Pátek 28. ledna 1921

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 49. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pátek dne 28. ledna 1921.

1. Øeè posl. Witticha (viz str. 1945. protokolu):

Meine Herren und Damen! Während des Weltkrieges war es der allgemeine Wunsch, daß dieses Blutvergießen das letzte sein möge, daß das Zeitalter des Weltkrieges von dem des Weltfriedens abgelöst werde. Die echte Verwirklichung der Wilsonschen Prinzipien wäre, wenn sie auch nicht die Verwirklichung des Weltfriedens bedeutet hätte, da ein Weltfriede ohne Sozialismus undenkbar ist, doch ein ernster Schritt auf dem Wege zum Weltfrieden gewesen. Die Bande, durch welche die Völker ehedem von Willkür und Gewalt zusammengehalten waren, mußten gesprengt werden. Und das Selbstbestimmungsrecht hätte dieser Sprengstoff sein sollen. Das Selbstbestimmungsrecht ist aber bloß eine theoretische Waffe in der Hand der Entente. In der Praxis wurde das Selbstbestimmungsrecht durch das Bestimmungsrecht der anderen ersetzt. Der hauptsächlichste Lenker der Völkerschicksale blieb auch weiterhin die Gewalt und jene Reihe von Friedensschlüssen, welche von Versailles ausgegangen ist, unterscheidet sich durch nichts von jener Reihe von Friedensverträgen, deren Glieder der Brest-Litowsker und der Bukarester Frieden waren. Die da einen Systemwechsel erwartet haben, sehen sich bitterlich getäuscht. Anstatt des Systemwechsels hat bloß ein Rollenwechsel stattgefunden. An Ludendorffs Stelle kam Foch, anstatt des deutschen Imperialismus kam der französische Imperialismus, an Stelle der Gewalt der Zentral mächte die Gewalt der Entente. Der Friede von Trianon unterscheidet sich in nichts von seinen Vorgängern, den Friedensschlüssen von Versailles und von St. Germain. Dieser Friede ist auch kein Friede der internationalen Demokratie, sondern der Friede eines neuen Imperialismus. Und, meine Herren, am gestrigen Tage haben wir aus den Worten des Herrn Pater Hlinka einigermaßen eine Erläuterung jener Auffassung vernommen, wie sichs die Herren Èechen und die Herren Slovaken vorstellen. Zur Bekräftigung dieses Zustandes wird immerwährend angeführt, daß eben im ehemaligen Ungarn die Slovaken ebenfalls unterdrückt waren. Ich halte es als Sozialdemokrat für notwendig, von dieser Stelle aus gegen eine solche Generalisierung auf das Allerentschiedenste zu protestieren. Wenn auch im alten Ungarn die Unterdrückung und die Unterjochung der Nationalitäten zugegeben werden soll, muß doch auch anerkannt werden, daß ein Faktor in Ungarn war, der stets mit aller Kraft dagegen protestiert hat: das waren die Arbeiter, das war die sozialistisch organisierte Partei. Wir haben damals in den früheren Jahrzehnten zu wiederholten Malen uns gerade an die Nationalitäten gewendet. Was haben wir aber feststellen müssen! Daß gerade die Nationalitäten es waren, die anerkannt haben, daß es eine nationale Unterdrückung gibt, die aber nicht anerkennen wollten, daß es auch zugleich eine soziale Unterdrückung gibt. Wir Sozialde mokraten sagen uns, daß die nationale Unterdrückung ei nes Volkes die natürliche Folge der sozialen Unterdrückung ist. Und indem wir die Nationalitätenvertreter aufforderten zum Kampfe gegen die soziale Unterdrückung und somit zur Befreiung aus beiden Unterdrückungen, mußten wir feststellen, daß die nationalen Repräsentanten im gleichen Momente als Kampffaktor für die Befreiung des ungarischen Volkes und gegen die Zurückweisung der Unterdrückungstendenzen der ungarischen Bourgeoisie ausgeschieden sind. Damit haben diese Herren heute das Recht verwirkt, gegen Ungarn im allgemeinen zu schimpfen, weil sie sich für diese Zustände selbst mit verautwortlich gemacht haben. Die nichtherrschenden Nationen der Republik, die beim Abschluß des Friedensvertrages nicht gefragt wurden, können sich mit dem Friedenswerke erst dann abfinden, wenn ihnen die herrschende Nation der Republik das Selbstbestimmungsrecht gewährt. Unter den Völkern der Republik wütet der Kampf weiter, der während des Krieges und vor dem Kriege geführt worden ist. Die Völker der Republik müssen miteinander Frieden schließen, die Nationen, welche die Mehrheit bilden, mit der Minderheit, wenn sie wollen, daß die Minderheiten sich mit dem Friedenswerke abfinden. Und der Preis dieses Friedens ist das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, die nationale Autonomie. Der Friedensvertrag von Trianon beruht auf dem Gedanken des Minoritätenschutzes, in der Tat aber ist in der Republik nicht einmal dieser Minoritätenschutz verwirklicht.

