Auch sind die Unterstützungssätze, wie sie gegenwärtig den Arbeitslosen gewährt werden, vollständig ungenügend und es scheint mir, daß die Regierung für unser Bestreben, da eine Änderung herbeizuführen, wohl wenig Verständnis zeigt. Bei der herrschenden großen Teuerung müssen die Unterstützungssätze ganz bedeutend erhöht werden, wenn der Arbeitslose auch nur das nackte Leben fristen soll. In Berufung auf diese angeführten Gründe haben wir auch einen diesbezüglichen Antrag unterbreitet, der dahin geht, daß 100 Millionen Kronen als zu wenig erachtet werden und 300 Millionen Kronen als Minimum für die Arbeitslosenunterstützung einzusetzen sind. Eine weitere dringende Notwendigkeit ist vor allem anderen, daß die Arbeitslosen aller Berufe und jeden Alters diese Unterstützung erhalten und nicht Ausnahmen gemacht werden, wie wir es heute in einer Reihe von Berufen sehen und wie es z. B. von vielen Bezirksverwaltungen bei den Bauarbeitern praktiziert wird, sodaß diese keine Arbeitslosenunterstützung erhalten. Nach § 1 des Ges. vom 10. Dez. 1918 No 63 haben alle Angehörige des èech. Staates, die auf Lohn und Dienstbezüge angewiesen sind und dem Ges. über Krankenversicherung vom 30. März 1889 No 33 oder dem Bruderladengesetze v. 28. Juli 1889 No 127 unterstehen, Anspruch auf die Arbeitslosenunterstützung. Der Ständige Ausschuß hat eine Verordnung erlassen, mit der das Ministerium für soziale Fürsorge ermächtigt wird - auf Grund des § 3 dieser Verordnung - unter bestimmten Voraussetzungen die Unterstützungen herabzusetzen oder einzustellen. Ich möchte doch feststellen, daß der Ständige Ausschuß hier in seiner Funktion zu weit gegangen ist. Das ist eine Aufgabe, für die das Parlament und nicht dieser Ausschuß kompetent ist. Kollege Hausmann hat schon in seinen Ausführungen die Behandlung der Bauarbeiter auf Grund dieser Verordnungen des Ausschusses genügend besprochen, und es bleibt mir heute nur übrig einen besonderen Fall zu besprechen, wo wir wünschen, daß das Ministerium für soziale Fürsorge uns eine klare Antwort darauf gibt. Der Verband der Bauarbeiter in Reichenberg hat am 28./9. d. J. unter Zahl 2070 beim Ministerium für soziale Fürsorge die Anfrage gestellt, warum gerade die Bauarbeiter unter einen Ausnahmszustand gestellt werden. In der am 5. Oktober 1920 unter Zl. 6124 erfolgten Antwort des Ministeriums wird dies bestritten und klipp und klar gesagt, daß auch beschäftigungslose Bauarbeiter, deren Lebensunterhalt erhobenermaßen gefährdet ist, die Arbeitslosenunterstützung zu erhalten haben. Und an dem gleichen Tage hat dasselbe Ministerium, trotz dieser Antwort, folgenden Erlaß Zl. 15.154 hinausgegeben, der besagt, daß alle Bauarbeiter, die vom 5. März bis zum 5. Oktober eines jeden Jahres in Beschäftigung stehen, keinerlei Unterstützung erhalten sollen. Ich frage nun einmal, wie ist es möglich, daß ein Arbeiter, der nur 7 Monate im Jahre arbeitet, bei den heutigen Teuerungsverhältnissen so viel verdienen kann, um die anderen 5 Monate im Jahre noch leben zu können? Solche Erlässe und solche Versprechungen gehen heute hinaus, wonach einerseits die Arbeiter eine Unterstützung zugesprochen erhalten und andererseits ihnen dieselbe wieder weggenommen wird.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich aber auch noch einiges zum Kapitel Finanzministerium sagen. In den verschiedenen Ministerien wird darüber Klage geführt, daß sich das Finanzministerium stets weigert, die notwendigen Beträge für Abgänge bereit zu stellen. Kommt man heute um eine Subvention, gleichviel in welches Ministerium, so wird einem gesagt: "Ja, wir würden's schon gerne geben, wenn nur das Finanzministerium auch seine Zustimmung geben würde." Wir sehen, daß allen Erfordernissen eines jeden Ministeriums gegenüber die Finanzverwaltung, besonders der Herr Finanzminister ein steifes Rückgrat hat und nach allen Richtungen sich wehrt, nur gegenüber dem Militäretat knickt er ganz jäm merlich zusammen, da ist von einem Abstrich keine Rede, da wird einfach das, was der Militarismus braucht, ohne weiters gegeben.
