Støeda 1. prosince 1920

Die durchgeführte Einberufung der Rekruten zeigt uns einen vollständigen Bankerott unserer jungen Heeresorganisation, zeigt uns, daß diese nicht fähig ist, den ökonomisch - administrativen Dienst ordnungsgemäß durchzuführen. Es wurden am 1. Oktober 150.000 Rekruten einberufen, wederTransport, noch Unterkunft, noch Bekleidung, noch Verpflegung, kurz, kein Gegenstand klappte. Uberall sind ärgste Unzukömmlichkeiten, und wir haben in der Interpellation, die wir an den Minister für nationale Verteidigung gerichtet haben, eine ausführliche Darstellung dieser Unzukömmlichkeiten gegeben. Wir fordern, daß diese Interpellation auch beantwortet werde. Am ärgsten sind die Verhältnisse bezüglich der Behandlung der Rekruten in der Slovakei. Ich will ergänzend zu den Ausführungen in unserer Interpellation noch folgende krasse Fälle mitteilen: Bei der Garnison in Horní Kubin herrschen folgende Zustände (ète): "Ich will Euch bitten, ob Ihr mir nicht Brot senden könnet" - schreibt ein Rekrut "oder etwas Haferreis, wir fassen hier sehr wenig und haben ständig Hunger." Vom dritten Reiterregiment in Stará Kala: "So schlecht hätte ich mir das Soldatenleben in der èsl. Republik nicht vorgestellt. Es ist noch schlimmer als im alten Österreich. Ich war doch 19 Monate an der Front, aber ein solches Schweineleben haben wir dort nicht gehabt als momentan. Die Menage ist auch sehr schlecht und zu wenig. Es sind Slovaken als Köche und man kann deren Küche kaum genießen. Natürlich werden wir auch mit den schönsten Namen betitelt. Ein Slovake wurde sogar schon von einem Zugsführer geschlagen." Beim 202. Artillerie-Regiment in Slovakisch-Bøežov herrschen folgende Zustände (ète): "Trotzdem schon 5 Wochen seit unserem Einrücken verstrichen sind, haben die meisten noch dieselbe Wäsche am Körper, mit der sie wegfuhren". - Die höhere Schweinerei! - "Obwohlden meisten schon die Wäsche stückweise vom Leibe fällt." Wir könnten diese Litanei noch bedeutend ergänzen. (Výkøik: In jeder größeren Garnison ist es so!) So ist es. Wenn Sie auf die Post oder die Bahnhöfe gehen, so finden Sie hunderte von runden Paketen, das sind Brote, die sich die armen Leute absparen, um sie ihren Söhnen zu schicken. Entweder kann der Staat die Soldaten ernähren, oder wenn er es nicht kann, dann soll er sie einfach nach Hause schicken, aber nicht sie dort hungern lassen, das ist unerhört. (Posl. Heeger: In Untersuchungshaft werden sie gesteckt!) Ich komme darauf noch zu sprechen. Wir müssen unter allen Umständen darauf dringen und ich glaube, daß es eine Ehrenpflicht des demokratischen Staates sein muß, daß in unserem Militarismus sofort jene Einrichtungen getroffen werden, die unsere Söhne vor diesen Zuständen schützen. Das ist nur möglich durch die Schaffung von sogenannten Vertrauensmännern für die eiuzelnen Unterabteilungen bei unserem Heereskörper. Diese Einrichtung ist nichts Neues. Ich erinnere die Herren, die an der Front waren, daran, daß schon 1917 und 1918 objektiv denkende kluge Offiziere in eigener Machtvollkommenheit dieses Vertrauensmännersystem bei ihren Regimentern und Unterabteilungen geschaffen haben. Es war eine wohltätige Einrichtung, es ist dadurch erzwungen worden, daß nicht die Mannschaftsmenage zu Gunsten der Offiziersmenage bestohlen worden ist, wie es beim Landsturminfanterieregiment 13 der Fall gewesen ist. Dieses Vertrauensmännersystem ist wenigstens ein Notbehelf, um alle Übelstände, soweit es angängig ist, sofort abzustellen. (Výkøiky: Soldatenräte einführen!) Soldatenräte sollen das Recht haben, jede Beschwerde der Mannschaft über Verpflegung, Unterkunft und Verabfolgung von Gebühren sofort unter Nichteinhaltung des Dienstweges den Unterabteilungen bzw. den Regimentskommanden zu übermitteln. Wir müssen auch hier die Garantie haben, daß die Beschwerden, die dem Hause zukommen, die den Abgeordneten übermittelt werden, auch tatsächlich verfolgt werden und die Übelstände abgeschafft werden. Wie es heute damit aussieht, dafür liegen schon jetzt Beweise vor. Wir haben im Hause eine Interpellation über die Zustände in der Garnison in Teschen eingebracht. Der Herr Landesverteidigungsminister hat sich noch nicht gerührt, aber etwas anderes hat sich zugetragen. Kaum daß die Interpellation in die Öffentlichkeit gekommen ist, hat sich folgendes in der Garnison Teschen zugetragen. Währenddem die Mannschaft am Exerzierplatze war, ist der Hauptmann gekommen und hat die Koffer der Mannschaftspersonen aufgesprengt. Wie im alten Österreich, aber noch viel ärger. Bei einzelnen Leuten wurden Briefe gefunden, gerichtet an die Adresse des Kollegen Heeger (Posl. Heeger: An die Eltern!) und an die Eltern. Hören Sie nun, was die Rekruten dieser Garnison schreiben. Dem einen wurde "der Koffer, während er am Exerzierplatze war, von einem Hauptmanne aufgebrochen und darin wurden Briefe, die an Sie bestimmt waren, gefunden. Als wir von der Ausrückung nach Hause kamen, wurden drei Kollegen gleich in Einzelhaft gesetzt und mußten am folgenden Tage ein Protokoll unterfertigen und wurden dem Divisionsgerichte in Troppau übergeben". (Výkøik: Angeklagt wurden sie wegen Spionage!)

