Pátek 28. ledna 1921

Wenn ich nun eine Bemerkung über das Exposée im allgemeinen machen darf, so möchte ich sagen, daß wir hier eine Reihe außerordentlich interessanter Einzelbilder vorgelegt bekommen haben, die an einander gelegt worden sind. Aber was wir nicht erhalten haben, ist ein Gesamtbild der auswärtigen Situation und was wir nicht erhalten haben, ist ein Gesamtbild der Richtlinien unserer auswärtigen Politik. Wenn diese Aneinanderreihung der Einzelbilder nur ein Fehler des stilistischen Konzepts wäre, würde ich mich nicht damit befassen. Es scheint mir aber ein Mangel der inhaltlichen Konzeption der gesamten äußeren Politik zu sein. Ich glaube, daß sich der Außenminister ein bißchen zu sehr in Einzelaktionen ausgibt, und dabei einen großen Gedanken, eine große Idee der Außenpolitik vermissen läßt. Ich glaube nicht, daß ich diese Idee finden kann in einer gewissen unbedingen Gefolgschaft an Frankreich, von der an einer anderen Stelle noch gesprochen werden soll. Auch das blosse Verharren auf den Friedensverträgen, die ewige Wiederkehr des Satzes, wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Friedensverträge durchgeführt werden müssen, auch dieser Standpunkt ist denn doch auch von Ihrem Gesichtspunkt aus eine etwas zu mechanische Formel, als daß sie hinreichend wäre, um der auswärtigen Politik ein richtiges Ziel zu geben. Denn darüber sind sich ja wohl alle einig, auch diejenigen, welche die Friedensverträge erhalten sehen wollen, daß diese Friedensverträge keineswegs die internationalen Probleme bereinigt haben, daß sie, insbesondere was das mitteleuropäische Problem anbelangt, dieses Problem nicht gelöst, sondern man könnte fast eher sagen, das mitteleuropäische Problem erst geschaffen haben. (Souhlas na levici.)

Nun bin ich bereits mitten drin in der Frage Mitteleuropa, und da muß ich sagen, daß ich auch hier eine exakte Stellungnahme gegenüber dem Problem Mitteleuropa vermißte. Allerdings stelle ich mit Freude fest, daß der Minister des Äußeren diesmal zum erstenmale den Standpunkt vertreten hat, daß in Mitteleuropa ein neues politisches und wirtschaftliches System aufgebaut werden müsse und daß zur Schaffung dieses Systems der èechoslovakische Staat beitragen und sogar initiativ beitragen müsse. Vor Tische las man's anders. Ich erinnere mich an eine Zeit, wo im amtlichen Blatte des Auswärtigen Ministeriums ein Artikel erschienen ist, in dem jeder Gedanke an eine Wirtschaftskonferenz der Sukzessionsstaaten abgelehnt worden ist. Ich erinnere mich an den zum Teile allerdings abgeleugneten Artikel unseres Auslandspropagandisten in den "Times". Heute erfahren wir, daß der Herr Minister des Äußeren seit jeher den Wunsch hatte, dieses mitteleuropäisch neue, politische und wirtschaftliche System aufzubauen und zur Konsolidierung Mitteleuropas beizutragen.

Wenn der Herr Minister des Äußeren hier versichert, daß er seit jeher diesen Wunsch hatte, so bin ich der letzte, in seine Worte Zweifel zu setzen. Ich muß aber sagen, daß das, was bisher geschehen ist, von diesem Wunsche nicht das mindeste verraten hat und daß, wenn dieser Wunsch tatsächlich bestanden hat, bisher wenig geschehen ist, um diesem Wunsche Rechnung zu tragen. (Ministr dr. Beneš: Pøed 6 mìsíci ve Stálém výboru jsem již o tom mluvil!) Das ist möglich, Herr Minister, daß dort davon gesprochen wurde, aber die Tatsachen, die gesetzt worden sind, rechtfertigen es nicht, zu sagen, daß bereits etwas Wesentliches, ein wesentlicher Schritt zur Konsolidierung Mitteleuropas gemacht worden ist. Ich darf das deshalb sagen, meine Herren, weil auch ich