Ich komme da auf das Kapitel zu sprechen, wie vor allem andern die kulturellen Institutionen in dem deutschen Teile des Landes behandelt werden. Abgesehen davon, daß für kulturelle Zwecke überhaupt zu wenig gegeben wird, werden die deutschen Institutionen ganz besonders schlecht behandelt. Ich will hier nicht über das Kapitel Schulwesen sprechen und es anderen Kollegen überlassen, fachmännisch diese Dinge zu besprechen Aber gesagt muß schon werden: Die Art und Weise, wie man z. B. unsere Musikschulen behandelt, ist schon unter aller Kritik. Das betrifft vor allem jene Musikschulen, die in dem bedürftigsten industriearmen Teile Böhmens liegen, wie z. B. in Petschau, Preßnitz, Krumau und Asch. In diesen Gegenden sind diese Schulen eine unbedingte Notwendigkeit für die Erwerbstätigkeit der dortigen Bevölkerung. Wir haben hier alte Institutionen, wie zum B. die Petschauer Schule, die auf eine 200jährige Tätigkeit zurückblickt, jene in Preßnitz, die über 25 Jahre besteht und in der in diesem Zeitraume tausende von Absolventen der ärmsten Bevölkerung ihre Ausbildung erhalten haben, und heute in der Welt mit ihren Kenntnissen als Musiker ihr Fortkommen finden, was ihnen in ihrer Heimat nicht möglich wäre. Petschau hat bisher eine jährliche Subvention von 22.000 K erhalten, Preßnitz ebenfalls früher 22.000 K. Bei letzterer wurde die Subvention, statt sie zu erhöhen, auf 16.000 K herabgesetzt, obwohl die Teuerungsverhältnisse hier genau so wie bei jeder anderen Schule eine große Rolle spielen. Selbst 22.000 K Subvention genügen nicht diese Schulen zu erhalten und die Lehrkräfte entsprechend zu besolden. Es erhält z. B. der Musiklehrer in Preßnitz einen Grundgehalt von jährlich 1600 K, Quinquennalzulage 200 K, Teuerungszulage 2400 K, zusammen also 4200 K im Jahr. Wie kann ein Mensch damit leben? Wir haben nun in dieser Beziehung Anträge gestellt, daß diese Subventionen für Preßnitz, Krumau, Petschau auf je 50.000 K, für Asch auf 9000, in Summa auf 159.000 K erhöht werden. Wir hoffen doch, daß diese Anträge hier auch Ihre Annahme finden werden. Die armen Gemeinden sind vollständig außer Stande diese erhöhten Lasten zu tragen und wissen schon heute nicht mehr, wo sie die Mittel aufbringen sollen, um für die Lokale, die Beheizung und Beleuchtung etc. der Schulen zu sorgen, die heute schon ungeheuere Auslagen verursachen. Besonders gefährlich ist es in Petschau und Preßnitz. Falls man diese geringe Erhöhung nicht bewilligt, muß die Sperrung der Schulen in den allernächsten Wochen erfolgen. Damit geht für die Bevölkerung dieser Städte eine Erwerbsmöglichkeit unwiederbringlich verloren. Ich verweise ferner auf die einzige deutsche Blindenschule in Aussig, wo derzeit 32 Kinder herangebildet und beherbergt werden. Diese Schule erhielt im Jahre 1918 eine Subvention von 16.730 K, 1919 eine solche von 8000 K, 1920 wurden ihr bisher 10.000 K mündlich versprochen. Ob sie dieselbe kriegen wird, ist noch die Frage. Nun hat diese Schule einen jährlichen Zuwachs von 8 bis 10 Kindern, so daß in 8 Schuljahren 64 bis 80 Kinder zusammenkommen. Um diese 60 bis 80 Kinder unterzubringen, ist unbedingt ein Zubau zur Schule erforderlich, daher nicht nur eine Erhöhung der staatlichen Subvention, sondern daneben auch eine mehrjährige Baurate notwendig, um diese einzige deutsche Blindenschule, die wir haben, tatsächlich in ihrer Lebensexistenz zu sichern. Diese Schule ist eine der besten Schulen, die es überhaupt gibt. Eine