Ja, so ist es, weil man keine Handhabe gegen die Rekruten gefunden hat, hat man einen Zettel, auf dem stenographische Notizen waren, als Ursache genommen, sie wegen Spionage zu verdächtigen und sie dem Divisionsgerichte zu überstellen. Dort bekommen sie jeden zweiten Tag nur Brot und Wasser. (Posl. Kreibich: Was sagt der Herr Hummelhans dazu?) Ich meine, daß es Ehrenpflicht des Hauses ist, die Soldaten, die sich an die Abgeordneten wenden, zu schützen. Wir haben so etwas im alten Hause nicht geduldet und wir machen die Herren aufmerksam, daß wir auch jetzt die Rekruten in diesem Staate zu schützen wissen werden. (Výkøiky: Unerhört! Posl. Kreibich volá: Das ganze Offiziersgesindel des alten Österreich ist da beisammen!) Ja der ganze schwarzgelbe Offiziersstand ist hier und spielt sich in diesem Staate als Herren auf. Das finden wir übrigens auch im Beamtenkörper. Wir haben unter den Strafen, die verhängt werden, abgesehen davon, daß man den Leuten keinen Ausgang gibt, noch die alte Strafe des Anbindens. Aber etwas, was es selbst im alten Österreich nicht gegeben hätte und was kein Offizier gewagt hätte dort zu tun, das ist die Entziehung der Gebühren der armen Soldaten. Durch 30 Tage hindurch werden den armen Leuten die Rauchgebühren, die Teuerungszulagen entzogen. Das ist ein aufgelegter Diebstahl, der an den Rekruten verübt wird. Denn nach dem Dienstreglement und nach den vorhandenen Dienstbüchern ist so etwas unstatthaft. (Výkøiky nìmecké. Posl. Hackenberg: Das geschieht aber allgemein!) Ja, allgemein. Das ist ein Diebstahl an den Rekruten, ich wiederhole es. Nach den Dienstbüchern und dem Dienstreglement, das heute in diesem Staate Geltung hat, ist so etwas ganz ausgeschlossen. Der Offizier kann den Mann in den Arrest setzen lassen, dann erst kommt der Soldat auf die Arrestgebühren; aber ihn bei der Truppe lassen und ihn mit Gebührenentziehung strafen, ist unstatthaft, und wenn der Offizier einen Funken Ehre hätte, dürfte er das gar nicht tun, weil er hiedurch sich dem Verdacht aussetzt, aus egoistischen Motiven diese Kürzung der Gebühren vorzunehmen; denn diese werden ja nicht mehr rückgebucht in den Staatssäckel, sondern fließen irgend einer ungenannten Körperschaft oder Person zu. Es ist das beim Infanterieregiment Nr. 27 in Olmütz der Fall gewesen, beim 8. Art.-Regiment in Troppau und wie Genosse Hackenberg in einem Zwischenruf erklärt hat, soll es überall so sein (Posl. Heeger: Bei der Marinesektion in Reichenberg!) Auch dort soll es vorkommen, daß Gebühren eingestellt werden.

