Úterý 22. listopadu 1921

Wir haben viel geduldet und viel ertragen. Aber Sie können versichert sein, daß allüberall einmal der Geduldfaden reißt. Ein Memento waren die Steuerdemonstrationen. Lassen Sie es zu keinem weiteren Memento kommen, sorgen Sie dafür, daß die erwerbenden Stände ihr Auskommen finden, daß die Männer, die die Regierung ausüben, ein Einsehen für die Lasten haben, die das Volk zu tragen hat.

Wir haben uns bemüht und rechnerisch herausgebracht, wie hoch die Erzeugungskosten sich derzeit in einem landwirtschaftlichen Betriebe stellen. Diese Ziffern sind für mittlere Wirtschaften, wie sie dort gang und gäbe sind, aufgestellt worden, und zwar nach den im Monate Mai des Jahres 1921 in Böhmen geltenden allgemeinen Preisen für landwirtschaftliche Bedarfsartikel. Zu Grunde gelegt wurden die durchschnittlichen Erzeugungskosten einer Wirtschaft mit 23 ha, gleich 80 Strich, im Saazer Bezirk. Da werden Sie finden, daß der Anteil der allgemeinen Regie für ein Hektar derzeit bereits 1008 K ausmacht. Die Erzeugungskosten für Weizen betragen für 1 ha 4853 K ohne Rücksicht auf das Erträgnis, für Roggen für 1 ha 4910 K, für Gerste 5033 K, für Hafer 4986 K, für Zuckerrübe 8366 K, für Erdäpfel pro 1 ha 7107 K. Die anderen Berechnungsziffern will ich nicht weiter anführen. Sie sehen schon, wie unendlich schwer der Bauer an der Last zu tragen hat, die ihm die Wirtschaftsführung auferlegt. Wenn man die Steuerlast ins Unendliche erhöht, muß man sich fragen: Sind hier einsichtsvolle Männer am Ruder und sind sie sich dessen bewußt, was sie tun, daß sie es wagen, der Bevölkerung immer mehr und mehr Lasten aufzuerlegen? Ich glaube, diese Frage können Sie nicht beantworten, und wenn Sie gestatten, so werde ich Ihnen an anderen Beispielen zeigen, wie unser Steuersystem in der Praxis ausschaut bei den landwirtschaftlichen Genossenschaften.

Eine Lagerhausgenossenschaft, die im Jahre 1892 gegründet wurde, hat Geschäftsanteile, die 85.000 K ausmachen. Die Reservefonde weisen laut Jahresrechnung 1918-19 einen Betrag von 300.000 K aus, der Reingewinn für 1918 bis 1919 beträgt 38.000 K. In den folgenden Geschäftsjahren wurde ein Verlust von 470.000 Kronen ausgewiesen, der infolge Preissturzes von Kleesamen und Beschlagnahme von Hülsenfrüchten entstand. Bei der Jahresversammlung in Jahre 1920 wurden infolge dieses Verlustes die Reservefonde im Gesamtbetrage von 300.000 Kronen abgeschrieben. Nun stellt sich die Steuerbelastung im Jahre 1 918 bis 1919 folgendermaßen dar: Als steuerpflichtige Grundzal len wurden angenommen: Reingewinn 38.000 Kronen, Reservefondzinsen 16.000 Kronen, Remunerationen 15.000 Kronen, Abgaben und Steuern 1917-1918 24.000 Kronen, zusammen 93.000 Kronen; abzüglich der Geschäftsanteilzinsen per 5200 Kronen verblieb die steuerpflichtige Summe von 88.300 Kronen. Darauf nun folgende Steuervorschreibung: 10% Gewinnsteuer 8800 Kronen, 20 % allgemeine und 80% weitere Zuschläge 8800 Kronen, 780% Gemeindeumlagen 69.074 Kronen, 500% Bezirks- und Landesumlagen 44.060 Kronen; Gesamsteuersumme 128.794 Kronen. Obzwar das Existenzminimum zur Vorschreibung der Einkommensteuer auf 6000 Kronen, das ist ungefähr das Fünffache erhöht wurde, wurde die Grundlage zur Bemessung der Gewinnsteuer bei Genossenschaften mit beschränkter Haftung nicht erhöht. In dieser Hinsicht bestehen heute nur zwei Erlässe noch aus dem alten Österreich, u. zw. einer vom 28. März 1917, Zl. 23.019, und der zweite vom 20. Oktober 1917, Zl. 45.869, laut welchen Genossenschaften, die nur mit Mitgliedern Geschäfte treiben, bei einer steuerpflichtigen Grundlage von 2800 bis 10.000 Kronen mit 2 1/2 bis 5% und Genossenschaften, die auch mit Nichtmitgliedern Geschäfte treiben, was heute jedeLagerhausgenossenschaft als Kommissionärstelle tut, mit 4% bis 10% zu besteuern sind. Nach diesen Erlässen ist jedoch die Möglichkeit gegeben, eine doppelte Jahresrechnung aufzustellen, was aber wieder praktisch undurchführbar ist und was auch die Steuerämter nicht gerne sehen, weil die einzelnen Summen nicht strenge genug von einander gehalten werden können. Deshalb wird allgemein jede größere Genossenschaft mit 10 %, jede kleinere Genossenschaft mit 8 % besteuert. Als Abzüge werden nur die Geschäftsanteilzinsen anerkannt, zum Gewinn wird aber alles, was halbwegs als Gewinn dargestellt werden kann, hinzugezählt, also auch die Remunerationen für die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, Reservefonde etc. Es bleibt nun die offene Frage, womit diese Genossenschaft die vorgeschriebene Summe von 128.794 Kronen bezahlen wird, umsomehr, als sie im darauffolgenden Jahre einen Verlust von 470.000 Kronen ausweist. Womit sind aber die abgeschriebenen Reservefonde von 300.000 Kronen und die auf neue Rechnung vorgetragenen Anteilscheine von 85.000 Kronen gedeckt? Ich glaube, so geht man gegen Genossenschaften auch in der Besteuerung nicht vor, und es ist unmöglich, daß dieser Geist nicht weitere Früchte tragen sollte, wenn der Staat das Genossenschaftswesen derartig behandelt.