weitere dringliche Notwendigkeit ist die Übernahme der deutschen Handelsakademie in Pilsen durch die Staatsverwaltung. Im Vorjahre wurde die èechische Handelsakademie in Prag ohne weiters vom Staate übernommen. Die deutsche Handelsakademie in Pilsen, die im Jahre 1894 gegründet wurde und d. z. 428 Schüler und 12 Lehrkräfte besitzt, ist die einzige deutsche Handelsakademie von Gmünd bis hinauf nach Eger. Wir glauben, daß wir nicht zuviel verlangen, wenn wir hoffen, daß auch dieser Handelsschule, deren Erfordernis 285.000 K jährlich ausmacht, ebenso wie die èechische vom Staat übernommen und erhalten werden wird. Dann möchte ich noch erwähnen: Früher, im alten Österreich, war hier in der politischen Landesverwaltung ein Notfond, ein sogenannter Spitzen-Lotterie- und Notstandsfond, aus welchem jedem Erzgebirgsorte, wo staatliche Spitzenkurse vorhanden waren, auf Ansuchen der Gemeinden ohneweiters alljährlich Subventionen zur Bestreitung der sachlichen Erfordernisse und zur kostenlosen Beistellung des Unterrichtslokales, der Instandhaltung, Beleuchtung etc. bewilligt wurden. Dieser Notfond ist zwar hier, aber seit 1918 hat man auch diese Subventionen vollständig eingestellt.
Wie soll sich nun diese arme Gemeinde, die so nicht mehr weiß, was sie machen soll, helfen, um auch dieses Erfordernis aufzubringen. Es wäre dringend notwendig, daß auch hier die Regierung trachtet, diesen Gemeinden die notwendigen Mittel aus diesem Fonde zur Verfügung zu stellen. Ich setze voraus, daß wir bei allen Parteien dieses Hauses so viel gesunden Sinn für die kulturellen Notwendigkeiten aller Völker finden werden, daß die angesprochenen Subventionen in den erwähnten Angelegenheiten auch bewilligt werden. Ferner möchte ich noch auf eines verweisen: Das Finanzministerium hat die Ermächtigung erhalten, die rückständigen Steuern, welche bis zum 31. Oktober 1918 aufgelaufen sind, einzutreiben. Ich möchte nun dem Herrn Finanzminister dringend raten, diese Eintreibung zu unterlassen. Vor allem handelt es sich um rückständige Einkommensteuer, von der die großen Massen, die Arbeiter getroffen werden. Unsere Arbeiterschaft ist heute nicht in der Lage, die alten rückständigen Steuern zu zahlen, und wenn Sie sie gewaltsam eintreiben, wird in der Arbeiterschaft eine ungeheuere, tiefe Erbitterung platzgreifen.
Wie unser Finanzministerium den Export fördert, möchte ich mit Folgendem erwähnen: Zum Beispiel bei Glas und Porzellan, die in Fässern verpackt nach Amerika und England versendet werden, werden die Waggonsendungen durch Finanzorgane an der Grenze nach Lebensmitteln durchsucht. Ich bitte! Waggons, die nach England und Amerika gehen! Diese Fässer werden an der Grenze ausgepackt, die Waren herausgerissen, vielfach beschädigt, kurz und gut es wird mit ihnen in einer Weise umgegangen, durch die der größte Schade entsteht. Es wäre dringend notwendig, daß das Finanzministerium die Zollbehörden anweisen würde, die Kontrolle durch Stichproben in den Fabriken vorzunehmen, obwohl dieselben eigentlich ganz überflüssig sind. Denn wem wird es in der Èechoslovakei einfallen, Lebensmittel nach Amerika oder England zu schicken, wo die Bürger im eigenen Lande nichts zu essen haben. So wie hier der Finanzminister vorgeht, genau so geht das Eisenbahnministerium mit ihm Hand in Hand, um diese Erschwerungen immer größer und empfindlicher zu machen. Ich verweise auf die Schwierigkeiten der Waggonzuweisung, besonders für den Export.