Wie es den Soldaten überhaupt geht, wenn sie es wagen, sich zu beschweren, dafür habe ich auch einige Beispiele. Aus Horní Kubín schreibt uns ein Soldat: "Es waren heute drei Mann von uns beim Rapport, welche um Regelung der Verhältnisse baten. Die meisten gehen noch in eigenen Schuhen. Schnürschuhe sind aber schon hier, auch Hemden ohne Ärmel. Aber wir bekommen sie nicht. Löhnung bekommen wir einmal, wenn es den Herren gerade einfällt. Diejenigen, die beim Rapport waren, wurden mit Einsperrung bedroht." Aus der Garnison Leitmeritz: "Diese Zustände und die schlechte Behandlung brachten die Rekruten dazu, eine Beschwerde beim Kommando vorzubringen. Sie wurden aber nicht vorgelassen und man läßt sie auch nicht ausgehen, damit sie ihre Klagen nicht in die Offentlichkeit bringen."

Wir beantragen die Einsetzung eines 24gliedrigen Beschwerdeausschusses, dem alle Beschwerden über die Behandlung der Rekruten, welche die Abgeordneten dem Hause vorbringen, zugewiesen werden sollen, und daß dieser Beschwerdeausschuß das Recht hat, an Ort und Stelle Erhebungen zu pflegen und dem Herrn Landesverteidigungsminister vorzuschreiben, in welcher Art und Weise diese Übelstände abgeschafft werden sollen. Ich meine, es ist eine Ehrenpflicht, daß wir diesen Ausschuß einsetzen, damit die Herren Militärs, die Herren Offiziere sehen, daß sie nicht über diesem Staate stehen, sondern, daß das Parlament ein Kontrollrecht über den Militarismus ausübt.

Wir haben zwar eine Menge französischer Offiziere hier. Diese Post im Budget kostet uns 13 Millionen - aber wenn man sich die Heereseinrichtungen ansieht, so findet man verflucht wenig französisches, dafür viel mehr altösterreichisches in verzerrtester Form. Eine der Einrichtu ngen in unserer Heeresorganisation ist die vollständige Mißachtung der einzelnen Nationen, die Mißachtung der sprachlichen Rechte und Bedürfnisse der Soldaten. Wir fordern die Zusammenfassung der Soldaten der einzelnen Nationen in eigene Truppenkörper und die Berechtigung dieser Forderung haben Sie, die Herren von der Rechten, uns selbst geliefert. In der 61. Sitzung des österr. Abgeordnetenhauses am 22. März 1912 sagte der Abgeordnete Choc: "Meine Herren, das geht doch nicht, im Gegenteil, wir wollen und müssen vom Standpunkte der Gerechtigkeit verlangen, daß mit den Soldaten in ihrer Muttersprache gesprochen werde, weil wir sonst keine Sicherheit haben, daß sie mit Gerechtigkeit behandelt werden." Und wieder ist es einer von den Ihren, der èechische Abgeordnete Exner, der in der 96. Sitzung des österr. Abgeordnetenhauses am 22. Juni 1912 sagte: "Es wäre auch sehr von Vorteil, wenn man nach Möglichkeit Korps und Regimenter formierte, die aus einer einheitlichen Nation genommen sind. Der Herr Kollege Fresl hat gesagt, daß wir mehr als 2 Korps bilden. Warum soll es nicht möglich sein, daß die Soldaten der betreffenden Nation beisammen bleiben, infolgedessen parallel hiezu auch die meisten Offiziere, die solchen Regimentern zugeteilt werden, entweder der Sprache mächtig sein, oder sie sogar als Muttersprache besitzen müssen." Sie würden Ihrer eigenen Tradition untreu werden, wenn Sie das, was Sie damals für Ihre Nationsgenossen verlangt haben, heute uns nicht zubilligen würden. Wir fordern gleichzeitig, daß endlich einmal dem Hause Bericht erstattet werde, wieviel deutsche Offiziere und Unteroffiziere sich zum Eintritt in die csl. Armee gemeldet haben, aber bisher noch nicht aufgenommen worden sind.

