Støeda 25. øíjna 1922

Die Regierungserklärung handelt auch von der Gaureform und spricht davon, daß durch die Einführung der Gaureform am 1. Jänner Ordnung in die Verwaltung der Slovakei kommen wird. Unsere Auffassung ist eine andere. Die Gaureform, die die èechoslovakische Regierung plant, die eigentlich schon gesetzmäßig festgelegt ist, wird nur die alten Rechte der alten Komitate aufheben. Aber die alten ungarischen Komitate werden durch keine wirklich volkstümliche Körperschaft ersetzt, sondern durch eine von Bürokratie regierte Körperschaft. Die Gaueinteilung will die alte eingebürgerte Komitatseinteilung nicht durch eine zweckmäßige neue Einteilung ersetzen, sondern sie will die nationale Minderheit auf der ganzen Linie majorisieren. Statt Minderheiten zu trennen und dadurch wirkliche nationale Selbstverwaltungen möglich zu machen, vergewaltigt man die Minderheit durch die Gaueinteilung und Kolonisation.

Noch schlimmer ergeht es den Städten. Das Ziel der Gemeindepolitik der Regierungsparteien war die völlige Vernichtung jeglicher Selbstbestimmung. Dieses Werk der Regierung wurde mit der Verordnung vom 21. September l. J. gekrönt. Im alten Ungarn gab es eine stufenweise differenzierte Gesetzgebung für größere und kleinere Städte und für Landgemeinden. Nur die größeren Städte waren Statutargemeinden, die Landesunmittelbarkeit genossen, die dem Komitat nicht untergeordnet waren, die die Rechte eines Komitates selbst genossen. Eine Munizipalstadt nach ungarischem Recht war eine Stadt, die unabhängig war vom Komitat, die also selbst Komitat im Sinne des Gesetzes war und dementsprechende Rechte ausgeübt hat.

Die zweite Kategorie der Städte genoß eine geringere Autonomie und war dem Komitat untergeordnet, und Ortsgemeinden, die dem Stuhlrichter untergeordnet waren, besaßen eine noch geringere Autonomie. Durch die neue Organisation, die mit Hilfe der neuen Gesetze und Verordnungen die alte ablöste, wurden sämtliche Städte der Slovakei degradiert. Munizipalstädte, die den Statutargemeinden ähnlich sind, gibt es auf Grund des neuen Gesetzes in der Slovakei nicht mehr. Die beiden größten Städte in der Slovakei, Preßburg und Kaschau, sind in Zukunft Städte mit geordnetem Magistrat, d. h. sie sind dem Župan untergeordnet, und im welchen Maße? Nach der Neuregelung sind die Bürgermeister der Slovakei ernannte Beamte. Daß die Gemeindevertretung Kandidaten aufstellen kann, ist eigentlich nur eine Komödie, denn die Regierungsparteien haben ebenfalls das Recht, Kandidaten für den Bürgermeisterposten zu normieren, und ich glaube, es erscheint in diesem Staate selbstverständlich, daß seitens der Regierung nur Kandidaten der Regierungsparteien ernannt werden. Aber die städtische Autonomie wird nicht nur dadurch denaturalisiert, daß der Bürgermeister in Wirklichkeit Staatsbeamter sein wird und nicht Vertreter der städtischen autonomen Körperschaft, sondern auch dadurch, daß die Rechte des Magistrates und des Gemeindeausschusses größtenteils auf eine staatliche Behörde, auf den in der Slovakei neuorganisierten Magistrat übergeht. Diese Form bildet das sogenannte Notariatswesen; das ist die großartige neue Einrichtung, auf die die eigentliche Verwaltung der Stadt übergehen wird. Ein Fremdkörper in der Stadt, das Notariatsamt, wird in Zukunft eigentlich die Selbstverwaltung ausüben. Eine verstaatlichte städtische Autonomie, eine bürokratisierte Selbstverwaltung, ein Zwitter, ein Unding, das ist die sogenannte Autonomie der Gemeinden der größten Städte der Slovakei, eine Republik mit einem Großherzog an der Spitze, eine autonome Stadtgemeinde, die durch Staatsbeamte regiert wird! Dieses Kunststück hat man in der Slovakei zustande gebracht. Eine noch geringere Autonomie als die Städte Preßburg und Kaschau haben nach der Neuregelung die anderen Städte der Slovakei, die ihrer alten Rechte einfach beraubt und zu Landgemeinden degradiert urden. Die Landgemeinden in der Slovakei werden vom Stuhlrichter und Gemeindenotar regiert. Die Stuhlrichter waren früher ein Gewaltorgan der Gentryverwaltung. Die Gemeindenotäre sind äußerlich von der Gemeinde gewählt, aber in Wirklichkeit den Gemeinden aufoktroierte Staatsbeamte. Heute sind die beiden, sowohl der Stuhlrichter als auch der Gemeindenotar, staatliche Funktionäre. Gegen den Willen der Stuhlrichter und der Gemeindenotäre kann in der Gemeinde nichts geschehen. Auf diese Weise wurden die Ortsgemeinden völlig verstaatlicht. Stuhlrichter, Gemeindenotäre und Gendarmerie, die alte ungarische Dreieinigkeit, haben die Herrschaft gewahrt. Der ganze Unterschied ist der, daß sie früher in der Hand der ungarischen Gentry war, heute in der Hand der èechischen Bürokratie. Diese Fragen, die ich bisher behandelt habe, sind natürlich theoretischer Natur.

