungen kann, wo es sich um eine Schule oder um einen Gegenstand - Sie gestatten, daß ich das bei Ihnen so verpönte Wort gebrauche unseres deutschen Besitzstandes handelte. Wer erschien bei solchen Verhandlungen? Ein amtlicher Kommissär, sagen wir ein Ingenieur, wenn es sich um eine Schule handelte, dann wurde die Stadtgemeinde und der Ortsschulrat zugezogen, also lauter staatliche oder autonome Behörden, bzw. deren Vertreter. Wer erschien aber überdies? Zu meiner großen Überraschung auch noch der Vertreter eines výbor, einer menšina, einer jednota pošumavská.
Ich frage, was haben nationale Schutzvereine, was haben Vertreter der namenlosen Masse, Vertreter eines výbor bei Verhandlungen zu tun, die von den Behörden mit den betreffenden Interressenten geführt werden? Welchen geradezu für den Staat verhängnisvollen Einfluß die výbory spielen, darüber sei mir gestattet, noch einige Worte zu verlieren. Es handelt sich beispielsweise um die Besetzung eines Beamtenpostens, um die Qualifizierung eines Beamten. Nicht der vorgesetzte Beamte gibt sein Gutachten darüber ab, das heißt, er gibt es ab, aber das fällt nicht in die Wagschale. Das müßte aber einzig und allein richtunggebend sein, denn der vorgesetzte Beamte ist dazu qualifiziert. Richtunggebend aber ist das, was der betreffende Vorsitzende des národní výbor oder der Vertreter des national-èechischen Schutzvereines sagt. Hier sind die Bedingungen für die richtige Beurteilung nicht gegeben, denn niemand kennt die sittliche und fachliche Qualifikation dieses výbor-Mannes, der sein Urteil über den betreffenden Beamten ausspricht. Es ist mir wiederholt vorgekommen, daß sowohl bei den politischen Bezirksbehörden als auch bei den höheren Instanzen die Herren erklärt haben, sie möchten gerne, aber sie dürfen nicht, die Sache sei ein Politikum. Das heißt, die Sache wird nicht ausgemacht bei den hiezu berechtigten Instanzen, sondern diese Instanzen stehen unter dem Diktat der "výbory", der "družina", der "jednota". Wir müssen also in dieser Hinsicht die Entpolitisierung der Verwaltung fordern.
Wir müssen aber in zweiter Linie auch fordern, daß für die Anstellung der Beamten in allen Ressortzweigen maßgebend sei deren sachliche Qualifikation und nicht die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zum èechischen Staatsvolke. Was haben wir alles seit dem Umsturze erlebt! Wir sahen, wie ein deutscher Amtsvorstand nach dem anderen abgesägt wurde. Ich möchte besonders - weil ich mich ja mit diesem Referate eingehend befaßt habe über die Verhältnisse im Postwesen sprechen. Es ist nach dem Umsturze nahezu kein einziger deutscher Postmeister in seinem Amte geblieben und unsere Bemühungen, diese abgesägten deutschen Postmeister wieder auf ihre Stellen zurückzubringen, sind immer gescheitert. Nie haben es der Postminister oder der Postdirektor gewagt, zu sagen: "Ich werde diesen Postmeister auf seine Stelle nicht mehr zurückgeben", sie haben immer vertröstet und vertröstet, es seien noch Erhebungen im Zuge, das und jenes müsse noch klargestellt werden, und sie haben uns solange vertröstet, bis es heute geworden ist, wo unsere deutschen Postmeister noch immer von ihren Posten suspendiert sind; und es wird auch nicht bedacht, daß durch diese interimistische Besetzung der Postämter, durch diese Postadministrationen, wo doch überall gesunde, ehrliche, brav arbeitende Postmeister verfügbar wären, dem Staate ganz ungeheuerliche und ungerechtfertigte Auslagen erwachsen. Wir machen dieselben Verhältnisse, wie beim Postministerium, auch in den anderen Ressorts mit. Kollege Keibl hat gestern die Wünsche der deutschen Richterschaft vertreten, und ich möchte dabei nur darauf hinweisen, daß es auch hier sozusagen gang und gäbe ist, daß man keinen Präsidentenposten, der von einiger Wichtigkeit ist, mit einem Deutschen besetzt, sondern immer sozusagen als unumgängliche Qualifikation für einen solchen Posten aufstellt, daß der betreffende dem èechischen Staatsvolk angehört.