Nicht einmal das, was das Wehrgesetz dem Herrn Minister und der Regierung vorschreibt, ist bis heute erfüllt, obwohl seit jener Zeit 7 Monate verstrichen sind. Im § 39 d. Wehr.-G. heißt es: "Durch ein besonderes Gesetz wird bestimmt werden, inwiefern Familien, deren Unterhalt von einer im aktiven Dienst stehenden Person abhängig ist, ein Unterhaltsbeitrag zu gewähren ist." Die Regierung hat den dezidierten Auftrag bekommen, die Frage der Unterstützung der Angehörigen der eingerückten Rekruten zu lösen. Bis heute aber ist ein solches Gesetz dem Hause noch nicht unterbreitet worden und Tausende und Tausende von armen Witwen, zumeist Kriegswitwen, sind heute der bittersten Not preisgegeben. Man hat ihnen die Söhne genommen, es sind 4 Wochen verflossen, die Rekruten sind eingerückt und noch immer bekommen sie nicht einen Heller von den Behörden ausbezahlt, die sich darauf berufen, daß kein Gesetz die Handhabe biete, diese Unterhaltsbeiträge auszuzahlen. Man nimmt den Unterhaltsbeitrag den Angehörigen der im Kriege gedienten und gefallenen Soldaten und verweigert den Unterhaltsbeitrag im vorhinein den Angehörigen der jetzt eingerückten Rekruten, obgleich diese der größten Not preisgegeben sind. Das ist eine beispiellose Rohheit, eine Gemütsrohheit, wie man sie selten findet, und man muß sich wundern, daß das èechische Volk ruhig zusieht. Es ist unser alter Grundsatz gewesen, den wir auch hier verfechten und aufstellen: Diesem Militarismus nicht einen Mann und nicht einen Heller! (Hluk na levici.) Zähneknirschend beugen wir uns der Gewalt, beugen wir uns unter ihr Joch. Aber wir wissen und werden dafür sorgen, daß auch diese Institution des kapitalistischen Klassenstaates, geschaffen um das Proletariat in Banden zu schlagen, doch zu einem Instrument der Befreiung werde. (Hluk a výkøiky na levici. Obraceje se k nìmeckým mìs. stranám.) Ihren Schwindel und Ihre Demagogie mache ich natürlich nicht mit. Sie haben die Rekruten in das Unglück hineingehetzt. (Hluk.) Sie haben keinen Mut gehabt, sondern Sie haben demagogisch gehandelt. Wissen Sie, was Sie getan haben? Sie haben Ihren demagogischen Bedürfnissen das Wohl der Rekruten geopfert. Laut Wehrgesetz wird jeder Rekrut, der sich der Stellungspflicht entzieht, zu einem Jahr Arrest verurteilt und wenn er sich dauernd der Stellungspflicht entzieht, bleibt er bis zum 50. Lebensjahre assentpflichtig. Sie haben dadurch, daß Sie die Parole ausgegeben haben, die Rekruten sollen sich der Stellungspflicht entziehen, nicht nur die Rekruten geschädigt und sie ins Unglück gestürzt, sondern auch der deutschen Nation in den deutschen Siedlungsgebieten den schlechtesten Dienst erwiesen, indem Sie zur Entvölkerung der deutschen Siedlungsgebiete beigetragen haben. So stehen die Dinge. (Nìmecké výkøiky. Hluk.) Wir haben erklärt, wir fügen uns dem Zwange, aber wir werden dafür sorgen, daß dieser Militarismus zu einem Instrument gegen den Klassenstaat werde. (Souhlas a potlesk. nìm. soc. demokratù. Výkøiky poslancù nìm. mìšanských stran. Velký hluk.)