Einen anderen einzelnen Fall will ich Ihnen mitteilen, damit Sie sehen, wie man derzeit beim Verwaltungswesen wirt schaftet. Die Gemeinde Kreuzberg im Bezirk Chotìboø hat ungefähr 50 Metzen Gemeindegrund a 30 Kronen in Pacht ge geben und hat sich verpflichtet, die Steuer selbst zu tragen. Im Jahre 1919 verblieben der Gemeindekasse nach Bezahlung der Steuern noch 450 Kronen, im Jahre 1920 nur mehr 34 Kronen. Nun kam aber die Mehlsteuer und die Herren dort, die in der Gemeinde die Mehrheit hatten, die den Sozialdemokraten angehören, haben den Beschluß gefaßt, die Mehlsteuer aus den Einnahmen der Gemeindekassa zu leisten, nachdem die Gemeinde verpflichtet wäre, alle Steuern zu zahlen. Der Protest der anderen Parteien ist unberücksichtigt ge blieben, da ja heute die Mehrheit entscheidet. Also die Gemeinde mußte aus den laufenden Einnahmen die Mehlsteuer bezahlen und konnte sie nicht einmal auf die Pächter überwälzen.

Nun ein anderes Beispiel. Die Gemeinde Friedenau, Bezirk Deutsch-Brod, hat eine Grundsteuervorschreibung von 522·34 K. Die Gemeinde zählt 42 durchwegs kleinere Besitzer und Häusler. Im Jahre 1917 hatten sie Gemeinde- und Schulumlagen von 150 % vorgeschrieben. In diesem Jahre hat die Hohenzollernsche Forstverwaltung in Stecken einen im Gemeindegebiet gelegenen Wald abgeholzt und den Grund und Boden der Gemeinde zu einem verhältnismäßig billigen Preis verkauft. Die Gemeinde mußte sich aber verpflichten, diese Waldfläche im Ausmaß von 21 Hektar in einem Aufforstungsturnus von 7 Jahren wiederum aufzuforsten. Die Jahreskosten wurden mit 1000 Kronen in den Voranschlag genommen und es erhöhten sich dadurch die Umlagen auf 200%. Eine Anleihe aufzunehmen ist vollkommen ausgeschlossen, nachdem die Gemeinde ohnedies durch einen Schulbau im Jahre 1905 überlastet ist. Über anderweitiges Vermögen verfügt aber die Gemeinde nicht. Nun wird der Gemeinde für diesen Grund eine Mehlsteuer von 753 Kronen vorgeschrieben, das heißt 42 arme Häusler müssen mit ihren Gemeindeumlagen auf die Proletarier mit 30.000 Kronen Jahreseinkommen beisteuern, damit dieselben billiges Mehl erhalten.