Ähnliche Verhältnisse haben wir im Notarenstande. Wir sehen, daß ein bedeutender deutscher Posten nach dem anderen in èechische Hände übergeht und ich muß sagen, ich staune wirklich über die Courage der èechischen Kollegen, der èechischen Notare, die sich um deutsche Posten bewerben und in deutsche Bezirke gehen. Ich muß offen sagen, wenn ich um einen èechischen Posten, um einen Posten im èechischen Gebiete ansuchen sollte, würde ich trotz meiner èechischen Sprachkenntnisse es mir sehr überlegen, denn ich wüßte genau, daß ich dort wirtschaftlich boykottiert würde. Das aber setzen die Herren trotz allen Wetterns gegen die angeblich barbarischen Sitten bei uns Deutschen nicht voraus. Die èechischen Kollegen im Notarenstande zum Beispiel wissen ganz genau, wie lammfromm die deutsche Bevölkerung ist und daß sie dem èechischen Notar genau so zulaufen wird, wie sie es bei einem deutschen Notar tat.
Nun möchte ich einige Worte über das Kapitel Heerwesen verlieren. Es ist mir wie heute noch erinnerlich: als ich wegen meiner verbrecherischen deutschen Gesinnung einige Wochen nach dem Umsturz in Budweis das Vergnügen hatte, in einem Lokal der Militärpolizei, in einer Kaserne zu verweilen, sah ich dort die Anschläge des Herrn Nationalverteidigungsministers Klofáè, in welchen er wie ein Soldatenvater zu seinen Kindern sprach und diese seine Kinder, die Soldaten, versicherte, daß das erste, was die èechische Republik im Gegensatz zum alten Österreich einführen werde, die Abschaffung des Militarismus in seiner bisherigen Form und die Einführung des Milizsystems sei. Mehr als zwei Jahre sind seit diesem Maueranschlag des Herrn Klofáè vergangen und wir sehen noch immer keine Rüstung dazu, daß das Kadersystem abgeschafft und das Milizsystem eingeführt werde.
Der Herr Minister für nationale Verteidigung hat uns im Wehrausschuß ein langes Exposé dargeboten, ein Exposé, von dem der Herr Abg. Myslivec so begeistert war, daß er es sogar in Druck gelegt und in der Bevölkerung verbreitet wissen wollte. Ich habe in dem Exposé das wichtigste vermißt: Der Nationalverteidigungsminister hat sich des Langen und Breiten geäu ßert über die Vorfälle in Eger, Asch u. s. w., er hat sie von seinem Standpunkt aus darzustellen versucht, der Herr Minister hat es für notwendig befunden, eine von mir gar nicht gehaltene Rede auf Grund einer Gendarmerieanzeige in seinem Exposé vorzubringen, er hat von der Entpolitisierung der Armee gesprochen, aber von dem, was uns demokratisch denkende Leute am meisten interessiert, von dem Umstand, wann die Herren das im Wehrgesetz von der Regierung und den Gesetzgebern dieses Staates gegebene Versprechen einlösen werden, das Milizsystem ehebaldigst einzuführen, davon haben wir im Exposé des Herrn Ministers nichts gehört. Der Herr Minister hat von der Entpolitisierung der Armee gesprochen. Er fürchtet, daß die Politisierung der Armee zu weit fortschreiten und die Armee zersetzen könnte. Ich glaube, diese Befürchtung ist ganz und gar unangebracht, und ich glaube auch, daß wir als demokratisch denkende Leute das einmal den Soldaten verliehene Wahlrecht zur Entsendung ihrer Vertreter ins Parlament nicht werden nehmen können. Etwas anderes wird es vielle icht sein, wenn dem Minister ich glaube aber, daß ihm diese Absicht ziemlich ferne liegt - daran gelegen wäre, das Gemeindewahlrecht der Soldaten zu ändern, welches dazu geführt hat, daß man so herrliche Ergebnisse für das èechische Staatsvolk in dem znìmceném území erzielt hat. (Souhlas nìmeckých poslancù.)