3. Øeè posl. dr. V. Feierfeila (viz str. 737. protokolu):

Sehr verehrte Damen und Herren! Im Laufe der. allgemeinen Aussprache über den Staatsvoranschlag und, man kann die Beobachtung machen, auch im Laufe der besonderen Debatte, hat die Stadt, der ich anzugehören die Ehre habe, unsere alte Kur- und Badestadt Teplitz, eine ganz besondere Rolle gespielt. Gewiß, hoch verehrte Herren, sehen Sie ein, wenn ich sage, daß unsere Stadt, unsere Kur- und Badestadt Teplitz weit bekannt ist, ruhmvoll bekannt ist, ja einen Weltruf genießt, daß das nicht Lokalpatriotismus ist. Diesen Weltruf verdankt unsere Stadt vor allem und ganz besonders der unschätzbaren Naturgabe der heißen Quellen, welche ungezählten Tausenden schon Heilung und Milderung gebracht haben. Sie haben einen verdienten Weltruf. Nun möchte ich sagen, im Laufe dieser Aussprache hier ist die Stadt Teplitz viel in einer anderen Weise in den Weltruf gekommen. Alle Redner fast haben sich mit ihr befaßt, alle Zeitungen des In- und Auslandes haben von ihr geschrieben, von den Teplitzer Vorfällen usw. Aber ich als Teplitzer möchte sagen, es ist Gefahr vorhanden, daß unsere Stadt da in der Welt, in der weiten Öffentlichkeit nicht objektiv beurteilt worden ist.

Sehen Sie, verehrte Anwesende, immer hat es geheißen, die Teplitzer Vorfälle seien der Ausgangspunkt gewesen für das Schauspiel, das wir erleben und erlebt haben. Wären die Teplitzer Vorfälle, ausgeführt von den bösen Deutschen, nicht gewesen, wäre das andere nicht gekommen. Ich möchte da doch die Frage vorlegen: Was haben denn die Teplitzer Deutschen eigentlich vollbracht? Die Antwort ist kurz die: Eine größere oder kleinere Menge hat das Kaiser Josef-Denkmal, das Werk des Künstlers Metzner, das verschalt war, entschalt. Das ist das Ganze. Man mag darüber urteilen, wie man will. Aber darin den Ausgangspunkt oder vielleicht gar die Erklärung für die ganzen Begebenheiten, die sich dann vollzogen haben, zu finden, das kommt mir denn doch ein bischen zu viel vor. Wollen wir die ganzen Begebenheiten, deren Augenzeugen wir waren, recht beurteilen, dann müssen wir beim ersten Akt dieser Tragikomödie beginnen und den haben bei Gott nicht die Teplitzer Deutschen gespielt. Das, was mit der Entschalung zusammenhängt, das ist gelinde gesagt, erst an zweiter oder vielleicht gar erst an dritter Stelle gekommen. Um es vollständig zu verstehen, müssen wir bei dieser Tragikomödie mit dem ersten Akt beginnen, oder da jedes Schauspiel auch so eine Art Vorspiel hat, so möchte ich sagen, bei dem Vorspiel dieses ganzen Vorganges, und dieses Vorspiel liegt freilich viel weiter zurück. Ich will es nicht besonders berühren, denn ich müßte da an Begebenheiten während der Kriegszeit erinnern. Man müßte ganz besonders den Umstand ins Auge fassen, daß wir doch ganz bestimmt ohne unseren Willen, und ich muß sagen, auch gegen unseren Willen in diesen Staat einverleibt worden sind, und da müßten wir auf alles das schauen, was im Laufe dieser zwei Jahre, die dieser Staat besteht, gegen uns begangen worden ist. Aber ich lasse das sein. Ich sage, der erste Akt dieses Dramas ist von ganz anderen gespielt worden, nur nicht von den Teplitzer Deutschen. Es war der 28. Oktober, das zweijährige Gründungsfest dieses Staates. Es ist selbstverständlich, wir mißgönnen Ihnen das in keiner Weise, wenn Sie diesen Tag in Ihrem Sinne feiern. Auch die Teplitzer Deutschen sind darüber vollständig ruhig gewesen; aber am 28. Oktober geschah es, daß Hunderte und Aberhunderte Èechen in Teplitz eingezogen sind, aber schon in einer ganz eigentümlichen Verfassung, und da muß endlich das hervorgehoben werden, was nach meiner Meinung noch nicht gesagt worden ist; die Wirkung dieses Einziehens war sofort etwas Zerstörendes. Die deutschen Straßentafeln wurden ohne Anlaß hinuntergehauen, ehrwürdige historische Hauszeichen wurden zerstört. Die Menge drang in das Bürgermeisteramt ein, verwüstete da die Räumlichkeiten, zerstörte Akten und bedrohte, ja mißhandelte den Bürgermeister, und während ungezählte dieser Eindringlinge am Stadtplatze waren, hat man sich auch an ruhig dahinschreitenden Bürgern vergriffen. Einer derselben, ein Muster von Ruhe - ich kenne ihn - wurde blutig geschlagen und fiel blutend zusammen; er mußte vom Platze weggeschafft werden - aus gar keinem Anlasse. Und in das Rathaus drang man ein, weil man sagte, daß von dort photographische Aufnahmen über diese Vorgänge gemacht worden seien. Es wäre das aber sehr begreiflich. Auch da hat man in derselben Weise gehaust. Aus einem anderen Hause hat man angeblich heruntergelacht, auch dort drang man ein und hat eine hochachtbare Dame, welche am Krankenbette ihrer 84jährigen Mutter saß, mißhandelt.