In der Frage des Schul- und Theaterwesens wütet der nationale Kampf. Ich will, meine Damen und Herren, eine kleine Episode anführen, aus welcher klar und deutlich hervorgeht, daß das, was ich hier sage, auf Wahrheit beruht. Wir haben in Preßburg, wo drei Nationalitäten wohnen, in erster Linie die Deutschen in überwältigender Anzahl, dann die Ungarn und zuletzt erst der Zahl nach die Slowaken, bisher die Theaterspielzeit in 3 Abschnitte eingeteilt und zwar wurde das Theater 4 Monate den Slovaken, 4 Monate den Deutschen und 4 Monate den Ungarn überlassen. Plötzlich ist es unseren slovakischen Mitbürgern eingefallen, daß es nicht angängig sei, daß auch die Deutschen und die Ungarn 4 Monate Spielzeit bekommen sollen und sie sagten sich: Die Slovaken müssen 8 Monate bekommen und die Deutschen und Ungarn zusammen 4 Monate. Dabei ist zu beachten, daß dieses Theater doch von den Deutschen und Ungarn errichtet worden ist. Aber ganz abgesehen davon muß festgestellt werden, daß hier in einer Stadt, wo bisher ein vollkommenes Einvernehmen zwischen den Nationen bestanden hat, die Aufwerfung der Theaterfrage in dieser Form naturgemäß den nationalen Kampf wird entfesseln müssen. Die Angehörigkeit zu einer gewissen Nation zog in vielen Fällen den Verlust der bekleideten Stellen nach sich und jene Gewalttätigkeit, welche mit der Aufregung der ersten Revolutionstage wenn auch nicht verteidigt, so doch wenigstens erklärt werden kann, wurde auch dann nicht wieder gut gemacht, als sich die Wellen der nationalen Revolution bereits gelegt hatten. Wenn aber der Grundsatz des Minderheitsschutzes auch verwirklicht wird, kann dies nicht als befreiende Lösung der nationalen Frage betrachtet werden. Auf das Prinzip der Hegemonie müßten die Èechen und Slovaken verzichten. Die Leitung der kulturellen Angelegenheiten müssen sie den Nationen selbst überlassen. Nur dann kann und wird Friede innerhalb dieses Staates geschaffen werden, nur dann kann die Rolle vergessen werden, welche die Gewalt bei der Geburt dieser Republik gespielt hat. Diese Aufgabe fällt in erster Linie dem Proletariat in dieser Republik zu. Wenn eine Internationale zustande kommt und zwar nicht nur eine Internationale der kommunistischen Sektionen, sondern eine Internationale, welche den überwältigenden Teil des Proletariates dieses Staates umfassen wird, dann wird diese, so hoffe ich, den internationalen Frieden schaffen, den Sieg des internationalen Proletariates, der Demokratie in dieser Republik. Und seien wir uns darüber einig, meine Herren: Solange es keine nationale Autonomie innerhalb der Republik geben wird, wird es hier auch keine volle Demokratie geben, und solange hier zu Lande keine Demokratie ist, gibt es auch keine inneren internationalen Beziehungen. Mit dem Friedenswerk aber kann uns nur eine wirklich demokratische Außenpolitik versöhnen. Wir aus Ungarn stammenden Sozialdemokraten sind uns darüber klar, daß das gegenwärtige Ungarn, das Horthy- Ungarn der gefährlichste Herd der Gegenrevolution ist. Aus Ungarn weht heute der Wind der Gegenrevoluti on. Das führende Prinzip der Außenpolitik der Republik soll Kampf sein, doch denken wir dabei an keinen Kampf mit den Waffen gegen die ungarische Kontrerevolution. Als eine wirklich demokratische Außenpolitik betrachten wir die, welche heute im Zeitalter der in Vorbereitung befindlichen Gegenrevolution das Vordringen der internationalen Gegenrevolution verhindert. Die ungarische Gegenrevolution ist heute die stärkste Stütze jener gegenrevolutionären Bewegung, welche die Demokratie und die republikanische Staatsform von Seiten der Habsburger, der Wittelsbacher, der Hohenzollern und ihrer Satelliten bedroht. Und ich möchte hier an eine geschichtliche Episode erinnern, die sich im Jahre 1848 abgespielt hat, damals, als das ungarische Volk sich entschloß, die Fesseln des Feudalismus abzuwerfen. Damals verstanden es die Habsburger, die slavischen Völker aufzurufen und die ungarische Revolution zu unterdrücken, und es muß gesagt werden, daß die slavischen Völker gehorch haben, und ich appeliere in erster Linie an die Arbeiter dieses Staates, alles zu tun, damit hier die Demokratie herrscht und auf daß es nicht so weit kommt, daß es durch die Habsburgerintriguen etwa gelingen könnte, daß sich heute die ungarische feudale Aristokratie an dem rächt, was im Jahre 1848 die slavischen Völker an Ungarns Freiheit verschuldet haben. Das sicherste Mittel der Niederwerfung der ungarischen Gegenrevolution ist heute die ehrliche Durchführung des Trianoner Friedensvertrages. Die größte Gefahr seitens der ungarischen Reaktion sind die starken bewaffneten Offizierstrupps. Während der Friedensvertrag die Abrüstung fordert, rüstet sich Ungarn gewaltig und die Detachements der Hejjas, Pronays und Ostenburgs, die ungarischen Orgeschs, sind jeden Augenblick bereit, in Osterreich und der Èechoslovakei die Herrschaft der Habsburger wieder zu errichten. Wir haben bisher der ungarischen Kontrerevolution gegenüber nicht genug Energie in der Führung der Außenpolitik, nicht genug selbstbewußte Politik gesehen. Wir hoffen, daß die Republik bei der Ratifikation der Friedensverträge sich nicht von den Ententemissionen abhängig zeigen, sondern den Willen der Völker der Republik, welche die Gegenrevolution verabscheuen, selbstständig vertreten und dabei auch die wahren Interessen der Republik hüten wird. Denn wenn die Republik die schwersten Lasten des Militarismus loswerden will, dann muß sie gegen die Gegenrevolution kämpfen. Wenn die Republik nicht mehr bedroht ist, dann können auch auf dem Gebiete des Militarismus bedeutende Erleichterungen erfolgen. Jene die Stärkung des Militarismus fördernde Außenpolitik, welche von der Republik befolgt wird, steht in großem Maße damit in Zusammenhang, daß die Republik eigentlich sich als Verbündeter des französischen Imperialismus betrachtet.