Der Herr Minister hat auch gar nicht Stellung genommen in seinem Exposé zu den vom Deutschen parlamentarischen Verband überreichten militärischen Forderungen und doch hätte er dies tun müssen; denn der Deutsche parlamentarische Verband ist eine Körperschaft, mit der man rechnen muß, sie ist da und wird sich auch nicht entfernen lassen, auch wenn man hie und da solche Späße, wie die Ausschließung der deutschen Abgeordneten, versuchen sollte. Der Deutsche parlamentarische Verband hat sehr ernste Forderungen aufgestellt, darunter eine Forderung, die sofort alle diese Vorfälle, die sich in den letzten Wochen abgespielt haben, eseitigen würde, die Gefahr, die in denselben liegt, entfernen würde, und das ist die Forderung, daß man in unser deutsches Siedlungsgebiet deutsche Truppen gibt. Wenn der Herr Minister für nationale Verteidigung diese Forderung erfüllen wird, würde auf einmal in das deutsche Gebiet auch die Ruhe einkehren.
Dieses deutsche Gebiet hat seine Ruhe verloren, nicht infolge des Verhaltens der deutschen Bevölkerung, wie der Herr Minister anzuführen so liebenswürdig war, sondern infolge des Verhaltens der èechischen Besatzungstruppen. Es ist in den Tagen, wo sich diese Sachen abgespielt haben - es sei mir gestattet, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen - unverantwortlich viel gehetzt worden, gerade von den Organen der èechischen Intelligenz. In einem dieser Preßorgane las ich beispielsweise, daß der bekannte und verdiente Minoritätenführer Titìra in einer Versammlung festgestellt hat, als Vertreter der Nár. jednota pošumavská soweit haben sich seine Darlegungen auf den Böhmerwald bezogen - daß die Deutschen in ihren Siedlungsgebieten gegenüber den Besatzungstruppen Bestialitäten begehen. Ich muß als Sohn des deutschen Böhmerwaldes diese Beleidigung meiner Landsleute auf das Entschiedenste zurückweisen. Ich würde mich mit meinen Kollegen und mit den Deutschen, die in Prag zu wohnen bemüßigt sind, glücklich fühlen, wenn wir in Prag so behandelt würden, wie die Èechen und die èechischen Besatzungstruppen von unserer deutschen Böhmerwaldbevölkerung behandelt werden. Wir würden uns sicherlich nicht durch diese Behandlung zu Klagen oder zu Demonstrationen veranlaßt fühlen. Ich wundere mich darüber, daß der Herr Minister für nationale Verteidigung zu den wirtschaftlichen und sozialen Forderungen, die wir bezüglich der Angehörigen der Wehrmacht in unserer Interpellation gestellt haben, nicht Stellung genommen hat. Ich muß, um der Wahrheit die Ehre zu geben, feststellen, daß der derzeitige Verteidigungsminister für diese Forderungen mehr Verständnis aufzubringen scheint als seine Vorgänger.
Aber es geht doch nicht an, daß beispielsweise die Lebensverhältnisse der nicht übernommenen Gagisten derart in Frage gestellt werden, wie es dadurch geschehen ist, daß man diesen Leuten am 1. November überhaupt alle Bezüge eingestellt hat, daß sie dem absoluten Nichts gegenüber gestanden sind, und daß man jetzt über fortwährende Bitten und Beschwerden von deutscher Seite dazu geschritten ist, dem Ausschuß einen Gesetzantrag zu unterbreiten, demzufolge die Herren dieser Kategorie ihre Versorgungsgenüsse wieder nur bis ersten Jänner 1921 sichergestellt haben, Versorgungsgenüsse, die eigentlich überhaupt keine sind. Wenn heute ein Mensch auskommen soll mit 250 K monatlich, so muß man sagen, daß er dies beim besten Willen und bei aller Sparsamkeit absolut nicht im Stande sein wird.