Meine Herren! Das ist keine soziale Fürsorge! Ich könnte diese Beispiele noch weiter ausdehnen. Meine Herren! Hören Sie auf mit dieser Besteuerung und schreiten Sie zur Einführung derjenigen Steuer, die allgemeinen Anklang finden würde, und das ist die Steuer, die wir schon in unseren Parteisatzungen angeführt haben, nämlich die allmählich ansteigende Einkommensteuer; die progressive Einkommensteuer muß kommen. Wir stellen uns sie so vor, daß eine mittlere Linie festgesetzt wird mit etwa 50.000 Kronen mit ansteigenden und absteigenden Sätzen. Die Sätze können beliebig gemacht werden von einer mittleren Linie an, und müssen in Einklang mit den jeweiligen Teuerungsverhältnissen gebracht werden. Wenn die Teuerung nachläßt, kann die mittlere Linie herabgesetzt werden. Sie werden sehen, daß Sie zu dieser Art der Besteuerung übergehen müssen, denn es ist dies die einzige gerechte Besteuerung des Einkommens, damit die Leistungsfähigkeit des Steuerträgers nicht überlastet wird.

Noch viel wäre zu sagen über andere Sachen, wie z. B. die Moral gehoben werden könnte. Das Eine muß ich aber noch erwähnen: man sagt immer, die Persekutionen gegen die Deutschen hätte nachgelassen; wir finden dies aber noch nicht. Die Deutschen werden, soweit sie in Staatsanstellungen sind, noch immer bedrückt wie früher, trotzdem diese Deutschen pflichtbewußt sind und auch unter den schwierigsten Verhältnissen Dienst machen. Als einen Fall will ich hervorheben, daß ein einfacher Angestellter aus einer deutschen Eisenbahnstation entfernt wurde, weil er Deutscher ist, und in eine große Verkehrsstation versetzt wurde, die èechisch ist. Er übt dort seinen Dienst genau so pflichtbewußt wie in der früheren Station aus, er ist äußerst tüchtig, und das beweist der Umstand, daß er an seinem neuen Dienstort bereits 62 Diebstähle aufgedeckt hat. Sie sehen, daß auch in dieser Art die Deutschen unter erschwerenden Umständen, trotzdem das mit persönlicher Gefahr verbunden ist, ihrer Pflicht nachkommen. Aber auch bei der Post sehen wir dasselbe. Aus Saaz mußte ein Fräulein nach Strakonitz versetzt werden, weil sie deutsch ist, obwohl sie dienstlich keinen Anstand hatte. Dafür wurden wir Saazer mit einem Telephonfräulein beglückt, das nicht deutsch kann und demgemäß alle Anschlüsse falsch verbindet. Und auf die Beschwerden bei dem Postdirektor kam die Weisung, es werde getrachtet werden, daß dieses Fräulein in kürzester Zeit die ortsübliche Sprache erlerne.

Meine Herren! Wir können Sie nur warnen, auf diese Weise mit den Bedrückungen gegen das deutsche Volk nicht weiter fortzufahren; wenn die Steuerschraube in der Art und die Bedrückungen gegen die Deutschen in anderer Art so weiter fortgesetzt werden, wie jetzt, werden Sie in uns die staatswilligen Leute nicht finden, die Sie brauchen zum Ausbau Ihres Staates. (Souhlas a potlesk na levici.)

4. Øeè posl. Böhra (viz str. 778 protokolu):

Hohes Haus! Das hohe Lied oder das garstige Lied der hohen Politik wurde letzter Tage von verschiedenen Rednern in der Budgetgeneraldebatte in moll- und dur- Tonarten gesungen. Auch einige Fugen, einige Disharmonien wurden mit hineinkomponiert. Das scheint traditionsmäßig in den einstmaligen Konzertsaal "Rudolfinum" hineinzugehören. In der nunmehrigen Spezialdebatte, und zwar bei der zweiten Gruppe, der finanziellen im engeren Sinne, kann ich an der hohen Politik des Innen- und Außenlebens der Republik vorübergehen, aber einige flüchtige Blicke und Streifungen muß man ihr leider auch da noch widmen. Im gesamten Organismus des Ministerrates bildet eben das Finanzministerium mit seinen nächsten Annexen sozusagen den nervus rerum oder die wirtschaftlichen Herz- und Blutadern, und wenn diese nicht reichlich gesundes Blut in alle Ressorts zirkulieren lassen, tritt dort Blutarmut, Stockung, Bleichsucht, ich möchte sagen Arterienverkalkung ein. Das Finanzministerium bereitet nun durch tausende ein- und aufsaugende Lymphgefäße allen Zweigen der Staatsverwaltung den Zufluß wirtschaftlichen Blutes oder soll ihnen dieses wenigstens zuführen. Aber leider geschieht dies mit Hemmnissen und ungleich. Manche Teile finden eine Hypertrophie, andere, und diese betreffen vorwiegend deutsche Belange, müssen wegen Blutmangels fast absterben oder sind tatsächlich schon erstorben oder verdorben.