der Überzeugung bin, daß gerade die Èechoslovakei infolge ihrer geographischen Lage, infolge ihrer wirtschaflichen Ausstattung und vielleicht auch infolge jener Eigenschaft, die man als ihren Fehler betrachten muß, nämlich infolge ihrer Zusammensetzung aus verschiedenen Nationen, geeignet ist, in dieser Richtung zur Konsolidierung Mitteleuropas in erheblichem Maße beizutragen. (Posl. Dr. Lodgman: Sehr richtig, da müßte aber die Regierung sich dessen bewußt sein, daß dieser Staat die Aufgabe Österreichs zu übernehmen hätte.) Gewiß, das ist das Wesen der Èechoslovakei, das ist das Wesen des übernationalen Staates. Die Èechoslovakei ist der Mikrokosmus, in welchem dieselben Bestrebungen, dieselben Gedanken notwendig an das Tageslicht dringen, wie in der Liga der Nationen. Daraus müssen aber die Konsequenzen gezogen werden. Ein Bemühen zur Konsolidierung Mitteleuropas zu gelangen, habe ich nicht betätigt gesehen, denn, meine Damen und Herren, es ist ausgeschlossen, daß wir zu einer Konsolidierung Mitteleuropas gelangen, wenn man zwei oder drei Staaten von vornherein beiseite liegen läßt, wenn man nicht die besondere Bedeutung Deutschlands, Deutsch-Österreichs und auch Ungarns für die Konsolidierung des mitteleuropäischen Zustandes erkennt, und wenn man nicht demgemäß auch Versuche macnt, eine Konsolidierung nicht herbeizuführen mit einer Spitze gegen diese Staaten, sondern unter Heranziehung, unter ganz besonderer Heranziehung dieser Staaten. Statt dessen bemerken wir in der Politik der Èechoslovakei, und bemerken wir auch im Exposée, das wir gestern gehört haben, doch immerhin bei aller diplomatischer Gewandtheit, über die der Herr Minister des Äußeren verfügt, einen gewissen Unterton des Übelwollens und Mißtrauens, das sowohl gegen den einen, als auch gegen den anderen Nachbarn bei uns herrscht, und ich glaube nicht zu weit zu gehen, wenn ich zumindest für die bisherige Auswärtige Politik sage, dass sie eine Politik der Sentiments und Resentiments war. Eine solche Politik darf aber nicht gemacht werden und kann jedenfalls auch nicht gemacht werden, wenn sie in irgendeiner Weise zu einem realen Erfolg führen soll. Der Herr Minister des Äußeren hat das Problem Mitteleuropa von einer anderen Seite angepackt, indem er einzelne Teile Mitteleuropas zu einer Art Bündnis gegen andere Teile Mitteleuropas zusammenschließen wollte. Ich glaube nicht, daß das ein Weg ist, um zu einer Konsolidierung der Verhältnisse in Mitteleuropa zu gelangen. Das ist der Weg der sogenannten kleinen Entente. Meine Herren, es wäre außerordentlich billig, jetzt sehr ironisch werden zu wol len. Aber ich darf es mir ersparen, erst in diesem Zeitpunkte, wo auch schon von èechischer Seite über die kleine Entente etwas anders gedacht wird, als früher, ironisch zu sein, weil ich meine Ironie schon zu einer Zeit ausgegeben habe, wo die große Mehrzahl der èechischen Presse sich in heller Begeisterung über diese Entente befunden hat. Mein Standpunkt ist unverändert geblieben. Ich habe schon damals das Gefühl gehabt, daß diese kleine Entente, die eine Entente der Kleinen sein sollte, eine ganz kleine Entente werden wird. Und so ist es auch gekommen. Es ist nämlich nichts von ihr übrig geblie ben als ein Bündnisvertrag, eine Militär konvention mit Jugoslavien und irgend etwas mit Rumänien, was ich, trotzdem ich sämtliche Lehrbücher des Völkerrech tes durchgelesen habe, um irgend einen passenden terminus technicus, irgend eine passende Bezeichnung zu finden, mit kei nem einzigen technischen Ausdrucke be zeichnen kann. (Výkøik: Techtl mechtl! - Veselost na levici.)