Meine verehrten Herren, ich habe
mich bemüht zu zeigen, wo der Grundfehler in diesem Staate liegt,
ein Bemühen, welches eigentlich ganz unangebracht ist, denn dieses
Bemühen müßten die Herren von der èechischen Seite an den Tag
legen. Geben Sie sich, meine Herren von der èechischen Seite,
keiner Täuschung darüber hin, daß Sie zum Bestande Ihres Staates,
wenn Sie den Staat erhalten wollen, wenn das die breiten Volksmassen
bereits beherrschende Gefühl schwinden soll, daß der Tag, an dem
dieser Staat sich nicht mehr wird halten können, nur ein dies
certus an incertus quando ist, wenn dieses Gefühl schwinden soll,
Sie sich die Liebe und die Freundschaft der in diesem Staate lebenden
Deutschen erwerben müssen. Sie brauchen unser Wohlwollen, Sie
brauchen unsere Freundschaft für den Bestand Ihres Staates. Wir,
meine verehrten Herrschaften, brauchen für den Bestand unseres
Volkes und auch für den Bestand des Bruchteiles unseres Volkes,
welcher in diesem Staate lebt, die Zuneigung Ihres Staates nicht,
denn wir werden auch ohne diese Zuneigung leben. Uns wird niemand
umzubringen vermögen. Ein Volk ist ein organisches Gebilde und
ein organisches Gebilde zerschlägt man nicht durch Kunststücke,
zerschlägt man nicht durch Verfolgungen. Ich weiß heute genau,
daß ich mich mit diesen Darlegungen und Wünschen nicht zu wenden
habe an den Herrn Ministerpräsidenten oder an die Regierung. Nicht
bei dieser Regierung liegt die Macht. Die Macht liegt bei den
èechischen Mehrheitsparteien. Und diese Herren mögen darauf sehen,
daß an ihnen nicht das Dichterwort wahr werde: "Was ist die
Mehrheit? Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen." Bisher
hat es den Anschein gehabt, daß dieses Dichterwort auf die Herren
von der èechischen Mehrheit nahezu wie angegossen paßt, denn das,
was sie der deutschen Bevölkerung gegenüber getan haben, die Zurücksetzung
der deutschen Bevölkerung, die Nichtanerkennung der Deutschen
als ein geschlossenes Ganzes in diesem Staate, hat von wenig Verständnis
gezeigt. Es ist auch, wie ich schon einmal erwähnt habe, in der
letzten Zeit sehr viel von der Mitarbeit der Deutschen in diesem
Staate gesprochen worden. Diese Mitarbeit wird dann gegeben sein,
wenn Sie sich bemüht haben und mit Erfolg bemüht haben, die Gerechtigkeit
unserer Forderungen anzuerkennen und unsere Mi nimalforderungen
und unsere Maxi malforderungen - denn darüber gibt es kein Handeln
- unsere Forderung nach Selbstverwaltung zu erfüllen. (Souhlas
a potlesk nìm. poslancù.) Denn dann werden wir mitarbeiten,
dann werden wir sehen, daß es eine Arbeit ist für das Wohl unseres
heißgeliebten Volkes, und zu dieser Arbeit sind wir immer zu haben.
(Souhlas a potlesk nìm. poslancù.)
Meine sehr geehrten Herren und Damen! Unter allen Kapiteln des dem Hause vorgelegten Staatsvoranschlages ist es das Kapitel über die nationale Verteidigung, das unsere schärfste Ablehnung erfahren muß. Bildet doch dieses Kapitel die Grundlage eines Militarismus, dessen schreckliche Folgen und fürchterlichen Auswüchse uns allen noch in deutlicher Erinnerung sind. Und wir werden keine Gelegenheit vorübergehen lassen, die sich in diesem Hause bietet, um den Kampf gegen diesen Militarismns mit den schärfsten Waffen zu führen. Kapitalismus, Imperialismus, Geheimdiplomatie und Militarismus, das ist ein vierblättriges Kleeblatt, das stets zum Unheil der Völker geworden ist. Der Militarismus schafft eine Kaste, die sich über das Volk erhaben dünkt, sich über dem Staat stehend betrachtet und, um ihre Existenzberechtigung zu erweisen, immer dem Kriege zustreben muß. Der Kampf gegen den Militarismus, seinen Geist, seine unheilvollen Tendenzen, seine schlimmen Folgeerscheinungen ist, an sich betrachtet, gar nicht spezifisch sozialdemokratisch und erlangt nur in unserer Zeit den äußeren Charakter als sozialdemokratisches Spezifikum erst dadurch, daß die bürgerlichen Parteien sich teils überhaupt zu diesem Kampfe nicht bekennen, ihn als Auflehnung gegen Autorität und Ordnung verurteilen, teils ihn sehr lässig und unernst betreiben. Schon der liberale Kulturhistoriker Wilhelm Humboldt schrieb zur Zeit der großen