Schon der Motivenbericht des Finanzministeriums, noch mehr der Bericht des Budgetausschusses über das mit dem vorläufigen Nachtrag über 26 Milliarden hinaus angewachsene Budget gibt schon eine Reihe innerer technischer Schwächen zu. Dazu gehören am augenfälligsten jene weit 1 Milliarde übersteigenden Aushilfen, welche angesetzten Beträge ordentlicherweise in das Budget der autonomen Körperschaften, nämlich der Länder, Bezirke und Gemeinden gehören. Es ist eine sehr schwierige Aufgabe, sich durch die vielen ziffernreichen Hefte des Voranschlages, auf dessen Verläßlichkeit und Übersichtlichkeit die Nachtragsforderungen und die ganz unsystematischen Zerzettelungen verwandter Materien geradezu einen Anschlag bilden, zur Gewinnung eines klaren Bildes durchzuarbeiten. Man muß da oft mit dem Stifte rechnen und wieder rechnen, addieren, subtrahieren, ins Vorjahr zurückblättern, schließlich noch fachmännischen Rat einholen. Man kommt da zu über 53 Milliarden Staatsschuld, zu fast 8 Milliarden Gesamtabgang. Von diesem Defizit allein kämen da auf den Kopf bei einer Bevölkerungsannahme von 13 Millionen - etwa 590 Kronen, vom ganzen Budget rund je 2000 Kronen oder über 100.000 Wiener Kronen oder 5000 Mark, an direkten Personalsteuern kämen im Budget zirka 112 K auf den Kopf, an indirekten zirka 590. Als befremdlich dürfte die Ermächtigung zweier Ministerien zur Veräußerung von durch die Vermögensabgabe überkommenem Staatseigentum anzusehen sein, wie auch deren diskrete Ausstellung von Staatsgarantien bis zu 50 Millionen. Noch mehr aber mutet mich befremdlich und bedenklich das ganze Vorgehen der uneuropäischen Institution des Bodenamtes an, ferner die Hervorhebung im Motivenbericht, daß die Regierung berechtigt sei, Veränderungen und Umstellungen in der Verwendung ihrer Budgetziffern vorzunehmen, wenn nur die Endsumme dadurch nicht geändert werde. Da könnte ja leicht, meine ich, Notwendiges, sagen wir Invaliditätsbeträge und deutsches Schulwesen, zu einer noch größeren Einbuße kommen und noch mehr beeinträchtigt erscheinen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda inž. Botto.)