Wenn sich die Republik von der Vormundschaft des französischen Imperialismus nicht emanzipiert, dann wird sie unter der Wucht der Lasten des Militarismus zusammenbrechen. Durch die Außenpolitik der Republik müßte man bestrebt sein, in Mitteleuropa einen solchen politischen Zustand zu schaffen, welcher das Zusammenleben mit den Nachbarländern und damit die Erleichterung der militärischen Lasten ermöglicht. Solange jedoch der französische Imperialismus die Republik als ein Gebiet betrachtet, das ihm im Bedarfsfalle die Soldaten gegen Deutschland oder Rußland zur Verfügung stellt, solange kann diese pazifistische Außenpolitik in der Republik nicht befolgt werden. Der französische Imperialismus liebäugelt auch mit dem Gedanken der Wiederherstellung der Habsburger Monarchie. Dies wäre zweifellos der Sieg der Reaktion, gegen welche jeder Sozialist mit allen Mitteln kämpfen muß. Man darf aber keineswegs vergessen, daß die Republik bestrebt sein muß, jene wirtschaftlichen Vorteile, die daraus entstanden sind, daß die Monarchie eine wirtschaftliche Einheit bildete, auf irgend eine Weise in irgend einer Form wieder herzustellen. Ich denke nicht an eine Donaukonföderation, sondern an eine solche Wirtschaftspolitik, welche durch ein System von Verträgen den Wirtschaftsverkehr Mitteleuropas ins Leben ruft, der aufgehört hat und ohne dessen Wiederherstellung wir trotz aller politischen Vorteile in einen primitiven Wirtschaftszustand zurücksinken werden. Und noch eins: auch die Maßnahmen des Trianoner Friedensvertrages, welche sich auf den Arbeiterschutz beziehen, sind in Ungarn durchzuführen. In Ungarn werden heute die Gewerkschaften verfolgt; die Gewerkschaft der Typographen wurde suspendiert. Die Maßnahmen des Arbeiterschutzes werden nicht durchgeführt und wir, die wir uns mit dem ungarischen Proletariat solidarisch fühlen, fordern den Außenminister Dr. Beneš auf, alles daranzusetzen, damit die sozialpolitischen Maßnahmen des Trianoner Friedens für die Arbeiter Ungarns durchgeführt werden. Zur Forderung der Durchführung des Friedensvertrages durch Ungarn haben wir natürlich die moralische Rechtsgrundlage, wenn wir die Maßnahmen des Vertrages bezüglich des Schutzes der Minderheiten in der Republik restlos durchführen. Ja, wir gehen sogar weiter, wir gehen weiter als diese Prinzipien und kommen zum Grundsatze der nationalen Autonomie; denn gegen die reaktionären Tendenzen der alten Monarchie, des alten Ungarn zu protestieren, hat nur derjenige ein Recht, der mit diesen Tendenzen gebrochen hat, der sich seelisch und körperlich von der Monarchie losgemacht hat, der die Monarchie überwindet. Dies soll die Aufgabe der republikanischen Politik sein. Denn ein neues Mitteleuropa wird nur dann erstehen, wenn anstelle der alten Monarchie, anstelle 5 neuer Monarchieersätze 5 neue Staaten mit neuen Prinzipien, neuer Praxis und neu geläuterten politischen Sitten geschaffen werden.