Der Ausdruck, der hier in einem Zwischenrufe gefallen ist, ist ja zweifellos sehr bezeichnend, aber ich habe ihn in keinem Lehrbuche des Völkerrechtes ge funden. (Veselost na levici.) Nun, meine Herren, was bedeuten denn aber diese Bündnisse? Diese Bündnisse sind zum Teile unnötig und zum Teile gefährlich. Sie sind gefährlich deshalb, weil wir da durch, wie ich schon sagte, einen Teil Mitteleuropas in einen Gegensatz zum anderen Teile Mitteleuropas bringen, zweitens aber sind sie deshalb unnötig, weil das, was diese Bündnisse scheinbar nur beinhalten wollen, nämlich die Sicherung der Grenzen gegen Magyarien, vielleicht auch gegen Deutschland, was ich nicht weiß, weil dem schon hinreichend Rechnung getragen ist durch die Friedensverträge und durch den Völkerbund. Was hat es denn für einen Sinn, Bündnisse zu schließen mit ganz demselben Zwecke, dem schon der Völkerbund Rechnung trägt? Was soll die Ursache sein? Entweder glauben Sie nicht an den Bestand des Völkerbundes, oder Sie erwarten nichts von ihm, erwarten nichts von seiner Praktikabilität - ich meine aber denn doch, daß gerade der èsl. Staat, der trotz allem doch heute noch immer nicht der größte oder einer der größten Staaten ist, sich davor hüten sollte, diesen ersten Versuch einer Bereinigung der internationalen Anarchie, wie er im Völkerbunde vorliegt, den ich in seinen Einzelheiten gewiß nicht vollkommen verteidigen will, dadurch in irgend einer Weise zu unterschätzen, daß man es für notwendig erachtet, noch irgend etwas zur besonderen Bekräftigung dessen zu tun, was einem ohnehin bereits durch den Völkerbund garantiert ist. Aber diese Bündnisse, die ja bei allem Ausschlusse der Geheimdiplomatie uns nicht im vollen Wortlaute vorliegen, insbesondere was die Militärkonvention mit Jugoslavien und was die mündlichen Vereinbarungen mit Rumänien anbelangt, diese Bündnisse haben denn doch auch einen etwas gefährlichen Charakter deshalb, weil die Möglichkeit besteht, daß derartige Bündnisse über ihren zunächst eingestandenen oder auch wirklich beabsichtigten Zweck, beispielsweise den Schutz gegen Ungarn und die Restauration in Ungarn, hinaus verwertet oder mißbraucht wwrden. Jeder dieser Staaten, um die es sich hier dreht, hat auch andere Grenzen und es ist möglich, daß eines schönen Tages die Notwendigkeit oder das Verlangen an uns herantreten wird, zum Sch utze dieser Grenzen, an denen niemand hier ein Interesse hat, irgend etwas zu tun, vielleicht Rumänien gegen die Angriffe Rußlands auf Beßarabien zu sichern, oder daß wir in eine jugoslavische Verwicklung mithineingezogen werden. Da möchle ich nun keinen Zweifel übrig lassen ich weiß nicht, wie hoch Sie die Knochen der èechischen Soldaten einschätzen, aber ich sage im Namen meiner Gruppe und auch im Namen der anderen deutschen Parteien, unsere Zustimmung wird niemals dazu gegeben werden, daß ein Tropfen Blut eines deutschen oder èechoslovakischen Staatsbürgers wegen fremder Interessen verspritzt wird.

Ich bin in einer schwierigen Lage bei dem, was ich jetzt tun möchte. Ich möchte nämlich dem Exposée des Herrn Ministers, dem Exposée des Lenkers unserer auswärtigen Politik, das Exposée eines Laien und Dilettanten, wie der beliebte Ausdruck des Herrn Ministers lautet, entgegensetzen, eines Dilettanten, der von der auswärtigen Politik nur das versteht, was er sich mühsam aus einer genauen Verfolgung der Zeitverhältnisse und aus einer gewissen Beherrschung der historischen Entwicklung erworben hat. (Posl. Dr. Lodgman: Aber Sie könnten etwas von unseren neuen Diplomaten im Auslande gelernt haben. Veselost na levici.) Jawohl! Wenn ich nun dieses laienhafte Exposée dem Exposée des Herrn Ministers entgegensetze, so finde ich, daß England und Amerika immer mehr von ihrem Interesse für die Èechoslovakei abgerückt sind. Was Frankreich anbelangt, so will ich ohne weiters zugeben, daß Frankreich mit Recht als ein Freund des èechoslovakischen Staates bezeichnet werden kann. Aber dieser Freund des èechoslovakischen Staates hat auch andere Freunde, und das eigentümliche ist, daß die anderen Freunde des französischen Staates zufällig unsere Gegner sind, verhüllte oder offene Gegner. Die französische Republik, und keineswegs nur die Kreise der sogenannten "Action française" haben ein gewisses weitreichendes Interesse für Ungarn. Ich habe ferner das Gefühl, daß Wien auf ein sehr großes Interesse Frankreichs rechnen kann, und vor allem finde ich, daß ein großes Interesse Frankreichs und eine große Freundschaft Frankreichs, eine offen eingestandene Freundschaft für Polen besteht. Also so ganz sicher und bombenfest ist diese Freundschaft Frankreichs für uns nicht. Dazu kommt aber noch, daß diese Freundschaft Frankreichs auch nicht gerade billig ist. Man mag sich nur den Handelsvertrag mit Frankreich durchlesen, um festzustellen, daß diese Freundschaft mit gewissen Verpflichtungen gegenüber der Champagner- und Automobilbranche nicht sehr billig erkauft worden ist. Was nun den Kreis unserer unmittelbaren Nachbarn anbelangt, so befinden wir uns, von Jugoslavien und von Rumänien, die doch immerhin etwas entfernter liegen, abgesehen, in einem Zustande der Isolierung.