Durch den Ziffernwald des Budgets geht überhaupt ein eigentümliches Rauschen. Dieser Ziffernwald bietet sich nämlich nicht nur uns Deutschen, sondern jedem besonnenen Budgetkritiker wie ein lichtloser verstrüppter, kaum durchdringlicher Urwald dar. Erst zwei von 39 Monaten hat das Kontrollamt überprüft. Das ärgste Hindernis für eine kritische Durchdringung dieses Dickichts, in dessen Finsternis schon der "Scheinwerfer" eines früheren Redners, eines Herrn Kollegen, nicht bloß Mücken und Potemkinsche Dörfer, sondern auch Elefanten und Abgründe in Form verschleierter Milliarden aufscheinen ließ, bildet wohl die auf Überbürdung der Steuerbeamten beruhende Rückständigkeit der Berechnung der Steuerschuldigkeit der einzelnen Erwerbstände. Die Steuerzahler wissen nicht, wie viel sie nicht nur für heuer oder für 1922, sondern auch gar für 1919 und 1920 zu zahlen haben, also auch nicht, wieviel sie noch schuldig sind, oder wieviel Überzahlung sie mit 10 %, sage zehn Prozent vergütet bekommen. Fast dünkt mich, ob nicjt einmal die Wuchergerichte an diese zehn Prozent, statt an einen ha rmlosen Kartoffelkrämer, oder ein Quark- oder Milchweiberl oder Butterweiberl denken. Doch dies nebenbei. Darum wende ich mich an den Herrn Finanzminister und an den ganzen Ministerrat im Interesse aller Steuerzahler, aller Bürger und Gemeinden jeder Zunge, indem ich an eine kürzlich mit verschiedenen Kollegen eingebrachte Interpellation zum Zwecke der Wiedereinführung der Einhebung der Gemeinde steuern durch die Gemeinden selbst erin nere. Der verordnete Modus, alle Steuern für Staat, Land, Bezirk und Gemeinde mittels Erlagscheinen an die Steuer ämter einzusenden, raubt den Steuer ämtern die Zeit, weshalb sie jahrelang mit den Steuerberechnungen ausständig sind, erspart den Stadt- und Dorfämtern keinen einzigen Angestellten, wohl aber bringt er den Gemeinden, deutschen wie èechischen und anderen, große Verlegenheiten und vielen Schaden. Denn jetzt wird seitens der Finanzlandesdirektion bekanntlich von der einlaufenden Steuersumme ein fach je das volle Monatszwölftel für den Staat abgezogen, der Rest erst wird den autonomen Körperschaften gnädig zuge wiesen. Und so kommt es, daß manchen Monat die Gemeindeämter, so sehr sie auch bitten und urgieren, derart mit leeren Kas sen dastehen, daß sie kaum den Schul diener und Ortspolizisten zu befriedigen vermögen, obschon die Steuerzahler mit Recht vermeinen, daß sie ihrer kommunalpolitischen Pflicht genügt hätten. Bei dieser Gelegenheit möchte ich einstreuen, daß die Abschaffung der alten Steuerbüchel, aus denen man Vorschreibung, Abzahlung und Rest leicht ersah, sehr nachteilig war, daß nun aber die Steuerämter doch wieder Büchel, freilich mit èechischem Text, ausgeben können, wenn man sie verlangt; noch praktischer als diese, sagen wir halboffiziellen Steuerbüchel sind die von einer privaten Vereinigung aufgelegten deutschen Steuerbüchel, und es würde eine èechische Ausgabe dieser Büchel vielleicht auch èechischen Steuerzahlern nur willkommen sein. Man kann diese Büchel wohl in jeder Buchhandlung bekommen und sollte sie verlangen. Wenn nun die Gemeinden ihre Umlagen etc. wieder selbst einheben könnten, würden die staatlichen Steuerämter, die ja bei der Verschiedenheit der Umlagenhöhe jeder Gemeinde ihres Bezirkes erst umständliche Sonderverrechnungen vornehmen müssen, erheblich entlastet, sie könnten endlich mit den großen Veranlagungsrückständen aufräumen. So kämen auch die einzelnen Abteilungen des Finanzministeriums aus dem Wirrwarr heraus. Diesen Wirrwarr bedauert ja der Bericht des Ministeriums selber, da es jetzt eben eine bestimmte Höhe der Vorschreibungen und Rückstände für die Budgeterstellung nicht kennt und vielfach mit vagen, schwankenden Ziffern operieren muß. Für die Gemeinden hat der jetzige üble Vorgang auch die weitere üble Begleiterscheinung, daß sie sich bei der jeweiligen Kassenleere mit kurzfristigen hochverzinslichen Bankdarlehen behelfen müssen, die, wenn die Landesfinanzdirektion den nächsten Monat mit den autonomen Zuweisungen wieder zögern und knausern muß, umständlicher, kostspieliger Erneuerungen bedürfen. So kommen die Gemeinden in die Kreide, ihre unter allen politischen Wandlungen bei allen Nationen hochgewertete Autonomie aber in Abzehrung und Auszehrung. Das spricht denn doch für die selbständige Einhebung der Gemeindesteuern durch die Gemeinden, die zudem sogar weit über die vielen neuen Staatssteuern hinaus geradezu jäh und sprunghaft mit ihren Umlagen in die Höhe schnellen müssen. Diese Wiedergewährung sollte darum das Finanzministerium denn doch ehestens eintreten lassen.

Der Herr Finanzminister verzeichnet in seinem Ressort auch die Zollämter. Da möchte ich auf etwas an sich sehr Äußerliches aufmerksam machen. Kommt man aus Bayern, Sachsen, Schlesien, Niederoder Oberösterreich auf Èechoslovakisches Gebiet, so begegnet man, obschon meilenweit landeinwärts sich noch deutschsprachiges Gebiet erstreckt, ausschließlich einsprachig èechischen Aufschriften der Zollämter. Sogar in österreichischer Zeit waren sie doppelsprachig. Diese jetzige Einsprachigkeit ist dem Herrn Finanzminister, vielleicht auch seinem Vorgänger entganggen. Ich finde sie als das Gegenteil von Rücksicht und will hoffen, daß sie abgestellt werde.