Zum Beispiel eine Porzellanfabrik hat ein Gesuch um einen Waggon Porzellan bei der Direktion in Pilsen nach Rumänien eingereicht. Darauf erhielt sie folgende Antwort: "In Erwiderung Ihres Geschätzten vom 7. ds. teilen wir mit, daß wir die Waggons für den Export genau nach den vom Eisenbahnministerium herablangenden Direktiven zuteilen. Leider ist uns in der letzten Zeit keine Waggonbeistellung für's Ausland bewilligt worden."
Es war in der letzten Zeit unseren
Fabriken überhaupt nicht möglich, Waggons für das Ausland zu erhalten.
Auf diese Weise wird jede industrielle Betätigung zur Unmöglichkeit
gemacht. Dafür aber hat das Finanzministerium Zeit andere Erlässe
hinauszugeben. Ich habe einen hier, der ist von der Zentraldirektion
der Tabakregie in Prag, wo es heißt: "Auf Grund des Erlasses
des Finanzministeriums vom 15. September 1920 erinnert die Zentraldirektion,
daß unvollständiges oder nur teilweises Beherrschen der èechischen
Sprache eine geringere Verwendbarkeit des Beamten bewirkt, so
daß er nicht voll qualifiziert ist. Hievon werden alle Beamten
verständigt, damit jeder von ihnen seine Verpflichtungen kenne
und er sich bei Nichterfüllung derselben der Folgen bewußt sei."
AlteBeamte, die tadellos durch 20 bis 30 Jahre ihre Pflicht erfüllt
haben, sind also nicht qualifiziert und werden zurückgestellt
gegen die Leute, die heute hineinkommen. Wenn sie nur èechisch
können, dann sind sie qualifiziert. Was sie in den Betrieben durch
ihre Unfähigkeit anrichten, darum kümmert sich die Regierung nicht
im Geringsten. Unter solchen Verhältni ssen können wir als Sozialdemokraten
sicherlich nicht in die Lage kommen, etwas für diese Regierung
übrig zu haben und für das Budget einzutreten. Mit schönen Redensarten
ist uns nicht geholfen. Was wir in diesem Staat brauchen, ist
vor allem anderen eine weniger kostspielige Reklame für die Republik
im Ausland, sondern ernste nüchterne Verwaltungsarbeit im Innern,
die allein die Möglichkeit schaffen kann, daß unser Finanz- und
Staatswesen gesundet. So lange diese Zustände in diesem Klassenstaate
herrschen, werden wir gegen das Budget stimmen. (Potlesk nìmeckých
poslancù.)
Meine Damen und Herren! So verlokkend es auch wäre, bei der heutigen Budgetdebatte etwas weiter auszuholen und die allgemeine Politik dieses Staates etwas schärfer unter die Lupe zu nehmen, will ich mich doch beschränken und lediglich die Frage des Schulwesens herausgreifen und gründlich beleuchten.
Wie man sich von einem Menschen nur ein richtiges Charakterbild entwerfen kann, wenn man seine Lebensäußerungen mit in Betracht zieht, vergleicht, welche Beträge er für die unerläßlichen Lebensnotwendigkeiten ausgibt und welche er für Tand und Vergnügen hinauswirft, und wie man ihn schließlich als einen gewissenlosen Verschwender und Gaukler bezeichnet, wenn letztere Auslagen zu hoch sind, ebenso muß man das Leben eines Staates von dem gleichen Gesichtspunkte aus einer scharfen Kritik unterziehen. Dazu bietet uns die jährliche Budgetdebatte die beste Gelegenheit. Die für die einzelnen Zweige aufgewendeten Geldmittel lassen am ehesten einen Schluß auf die ganze Geistesrichtung der Staatsregierung zu. Ein Vergleich der Zahlen des Voranschlages der Republik für das Jahr 1921 ergibt, daß man wohl für die vollständig überflüssige und unproduktive Militärspielerei 2.386,830.110.- Kronen aufwenden will, daß man aber für das wichtige und für die Zukunft reichen Segen bringende Unterrichtswesen nur 608,344.891.- Kronen zur Verfügung hat. Damit hat sich der Staat als reiner Militärstaat selbst charakterisiert.