Und ich wäre weit davon entfernt, diesen Zustand als Zustand der splendid isolation zu bezeichnen. Denn man kann zwar mit Recht sagen, daß die Beziehungen zum Deutschen Reiche vollkommen korrekt sind, aber sie bewegen sich jedenfalls niemals über der Linie einer vollkommen kühlen Korrektheit, und das ist wohl auch gestern in den Worten, die das Exposée dem Verhältnis zum Deutschen Reiche gewidmet hat, klar zum Ausdrucke gekommen. Ich kann darauf hinweisen, daß ich, was die Frage Österreichs anbelangt, manches schon früher gesagt habe, und ich kann die Beispiele noch ergänzen durch ein Interview, welches ein ausländischer Vertreter der Republik in Paris einer französichen Zeitung gegeben und in dem er sich in außerordentlich unfreundlicher Weise über die Notlage Österreichs geäußert hat, ganz anders geäußert, als der Herr Minister des Äußeren gestern hier im Hause. Daß wir uns in einem latenten Gegensatz mit Polen und in einem weniger latenten Gegensatz mit Ungarn befinden, daß wir Osterreich, wie ich schon wiederholt gesagt habe, mehrfach verstimmen müssen und unsererseits wieder gegen Österreich verstimmt sind, ist bekannt. Wir können nunmehr zur Aufstellung einer Bilanz kommen, einer Bilanz unserer außenpolitischen Sympathien und Antipathien, und da muß ich sagen, daß tatsächlich die Aktivposten unserer internationalen Bilanz sich nur darstellen in einem Bündnis mit Jugoslavien und dieser Freundschaft zu Frankreich, in einem gewißen Verhältnisse zu Rumänien, für das ich noch immer nicht den richtigen Ausdruck gefunden habe. (Výkøik: Trotz meiner Definition!) Ja, trotz dieser Definition, und endlich, meine Damen und Herren, in einer gewissen embryonalen Beziehung zu Italien, über die ich deshalb nicht sprechen möchte, weil ich nicht selbst in den Fehler der Prophezeiungen verfallen möchte, den ich an dem Herrn Minister des Äußeren zu kritisieren mir gestattet habe. Dieses Bild der internationalen politischen Lage wird ergänzt durch das gleiche Bild auf dem Gebiete unserer Anßenhandelspolitik und auch da glaube ich nicht auf Widerspruch und nicht einmal auf Widerspruch von èechischer Seite zu stoßen, wenn ich sage, daß das Bild unserer Außenhandelspolitik, unserer wirtschaftlichen Außenpolitik keineswegs ein blendendes und erfreuliches ist; und das alles, meine Damen und Herren, in einem Staate, der bei seiner Gründung mit einer Mitgift von internationalen Sympathien, von internationalen Interessen gegründet worden ist, wie kaum ein anderer Staat der Geschichte und der Welt!

Nun, es wäre ungerecht, wenn ich, nachdem ich soviel Kritik geübt habe, die ganze Verantwortung für das, was ich bemängelt habe, dem Herrn Außenminister aufhalsen wollte. Ich kann das nicht. In seiner Eigenschaft als Außenminister kann der Herr Minister des Äußeren die ganze Verantwortung nicht tragen, denn ich glaube, daß niemand, welcher Minister es auch immer sein würde, eine gute und überhaupt eine konsequente und zielbewußte Außenpolitik für diesen Staat machen könnte, solange diese Verhältnisse hier im Innern des Staates vorhanden sind. Wenn ich aber dem Herrn Minister des Äußeren unter diesem Gesichtspunkte, als Minister des Äußeren, einen Teil seiner Verantwortung abnehmen muß, so muß ich sie ihm auf der anderen Seite in seiner Eigenschaft als Mitglied des Kabinets und aller Kabinete, welche bisher die èsl. Republik gehabt hat, wiederum auflasten. Und ich glaube, daß die Mitschuld an der Führung der Innenpolitik den Herrn Minister des Äußeren allerdings in ganz besonderem Maße trifft, u. zw. deshalb, weil der Herr Minister des Außeren jener ist, der in