Noch einige Worte über die Autonomie der Slovakei. Wenn ich von nationaler Autonomie spreche, denke ich nicht an die Autonomie der Slovakei im Sinne Hlinkas. Die Slovakei ist in nationaler Hi nsicht keine Einheit. Die Autonomie der Slovakei wäre für die ungarische und deutsche nationale Minderheit vom nationalen Gesichtspunkte aus keinesfalls vorteilhaft, in sozialer Hinsicht hingegen wäre sie für die Arbeiterschaft der Slovakei jedenfalls von Nachteil. Darum ist die Sozialdemokratie in der Slovakei Gegnerin der slovakischen Autonomie. In der Slovakei sind jene sozialpolitischen Gesetze, welche in den Sud etenländern bereits inkraft sind, bis he ete nicht durchgeführt. In der Slovakei gibt es z. B. keine Gewerbegerichte, die Gewerbeinspektion in der Slovakei ist viel unvollkommener als in jenen Teilen der Republik, wo die österreichischen Gesetze inkraft gewesen sind, der Angestelltenschutz ist höchst primitiv; die Slovakei ist noch immer das Land der alten Stuhlrichterpolitik, in der Slovakei haben wir wohl dem Wortlaut der Gesetze nach eine Preßfrei heit, aber der Zensor schaltet noch heute. Des weiteren verlangen wir auch höheren Schutz der menschlichen Würde, wobei ich einen Vorfall zur Sprache bringen möchte, der sich in den letzten Tagen in Preßburg abgespielt hat. Es handelt sich um einen in Preßburg die Praxis ausübenden Rechtsanwalt, der seinerzeit in Ungarn während der Sowjetwirtschaft irgendeine Funktion von ganz untergeordneter Bedeutung ausgeübt hat. Er kam als èechoslovakischer Staatsbürger nach der Slovakei und hat sich dort als Anwalt niedergelassen. Die ungarische Staatsanwaltschaft fordert nun die Auslieferung des betreffenden èechoslovakisches Staatsbürgers unter der Anschuldigung des dreifachen Mordes, also eines gewöhnlichen Verbrechens. Hiebei hat sich folgender Vorgang abgespielt: Die ungarische Regierung hat nicht etwa den diplomatischen Weg betreten, der in diesem Falle einzig zulässig ist, der ungarische Staatsanwalt gibt vielmehr die betreffende Ordre einem ungarischen Gendarmen, der ungarische Gendarm gibt sie an einen èechischen Gendarmen an der Grenze weiter und dieser Gendarm übermittelt sie nach Preßburg; und in Preßburg ordnet der èechoslovakische Staatsanwalt die Verhaftung dieses èechoslovakischen Staatsbürgers an. Meine Herren, das ist ein Skandal und ich frage hier den Justizminister, was er zu einen solchen Skandal zu sagen hat. Wenn die Verhältnisse in dieser Republik so sind, dann ist es nichts anderes als ein blutiger Hohn, wenn von Demokratie und von Gleichheit und von Würde der Menschheit gesprochen und gefaselt wird.