Im Finanzbudget waren und sind auch Kriegsanleihezinsen angesetzt. Sie wurden freilich nur im geringsten Maße effektuiert. Man sollte diese Post um 25% erhöhen. Da wäre gleich auch das Bedenken des neuen Herrn Finanzministers zerstreut, welches er uns kürzlich in seiner Jungfernrede erwähnte, daß nämlich bei einer Novellierung des Kriegsanleihegesetzes neue Benützer desselben nicht besser als jene wegkommen sollen, welche sich der IV. Staatsanleihe bedienen konnten. Ich sage: konnten. Denn die meisten Besitzer solch "pupillar- und mündelsicherer" Staatspapiere vermochten es ja nicht. Schlägt man aber rückwirkend 25 zu 75, so wären alle genannten Bedenken zerstreut. Das Problem der Kriegsanleihe ist nun endlich, wie die Preßburger Rede des Herrn Präsidenten der Republik und die einmütige Resolution des Senates andeutet, auch in der èechoslovakischen Öffentlichkeit des ihm angedichteten politischen Charakters entkleidet und als ein allgemein volkswirtschaftliches Problem gewertet. Es sollte von vornherein nur ein solches sein. Ich erlaube mir hier kurz an meine Ausführungen in der ersten Kriegsanleihedebatte zu erinnern. Dem Herrn Finanzminister sollte der Gedanke ganz vertraut sein, daß er in der Frage der vollen Einlösung nicht nur auf dem Passivkonto, sondern sehr viel auch auf dem Aktivkonto des Staatshaushaltes zu buchen hätte. Denn auf das Passivkonto hätte er bei der prospektmäßigen Verzinsung der pupillarsicheren Kriegsanleihetitres durch viele Jahre nur jährlich 430 Millionen Kupondienst zu setzen, bei Abrechnung der Zinsen der IV. Anleihe nicht ganz 400. Was will dies bei einem 27 Milliardenvoranschlag besagen? Nahezu einequantité negligeable! Aber dem gegenüber kann er dann auf der Aktivseite die gewaltige Post der Kriegsanleihe-Vermögensabgabe buchen, ferner die aus der Anerkennung und dem ökonomischen produktiven Kreislauf jener Werte und des Koupondienstes sich ergebenden vielen direkten und indirekten Steuern, die Hebung der Volkswirtschaft in allen ihren Verzweigungen, die Ersparnisse auf dem Gebiete der Arbeitslosigkeit, vor allem aber den billigeren inneren und äußeren Staatskredit. Kredit kommt nun einmal - und das muß jeder Finanzminister doch mit in den Kauf nehmen und man muß es dreimal sagen, Kredit kommt von credere, vertrauen, glauben. Und was nicht ich als ein Oppositioneller, sondern was zuhöchst gerade die Regierung und deren Majoritätsmitglieder hiebei hervorzuheben, zu betonen, besonders hoch einzuschätzen hätten, das wäre das Steigen des Staatsprestiges, des Ver trauens in den Staat. Das ist denn doch kein unscheinbares Imponderabile, sondern ein gewichtiges Ponderabile, das jeder Finanzminister bisher bei In- und Auslands darlehen und bei den drückend hohen Bankzinsen arg verspürte. Finanzielle Einsicht und Gerechtigkeit sollten deshalb auch in dieser Frage ehestens zum Siege gelangen.

Meine geehrten Damen und Herren! Es möge mir wegen Ermangelung der Gelegenheit, zu anderen Budgetkapiteln zu sprechen, gestattet sein, nur sehr kurz noch einige Fragen zu streifen. Es ist im Bericht und im Motivenberichte des Budgets viel von Ersparungen und im Hause auch von der Ersparungskommission die Rede. Lassen Sie mich da nur zwei kleine Beispiele, leider aber typische Beispiele anführen. Im Abschnitt "Prager Landesgebär und Findelanstalt" finden wir bei nur 12 Millionen Umsatz 20 Rechnungs beamte verzeichnet, also für täglich 1400 Kronen einen. Und bei der Landesirrenanstalt kommt schon auf 37 Kranke ein Rechnungsbeamter, im ganzen 19. Denken Sie, daß nicht jeder Fabrikant und jedes Geldinstitutbankerott würde, wenn es so vorginge?