Das alles drang in die Öffentlichkeit. Und dann hat man eine Versammlung abgehalten, gegen das Verbot der Behörde, und hat gedroht, man komme nächsten Sonntag wieder und werde noch ärger vorgehen. Das war der erste Akt, aber nicht ganz. Den Schluß dieses ersten Aktes hat die Regierung gespielt. Ich muß das noch hinzufügen: die Sprecher der Eindringlinge haben ganz apodiktisch gefordert, das Denkmal Kaiser Josefs müsse entfernt werden; und weil das momentan in ihrem Sinne nicht möglich war - das Denkmal ist zu gewaltig - haben sie es zum Hohn der deutschen Bevölkerung mit Hadern umhüllt, dieses Kunstwerk Metzners, das - mag man es beurteilen, wie man wolle - den Menschenfreund auf dem Thron darstellt. Die Regierung hat erklärt, schon in einer Interpellationsbeantwortung, es bestehe weder eine gesetzliche Handhabe für die Verschalung, noch für die Entfernung der Kaiser Josef- Denkmäler. Jetzt sollte man denken, sie würde diesen Eindringlingen ein Quos ego! zugerufen und sie in die Schranken gewiesen haben - das wäre in einem Rechtsstaate das Gewöhnliche. Aber was ist geschehen? Die Regierung weicht zurück und hat den Auftrag gegeben, die Verschalung vorzunehmen. Die Verschalung ist über Auftrag der Regierung ausgeführt worden. Und jetzt kommt der Abschluß des ersten Aktes. Der Bezirkshauptmann Kladrubský als Vertreter der Regierung in Teplitz hat erklärt, es werde mit dieser Verschalung Ruhe in Teplitz eintreten. Ein größerer lrrtum ist nicht zu denken. Ich bilde mir ein, die Teplitzer Verhältnisse gut zu kennen und muß sagen, es ist nie eine größere Aufregung in Teplitz gewesen, als damals, wie dieses Denkmal über Auftrag der Regierung in ganz ungesetzlicher Weise verhüllt worden ist.

Nun kommt eigentlich erst der zweite Akt. Sehen Sie, meine Herren, die Regierung hat gesagt, gewissermaßen als Erklärung, man müsse diese Forderungen der Èechen psychologisch verstehen. Aber da möchte ich doch sagen, es hat schließlich nicht bloß das èechische Volk eine Psyche und eine Psychologie, auch wir haben eine Psyche und eine Psychologie. Ich kann sagen, unser altes Teplitz ist eine gastliche Stadt gewesen und ist es gemäß seiner historischen Überlieferung noch immer. Es mag dies darin liegen, daß es eben eine Weltbadestadt ist und da ist dies selbstverständlich. Von dieser Gastlichkeit haben die èechischen Minoritäten, die sich im Laufe der letzten Jahrzehnte in Teplitz niedergelassen haben, erfahren, und es ist auch - von kleinen sogenannten Reibereien abgesehen - stets ein auskömmliches Nebeneinanderleben gewesen. Aber man muß auch die Psychologie des deutschen Volkes, der deutschen Teplitzer ins Auge fassen. Was ist geschehen? Gerade dieses Zurückweichen der Regierung, dieses ungesetzliche und nachträgliche Nachgeben, in dem Sinne, daß das Denkmal verhüllt wurde, das hat eine Empörung in dieser alten ruhigen Stadt hervorgerufen, wie sie noch nie da war.