Man hätte erwarten dürfen, daß nach dem Verschleudern so vieler Milliarden, die im Laufe der letzten Jahre dem Moloch Militarismus für seine unproduktiven Zwecke in den Rachen geworfen wurden, wobei bekanntlich alle übrigen Aufgaben auf das Äußerste eingeschränkt waren, nunmehr die Einsicht Platz greifen werde, daß besonders in den nächsten Jahren der Heilung der Kriegswunden das Unterrichts- und Volksbildungswesen auf reichlichste bedacht werden müsse. Zu dieser so notwendigen Erkenntnis aber hat sich die Regierung unserer demokratischen Republik noch nicht aufschwingen können. Sie hat noch nicht erkannt, daß in der heutigen Zeit des wirtschaftlichen Niederganges, ja Niederbruches, die erfüllt ist von sozialen, wirtschaftlichen und nationalen Streitfragen der verwickeltsten Art, der Weg aus diesem Labyrinth nur durch eine allgemeine Vertiefung der Volksbildung gefunden werden kann. Diese großen idealen und wirtschaftlichen Probleme, welche die Gegenwart beschäftigen, verlangen mit unerbittlicher Notwendigkeit eine Vertiefung und Erweiterung des Unterrichtes und keineswegs eine Verkürzung. Es mag ja vom Standpunkte des Staates begreiflich sein, daß er für seine Sicherheit durch Aufstellen eines großen Heeres zu sorgen meint, aber ich glaube, daß dieses Bestreben vor der positiv wirtschaftlichen und kulturellen Seite zurücktreten muß; es handelt sich ja schließlich darum, ob wir den Anschluß nach Westen oder Osten suchen. In kultureller Beziehung kann wohl keine Frage sein, daß wir uns dem westlichen Kulturideal anschließen müssen, da uns eine östliche Orientierung nur um Jahrhunderte zurückwerfen würde. Daher muß besonders dem kulturellen Gebiete die größte Aufmerksamkeit geschenkt werden, weil die Verwirrungen auf geistigem Gebiete heute geradezu entsetzlich sind. Nur durch deren Beseitigung werden sich auch die wirtschaftlichen Verhältnisse allmählich bessern und festigen.
Noch ein weiterer Grund war für eine bessere Dotierung nach meiner Meinung vorhanden und zwar die Staatsform. Der Staat nennt sich mit Stolz eine demokratische Republik. Wie aber sieht in Wirklichkeit die Auswirkung dieser Demokratie und Republik aus? Von einer wahrhaft demokratischen Gesinnung ist in weiten Kreisen der Bevölkerung, besonders beim herrschenden èechischen Teile nichts zu finden; wir sind eine Republik ohne Republikaner. Es wäre dringend notwendig, diese fehlende Gesinnung in den Schulen und im Wege des Volksbildungswesens der èechischen Bevölkerung anzuerziehen, wobei ich auch den Herren Abgeordneten von èechischer Seite, die im früheren Revolutionsausschuß waren, den Besuch derartiger Kurse warm empfehlen würde; denn die von ihnen vielfach erlassenen Gesetze atmen nichts weniger als demokratischen Geist, sie sind, wie ich dann sogleich an der Hand der Schulgesetzgebung nachweisen werde, geradezu in schärfstem Widerspruch mit wahrhafter Demokratie.
Aus diesen Gründen muß es schärfstens verurteilt werden, daß für das Schulund Unterrichtswesen nur 4.31 % des Gesamtstaatsbudget aufgewendet wurden gegen 16.21 % für Militärzwecke. Der Schule gegenüber kann ein Staat gar nicht freigebig genug sein und der Segen eines hochentwickelten Schulwesens zeigt sich im Staatswesen in tausendfacher Form. In dieser Republik sind die führenden Männer der herrschenden Nation allerdings anderer Ansicht.