Mit dem Finanzbudget hängt sehr auch die Kostenfrage der von meiner Partei und allen Parteien des deutschen parlamentarischen Verbandes als unnötig betrachteten Mobilisierung zusammen. Ich bin der Ansicht, daß es der äußeren, inneren und Handelspolitik dienlich wäre, in die rein inneren Angelegenheiten der Nachbarstaaten sich nicht einzumischen. Es sollte der Èechoslovakischen Republik daher ganz fernliegend gewesen sein, ob sich das ohnehin sehr beschnittene Ungarn republikanisch oder oligarchisch oder monarchisch einrichtet, ob es einen siamesischen Zwilling oder einen Bourbonen oder einen Prinzen, meinethalben von Honolulu sich demokratisch erkürt. Eine Halbheit aber scheint mir in einer Stellungnahme zu liegen, welche zwar die Mobilisierung vermeiden oder bis zur Erschöpfung aller friedlichen Mittel verschoben wissen will, im Prinzip aber halt doch eine monarchische Restaurierung als Kriegsfall betrachten, als eine kriegerische Bedrohung ansehen würde. Um mich da eines vulgären Vergleiches zu bedienen, möchte ich meinen, daß man denjenigen nicht tadeln dürfte, welcher einen bloß an geblichen Feuerschein als wirklichen Brand ansieht, und von seinem ihm bedroht schei nenden Wohnhause aus gleich den Schlauch und Strahl seiner Feuerspritze auf das Brandobjekt richtet. Deshalb wich unsere Stellungnahme schon im Außenausschusse denn doch, so meine ich, immerhin ziemlich wesentlich von den dortigen kommuni stisch-sozialdemokratischen Anschauungen ab. Es scheint mir zudem in dem ungari schen Probleme die Kleine Entente seitens der Großen Entente Ähnliches erfahren zu haben, wie es in diesem Hause oft der kleinere Fünferverband, nämlich der Deutsche parlamentarische Verband, seitens der größeren Pìtka zu verspüren in der Lage war.

Weiter halte ich dafür, daß bei politischen Verwicklungen nicht gleich mit der Sperre der Verkehrsmittel und mit Konfiskationen der Presse vorgegangen werden sollte. Die Minister und Abgeordneten in Prag ahnen vielleicht gar nicht, wieviel schroffer man bei uns im Randgebiete, als hier im Landeszentrum vorging. Die Verkehrs- und Exportförderung sollte gerade der Finanzminister als ihn sehr berührend ansehen, ebenso wie die Pflege von Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft und die Hebung des Vertrauens in die innere Ordnung und Sicherheit gerechten Besitzes und Erwerbes. Wir brauchen weiter raschere Gütertransporte, und zwar direkten Waggonverkehr bis ins ausländische, z. B. südslavische Absatzgebiet. Zur Förderung des Verkehrs sollten endlich interurbane Telephongespräche erleichtert werden. Jetzt muß man sie ja regelmäßig als teuere dringende Überlandgespräche anmelden. Die finanziellen Gesetze und Verordnungen sollten gleichzeitig auch in deutscher Sprache erscheinen, die unerschwinglichen Getreidekontingent-Mehrforderungen unterbleiben, die Reste der staatlichen Zentralwirtschaft ehestens vollständig wegfallen und Staatslieferungen nur gegen bare Bezahlung und auch unter gerechter Berücksichtigung deutscher Produzenten vergeben werden. Im Budget ist ja vieles noch nicht enthalten, was es längst aufweisen sollte, z. B. statt der übermäßigen Militär ausgaben lieber einen Fond für eine end liche allgemeine Alters- und Invaliditätsversicherung. Ferner möchte ich eine vorherige Liquidierung der angesetzten Summen - es sind jetzt 750 Millionen für den Zinsendienst der altösterreichi schen Staatspapiere und der gemeinsamen Papiere für andere als diese Zwecke vermieden sehen; denn der Staat muß ja, kraft des Friedensvertrages, künftig doch diese Summen nachzahlen, diesen Kupondienst auf die früheren Jahre, und wenn jetzt etwa wieder, wie das vorigemal, in ein Nachtragsbudget etwa 750 Millionen einfach als Ersparungen gebucht würden, so wäre das eine Täuschung im Budget. Denn künftiges Jahr müßte ja der Staat diese 750 Millionen wieder und dazu die Mehrquote für ein neues Jahr des Kupondienstes für die alten Staatspapiere einstellen. Und diese Zinsenzahlungen sind ja jetzt nur nicht fällig gewesen, trotzdem man hätte vorschußweise manchen solchen Besitzern schon etwas zahlen können, sie sind nur deshalb nicht fällig gewesen, weil die Repartitionskommission die Anteile von Staatsschulden-Titres, die auf die Èechoslovakei entfallen, noch nicht schlüsselmäßig aufgeteilt hat auf die Èechoslovakei, auf Jugoslavien und auf die übrigen Sukzessionsstaaten. Es sollten, wie ich schon sagte, auch entsprechende Summen oder bessere Ziffern eingesetzt werden für noch andere Zwecke, sagen wir z. B. für die Arbeitslosen, denn den Arbeitslosen ist mit einer bloß halbjährigen Unterstützung und ferner mit gänzlicher Auflassung bei Leuten, die 65 Jahre alt sind, nicht gedient. Die Gemeindefinanzen liegen ja so dar nieder, daß Gemeinden, die alle 65jährigen Leute aushalten müßten, wenn sie nicht mehr beschäftigt werden und bei Arbeits losigkeit Unterstützung finden sollten, bankerott würden, auch wenn sie ihnen monatlich nur unzureichende 50 Kronen zuweisen würden.