Und der Ausdruck dafür - jetzt beginnt der zweite Akt - war die Protestversammlung, eine wahre Massenversammlung, auf der auch ich sprach. Ich nehme nichts von dem zurück, was ich dort gesprochen habe, auch nichts von dem, was meine Parteifreunde in Teplitz veranstaltet haben. Kein Wort von dem, was ich gesagt habe, werde ich zurücknehmen, wenn ich auch sagen muß, daß ich jene erbärmlichen Anschuldigungen, die mir in den Mund gelegt wurden, sicherlich nicht gesprochen habe. Was ich aber gesagt habe, davon wird nicht ein Wort zurückgenommen und ich würde heute genau so sprechen, wie ich damals gesprochen habe. Das zu sagen, daran liegt mir ganz besonders.

Nun, meine Herren! Wenn jetzt nach der Verschalung eine Entschalung erfolgte, wenn man sagt, diese Versammlung wäre die Ursache dieser Entschalu ng gewesen, so ist es wieder ein Schluß, der in keiner Weise haltbar ist. Ich sage nur soviel: die Erregung in Teplitz war so groß, daß die Entschalung gekommen wäre, ob wir die Versammlung abgehalten hätten oder nicht. Vielleicht wäre sie in derselben Nacht gekommen, vielleicht auch am nächsten Tage, der Zustand war einfach nicht haltbar. Und jetzt, meine verehrten Herren, wenn man aus dieser Entschalung alle Folgen erklären will, so ist das immer der gleiche Irrtum. Ich muß für die folgenden Begebenheiten die Regierung zur Verantwortung ziehen, die Regierung diesbezüglich anklagen. (Pøedseda Tomásek ujal se opìt pøedsednictví.) Man muß sich nur einmal vorstellen, welche Haltung die Regierung in dieser ganzen Sache eingenommen hat. Zunächst hat sie erklärt, es bestehe keine gesetzliche Handhabe, das Denkmal zu entfernen oder auch nur einzuschalen. Aber sie hat dann trotzdem angeordnet, daß es eingeschalt werde, eine offenbar, wenigstens meiner laienjuristischen Ansicht nach, ungesetzliche Forderung. Dann kam die Entschalung. Meiner Ansicht nach wäre es richtig gewesen, daß ein neuer Auftrag, es wieder zu verschalen, erfolgt wäre. Die Verschalung wäre auch durchgeführt worden, Vielleicht wäre dann Ruhe eingetreten, bis die Angelegenheit gesetzlich geordnet gewesen wäre. Statt dessen kam ein Auftrag der Regierung, daß es entfernt werden müsse. Ich habe davon erfahren, als ich mit dem Eisenbahnzug nach Prag fuhr. Ich habe damals gesagt: "Das ist ungeheuerlich und unfaßbar, da kann man nicht absehen, was daraus werden wird, falls es entfernt wird." Der Auftrag hat natürlich unter unseren deutschen Abgeordneten hier in Prag entsetzlich gewirkt und unter dieser Wirkung, welche der Herr Ministerpräsident sicher wahrgenommen hat, suchte er auf einmal einzulenken. Und nun fanden Besprechungen statt, dahingehend, daß man vielleicht mit der Wegtragung des Denkmales zuwarten werde, daß man sich bestreben werde, der Sache einen gesetzlichen Anstrich zu geben, und daß man dann vielleicht bis zur Erledigung das Denkmal neuerdings verschalen werde. In diesem Sinne hat die Regierung auch wieder in Teplitz Anordnungen getroffen. Und was trat ein? Diejenigen, welche die Ausführer des ersten Auftrages waren, wollten jetzt den neuerlichen Auftrag der Regierung, man solle mit den Vorbereitungsarbeiten für die Wegtragung des Denkmals langsam vorgehen, nicht mehr anerkennen. Dann kam der strikte Auftrag, es überhaupt nicht zu entfernen, und dann, wissen Sie ja, hat der Regierungsvertreter offen zugegeben, er besitze nicht die Macht zu verhindern, daß seine Organe sagen: wir tun es auf eigene Verantwortung. Ich denke mir, innerhalb 24 Stunden ein solcher Widerspruch in den Anordnungen der Regierung, eine solche Ohnmacht einer Regierung ist überhaupt noch nicht dagewesen. Ich finde kein zweites Beispiel dafür. Ich muß aufrichtig sagen, auf mich hat die ganze Sache und das ganze Verhalten des Herrn Ministerpräsidenten den Eindruck gemacht - ich will sicher nicht beleidigen - aber ich habe an das bekannte Wort gedacht, das wir manchmal scherzweise anwenden: "Auf dem Dache sitzt ein Greis, der sich nicht zu helfen weiß." (Veselost na levici.) Aber die Folgen der Begebenheiten waren dann eben so, wie sie gekommen sind. Ich will nur feststellen, an diesen Folgen waren wir dann nicht weiter beteiligt. Es waren dies die Ereignisse von Asch, Eger und von Prag; wir wissen, was der deutsche Teil der Bevölkerung durchgemacht hat. Aber mir kam es so vor, daß tieferliegende Gründe das Hauptsächliche an diesen folgenden Ereignissen waren. Denn nicht mehr wir, sondern Folgendes war die Frage: wer regiert denn in diesem Staate, regiert die Regierung, die den Namen hat, oder regieren andere Kräfte? Und so ist auch die Tragikomödie schließlich in eine Frage ausgegangen, die aber ernst ist, namentlich ernst für den Bestand dieses Staates auch vor dem Auslande, in die Frage: Wer si nd eigentlich die Regierenden dieses Staates?