Wenn sich die Anhänger der Reaktion nach der Autonomie der Slovakei sehnen, dann denken sie an die Erhärtung dieser Zustände. Wir aber wollen eine nationale Autonomie in der Slovakei, wollen dieselben sozialen, politischen und administrativen Rechte genießen, wie die Arbeiter in den übrigen Gebieten der Republik. Keine neue chinesische Mauer, sondern Abtragen der alten, das ist unsere Forderung, nationale Freiheit, soziale Entwicklung und Aufhebung jener zahlreichen traurigen Maßregeln, welche das Andenken an die alte Monarchie bewahren. Während der Verhandlungen über den Vertrag von Trianon möchte ich feststellen: die neue Republik wird nur dann vollkommen und wirklich eine Republik sein, wenn sie sich vom Prinzipe der Un terdrückung der nationalen Minderheiten befreit und zur freien Gesellschaft gleich berechtigter Nationen übergeht. (Souhlas a potlesk na levici.)

2. Øeè posl. dr. Kafky (viz str. 1957. protokolu):

Meine Damen und Herren! Die internationalen Verträge, welche den eigentlichen Gegenstand unserer Verhandlung bilden, sind entweder ein Bestandteil oder eine organische Ergänzung des sogenannten großen Friedenswerkes, das in den letzten Jahren in Paris und um Paris zustande gekommen ist. Mit dieser Feststellung ist das Verhalten unserer Gruppe gegenüber diesen Vorlagen von selbst gegeben, denn es ist selbstverständlich, daß wir in unsere ablehnende Haltung gegenüber diesem großen Friedenswerke auch alle seine Bestandteile und Ergänzungen einbeziehen müssen. Wir lehnen diesen Frieden nicht etwa nur deshalb ab, weil seine Ungerechtigkeiten und Härten sich in erster Linie gegen das deutsche Volk in allen seinen Gebieten wenden, sondern wir lehnen ihn ab als Demokraten und als Bekennerjener Ideen, welche durch die Friedensverträge im Widerspruch zu den verkündeten Kriegszielen verleugnet worden sind. Wir lehnen ihn ab, weil er eine Verletzung darstellt der Grundsätze der Selbstbestimmung, der Völkerfreiheit, der Gerechtigkeit und der wahren Demokratie. Wir lehnen ihn ab, weil die Verträge uns keineswegs geeignet erscheinen können, einen dauernden Frieden herbeizuführen, den wir wünschen, sondern weil sie die Keime weitreichender internationaler Verwicklungen in sich tragen und weil auch der scheinbare Friedenszustand, den sie geschaffen haben, kein wahrer Frieden ist, sondern ein noch ärgerer Zustand als derjenige, den wir vor dem Jahre 1914 in der Form des sogenannten bewaffneten Friedens gehabt haben, weil wir den Zustand des sogenannten Friedenskrieges erhalten haben, des peacewar - ein Wort, das bezeichnender Weise nicht erfunden worden ist in einem Lande, das besiegt wurde, sondern in der führenden Macht der Ententestaaten.