Gemeinschaft mit Herrn Dr. Kramáø die Gründung des èsl. Staates in diesen Grenzen, die er jetzt hat, durchgesetzt hat, und weil er zu diesem Zwecke in Paris das Memoire Ill überreicht hat, welches eine ganz andere Gestaltung der innerpolitischen Verhältnisse verspricht, als sie tatsächlich jetzt bestehen. Ob dieses Memoire Ill, wie der Herr Minister des Äußeren einmal behauptet hat, eine Propagandaschrift ist oder ein Staatsdokument, muß mir ganz gleichgültig sein. Denn ich stehe auf dem Standpunkte, daß ich fùr alles die Verantwortung übernehme, was ich bei Vertragsverhandlungen dem anderen Teile mitteile und überreiche, und der Herr Minister des Äußeren ist hoffentlich Manns genug, wenn er als Minister des Äußeren und Friedensdelegierter eine Propagandaschrift überreicht, auch seinerseits die Verantwortung für die Wahrheit dessen zu übernehmen, was darin steht, und für die Einhaltung jener Versprechungen, die da gemacht worden sind. Ich muß den Herrn Minister auch noch in seiner Eigenschaft als Mitglied verschiedener Kabinete deshalb heranziehen, weil der Herr Minister des Äußeren allmählich so eine Art Welsersheimb der èsl. Republik zu werden scheint, (Veselost na levicí.), eine Art Minister, der sich von Kabinet zu Kabinet vererbt und so ein ruhender Pol in der Erscheinungen, pardon - Ministerien Flucht darstellt. Gerade eine solche Persönlichkeit ist in ganz besonderem Maße verpflichtet, auf die richtige Führung der inneren Politik einzuwirken. Das Entscheidende hiebei scheint mir aber noch etwas anderes zu sein. Der Herr Minister des Äußeren ist Kraft seiner Verpflichtung, für die Verwaltung seines Ressorts zu sorgen, verpflichtet, in besonderer Weise auf die Führung der inneren Politik einzuwirken. Der Herr Präsident der èsl. Republik hat letzthin einmal ein Wort gesprochen, das ich in seiner Bedeutung nicht unterschätzen möchte. Er sagte: "Ich hoffe, daß die Zeit der Gewalt vorüber ist und daß die Zeit der Argumente näherrückt." Soweit darin eine Hoffnung ausgesprochen wird, bin ich nicht Optimist genug, für die nächste Zeit diese Ansicht zu teilen; soweit aber in dieser Hoffnung ein Wunsch enthalten ist, teile ich ihn. Ich erkläre gerne im Namen meiner Gruppe, daß wir die Lösung aller Probleme überstaatlichen und innerstaatlichen Charakters auf dem Wege der Gewalt nicht wünschen, sondern daß wir die Lösung aller Probleme erwarten von dem Siege der Aufklärung, von der Macht der Ideen und von der Wirksamkeit übernationaler Organisationen zur Bereinigung der internationalen Anarchie. Wir müssen also mit beiden Möglichkeiten rechnen, mit der Möglichkeit vor allem, daß die Zeit der Gewalt noch eine Zeit lang andauert. Und ich frage den Herrn Minister des Äußeren, ob er nicht der Ansicht ist, daß bei den gegenwärtigen Verhältnissen das machtpolitische Gewicht, das der èsl. Staat bei irgendeiner Konflagration in die Wagschale zu werfen hätte, durch die Verhältnisse innerhalb des Staates sehr stark beeinträchtigt wird. Ich frage ihn weiter, ob er nicht meint, daß für den Fall, daß tatsächlich die Zeit der Argumente herannaht, er, wenn er vor einem internationalen Areopag mit Argumenten kommen und gegen Argumente zu kämpfen haben wird, nicht selbst seine Position als außerordentlich schwach betrachtet, wenn er aus einem Staate kommt und für einen Staat spricht, der in seinem Innern noch nicht zum mindesten auch nur eine jener Ideen verwirklicht hat, welche der Bund der Völker, die Liga der Nationen verwirklichen will. Wo sind die Argumente, mit denen der Herr Minister des Äußeren vor dem internationalen Areopag in diesem Falle bestehen will?