Ich schließe mit einem Appell an die neuen Herren Minister, die hier in Frage kommen, den Herrn Finanzminister und Handelsminister. Ich weiß nicht, ob sie gerade in diesem Augenblick anwesend sind. Es ist freilich nur ein zufälliges Wortspiel, daß beide Herren Novák, also Neue, Neuerer heißen. Mögen sie wirklich Neuerer in gutem Sinne sein und frühere Irrpfade verlassen, die nicht nur uns Deutsche, sondern das gesamte staatliche Finanz- und Wirtschaftsleben in eine Wüste zu führen drohen. Wir Deutsche wissen uns zwar vom Wege in ein gelobtes Land national-wirtschaftlicher Zukunft bei allem Optimismus und bei allen Versprechungen abgeschnitten, namentlich auch in vielen vorliegenden Budgetziffern. Aber wir wünschen und fordern, daß die Regierung denn doch endlich andere, neue, bes sere Wege einschlage. Wo ein Wille, da auch ein Weg. (Souhlas a potlesk na levici.)

5. Øeè posl. Beutela (viz str. 794 protokolu):

Meine Damen und Herren! Wenn etwas im Stande ist, im Sinne des § 300 des Strafgesetzes die Staatsbürger zu Haß und Verachtung wider den Staat aufzureizen, so ist es das Budget. Denn die Kapitel von 1 bis 20 weisen gegen das Vorjahr Erhöhungen von 4 bis 550 % auf, während nur zwei Kapitel - und das ist das Bezeichnende - und zwar jene für soziale Fürsorge und für Ernäh rung, ein Minus von 5 % bis 23 % aufzeigen. Das ist für diese Regierung mehr als bezeichnend. Die Kapitel IX und IX A des Staatsvoranschlages handeln auf Seite 2 von den Publikationsorganen, von den sogenannten Amtszeitungen a la "Prager Presse" u. s. w. Hier finden wir, daß die Ausgaben 6,387.618 K betragen, die Einnahmen 4.070.000 K, sodaß also auf diese Art von Regierungsorganen 2,317.618 Kronen daraufgezahlt werden. Welcher Zweck damit verfolgt wird, ist ja bekannt. Denn diese Art von Regierungsorganen, diese Zeitungen, sind lediglich dazu bestimmt, für die nationale Gewaltpolitik in diesem Staate die notwendige Propaganda zu machen, das heißt, die Staatsbürger so "aufzuklären", daß sie es besser begreifen, daß die Deutschen, vor allem die deutschen Sozialdemokraten die größten Staatsfeinde sind, kurz, diese deutschgeschriebenen Èechenzeitungen haben die Aufgabe, die öffentliche Meinung zu verfälschen, und nicht nur das, sie werden auch zu Spottpreisen abgegeben, eben deshalb, weil man soviel darauf zahlt, und sie bilden so eine staatliche Schmutzkonkurrenz gegen alle Zeitungen, die ehrlich bestrebt sind, irgend eine Parteimeinung oder Parteirichtung zu vertreten, die, wie wir wissen, mit Steuern und Abgaben namentlich für das Preßbüro und andere Dinge genügend belastet sind, daß es höher nicht mehr gehen kann. Diese Einrichtung ist auch so ein Stück Demokratie, von dem man sagen kann, daß es stinkender Korruption mit Staatsgeldern verteufelt ähnlich sieht. Aber daneben haben wir noch das Preßbüro und für dieses zahlen wir 7,519.287 K; die Einnahmen des Preßbüros aus den Zeitungen, die es abonnieren müssen, betragen etwa über 3 Millionen, sodaß wir auch da vier Millionen daraufzahlen. Also, man sieht, daß wir bei derlei Einrichtungen noch nicht ganz von dem Reptilienfond österreichischen Angedenkens befreit sind. Wie dagegen vornehmlich die Presse der deutschen sozialistischen Arbeiterschaft behandelt wird, ist hier bereits besprochen worden. Was die Schmutzkonkurrenz nicht im Stande ist, dem hilft die Zensur durch Konfiskation und andere Dinge nach. Zur Erfüllung dieser Dinge hat die Regierung Geld, nicht nur für die Auslandspropaganda; wir sehen, mit dieser Art Regierungspresse wird auch die für die Regierung notwendige Inlandspropaganda gemacht.


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