Sehen Sie, der Staat hat ein ganz besonderes Interesse daran, vor dem Ausland gut dazustehen. Das ist begreiflich. Schon der einzelne Mensch denkt an seine Reputation nach außen hin, der Staat natürlich als solcher auch. Und dieser Staat rechnet sich unter die Siegerstaaten. Gegenwärtig tagt bekanntlich der Völkerbund zum erstenmal in Genf und der Staat ist so glücklich, an dieser Völkerbundtagung mit zu Tische zu sitzen und sich am Glanz dieser Völkerbundstagung zu wärmen. Ich möchte aber sagen, er sollte über diesem Glanz, der vielfach ein falscher Glanz ist, nicht so sehr die reale Wirklichkeit vergessen. Sehen Sie, es ist auch in unserer Zeit noch immer so, wie es immer war. Zugkräftige Schlagwörter haben immer Gefolge und so ist es auch in der Zeit, in der wir leben. Auf einmal ist das Wort aufgetaucht von dem Völkerbund und viele Gutmeinenden aus allen Kreisen fallen auf dieses Wort hinein und wissen gar nicht, um was es sich dabei handelt. Sehr bezeichnend - ich kann leider wegen Zeitmangels nicht darauf eingehen, über den Völkerbund zu einem Urteil zu kommen - ist der Artikel 10 dieses Völkerbundvertrages; da heißt es ausdrücklich: Die Mitglieder des Völkerbundes verpflichten sich, die territorialen Grenzen und die politische Unversehrtheit jener Gebiete, wie sie durch den Versailler Vertrag jetzt geschaffen worden sind, zu schützen. Das ist etwas ungemein Deutliches und wenn es nicht schon deutlich in dem Artikel 10 des Völkerbundvertrages enthalten wäre, so haben es die großen Macher ausdrücklich auch noch gesagt. Der gewesene französische Minister Pichon hat ausdrücklich erklärt, der Völkerbund soll nichts anderes sein, als das Werkzeug, die Friedensbestimmungen von Versailles durchzuführen. Und Poincaré hat ausdrücklich gesagt, er ist ein Überwachungsausschuß für diese Friedensbestimmungen. Nun, wir werden diese Friedensbestimmungen niemals als gerecht anerkennen; und bezüglich dessen, was sonst in diesen Völkerbundbestimmungen gesagt ist über Humanität und dergleichen, will ich nur auf zwei Umstände hinweisen: Wenn Ihnen so daran läge, die Humanität in der Welt wirklich zur Durchführung zu bringen, so müßten Sie sich kümmern um die entsetzlichen Ereignisse zum Beispiel in Rußland.


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