französischen Revolution in seinem bekannten Werk "Über die Grenzen der Wirksamkeit der Staaten" über den Krieg folgendes: "Der Staat soll den Krieg auf keinerlei Weise fördern. Er muß sich vorzüglich aller positiven Einrichtungen enthalten, die Nation zum Krieg zu bilden, oder ihnen, wenn sie, wie zum Beispiel die Waffenübungen der Bürger, schlechterdings notwendig sind, eine solche Richtung geben, daß sie der Nation nicht bloß die Tapferkeit, Fertigkeit und Subordination eines Soldaten beibringen, sondern den Geist echter Krieger, oder vielmehr edler Bürger einhauchen, die für ihr Vaterland zu fechten immer bereit sind. Der Militarismus ist unvereinbar mit der Demokratie und bildet eine stete Gefahr für die Freiheit und Weiterentwicklung der Völker zu einer höheren Kulturstufe." Die Herren von der Rechten werden Wilhelm von Humboldt, den deutschen Kulturhistoriker, nicht gelten lassen, ich will Ihnen aber einen ihrer Landsleute zitieren. In der 96. Sitzung des österr. Abgeordnetenhauses, den 22. Jänner 1912, sagte der damalige Abgeordnete Fresl: "Zunächst, meine Herren, konstatiere ich, daß jede Armee überhaupt, und demnach auch die unsrige, nur dem kapitalistischen Interesse und der Reaktion gegenüber dem Volksinteresse dient und nur gegen die anwachsende Bedeutung der Demokratie gerichtet ist." Das, was damals Fresl für die österr. Armee gesagt hat, gilt im unveränderten Maße auch heute noch für die Armee dieses Staates. Wir haben immer gehört, als dieser Staat gegründet wurde, daß man sich bemühen werde, aus der Èechoslovakei eine Art höherer Schweiz zu bilden.
Den Beweis dafür ist man uns überall schuldig geblieben und gerade hier auf dem Gebiete der Heereseinrichtung, wo man uns die Miliz versprochen hat, wäre ein Muster vorhanden in den Milizeinrichtungen der Schweiz, die nur nachgeahmt zu werden brauchen. Vorläufig sind freilich Anzeichen dafür, daß man es ernstlich meint mit der Umgestaltung unserer gegenwärtigen Heeresorganisation in eine Miliz, nicht vorhanden. Im Gegenteil. Während wir im alten Österreich die Einrichtung hatten, daß die Regierung jedes Jahr an das Abgeordnetenhaus herantreten und die Bewilligung für die Aushebung der Rekruten fordern mußte, ist in diesem Wehrgesetz vorgesehen, daß durch 5 Jahre hindurch die Heeresverwaltung, beziehungsweise die Regierung von dieser Sorge enthoben ist. Was Fresl schon gesagt hat, das will ich wieder zitieren und beweisen, daß dieser Militarismus die Stütze des Kapitalismus ist. Es ist diesem Hause mehr um die Bekämpfung des Feindes im Innern als des äußeren Feindes zu tun. Sie haben sich nicht geschämt, aus der alten Heeresverfassung den § 1 des Wehrgesetzes herüberzunehmen, der da lautet, daß das Militär zur Mitwirkung bei der Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Innern des Staates berufen ist. Heute geht es gegen die Deutschen, morgen oder übermorgen kann es gegen die Arbeiter gehen, ohne Unterschied der Nation, wie wir es in diesem Staate schon erlebt haben. Beweis die Ereignisse vom 4. März 1919, die gewalttätigen Übergriffe der Soldateska in Hultschin und die Fälle, die sich in Zuckmantel ereignet haben. Für alle diese Ereignisse, an denen der Militarismus schuld ist, sucht man nachträglich die Schuldigen im Volke. In Zuckmantel hat man die Soldaten auf das deutsche Volk gehetzt, die Unordnung ist erst entstanden, die Situation wurde erst gefährlich, als das Militär erschienen ist. Jetzt geht man aber daran, die Schuldigen an diesen Ereignissen im Volke zu suchen. Meine Herren! Auch in diesem Staate wird es wieder zum Grundsatze werden müssen, daß auch nur ein Tropfen Blut des Mitbürgers viel kostbarer ist als zerbrochene Fensterscheiben, Straßentafeln oder gar das gefährdete Prestige der Staatsautorität. (Souhlas nìm. poslancù.) Wir fordern mit allem Nachdrucke den Abschluß der Zuckmantler Untersuchungen, damit die unschuldigen Opfer dieser Ereignisse, die nun schon ein halbes Jahr im Gefängnisse schmachten, freigegeben werden, und wir fordern, daß das Militär zur Aufrechterhaltung der sogenannten Ordnung im Innern unter keinen Umständen verwendet werden darf.