Meine Damen und Herren! Im allgemeinen ist es gewiß richtig, was Ranke einmal gesagt hat, daß die innere Politik nur eine Funktion der äußeren Politik zu sein hat. Woraus sich ergeben würde, daß der Außenminister nur soweit Einfluß auf die innere Politik zu nehmen hätte, als notwendig ist, um nicht einen allzugroßen Widerspruch zwischen diesen beiden Richtungen derselben Politik aufkommen zu lassen. Für einen Staat aber, der noch nicht konsolidiert ist, wie es beim èechischen Staate der Fall ist, muß sich der Außenminister erst im Innern die Grundlage schaffen für eine gedeihliche außenpolitische Betätigung. Und deshalb glaube ich, meine Herren, daß es richtig ist, dem Herrn Minister zu empfehlen, seine weiten Reisen in das fernste Ausland eine kurze Zeit zu unterbrechen und zunächst einmal eine Reise zu machen durch das Gebiet dieses Staates und sich jene Kenntnisse über die Verhältnisse dieses Staates anzueignen, die er in so weitreichendem Maße hinsichtlich der auswärtigen Verhältnisse bereits besitzt. Ich würde ihm empfehlen, neben dieser wirklichen Reise auch noch eine bildliche Studienreise zu unternehmen durch die Ressorts der Herren, die diese Sessel da einnehmen könnten, wenn sie wollten (Veselost na levici), und er würde finden, daß in der Verwaltung dieser Ressorts ihm manches aufscheinen würde, was ihm, wenn er es richtig wertet, Bedenken vom Standpunkte der auswärtigen Politik erwecken müßte.

Ich würde dem Minister des Äußeren noch weiter empfehlen, daß er das Wort des Herrn Präsidenten, daß die Zeit der Gewalt vorüber ist, in erster Linie hier im Staate zur Durchführung zu bringen sich bemühe. (Sehr gut!) Ich würde ihm empfehlen, was hier schon gestern gesagt worden ist, daß er seine Vo rliebe für die kleine Entente zunächst einmal in der Heimat betätige und die kleine Entente zuwege bringe, für welche dieser Staat ihm die notwendige Voraussetzung schafft. Ich würde ihm empfehlen, daß er die Gedanken des Völkerbundes, zu deren Vertretung in Genf er verpflichtet ist, zunächst einmal in Wirklichkeit umsetze in seinem eigenen Staate, denn ich glaube, daß nur dann, nur auf diesem Wege über den inneren Frieden jeder Minister des Äußeren, wie immer er heißen mag, für die èsl. Republik zu einer unabhängigen, zu einer den wahren Interessen des Staates dienenden Politik gelangen kann, da nur auf diese Weise die èechoslovakische Republik wirklich ihre Mission erfüllen kann, ein Faktor für die Bewahrung des Friedens in Mitteleuropa und dadurch ein Faktor für die Bewahrung und Erzwingung des Friedens in der Welt zu werden. (Souhlas a potlesk na levici.)

3. Øeè posl. dr. W. Feierfeila (viz str. 1966. protokolu):

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn das Wesen eines Außenministers beurteilt werden soll nach seinem Aufenthalte im Auslande, dann wahrlich verdient der hiesige Außenminister nicht bloß das Lob seiner Konnationalen, das er im Übermaße genießt, sondern schließlich auch unser Lob. Er ist mehr im Auslande als hier. Es mag angenehm sein, im Salonwagen Europa zu durchfliegen, so recht, wie man in unserer Sprache sagt, auf Staatskosten. Aber schließlich und endlich ist er auch hieher gekommen und hat hier gesprochen. Meine Herren! Ich höre sonst Reisebeschreibungen und Reiseerzählungen sehr gerne, namentlich wenn sie etwas an sich haben @a la Karl May oder Jules Verne, und es tat mir leid, daß ich die Sache hier vom Zuhören nicht verstehen konnte, sondern sie erst aus der Zeitungsübersetzung kennen lernen mußte, denn das ist doch nur ein halber Genuß. Aber, meine Herren, mir kam dabei ein Gedanke: Sehen Sie, in der Zeit des alten Österreich, da gab es die viel verlästerte Geheimdiplomatie, und, ich kann mir nicht helfen, mir kam der Gedanke der weiter bestehenden Geheimdiplomatie auch hier, umsomehr, als vor einigen Monaten der Herr Außenminister wie das Mädchen aus der Fremde im Ausschuß für Äußeres erschien und von einigen Mitgliedern die Gelegenheit wahrgeno mmen