Es ist jedenfalls begreiflich, daß den Staatslenkern bei den ganz unglaublich angewachsenen Auslagen des Verwaltungsapparates Angst und Bange wird und sie das Grauseu ankommt. Ich finde es begreifflich, daß immer und immer wieder der Ruf ertönt, es müsse gespart werden, aber, Verehrteste, daß gerade das Schulwesen zuerst beim Sparen darankommt, daß Schulen und Klassen gesperrt werden nur aus dem Grunde, um einige Tausende oder Zehntausende zu ersparen, das zeigt wohl am besten, was die Staatsmänner, oder sagen wir besser, die Ersatzstaatsmänner dieser Republik von dem Bildungsbedürfnis ihrer Untertanen halten und wie sie es für die Zukunft fördern wollen. Sparen Sie, sehr geehrte Minister, wo Sie wollen, ich könnte Ihnen ungezählte Stellen hiezu nennen, in der Verwaltung, wo Sie überflüssigerweise zahllose neue èechische Beamtenstellen geschaffen und Protektionskinder untergebracht haben. Sparen Sie bei den Ausgaben für Propaganda, für Spitzelund Denunziantentum u. dgl. mehr. Sparen Sie vor allem bei den Militärausgaben, niemals aber beim Schul- und Unterrichtswesen. Es ist eines Kulturstaates nicht würdig, auf diesem Gebiete knauserig zu sein und wir Deutsche in der èechoslovakischen Republik müssen uns gegen dieses Sparsystem in erster Linie wehren, weil es bisher vor allem gegen uns geübt wurde. Mit der Begründung, daß unser Unterrichtswesen, dank einer besonderen Fürsorge der österr. Regierung besser entwickelt gewesen sei als das èechische, hat man in diesem Staate seit den Tagen des Umsturzes einen unerbittlichen Kampf gegen das deutsche Schulwesen geführt, der jedem Begriffe von Gerechtigkeit und Fürsorge für einen zeitgemäßen Ausbau des Schulwesens Hohn spricht und dem bis heute mehr als tausend deutsche Schulklassen und über 30 Schulen zum Opfer gefallen sind.
Meine Damen und Herren! Dieser Vorgang wird stets ein Schandfleck auf der Ehre des èechischen Namens sein und bleiben und Ihnen niemals vergessen werden können, er ist der schmutzigste Fleck auf dem Schilde dieses angeblich demokratischen Staates. (Souhlas na levici.)
Von amtlicher èechischer Seite, u. zw. war dies der Vorsitzende des Landesschulrates in Böhmen Dr. Metelka in der Sitzung des Landesschulrates vom 30. Sept. 1920, wurde als Begründung der deutschen Schuldrosselungen angegeben, daß nach dem Berichte des Landesschulrates vom Jahre 1918 bei den deutschen Schulen auf eine Klasse 50-53 Schüler, bei den èechischen Schulen aber 60 Schüler entfallen und daß dadurch ein Ausgleich erfolgen mußte. Dazu komme, meinte er weiter, daß neue èechische Schulen errichtet wurden und daß daher mit Rücksicht auf die daher entstandenen Kosten deutsche Schulklassen mit geringer Kinderanzahl aufgelöst bezw. deutsche Schulen eingeschränkt werden mußten.
Meine Damen und Herren! Ich will die Richtigkeit der Angabe nicht untersuchen, ob tatsächlich die mittlere Schülerzahl an den deutschen Schulen geringer ist als an den èechischen. Ich will nur die Tatsache herausgreifen, daß das èechische Schulwesen auf Kosten des deutschen entwickelt werden soll. Ist das ein für eine Kulturnation würdiger Standpunkt? Wenn die Voraussetzung richtig war, dann hätten die èechischen Gewalthaber für ihre Kinder neue Schulen solange schaffen müssen, bis der angebliche Ausgleich da war. Dagegen hätte niemand etwas einwenden dürfen, und auch wir hätten es nicht getan, da wir der Ansicht sind, daß die Èechen sich soviele Schulen bauen sollen als sie brauchen. Aber das eigene Bildungsbedürfnis auf Kosten eines zweiten Volkes befriedigen, dessen höher organisiertes Schulwesen herabzudrücken, um das eigene heben zu können, das ist nicht mehr Kultur, das ist Unkultur und Rückschritt. (Souhlas na levici.) Wie das bei einem so hoch entwickelten Volke, wie es die Èechen sein wollen, niemals hätte vorkommen dürfen.
Die Statistik zeigt auch, daß die Deutschen perzentuell mehr 1- und 2-klassige Schulen haben, was sich aus ihren Siedelungsverhältnissen in minder gangbaren Gegenden im Gebirge erklärt. Daraus ist auch ohneweiters abzuleiten, daß diese Klassen vielfach eine mindere Schülerzahl haben und haben müssen als jene in der fruchtbaren Niederung, wo die Èechen wohnen. Es läßt sich daher dieses Problem nicht einfach mit einem rechnerischen Durchschnitt lösen. Und ich behaupte noch einmal, daß es eine öffentliche Kulturschande der èechischen Nation ist, das angeblich höher organisierte deutsche Schulwesen nach abwärts gleichzumachen, statt in edlem Wettstreite das eigene hinaufzuentwickeln. Es ist unverantwortlich, städtische Schulen auf das Niveau von Dorfschulen herabzudrükken, weil vielleicht unter der Einwirkung des Krieges und aller seiner Folgen die Schülerzahl unter das gesetzliche Minimum von 80, das ohnehin viel zu hoch ist und schon seit Jahrzehnten bekämpft wird, herabsank.
Das Vorgehen der èechischen Gewalthaber dem deutschen Schulwesen gegenüber widerspricht auch dem Friedensvertrage von St.-Germain en Laye, der den Deutschen volle Freiheit auf kulturellem Gebiete gewährleistet, den Staat zur Bereitstellung eines angemessenen Anteiles aus den öffentlichen Mitteln für Schulzwecke der nationalen Minderheiten, weiters zur Ermöglichung des öffentlichen Unterrichtes in den Minderheitssprachen verpflichtet.
Dieser Kampf gegen das deutsche Schulwesen, der besonders vor Beginn jedes Schuljahres wahre Orgien feiert, dient der herrschenden Nation in erster Linie dazu, das allgemeine Bildungsniveau des deutschen Volkes herabzudrücken, seine Jugend körperlich und geistig verkümmern zu lassen. Die Èechen haben sich die beachtenswerten Winke und Aufschlüsse, welche die Geschichte dem Kundigen gibt, wenigstens in diesem Falle zunutzen gemacht und erkannt, was die Schulen und damit der Lehrer für ein Volk, für seinem Bestand und eine Fortentwicklung bedeuten.
Die Schule bestimmt wesentlich das Schicksal eines Volkes, seinen Aufschwung oder Niedergang. Diese unumstößliche Wahrheit haben die Èechen bei der Verwirklichung ihrer Pläne, die Deutschen ihrer Republik zu einem niederen Kulturvolke herabzudrücken, richtig erkannt und den Kampf in aller Form aufgenommen. Die diesbezüglich erlassenen Gesetze vom 3. April 1919 und 9. April 1920 atmen diesen Geist der Vernichtung und es ist notwendig, sich damit etwas näher zu beschäftigen, um Ihnen die rechtliche Grundlage unserer heutigen Schulverwaltung hier zu entrollen.
Unsere ganze Schulverwaltung ruht auf einer Reihe von Landesgesetzen, die auf dem sogen. Reichsvolksschulgesetze vom 14. Mai 1869 fußen. Darin kommen zwei Prinzipien zum Ausdrucke, die uns heute besonders vom politischen Standpunkte interessieren: 1. daß das Volk in der Schulverwaltung mitzubestimmen hat; 2. daß die Nationalitäten als entscheidende Faktoren anerkannt werden. Unsere Schulverwaltung war territorial in Orts-, Bezirks-, Landes-Schulräte und Ministerium und national in deutsche und èechische Sektionen dieser Zweige gegliedert. Nur die oberste Instanz war nicht national geteilt. Der Staat hatte übrigens nur die oberste Leitung und Aufsicht über die Schulen durch die vom Ministerium bestellten Landes- und Bezirksschulinspektoren. In Böhmen wurde die vollständige Anerkennung des Nationalitätenrechtes im Jahre 1890 erzielt. Dadurch kam der rechtliche Grundsatz zur Anerkennung, daß jede Nation Herr ist auf ihrem Schulgebiete. Lediglich auf dem Gebiete der sogenannten Minoritätenschulen war keine Einigung zu erzielen und so kam ein eigenes Minderheitsschutzgesetz trotz geführter Verh andlungen bedauerlicherweise nicht zustande. Man hätte erwarten dürfen, daß diese Errungenschaften des alten Polizeistaates Österreich, die sich aus dem Geiste der Zeit und aus den Verhältnissen heraus allmählich durchgesetz hatten, in der èechischen Republik festgehalten und ausgebaut werden würden, zumal sich die maßgebenden Faktoren des öfteren in dieser Richtung aussprachen, so der frühere Ministerpräsident Tusar am 1. September 1919 in Komotau, der ausführte:
"Im alten Österreich hat man uns zu unterdrücken versucht, und das große, mächtige, alte Reich ist an unserem Widerstande zu Grunde gegangen, nur weil die Herrschenden nicht genug Einsicht gehabt haben. Man kann kein grosses Volk unterdrücken. Jetzt wollen wir zeigen, daß wir etwas gelernt haben. Aber nicht nur das èechische Volk, wir alle zusammen, Sie und wir. Was das Schulwesen anbelangt, so versichere ich Sie, meine Herren, daß dem deutschen Schulwesen keine Hindernisse in den Weg gelegt werden. Was Sie brauchen, um sich kulturell zu entwickeln, das werden Sie haben. Den gegenseitigen Kampf auf dem Gebiete des Schulwesens, den wir im alten Österreich mitangesehen haben, den wollen wir nicht nachmachen. Jedes Volk hat die gleiche Berechtigung, niemand kann sie ihm nehmen. Man kann sie ihm wohl für kurze Zeit absprechen, aber nicht für immer."
Aus diesen Worten des Ministerpräsidenten Tusar geht, wenn sie aufrichtig gemeint waren, klar hervor, daß in èechischen Kreisen das Gefühl für einen Vernunfts- und Gerechtigkeitsstandpunkt den Deutschen gegenüber vorhanden war, aber durchsetzen konnte er sich infolge der allgemeinen èechischen Mentalität nicht. Gleich der Revolutionsausschuß hat mit den schon im Polizeistaate festgelegten demokratischen Prinzipien gebrochen und alte, längst überwundene Grundsätze wieder als Grundlage einer angeblich neuzeitlichen, demokratischen Schulreform aufgestellt.
Die bisher nicht erfolgte Regelung des Minoritätsschulwesens gab dem Revolutionsausschuß vor allem Veranlassung diese Schulen zuerst zu regeln und so entstand das Gesetz über die nationalen Schulen vom 3. April 1919 Nr 189 d. S. d. G. u. V. genannt Minderheitsschutzgesetz. Dieses neue Gesetz sollte ein Schulerrichtungsgesetz werden, wurde aber in Wahrheit ein Schulvernichtungsgesetz für die Deutschen dieses Staates. Dieses Gesetz ist ein Hohn auf wahrhafte Demokratie, denn es schließt die Bevölkerung von der Mitwirkung auf dem Gebiete der Schulverwaltung völlig aus, entzieht die Volksschule dem Volke, legt die ganze Gewalt in die Hand eines Bürokraten und macht diesen zum unumschränkten Herrn über eine Volkseinrichtung. Eine derartige Machtstellung war selbst im alten Polizeiund Beamtenstaate Österreich niemals einem Bürokraten eingeräumt worden. Dieses Schulgesetz bedeutet auch einen gewaltigen Rückschritt auf dem Gebiete des Nationalitätenrechtes, es bedeutet eine Verleugnung aller der gerechten Grundsätze, die sich im Laufe der Jahrhunderte aus dem wirklichen Leben herausgebildet und als richtig und gerecht erwiesen haben.