Zu den Vorlagen selbst möchte ich mir nur einige ganz kurze Bemerkungen gestatten. Die erste ist grundsätzlicher Natur. Wenn ich früher gesagt habe, daß die Verträge als ein Bestandteil des gesamten Friedenwerkes eine Verletzung des Rechtes der Selbstbestimmung bein halten, so ist das in ganz besonders ver schärftem Maße hinsichtlich des Überein kommens bezüglich der Grenzen der Fall, welches auf den Beschlüssen der Botschaf terkonferenz vom vorigen Jahre beruht. Denn hier ist der Gedanke der Selbst bestimmung verletzt worden in Bezug auf das Teschener Gebiet und in Bezug auf die Einwohner des Teschener Gebietes, trotz dem sogar der Friedensvertrag gerade in diesem Punkte wenigstens das Plebiszit recht zuerkannt hat. Es ist hinsichtlich der Einwohner des Teschener Gebietes tatsächlich das geschehen, was früher so hart verurteilt wurde, daß gewisse Mächte nach der Kraft, die sie entwickeln konnten, die Bewohner eines Gebietes wie Schachfiguren auf dem Brette hin und her geschoben haben.

Gegenüber dem Vertrag über die Grenzen habe ich auch eine juristische Bemerkung zu machen. Die offizielle Auf fassung des èechoslovakischen Staates geht dahin, daß Böhmen, Mähren und Schlesien in ihren historischen Grenzen die Grundlage des èechoslovakischen Staates, die unbezweifelbare gebietliche Ausstattung dieses Staates bilden. Wenn somit von diesem historischen Gebiete irgendetwas abgetreten wird, so ist es zweifellos, daß dies nach der offiziellen èechoslovakischen Auffassung eine Ab änderung des Staatsgebietes darstellt, eine Abänderung des Staatsgebietes, zu welchem die Genehmigung der National versammlung nur erteilt werden kann in Form eines Verfassungsgesetzes. Es ist, meine Herren, eigentlich nicht Sa che der Opposition, sich dafür zu interessieren, ob Sie Ihre Vorlagen in der juristisch richtigen Form oder in falscher Form zu Stande bekommen, aber ich bin nicht nur Oppositioneller, sondern auch Jurist und halte mich deshalb für verpflichtet, meine juristische Verwahrung gegenüber diesem Vorgehen hier festzulegen für alle Zukunft, wo vielleicht auch einmal von Ihrer Seite auf den Umstand wird hingewiesen werden wollen, daß diese Vorlage nicht in der verfassungsmäßig richtigen Form zu Stande gekommen ist. Nur soviel oder sowenig eigentlich über die Verträge, denn das Wesentliche von dem, was über diese Verträge im Einzelnen zu sagen ist, ist ja an anderer Stelle im Senat und im auswärtigen Ausschusse von den Rednern unserer Gruppe bereits gesagt worden. Ich muß mich hauptsächlich deshalb hier so kurz fassen, weil ich die knapp bemessene Redezeit dazu verwenden möchte, auch kurz Stellung zu nehmen gegenüber dem ausführlichen Exposée des Herrn Minister des Äußeren, das wir gestern an dieser Stelle gehört haben.