wurde, zu fordern, daß die verschiedenen Verhandlungsschriftstücke dem Außenausschuß vorgelegt werden. Der Herr Minister sagte nicht ja und nicht nein, sondern, sie würden erst vorbereitet werden. Dann sind Wochen und Wochen vergangen; dann erschien er wieder einmal. Wieder wurde dasselbe verlangt und wieder sagte er, es ist noch nicht fertig, aber es wird vorgelegt werden. Meine Herren, wenn wieder Wochen und Wochen vergangen sein werden und der Minister wieder im Äußeren Ausschuß erscheint, dann werden wahrscheinlich auch wiederum die Schriftstücke nicht vorgelegt werden, sondern es wird vielleicht wieder heißen: es ist noch nicht fertig, bitte später. Es besteht also diese unheilvolle Geheimdiplomatie jetzt in vollem Ausmaße weiter fort. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. Hruban.) Von unserem Standpunkt, vom Standpunkt der Deutschen, können wir also dem Außenminister kein anderes Verhalten entgegenbringen, als wie überhaupt der Gesamtregierung deren Mitglied er ist, dieser Gesamtregierung, die es darauf abgesehen hat, mit zwei Mitteln auf eines hinzuarbeiten, diesen Nationalitätenstaat, faktisch ist er ein Nationalitätenstaat, zu einem Nationalstaat zu machen. Und der Außenminister verdient kein anderes Vertrauen als, wie ich sagte, die Gesamtregierung. Diese zwei Mittel, die ich erwähnte, sind: System in der Hauptsache und Gewalttätigkeit. Aber mir kommt vor, der Außenminister hat noch mehr Ursache gegeben, ihm von unserem Standpunkte aus kein Vertrauen entgegenzubringen, als das. Ich möchte nur - ich komme vielleicht noch später darauf - auf das berüchtigte Memoire Ill hinweisen. Aber nun einen anderen Gedanken noch. Sehen Sie, während der Genfer Konferenz, bei der er auch war, erschien er auch hier. Da ist hinter den Kulissen und in den Wandelgängen erzählt worden, warum er eigentlich damals hier erschienen ist und wir haben gar keine Ursache, das etwa nicht zu glauben, was der letzte Beweggrund dafür gewesen ist. Aber das lasse ich jetzt lieber. Also während der Genfer Konferenz hat er in einer gewissen Zeit viel von sich reden gemacht, wegen seines Antrages auf internationale Abrüstung. Hochverehrte Herren! Das ist eine Fortsetzung von all dem, was bewirken muß, daß wir kein Vertrauen zum Herrn Minister haben können. Dieser Antrag auf internationale Abrüstung ist nach meiner Überzeugung ein helles Theater gewesen, das der Welt da vorgemacht worden ist. Ein Mitglied einer Regierung, eines Landes, das etwa 12 bis 13 Millionen Einwohner hat, das aber ein Heereserfordernis von 3 Milliarden aufstellt, ein Mitglied einer Regierung, das in dem Staatsvoranschlag nicht ausdrücklich von Wohnungsbauten, von Schulbauten, von Bauten für Heimstätten spricht, wohl aber von einer Unzahl von Kasernen, die erbaut werden müssen, ein Mitglied einer Regierung, die einen Nachtragskredit von über 1 Milliarde für das Heerwesen fordert, stellt auf der Genfer Weltkonferenz einen Antrag auf internationale Abrüstung! (Výbornì!) Das ist doch ein helles Theater. Das wirkt, wenn es nicht so traurig wäre, komisch, es wirkt aber direkt widerlich. (Souhlas na levici.)

Noch einen anderen Punkt will ich hervorheben, der uns namentlich bewogen hat, diesem Außenminister kein Vertrauen entgegenzubringen. Das ist das Schicksal von Deutsch-Westunga rn. (Posl. dr. Jabloniczky: Das ist sein Spezialfall.) Ich komme noch darauf zurück. Alle Welt weiß, wenn sie objektiv ist, daß dieser Friede, der da in Paris und St. Germain geschlossen worden ist, darauf hinzielt, aus dem deutschen Volke ein Helotenvolk für die Welt zu machen, auf Jahrzehnte hinaus, aus dem deutschen Volk ein Irland der Welt zu machen, auf Jahrzehnte hinaus. (Souhlas na levici.) Vor einigen Wochen weilte der Vertreter der rumänischen Regierung hier in Prag. Er hat nach Zeitungsnachrichten diesen Friedensvertrag den gerechtesten genannt, den es überhaupt je in der Weltgeschichte gegeben hat. Eine Ungeheuerlichkeit! Also das halte ich hier einmal fest.