Die Frage der lokalen Autonomie bedarf in der Slovakei auch deshalb einer besonderen Behandlung, weil wir bisher nur ernannte Gemeindevertretungen haben. In der Slovakei sind derartige Verhältnisse, daß auch reaktionäre Neuerungen nicht verwirklicht werden. Man bleibt beim alten und wurstelt einfach fort. Die Gemeindevertretungen der Städte und Landgemeinden sind im Zwanzigerjahr unmittelbar nach den Nationalratswahlen im Verhältnis der Parteienstärke ernannt worden. Bisher ist noch keine Veränderung eingetreten und diese Zustände führten zu einem reinen Verwaltungschaos, weil das Verhältnis zwischen ernanntem Ausschuß und Župan durch kein Gesetz und durch keine Verordnung geregelt wird. So wußte man nicht, was zu machen ist und so kam es, daß die Župane Recht behielten in der Geltendmachung ihres Willens.

Ich möchte nun einige Dinge anführen, die einen glänzenden Beweis liefern, daß in der Slovakei in des Wortes wahrster Bedeutung eine Gendarmeriewirtschaft herrscht. Man fürchtet sich vor den Gemeindewahlen, weil man sich vor der oppositionellen Stimmung fürchtet. Man fürchtet die Gemeinderatswahlen, weil man weiß, daß die Gendarmerieherrschaft, mit der in der Slovakei regiert wird, bei gewählten Gemeindevertretungen nicht aufrecht zu erhalten wäre. Zur Lösung der sozialen Frage hat man heute in der Slovakei ein sehr einfaches Mittel: Den Knüppel der Polizisten und die Bajonette der Gendarme. Die Direktion der Zuckerfabrik Oroska ließ die Feldarbeiter, die die Lohnsätze auf dem Großgrundbesitz der Fabrik nicht annehmen wollten, mit der Gendarmerie bearbeiten. Die Folge dieser Gewehrkolbenkur war, daß man 20 Männer und Frauen ins Krankenhaus einliefern mußte. In Moèonok, auf dem Großgrundbesitz des Bischofs von Nrutra, brach eine Streikbewegung aus. Die Gendarmerie erschien wie in der guten alten ungarischen Zeit und zwang die Schnitter an die Arbeit, und zwar mit Waffengewalt. Durch diesen Prozeß wurde ein Arbeiter getötet und zwei Arbeiter erlitten schwere Verwundungen durch das Feuer der Gendarmen. Diese Fälle sind nicht vereinzelt. Auf dem Großgrundbesitz des ungarischen Grafen und slovakischen Bischofs wird heute die Disziplin mit Waffengewalt erhalten. Die Zahl der von den Gendarmen getöteten Arbeiter geht ins Erklekliche. Was ist der Unterschied zwischen dem Horthysystem und dem neuen Feudalismus, der in der Slovakei im Namen der Regierung errichtet wird?

Es gibt in der Slovakei auch eine Agrarreform und der Ministerpräsident sprach davon, daß diese Agrarreform im Sinne der Nationalisierung in diesem Jahre und im nächsten Jahre der Verwirklichung entgegengeführt werden soll. Aber, verehrte Anwesende, die Agrarreform in der Slovakei hat völligen Bankerott erlitten. Wir haben in der Slovakei keine Agrarreform, sondern einen neuen Feudalismus erstanden. Die Großgrundbesitzer waren vor einigen Jahren noch ziemlich kleinlaut, aber heute sind sie die alten. Mit guter Nase haben sie die eintretende Konterrevolution gespürt und kümmern sich nicht mehr um die geschriebenen Gesetze, denn sie sehen, daß die ganze Agrarreform, die ohnehin mannigfaltige Geburtsfehler hat, nur auf dem Papier existiert, und sie sehen weiter im Bodenamte nicht den Feind, sondern den Beschützer ihrer egoistischen Interessen. Aber wo die Agrarreform in der Slovakei dennoch durchgeführt wird, geschieht dies nur gegen die Arbeiter. Im Interesse fremder Kolonisten werden einheimische Arbeiter einfach vertrieben. So will man z. B. das Gesinde auf einem feudalen Groß grundbesitz mit einer kleinen Abfertigung entlassen. Hie und da wieder läßt man, z. B. auf dem Großgrundbesitze der Gräfin Karoline Csáky, das Gesinde, die alten Knechte eine slovakische Erklärung unterfertigen, die sie nicht verstehen und in welcher sie sich verpflichten, für eine ganz geringe Entschädigung die Arbeit zu verlassen. Die Landarbeiterschaft in der Slovakei fühlt sich dadurch gänzlich betrogen. Es wurde ihnen die Agrarreform versprochen, aber in Wirklichkeit erhalten sie den Wanderstab. Die Agrarreform in der Slovakei wird wohl einer kleiner Anzahl slovakischer Rückwanderer zu Grund und Boden verhelfen, aber dafür werden ungezählte Tausende deutscher und ungarischer bodenständiger Arbeiter den Wanderstab ergreifen müssen. Eine Agrarreform, die die Auswanderung fördert, das ist das wahre Gesicht unserer Agrarreform in der Slovakei.

Wir haben nebst all diesen Übeln hier, die auch in anderen Gebieten des Staates anzutreffen sind, auch noch das Übel der Arbeitslosigkeit. Die landwirtschaftlichen Arbeiter werden durch die Agrarreform, das heißt durch die schlechte Agrarreform, die industriellen Arbeiter durch die Erwerbslosigkeit zur Auswanderung gezwungen. Ich weiß ja, daß die Arbeitslosigkeit kein spezielles Problem der Slovakei ist, aber man kann getrost sagen, daß die Slovakei das Stiefkind des èechoslovakischen Staates bildet, daß die èechoslovakische Regierung so manches tut, wodurch die Industrie in den übrigen Gebieten des Staates begünstigt und die Industrie der Slovakei benachteiligt wird. Wir wissen auch, daß inbezug auf die Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung die slovakischen Arbeiter gegenüber den übrigen Arbeitern ganz bedeutend benachteiligt werden. In der Slovakei gibt es übrigens nicht allein eine Auswanderung der Arbeiter, sondern auch eine solche des Kapitals. Und ich meine, es wäre eine große Aufgabe und die Pflicht der Regierung, die Arbeiterschaft der Slovakei vor der Flucht des Kapitals gebührend zu schützen. Die Einstellung von Arbeiten in manchen Betrieben mag wohl durch die Tatsache des vollständigen Arbeitsmangels begründet sein, aber es kommt vor, daß Fabriken in der Slovakei, die staatliche Aufträge oder sonstige Aufträge haben, den Betrieb aus zwei Ursachen schließen. Und zwar, weil sie entweder keinen nach ihrer Auffassung entsprechenden Profit erzielen können, oder aber, weil sie die Absicht haben, die Organisation der Arbeiter einfach zu vernichten. Das ist zum Beispiel der Fall in Krompach und in Alsó-Szalank. Auch gegen diese Umtriebe gewissenloser Kapitalisten müssen Mittel gefunden werden, um die Interessen der Arbeiter zu schützen. Aber solche Schiedskommissionen, wie sie die Regierung in einem Gesetzentwurf plant, haben eigentlich gar keinen Wert.

Eine wichtige Frage bildet für die Slovakei auch die Lösung des Wohnungsproblems, und da müssen wir sagen, daß die Arbeitslosigkeit in der Slovakei ein Widersinn der kapitalistischen Wirtschaftsordnung ist. Meiner Ansicht nach gibt es wenig Länder in Europa, wo soviel Arbeit nötig wäre, wie gerade in der Slovakei. Die Wohnungsverhältnisse in diesem Lande machen die Errichtung von Wohnungen und Neubauten einfach unvermeidlich. Die landwirtschaftlichen Arbeiter wohnen in Löchern, in welchen ein guter Landwirt sein Vieh nicht unterbringen würde. Auf dem Grundbesitz eines gewissen Sigmund Klein in Barca wohnen beispielweise 27 Leute in einem 2 Meter breiten Loch. Solche Fälle gehören nicht zu den Seltenheiten. In den Städten sind die Verhältnisse nicht viel besser. In Preßburg sind 500 Parteien obdachlos und trotz dieses Umstan des werden gerichtliche Delogierungen vorgenommen, obwohl es den Gerichten freisteht, die Delogierung aufzuschieben. In Losonc beispielsweise mußte man 32 Familien in einem öffentlichen Spital unterbringen. Das Krankenhaus mußte schließlich seinem ursprünglichen Zweck zurückgegeben werden und die Obdachlosen wurden dabei delogiert. Requiriert wird nicht bei den Reichen, sondern bei den Gewerkschaften und Organisationen der sozialdemokratischen Partei. So wurde in Leva das Lokal der ungarischen sozialdemokratischen Partei requiriert und der arme Obdachlose war in diesem Falle ein Oberstuhlrichter.

Es gibt in der Slovakei eine soziale und auch eine nationale Unterdrückung. Die soziale Unterdrückung geht natürlich mit der nationalen Hand in Hand, von der am allerschwersten die Arbeiter betroffen werden. So sind zum Beispiel allein in Preßburg 3500 Gesuche eingereicht worden, in welchen um die Zuerkennung der Staatsbürgerschaft angesucht wurde. Von diesen 3500 Gesuchen wurden bisher insgesamt 15 Gesuche für die Arbeiter günstig erledigt. In Kaschau sind ebenfalls annähernd 3000 Gesuche eingereicht worden, von welchen bis auf den heutigen Tag insgesamt 4 Gesuche eine für die Arbeiter günstige Erledigung fanden. Diese Vorgangsweise der behördlichen Organe in der Frage der Zuerkennung der Staatsbürgerschaft muß umso schärfer verurteilt werden, weil bei der Natur der Beschäftigung der Arbeiter bekanntlich ein langer Aufenthalt an einem Orte nicht von ihrem Willen, sondern von den wirtschaftlichen Verhältnissen abhängig ist; und weil eben die Arbeiter den Schwankungen des wirtschaftlichen Lebens unterliegen, müßte in dieser Beziehung ebenfalls vonseite der Regierungsorgane entsprechend Rücksicht genommen werden.

In der Kulturpolitik kann man keine Besserung konstantieren. Häufig werden die Kinder nationaler Minderheiten zwangsweise in die slovakischen Schulen aufgenommen. Einschreibungen für solche Schulen, die die nationalen Minderheiten besuchen, werden unerhört erschwert und das Theaterwesen der nationalen Minderheiten wird einfach erdrosselt. Selbst die Justiz ist bei uns nicht nur eine Klassenjustiz, sondern auch eine nationale Justiz. Zu Pfingsten d. J. wurde ein deutscher Arbeiter von einem èechischen Beamten ohne Grund aus einem Revolver erschossen. Der Mörder wurde verhaftet, aber nach 4 Wochen freigelassen mit der Begründung, daß er betrunken war und für seine Tat nicht verantwortlich gemachtwerden kann. Also ein Freibrief für Mörder durch den Preßburger Staatsanwalt.

Die Kindersterblichkeit in der Slovakei ist ebenfalls sehr groß. Sie ist dreimal so groß, als in den übrigen Gebieten der Èechoslovakei. Genau so ist auch die Auswanderung der Arbeiter ungeheuer groß. Die èechoslovakische Regierung hat vom ersten Tage der Besitzergreifung der Slovakei die These aufgestellt, daß die Slovaken befreit worden sind. Nun, verehrte Anwesende, wenn wir feststellen, daß in den letzten 3 Jahren allein 70.000 Menschen aus der Slovakei ausgewandert sind, dann ist das jedenfalls eine Sache, daß jeder Einzelne, dem der Staat und das Volk an Herzen liegen, die Übel erforschen muß, welche derartige abnormale Zustände gezeitigt haben. Aber auf keinen Fall ist die Tatsache, daß im Verlaufe von 3 Jahren 70.000 Menschen aus der Slovakei ausgewandert sind, eine Rechtfertigung für die Behauptung, daß diese Leute von der Èechoslovakischen Republik befreit worden sind. Diese nüchternen Tatsachen üben eine vernichtende Kritik an unserem Regierungssystem. Wenn diese Politik fortgesetzt wird, wird die Bevölkerung der Slovakei genötigt sein, ihr Brot im Auslande zu verdienen und diese Politik wäre gewiß die gefährlichste Irredenta, weil sie die Regierung selbst erzeugt und selbst schafft.

Ich möchte noch einen sehr wichtigen Gegenstand behandeln, eine Angelegenheit, von deren günstiger Lösung viele tausende alte, ergraute Menschen eine Erlösung von ihrem Elend erwarten. Das sind die alten Pensionisten, die früher an konfessionellen Schulen gewirkt haben. Durch das Gesetz Nr. 99 vom Jahre 1920 und durch eine Verordnung vom August 1921 ist die Frage der Pensionierung der staatlichen Angestellten geregelt worden. Aber diese Verordnung hat es unterlassen, auch die Pensionierung der konfessionellen Schullehrer einzubeziehen. Wir müssen dabei in Betracht ziehen, daß in Ungarn die konfessionellen Schulen bedeutend zahlreicher waren und sind, als die staatlichen Schulen. Die ungarische Regierung hat die konfessionellen Lehrer inbezug auf die Pension genau so behandelt, wie die staatlichen Lehrer. Aber die Regierung der Èechoslovakischen Republik hat bis auf den heutigen Tag dieser Tatsache nicht die genügende Beachtung gewidmet und dadurch kommt es, daß die Lehrer der konfessionellen Schulen aufgrund des alten Gesetzesartikels aus dem Jahre 1891 pensioniert werden, laut welchem sie nach 40jähriger Dienstzeit insgesamt 2600 Kronen jährlich an Pension beziehen. Sie werden es begreiflich finden, daß die alten in Ehren ergrauten Leute von diesem Gelde nicht existieren können. Staatsschullehrer, die eine gleiche Dienstzeit und gleiche Familienverhältnisse aufweisen wie die Lehrer mit 40jähriger Dienstzeit in der Slovakei, bekommen auf Grund des neuen Gesetzes Nr. 99 vom Jahre 1920 15.000 bis 18.000 Kronen. Es wäre eine wichtige Aufgabe der neuen Regierung, daß sie diese Angelegenheit einer baldigen Lösung entgegenführt.

Nachdem meine Zeit abgelaufen ist, kann ich nur wiederholen, daß wir Sozialdemokraten in der gegenwärtigen Regie rung, nichts anderes erblicken, als eine Re gierung, die die Interessen der besitzenden Klassen dieses Staates fördern und verteidigen wird. Die arbeitende Bevölkerung dieses Staates kann von dem Wirken dieser Regierung nichts erwarten, und aus diesem Grunde erklären wir deutsch-ungarischen Sozialdemokraten, daß wir die Regierungs erklärung nicht zur Kenntnis nehmen und gegen sie stimmen werden. (Potlesk na levici.)

4. Øeè posl. Kostky (viz str. 96 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Wir steigen etwas atemlos in eine Debatte, die unserem vollen Atem erfordert, denn es zeigt sich immer deutlicher, daß die Wirtschaftskrise zu den bedeutungsvollsten Ereignissen dieses Staates seit seinem Bestande gehört. Kollege Køepek hat in seinen Worten darauf hingewiesen, daß bei der "Grünen Woche" in Leitmeritz, wo die Landwirte die deutsche Arbeit zusammenfaßten, man deutlich sehen konnte, welch hervorragende wirtschaftliche Arbeit von den Deutschen geleistet wird. Auch in Reichenberg, bei der heurigen Messeveranstaltung, hatten wir ein derartiges Zeichen deutscher Arbeit. Nur habe ich dort eines vermißt: Es waren wohl Vertreter der Regierung anwesend, aber sie konnten sich mit den Veranstaltern nicht verständigen, weil die Veranstalter der deutschen Arbeit in Nordböhmen eben Deutsche sind und die Vertreter der Regierung nur die Staatssprache gebrauchen dürfen. So zeigt es sich in diesem Staate deutlich, daß dort, wo Wirtschaft und Staat als offizielle Personen gewissermaßen zusammenzukommen, sie sich niemals verständigen können. So hören wir auch jetzt aus den Äußerungen der Regierung nur die Worte "allnationale Koalition", "Nationalstaat" und ähnliche Schlagworte. Der Deutsche und seine Sprache gilt nur als ein Objekt. Er wird nicht als Subjekt betrachtet, sondern ist Objekt der Enteignung und Entrechtung.

Es würde natürlich heute, da wir wieder einer Regierungserklärung, mit denselben Worten wie früher abgefaßt, gegenüber stehen, viel zu weit führen, wenn wir hier nur die Reihe der Tatsachen anführen woll ten, die die deutsche Bevölkerung bei allen derartigen Regierungserklärungen auf das Innerste empören müssen. Sie denkt an die Sprachenentrechtung, sie denkt an den Schulraub, sie denkt an die Bodenentrech tung, an die Wälderverstaatlichung, an die Geschäftsordnung dieses Parlamentes, an die Beamtenverj agung, an die Bahnver staatlichungen, sie denkt endlich voll Schmerz an die Kriegsanleihe und sie sieht, wie überall die Forderungen nach Schul autonomie und nach Gemeindeautonomie nicht nur nicht erfüllt werden, sondern wie im Gegenteil diese bestehenden Rechte der Selbstverwaltung in ihren bisherigen For men zerstört werden. Sie erfährt also das, was sie ja bis jetzt immer erfahren hat: Verhöhnung und neuerdings Verhöhnung! Und trotz alledem werden Sie von der Gegwnseite es mir nicht ableugnen können, daß wir an dieser Stelle, u. zw. die Mehrheit der Deutschen in diesem Staate, sachliche Kritik geübt haben und daß wir sachlich gesprochen haben. Warum also diese Worte: Zeigen Sie Loyalität, zeigen Sie, daß Sie auf dem Boden dieses Staates ste hen? Wir wissen es sehr genau - und es möge auch die Regierung wissen - die Deutschen gehen heute durch eine schwere Schule und sie strecken ihre Hände nicht nach den Sternen aus. Sie stehen auf dem harten Boden der Wirklichkeit und es zeugt für den Wirklichkeitssinn der deutschen Bevölkerung dieses Staates, daß sie ihre Kinder dem Staate zur Verfügung stellt. Es zeugt von dem Wirklichkeitssinn der deutschen Bevölkerung, daß sie ihre Steuern bis zum heutigen Tage vielleicht besser als die Anhänger der Koalition bezahlt hat und es zeugt für ihren Wirklichkeitssinn, daß sie den Gesetzen dieses Staates gehorcht. Trotzdem - und das ist auch zu guterletzt die Erklärung, die wir gestern wieder von der Regierung bekommen haben - trotzdem hören wir Worte, nichts als Worte, nichts als leere Versprechungen und Lügen, und selbst der Präsident dieser Republik wurde dazu verdammt, die Unwahrheit den Deutschen gegenüber auszusprechen.

Wir hörten die Regierungen Kramáø, Tusar, Beneš, Švehla, und es wird wieder so sein, wie es gewesen ist. Die geringen Versprechungen, die der gewesene Ministerpräsident Beneš den Deutschen als Brosamen gegeben hat, sind nicht erfüllt worden. Eine gerechte Einlösung der Kriegsanleihe, das Landestheater und andere Dinge sind Worte geblieben. Aber auch das System der Gewalt in diesem Staate ist auch geblieben, und dagegen bäumt sich heute die gesamte deutsche Bevölkerung auf, und ob wir hier wollen oder nicht, wir werden mitgerissen von dieser Bewegung und jede Vernunft wird eines schönen Tages - und der Tag ist gar nicht weit - dem Kampfruf der Bevölkerung weichen. Nicht wir drängen zur Gewalt, sondern die Gegenseite drängt zur Gewalt, die nichterfüllten Versprechungen und all die leeren Worte und Lügen, die Sie hier ausgesprochen haben. Glauben Sie ja nicht, daß selbst eine derartige Bevölkerung, welche zu klar sieht, als daß si irgendwelchen Phantasmagorien nachjagte, nicht auch die Mittel der Gegenwehr, wenn sie zum äußersten Kampfe gedrängt wird, in der Hand hat, und glauben Sie mir es, daß wir alle, die Bevölkerung in ihrem innerpolitisch en Kampfe aufs äußerste unterstützen werden. Ich warne aber auch vor Einem. Sie sprechen an dieser Stelle soviel von der Notwendigkeit zu "entösterreichen". Ich warne davor, daß das Schlagwort hier einmal Boden faßt, daß auch in diesem Staate "entèechoslovakisiert" werden möge; ein schwer auszusprechendes Wort, die Bevölkerung wird es leichter verstehen, als ich es hier ausspreche.

Die Regierungserklärung spricht, wie so oft schon, von der berühmten Konsolidierung dieses Staates. Es ist sehr merkwürdig, das gerade in nordböhmischen Kreisen in der letzten Zeit sehr viel davon berichtet wird, daß das Gendarmerieaufgebot, von dem Herr Dr. Rašín in seinem Berichte sehr liebevoll an erster Stelle sprach, besonders in den nordböhmischen Gebieten zusammengezogen wird. Es scheint, daß die Konsolidierung des Staates zum Teil auch darauf beruht, daß man sich auf die Bajonette dieser Gendarmen stützen will. So höre ich, daß im Gablonzer Industriegebiet in einzelnen Orten heute Aufgebote von 20, 30 Gendarmen zusammengezogen sind. In Gablonz selbst wird die Ziffer von 200 genannt. Ich höre weiter, daß diese Aufgebote strengen Auftrag haben, der Bevölkerung gegenüber unnachsichtig von der Schießwaffe Gebrauch zu machen, wenn sie mit der Konsolidierung des Staates in diesen Formen eines Tages nicht ganz einverstanden ist.

Die Erfolge der Wirtschaftspolitik werden vom Minister Rašín als durchaus sicher bezeichnet. Es findet sich in seinem Exposé nirgends ein Wort, das ein Bedenken zuließe, daß man sagen könnte, er habe auch all die Einwendungen, welche gemacht worden sind, in entsprechender Weise berücksichtigt. Ich weiß, daß der Finanzminister dieses Staates ein kluger Kopf ist, ich weiß, daß er nicht zurückscheut, in der Währungspolitik sogar zu einer Roßkur zu greifen, wenn seinen Plänen und Ideen dadurch entsprochen wird. Es wäre vielleicht gut, daß er sich auch daran erinnerte, daß es sehr notwendig ist, eine Deflation des Chauvinismus und der Großmannsucht eintreten zu lassen. Es tut mir unendlich leid, daß einer der Herren Minister, die sich ein Urteil über die Wirtschaftskrise di ses Staates schaffen müßten, soeben seinen Platz verläßt. Es wäre nämlich unendlich wichtig gewesen, daß er gerade hier die Meinungen verschiedener Kreise, u. zw. Kreise, die den verschiedensten Berufen nahestehen, die Meinungen der Arbeiterschaftsvertreter und der der Arbeitgeber anhöre, damit er sich ein Urteil darüber bilde, ob wir heute von einer Wirtschaftskrise in diesem Staate sprechen können. Einer Deputation, die vor kurzem dem Herrn Handelsminister eine Darstellung der Krise machte, soll er geantwortet haben: es gibt hier in diesem Staate überhaupt keine Wirtschaftskrisis, es handelt sich lediglich "um den Rückgang der Konjunktur". Ich weiß nicht, ob das schon unter der neugebildeten Regierung der Fall war, und nicht genau, wie er den Ausdruck "Konjunktur" aufgefaßt haben mag. Aber zweifellos ist heute wir hören es von Arbeitgebern wie Arbeitnehmern: "Nein, es handelt sich um keine Krise der Wirtschaft, es handelt sich um eine Katastrophe, um die Auflösung der Wirtschaft in diesem Staate! Noch eine Zeit so weiterwirtschaften und es wird die Wirtschaft in diesem Staate gewesen sein." Ich möchte darauf besonders aufmerksam machen. Ich weiß, daß sowohl der Finanzminister, als auch der Handelsminister, vielleicht auch der Minister des Äußern, der Meinung sind, sie tun heute das Menschenmöglichste, wenn sie von einem Abbau der Heereserfordernisse sprechen und wenn sie sagen, daß man hier vielleicht 400 Millionen im nächsten Budget ersparen wird. Ich weiß auch, daß es nicht ihre Schuld allein ist, sondern daß die Schuld viel weiter und tiefer liegt, daß es die Schuld derer ist, die seinerzeit international, außenpolitisch das sogenannte Friedenswerk geschaffen haben, das diesen Staat in vollständige Abhängigkeit von anderen Staaten brachte und ihm so im vorhinein die ungeheuren Militärlasten auferlegte. Ich weiß nicht, ob die Herren noch immer an der äußeren Politik so unverrückbar festhalten, wie sie sie seinerzeit im Friedensvertrage selbst geschaffen haben. Auch der Herr Außenminister hat vor nicht allzulanger Zeit von einem unverrückbaren Prinzip gesprochen, das in diesen Friedensverträgen gelegen sei. Vielleicht ist er in der Zwischenzeit durch den Gang der Ereignisse, durch die englische Bank und auch durch die Türken eines anderen überzeugt worden. Und es scheint, daß hier auch ein Abbau notwendig war bei allen den Siegervölkern, und zwar ein Abbau jener Kriegspsychose, die die Sieger auch dazu gebracht hat, den Krieg im Frieden fortzusetzen. Denn wir haben heute, wenn man es genau betrachtet, nichts anderes als eine Fortsetzung des Krieges gegen die besiegten Völker!

Sie glauben nicht, daß es sich um eine Wirtschaftskrise handelt, Sie glauben den Berichten der wirtschaftlichen Korporationen nicht, Sie glauben nicht den Parlamentsdebatten, wie sie schon vor einem halben Jahre hier durchgeführt worden sind und bereits das aufziehende Gewitter vorausahnen ließen. Ich will Ihnen nun einige Daten, die absolut sicher sind, aus der Gablonzer Industrie sagen, die gestern in einer Enquete dort festgestellt worden sind. Wir haben dort rund 10.000 Arbeiter und daneben noch mehr als 30.000 Heimarbeiter, im ganzen etwa 50.000 Beschäftigte gezählt. Von den 10.000 regelmäßig arbeitenden Personen arbeiten heute 2500 2 bis 4 Tage, 6000 bis 7000 Personen sind vollständig arbeitslos und nur noch ein kleiner Rest von ungefähr von 500 Arbeitern haben in diesem Gebiete regelmäßige Arbeit. Dabei dürfen Sie nicht vergessen, daß die Heimarbeiter zum größten Teil mit der Industrie zusammenhängen und daß sie eine Unterstützung in diesem Bezirke zum größten Teile nicht bekommen. Es ist gestern festgestellt worden, daß die Glasindustrie überhaupt von ihrer Gesamtarbeiterzahl in der Republik 18.000 arbeitslose Personen hat und daß 30.000 Personen in der Glasindustrie nur 3, höchstens 4 Tage in der Woche Beschäftigung finden. Der Herr Minister sprach davon, daß in kurzer Zeit diese Schwierigkeiten auch für diese Industrie überwunden sein werden. Es ist dies dieselbe Zusage und dieselbe Voraussicht, wie sie vom Handelsminister vor einem halben Jahr geäußert wurde. Damals hat der Handelsminister einer Deputation gegenüber die Meinung ausgesprochen, daß in einem halben Jahr, höchstens in einem Dreivierteljahr, der Zustand, welcher sich aus der Valutabesserung ergibt, für diesen Staat überwunden sein wird; und nun stehen wir erst vor den eigentlichen Schwierigkeiten und fragen uns: Kann der Gablonzer Markt heute überhaupt ein Offert herausgeben? Diese Frage wurde gestern aufgeworfen und beantwortet. Sie stellt sich folgendermaßen: Der Amerikaner bietet heute für eine be stimmte Ware in den letzten Tagen auf Grund des Dollarstandes in Gablonz 33 bis 36 Kronen. Die Ware kann heute am Platze um 90 bis 96 Kronen hergestellt werden. Sie sehen, daß hier der Export der ganzen Industrie vor ungeheueren Schwierig keiten steht, die sich mit derartig leicht fertigen Bemerkungen, wie sie zum Teil hier gemacht worden sind, und auf die ich noch weiter eingehen werde, nicht wider legen lassen. Es wird gefragt, ob die Arbeiterschaft, welche sich in entgegenkom mendster Weise für den Lohnabbau zur Verfügung gestellt hat, im Stande sei, durch den Lohnabbau einen Einfluß auf die Preise zu nehmen. Es wurde ausgerechnet, daß 25 % bis 30 % Lohnabbau, der auf dem Gebiete für die Glashütten zum Teil schon durchgeführt ist, für den fertigen Preis nur einen Abbau von 8% bewirken kann. Es ist also eine Konkurrenz bei einem Unterschied von 36:96 ganz und gar ausgeschlossen. Die Lage ist furchtbar und trostlos und nicht nur in diesem Gebiet, sondern durch das ganze Industriegebiet, nicht nur das deutsche, auch durch das gesamte èechische Industriegebiet geht heute diese Welle der Entkräftigung und Mutlosigkeit.


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