Bevor ich das tue, muß ich allerdings auf die befremdliche Tatsache hinweisen, daß es gestern das erstemal war, daß wir den Herrn Minister des Äußeren zu einem ausführlichen Berichte hier im Parlamente gesehen haben. (Výkøik: Er ist doch ein Außenminister! Veselost na levici.) Wenn ich mich nicht irre, so ist überhaupt der Herr Minister des Äußeren im ganzen ein einziges Mal auf der Tribüne dieses Hauses gestanden, und das war damals, wo er zwischen zwei Expreßzügen einige verbindliche und doch so unverbindliche Worte über den Völkerbund gesagt hat. Meine Damen und Herren, ich muß feststellen, daß wir uns mit dieser Art der Behandlung der auswärtigen Politik im Parlamente nicht einverstanden erklären können. Der Herr Minister des Äußeren hat sich gestern in sehr entschiedener Weise gegen den Vorwurf der Geheimdiplomatie gewendet. Ich bitte, ich lege keinen Wert darauf, um Worte zu streiten; ob man den Zustand, der sich eingebürgert hat, als Geheimdiplomatie bezeichnet oder nicht, ist eine terminologische Streitfrage; aber ich muß erklären, daß doch das ganze Verhalten, das hier eingeschlagen wird, eine Art Ausschaltung des Parlamentes bedeutet. Wir sind bisher in den drei Viertel Jahren, in denen sich hochbedeutsame Geschehnisse in der Außenpolitik ereignet haben, nicht dazu gekommen, in offener Sitzung dazu Stellung zu nehmen. Wir sind allerdings im auswärtigen Ausschusse hier und da zu unfruchtbaren Debatten gekommen, aber ich möchte mich hier entschieden dagegen verwahren, daß das Nebengeleise der Delegationen jetzt in der èechoslovakischen Republik ersetzt wird durch das Stockgeleise des auswärtigen Ausschusses, einer Institution, die hinter verschlossenen Türen vertrauliche Berichte anhört, in denen meist weniger gesagt wird als das, was der Herr Minister des Äußeren auswärtigen Interviewern mit größter Bereitwilligkeit bereits mitgeteilt hat. Wir kommen so dazu, daß das Parlament tatsächlich nicht in der Lage ist, in der auswärtigen Politik einen wirklichen Einfluß zu üben, wir kommen dazu, daß dem Parlament die Rolle eines verspäteten und unfruchtbaren Kritikers aufgedrängt wird, - ob man das nun Geheimdiplomatie oder anders bezeichnen soll, weiß ich nicht. Aber es ist jedenfalls ein Zustand, den wir vom Standpunkte der Verfassung, vom Standpunkte des Parlamentarismus nicht billigen können. Es wäre illoyal, wenn ich bei dieser Gelegenheit nicht darauf hinwiese, daß die Hauptschuld nicht allein die Leitung der auswärtigen Angelegen-, heiten trifft. Der Herr Minister des Äußeren hat, was ich als Oppositioneller anerkenne, in der Frage der Vorlage der Vereinbarungen, beziehungsweise des Notenwechsels hinsichtlich des Bündnisses mit Jugoslavien seine Bereitwilligkeit erklärt, uns vertraulich zu informieren. Aber die Mehrheit des auswärtigen Ausschusses hat sich viel päpstlicher erwiesen als der Papst und unter Führung der èechischen Sozialdemokraten (Hört! Hört!), jener Partei, welche die Abschaffung der Geheimdiplomatie seit jeher vertreten, unseren Antrag gegen den Willen des auswärtigen Ministers abgelehnt. (Hluk. Výkøiky.) Ich glaube, meine Damen und Herren, dem Minister des Äußeren muß dieser Zustand, was ich ihm nicht übelnehme, ganz angenehm sein. Aber ich frage mich, warum die èechiscben Parteien diesen Zustand so goutieren und finde nur eine Antwort darauf: Daß nämlich die èechischen Parteien das, was für uns geheim ist, in irgend einer Form erfahren, mag das in der Form besonderer Exposées, mag das in der Form irgendwelcher sonstiger Informationen sein. Die Tatsache bleibt und ist nicht wegzuleugnen, daß eine besondere Information der èechischen Parteien und eine Nichtinformation der deutschen Perteien stattfindet. (Nepokoj.)

Wenn ich mich nun nach diesen einleitenden Bemerkungen bezüglich der Art unserer Außenpolitik dem Exposee des Herrn Ministers des Äußeren zuwenden darf, so möchte ich vor allen Dingen sagen, daß ich natürlich nicht die Absicht haben kann, auf alle die einzelnen Fragen, welche der Herr Minister des Äußeren hier angeschnitten hat, zu sprechen zu kommen. Nur ganz gelegentliche Bemerkungen, so weit es sich nicht um die mitteleuropäischen Staaten handelt, über die ich doch etwas mehr sagen möchte, seien mir gestattet. Der Herr Minister des Äußeren hat gesagt, daß das Verhältnis zu Frankreich und England ein sehr enges bleiben muß und zwar vornehmlich deshalb, weil Europa für eine große Reihe von Jahren in seinen politischen Hauptrichtungen von der englisch-französischen Allianz geleitet werden wird. (Výkøik: Damit Deutschland recht niedergetreten werden kann. Posl. Dr. Lodgman: Gnade Gott, wenn diese Allianz einmal flöten geht.)

Das will ich eben sagen, es ist schon eine sehr einschränkende Bemerkung des Herrn Ministers, daß er nur von einer großen Reihe von Jahren gesprochen hat, für welche diese französisch - englische Allianz die richtunggebende Macht in der Weltpolitik sein soll. Aber ich habe sogar gewisse Bedenken für diese große Reihe von Jahren, denn wenn tatsächlich bis auf Weiteres die französisch-englische Allianz die bewegende Kraft sein sollte, wenn tatsächlich die französisch-englische Allianz für die auswärtige Politik rich tunggebend sein soll für eine Reihe von Jahren, dann muß ich fragen, ob diese auswärtige Politik überhaupt wird eine Richtung haben können. Denn ich meine, daß zwischen der französischen und der englischen Auffassung derartige Verschiedenheiten sich bereits zeigen, daß es schwer sein wird, dann von einer einheitlich bewegenden Kraft zu sprecheb, und daß die Staaten, welche sich darauf einlassen, sich der französisch-englischen Allianz bedingungslos zur Verfügung zu stellen, hie und da in die Notwendigkeit versetzt sein werden, zwischen dem französischen und dem englischen Standpunkt zu wählen. Der Herr Minister des Äußeren hat weiterhin bei seiner Rundreise durch ganz Europa auch die Frage Griechenlands besprochen. Ich möchte sagen, daß ich es nicht für notwendig erachtet hätte, daß auf diese, uns immerhin ziemlich fernliegende Frage, hier Bedacht genommen wird.

Wenn es aber geschehen ist, so glaube ich, daß es doch besser wäre - wenn ich mir diese dilettantische Bemerkung gestatten darf - daß der Minister des Äußeren sich vielleicht von Prophezeiungen etwas ferner halten sollte, als er es getan hat. Ich selbst war Zeuge, wie der Herr Minister des Äußeren im Auswärtigen Ausschuß das Schreckgespenst eines reaktionären und monarchistischen Putsches in Deutschland für die allernächste Zukunft schwarz in schwarz an die Wand gemalt hat, und diese Prophezeiung ist nicht in Erfüllung gegangen. Vielleicht wird in einigen Wochen die Situation so sein, daß die Prophezeiung des Herrn Ministers des Äußeren, daß Griechenland den Druck der Entente nicht wird aushalten können, daß auch diese Prophezeiung in nichts zerfallen sein wird, entweder, weil Griche nland diesen Druck doch wird aushalten können, oder weil die Entente sich es überlegen wird, diesen Druck weiter fortzusetzen.

Der Minister des Äußeren hat - und ich freue mich jetzt auf ein Gebiet zu sprechen zu kommen, das auch mir die Möglichkeit gibt, von meinen Worten der Kritik ein bißchen abzuweichen. Anklagen ist mein Amt und meine Sendung, es ist mein Herz, das gern beim Lob verweilt. (Veselost na levici.) Und da möchte ich denn doch sagen, daß ich es allen Ernstes anerkenne, daß der Minister des Äußeren in Bezug auf Rußland eine Politik der Nichtintervention verfolgt hat. Und wenn es richtig ist, daß der Minister des Äußern in Bezug auf Rußland nicht nur für den èechoslovakischen Staat diese Politik der Nichtintervention verfolgt hat, sondern daß es seinem Einfluß zu danken ist, daß auch in den Weststaaten und insbesondere in einem Weststaate in dieser Hinsicht jetzt eine gewisse Abkehr von den früheren Ansichten eingetreten ist, so will ich dies als Verdienst der auswärtigen Politik ohneweiters und mit der gebotenen Loyalität feststellen, umsomehr als ich gleich diesen kleinen Exkurs auf das Gebiet des Lobes durch eine gewisse Kritik ergänzen muß; denn wir haben sehr viel gehört in diesem Exposée, wir haben Reisen gemacht von Rußland nach Griechenland, nach England und Amerika, wir haben alles mögliche an Weltbildern vor uns entrollt bekommen, aber wir haben kein einziges Wort davon gehört, daß ein Völkerbund existiert. Das kann ein Versehen sein, aber ich habe das Gefühl, daß zünftige Diplomaten nur dann etwas vergessen, wenn sie es vergessen wollen, und ich fürchte, daß darin doch eine gewisse Unterschätzung des Völkerbundes gelegen ist, eine Unterschätzung, von der ich auch an einer anderen Stelle meiner Ausführungen noch werde zu sprechen haben.


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