Jetzt einen zweiten Punkt, den ich mir hier anzuführen gestatte. Ich bin der Meinung, das Zusammensein von Ländern, welches Jahrhunderte und Jahrhunderte gedauert hat, ist schließlich auch dem Gefühl nach nicht durch einen bloßen Federstrich auf einer sogenannten Friedenskonferenz zu beseitigen. Ich gebe zu, was das alte Österreich-Ungarn betrifft, daß da manches zusammengeheiratet worden sein mag, nach dem bekannten Wort, das wir ja alle kennen; "Tu felix Austria nube." Aber, sehr geehrte Anwesende, ich bin nicht der Meinung, daß dieses Zusammenheiraten ein Zusammensein von Jahrhunderten hätte erzeugen können, ich bin vielmehr der Meinung, daß die ganze geographische Lage dieser Völker, welche das ehemalige Osterreich-Ungarn bildeten, eine solche war, daß sie eben zu einem Zusammensein geführt hat, und der Exponent dieser Sache mag meinetwegen die Dynastie gewesen sein. Ich war nie ein Freund davon und habe es immer zum Ausdrucke gebracht, daß die Völkergeschichte keine Dynastengeschichte sein soll. Das ist hoffentlich für immer vorbei. Aber da speziell dieses Zusammensein des alten Osterreich eine Anomalie gewesen sei, wie der Herr Minister gestern gesagt hat, eine Anomalie in der Weltgeschichte, dazu möchte ich sagen, daß die Anomalie sehr lange gedauert hat. Und wenn sich der Herr Minister auf das Zeugnis Cavours berufen hat, so könnte ich dem eventuell das Zeugnis Bismarcks entgegenhalten, der seinerzeit wörtlich gesagt hat: "aber lassen wir das sein." Es ist eben ein gewisses Gefühl der Zusammengehörigkeit hier. Daß die Sache nicht so ohne war, geht auch schließlich aus den Ereignissen hervor, die seit dem Umsturz eingetreten sind. Die Nachfolgestaaten kommen ja in keiner Weise zur Ruhe. Es ist auch nicht ein einziges Anzeichen dafür vorhanden, und man sieht, daß sie mehr oder weniger auf einander angewiesen sind, uud was da in den Zeitungen fast alle Tage erzählt wird, einmal von einer gemeinsamen Wirtschaftskonferenz, ein anderesmal von der Donaukonferenz, oder wie es unlängsthieß, von der Herausgabe gewisser gemeinsamer Noten für den Ex- und Import, alles das ist nur ein Beweis, daß dieses Zusammenleben der Völker, welche das alte Österreich und Ungarn gebildet haben, nicht etwas Zufälliges oder etwas ganz Unnatürliches ist. Wenn nun ein gewisses Zusammensein durch die geographische Lage schon gegeben ist, so ist es das zwischen Ungarn und Deutschösterreich. Beide Länder sind heute in gewisser Hinsicht auf einander angewiesen. Jetzt kommt aber der kollosal schneidige Gedanke: Wenn es vielleicht zwischen Deutchösterreich und Ungarn in irgend einer Form zu einem Zusammensein kommen könnte, - ich meine nicht zu einer gemeinsamen Staatsbildung, aber zu etwas, was immerhin gewisse Folgen für diese gesegnete Republik, haben könnte: "pro naší drahou republiku" wie Kollega Šrámek hier so überzeugungsvoll und so pathetisch so oft schon gesagt hat, dann muß dies verhütet werden. Und jetzt ist der Zankapfel in die Sache hineingeworfen worden, nämlich Deutsch- Westungarn, damit nur wieder kein Friede zustande kommen soll zwischen dem leider so dezimierten Ungarn und zwischen Deutschösterreich. (Výkøik: Damit Sie hier Ruhe haben!) Ja, damit Sie hier Ruhe haben. Dieser Gedanke war nach meiner Meinung, wie auch schon ein Zwischenrufer bemerkt hat, ein spezieller Gedanke des Herrn Ministers des Äußeren. Sehen Sie aber, wenn man ein bißchen geographische Kenntnisse besitzt, welche die Friedenskonferenz entbehrt hat, während der Zeit, wo Sie täglich vor Augen hatten, wie da immer Nachricchten in die Öffentlichkeit kamen, wie die, daß Prag die Hauptstadt von Polen sei oder Sarajevo ein Land irgendwo - erst unlängst haben ja die Zeitungen, auch die èechischen, wieder darüben geschrieben, daß sie es bedauern, daß ihr allerdickster Freund, nämlich Frankreich, so schlechte geographische Vorstellungen von ihrer Republik hat; wenn man das festhält, kann man doch nicht annehmen, daß irgend einem anderen Mitglied, als den Èechen der Gedanke an Deutsch-Westungarn gekommen ist. Das ist ausschließlich, wie ich vorhin gesagt, eine èechische Erfindung. Zankapfel! Da das Wort an etwas Mythologisches erinnert, die Sache mit Eris, so möchte ich sagen, dieser Gedanke ist ausschließlich ein Minervagedanke, dem Jupiterhaupt unseres Beneš entsprungen. Hochverehrte Herren! Ich muß Ihnen aber zurufen: Weil es so ist, darum können wir diesem Minister in keiner Weise ein Vertrauen entgegenbringen.


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP