Illoyal ist und bleibt es auch, wenn man als Argument anführt, daß Kinder mit 18 Jahren versorgt sein sollen und können. Ich möchte einmal die geehrten Herren Minister und die Herren von den Majoritätsparteien fragen, wieviel verheiratete Töchter mit 18 Jahren sie schon haben, und möchte sie auch fragen, ob es denn so leicht möglich ist, immer schon für ein Kind mit 18 Jahren eine Versorgung zu schaffen? Es kann gewiß schon in einem Lebensweg drin sein, aber es wird nicht immer möglich sein, ihm eine Versorgung zu schaffen und auch, wenn man es im Gewerbe, in der Landwirtschaft und in der Industrie arbeiten läßt, wird wahrscheinlich ein Kind mit 18 Jahren nicht immer schon versorgt sein. Es ist also wieder eine ganz merkwürdige Argumentation, wenn man so etwas zur Begründung eines Gesetzentwurfes anführt. Die Herren, die früher gesprochen haben, haben bereits darauf hingewiesen, daß der liebe Herrgott in Zukunft die Staatsbeamten kinderlos erhalten möge, denn für das Kind bekommt man keine soziale Zulage mehr und Kindersegen soll in diesem Staate bestraft werden. Es ist gut, daß wir das an dieser Stelle einmal feststellen. Vielleicht wird sich die kinderreiche Nation der Èechen hier einmal gegen die eigenen Gesetzgeber wenden, weil in der Bevölkerung empfunden wird, daß solche Bestimmungen durchaus unsozial sind.
Ich komme nun zu den eigentlichen Ziffernargumenten und muß auch hier wiederum das Unmoralische und Unloyale feststellen. Auf der einen Seite heißt es, die Bezüge bleiben im großen und ganzen dieselben; so wird argumentiert und es wurde wiederholt auch, wie ich gehört habe, im Ausschuß davon gesprochen. Es ist auch weiter davon die Rede, aber aus den Tabellen ist ersichtlich, daß man nur diejenigen Beispiele herausgenommen hat, wo die Abzüge nicht übermäß ig groß sind. Also, man hat lediglich derartiges Illustrationsmaterial in den Ausschüssen vorgezeigt und auch der Herr Berichterstatter hat es vorgeführt. Ich möchte den Herrn Berichterstatter um eine Berechnung ersuchen. (Posl. dr. Kafka: Er ist nicht da!) Ja, er ist nicht da, er interessiert sich nicht dafür, er hält das Gesetz schon für angenommen. Ich möchte trotzdem wissen, ob er weiß, wieviel die Abzüge für einen Beamten der IX. Rangklasse in der III. Gehaltsstufe betragen. Ich habe ausgerechnet und ich glaube, daß das Ziffernmaterial keine Einwendung erfahren wird, daß am 1. Juli 1923 in der IX. Rangsklasse III. Gehaltsstufe 2870 K den Beamten abgezogen werden. Wenn er das heute erfährt, heute vor Weihnachten, und wenn er vielleicht gerade, er ist Oberoffizial, seiner Frau den abgetragenen Wintermantel ersetzen möchte, wenn er sich vielleicht die unbezahlten Schuhrechnungen anschaut, wenn er hört, daß die Miete in die Höhe gehen wird, weil der Herr Finanzminister - ich habe davon gehört - in seinem Hause große Reparaturen durchführt und dies auf die Mieter überwälzt, wenn er weiter hört, daß die Doktorrechnungen noch nicht abgebaut sind und daß auch die Rechnungen für Lebensmittel, die er noch nicht bezahlt hat, nicht abgebaut sind, wenn ihm dafür aber vom 1. Juli 1923 2870 K abgezogen werden . . . (Posl. Grünzner: Der Berichterstatter hat im Ausschuß erklärt, daß die Kartoffeln billiger geworden sind!) Ja, die Kartoffeln sind billiger geworden; es werden schließlich Kartoffelbeamte herauskommen, wenn man auf diesem Wege fortfährt. Auf der anderen Seite steht im Motivenbericht folgendes - das wird vielleicht der Berichterstatter auch nicht wissen: Der unbedeckte Betrag im Budget beträgt 1400 Millionen Kronen. Ein Teil davon wird durch diesen obigen 20%igen Abzug gedeckt, das sind 436 Millionen, außerdem durch die Abzüge 236 Millionen, bleiben noch 728 Millionen Kronen im Budget ungedeckt zurück. Wodurch wird das gedeckt? Durch einen weiteren Abzug, der voraussichtlich noch im nächsten Jahre bei den Staatsbeamten erfolgen wird. Der abzugfähige Betrag wird um 33 % weiter gekürzt werden, das ergibt für den armen Teufel der IX. Rangsklasse, den ich vorhin erwähnt habe, einen weiteren Abzug von 2640 K. Der Mann hat sich also 2870 K abziehen lassen und bekommt weitere 2640 K im Verlauf der nächsten Zeit abgezogen, die Steuern und Pensionsbeträge, die ich oben nicht gerechnet habe, betragen 830 K, macht zusammen 6340 K. Er bezieht im Jahre 22.116 K, er wird also im Verlaufe der nächsten drei Monate, da der Abzug 28 % betragen wird, von der Luft leben können. Das ist ein geniales Mittel, um die Warenpreise herunterzudrücken. Ich fürchte nur eines: daß wir dazu kommen werden, den Luftgenuß auch noch zu besteuern. Und wir werden auch damit nicht zum Ziele kommen. Es ist nicht nur unmor lisch, es ist wirklich ung! aublich, daß der Berichterstatter an solchen Tatsachen hier vorübergehen kann, ohne sie auch nur mit einem Wort zu erwähnen, ohne eine Erklärung für diese Ve rmutungen uns zu geben. (Posl. dr. Kafka: Ein anderes Haus würde es sich nicht gefallen lassen, daß der Herr Berichterstatter nicht anwesend ist!) Ich bitte ihm zu sagen, daß Aufklärungen hier sehr erwünscht wären. Warum steht nicht im Motivenbericht, wie die 33% gedeckt werden sollen. Soll den Staatsbeamten noch weiter abgezogen werden? Ich vermute, man wird sogar noch weitergehen. Dafür möchte ich hier zwei Beispiele anführen, damit die Leute draußen auch wissen, was wir von der Finanzverwaltung zu erwarten haben. Armer Teufel der IX. Rangsklasse, III. Gehaltsstufe komme noch einmal her. Er bezog im Jahre 1914 3938 K, er bezog im Jah re 1922, vom Jahre 1920 angefangen, 21.279 K. Er wird nach der Vorlage 18.414 K beziehen, also am 1. Juli eine Kürzung von 2865 K erfahren, d. i. 13%. Wenn wir noch 40% dazu nehmen, die vorauszusehen sind, denn bei 33 % wird es nicht bleiben runden wir die Kürzungen lieber auf 40% ab - so kommen wir dazu, daß er am Ende des Jahre einen Jahresgehalt von 15.214 K zu erwarten hat, also gegen die heutige Bezahlung einen Abzug von 28%. Das sind die bekannten 3 Monate, die er von der Luft leben kann. Und wenn die abbaufähigen Teile ganz abgetragen werden, wie es heute im Gesetz drinnen steht, so kommen im ganzen 43 % seines heutigen Gehaltes zum Abzug. Ich verstehe es nicht, wie eine Volksvertretung der Regierung eine derartige Rechtssumme in die Hand geben kann, um über die Staatsbürger, über Hunderttausende von Staatsbürgern in der Art und Weise zu verfügen. Wir sind damit wieder in der Zeit der Robot der Knechtschaft angelangt. Die Beamten haben zu kuschen und das Gesetz hinzunehmen und, geehrte Koalition, zu denen gehören auch Sie, Sie haben das einfach so hinzunehmen, wie es in der Vorlage drin steht, ohne zu mucken, und Sie schauen nicht einmal nach, was drin steht.
Man könnte einwenden, daß vielleicht höher qualifizierte Beamte wesentlich besser gestellt sind. Ich werde Ihnen Rechnungen vorführen, wie sie überhaupt stehen. Die Beamten mit Universitätsstudium können überhaupt die VI. Rangsklasse, dritte Stufe erreichen. Diese sollen am 1. Juli 1923 um 9% weniger haben; das ist vielleicht einigermaßen plausibel zu machen. Am Ende des Jahres, wenn diese 33 oder 40% dazu kommen, hat der Betreffende 20% seines heutigen Gehaltes weniger, 34.405 K. Die Ziffern stimmen. Wenn er die Hoffnung auf die Zukunft hat, daß wir ganz abbauen werden, so wird er um 10.816 K weniger haben, d. i. um 31%. Er hat also wieder 2 1/2 Monate ungefähr, wo er sich das liebe Brot aus der Luft fangen kann. Es ist eine Ungeheuerlichkeit, in dieser Art und Weise in einer Gesetzvorlage Bestimmungen festzulegen und es ist ganz ungeheuerlich, der Regierung eine solche Gewalt in die Hand zu geben.
Diese Ziffernargumente sind aber auch für die heutige Zeit falsch und den Beweis will ich Ihnen noch zum Schluß antreten. Es ist festzustellen, daß der Gehalt der Staatsbeamten - und darauf bitte ich besonders zu achten, denn es ist hier nicht erwähnt worden - niemals nach Maßgabe der Teuerungsverhältnisse festgelegt worden ist. Darum gab es das große Elend im Kriege und darum war Sorge und Not in allen Wohnungen der Staatsbeamten eingezogen. Eine Wiederherstellung des Lebensstandarts bei den Beamten ist bis zum heutigen Tage überhaupt nicht erfolgt, daran muß man unbedingt festhalten. Beweis dafür die Indexziffer. Es wurde für Prag vom statistischen Amt ausgerechnet, daß die Lebensmittel den Index 962, die Kleider 1262, die Wohnung 1012 haben, also durchschnittlich das Zehnfache des Friedensstandes von 1914. Der arme Teufel in der IX. Rangsklasse, er wird in Zukunft noch ärmer, er wird der ärmste Teufel sein. Er müßte, wenn man seinen Lebensstandart nach dem Frieden herstellen wollte - der Herr Finanzminister hat es leicht darüber zu lächeln, weil er seinen Lebensstandart hergestellt hat, aber er hat vergessen, ihn für die Beamten herzustellen - er müßte auf einen Gehalt von 39.380 K im Jahre kommen, dann hätte er erst das Zehnfache des Jahres 1914. Vergleichen Sie das mit den Ziffern, die ich vorhin vorgelegt habe, also mit der Summe von 18.414 und 15.214 am Ende des Jahres, so sehen Sie, daß Sie den Mann um 20.000 bis 24.000 K in seiner Lebenshaltung gegenüber dem Jahre 1914 heruntergedrückt haben. Und da wollen Sie sagen, daß ein solches Experiment irgendjemand in dem Staate, der noch einen Funken sozialen Denkens und Gewissens hat, mitmachen könnte? Ich glaube nicht. Aber, nehmen wir andere Rechnungen. Nehmen wir einmal nicht die Indexziffer, sondern die äußere Kaufkraft der Krone. Sie geht ja heute herunter, wir sind aber noch ungefähr auf 16 in Zürich. Nehmen wir das Sechsfache an, es entspricht vielleicht heute nicht mehr ganz, aber nehmen wir es an. So müßte dieser ärmste Teufel heute wieder auf 23.628 K kommen. Sie haben ihm also am 1. Juli, wenn Sie es durchführen, 5000 K weggenommen und am Ende des Jahres, wenn Sie noch 33 % wegnehmen wollen, 8000 K weggenommen. Das ist Gerechtigkeit? Humbug und leere Worte!
Die Folgen wurden hier bereits geschildert. Die Flucht der Staatsbeamtenschaft wird sich sehr bald bemerkbar machen, Herandrängen schlechter Elemente, Bestechung und Korruption werden blühen. (Posl. Patzel: Gibt es das jetzt noch nicht?) Sie existiert schon, und zwar schon in der hohen Staatsbeamtenschaft. Wir haben eine Interpellation gestern oder vorgestern eingebracht, wo Folgendes festgestellt wurde: Ein Sektionschef eines Ministeriums soll mit einem Herrn Vodièka in Prag Geschäfte für die Textilindustrie abgeschlossen haben und soll der Regierung Ware, die er um 70 K angekauft hat, um 120 K verkauft haben. Der Herr Sektionschef dürftemit dem betreffenden Herrn einen ziemlich guten Verdienst daraus gehabt haben. Wollen wir auf dem Wege weitersteuern? Wollen wir weitersteuern auf dem Wege der Belastungszulage, der Teuerungszulage, dann der Funktionszulage und wie die Zulagen alle heißen, daß die nach Gutdünken erteilt werden, vielleicht nach dem politischen Wohlbefinden des Betreffenden, nach dem Entgegenkommen der betreffenden Gruppe? Wir werden an die Herren der Majorität eine diesbezügliche Anfrage stellen.
Wir werden erstens durch einen Resolutionsantrag verlangen, daß der Status der Staatsbeamtenschaft, der immer ein gutes Mittel zur Kontrolle war, so rasch als möglich in diesem Staate herausgegeben werde, und zwei tens verlangen wir, daß das Parlament ein Verzeichnis über alle im Jahre 1922 erteilten Remunerationen und Geldzulagen, nach Personen und nach Geldbeträgen genau spezifiziert, bekommt. Das sind die Folgen, die unbedingt eintreten müssen.
Wir glauben, und zwar alle deutschen Parteien glauben, daß die Verhältnisse stärker sein werden als Ihre verblendete Gesetzgebung. Auch die èechische Bevölkerung muß sich zum Schluß gegen eine solche Gesetzesmacherei auflehnen und muß Sie selbst zwingen, dieses traurigste Weihnachtsgeschenk baldigst wieder zurückzunehmen. Wir lehnen es ab, einen solchen Wahnsinn der Gesetzgebung hier mitzumachen. (Potlesk na levici.)
6. Øeè posl. Simma (viz str. 1638 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Ich habe den Auftrag, im Namen meiner Partei zu dem Anschlag, den die zur Beratung stehende Gesetzesvorlage der Regierung an den Staatsangestellten, an den Lehrern, wie an der öffentlichen Angestelltenschaft überhaupt zu verüben gedenkt, im Sinne der schärfsten Kritik Stellung zu nehmen. Es kann wohl gesagt werden: Selten berührte ein Gesetz so einschneidend das soziale und kulturelle Leben eines Standes, wie das vorliegende, und diejenigen, die pflichtschuldig für dasselbe votieren, weil sie ja müssen, werden dieser Tätigkeit gewiß nicht froh, ebensowenig, als sie im Vorjahre froh wurden der Zustimmung zu dem Gesetz vom 21. Dezember 1921, das wir erst vor kurzer Zeit korrigierten. Die Sache liegt so, und das muß heute festgestellt werden vor der gesamten Staatsangestelltenschaft und Lehrerschaft, daß das Gesetz gewiß keine Annahme erführe, wenn es in diesem Hause nicht Parteien gäbe, die ihr Gewissen vergewaltigten. Jeder weiß, welche Parteien ich meine, es sind die èechischen sozialistischen Parteien, die sich seit Jahr und Tag keine bessere Beschäftigung ausgesucht haben, als mit dem Selbstmord zu spielen, dessen endgiltiger Erledigung sie bei der Stellungnahme, wie sie uns bekannt ist, auch zu dem vorliegenden Gesetz ziemlich nahekommen werden. Wenn ein Herr Malík, der Berichterstatter zu diesem Gesetz, wenn ein Herr Dr. Nosek, wenn ein Herr Mašata das Gesetz verteidigen, bitte, so ist das ganz begreiflich und verständlich. Aber wenn sich die Angehörigen der èechischen sozialistischen Parteien, die Vertreter der èechischen sozialistischen Parteien auch dazu hergeben, für dieses Gesetz zu stimmen, so ist uns das unbegreiflich und unverständlich.
Der Regierungsentwurf betreffend die Dienst- und Ruhegenüsse und Versorgungsgenüsse der Zivil- und Militärangestellten in vom Staate verwalteten Unternehmungen und Fonden geht im Motivenberichte in seinen Meinungen über die zu erwartenden wirtschaftlichen Entwicklungen ganz und gar ohne Logik vor. Die geistigen Verfasser des Gesetzes nehmen die Berechtigung zu den projektierten Maßnahmen aus gewissen Annahmen, u. zw. aus Annahmen über einen begonnenen und ihrer Meinung nach weiter andauernden Gesundungsprozeß in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Staates. Von diesem begonnenen Gesundungsprozeß verspürten diejenigen, über die heute das Schicksal gesprochen wird, bisher bitter wenig. Davon mögen die Herren von der Regierung etwas verspürt haben, sie mögen etwas wissen, aber die Angehörigen der großen Stände, über die heute, wie gesagt, der Richterspruch gefällt wird, wie auch etwa vor einem Jahre in gleicher Art und Weise, die Angehörigen dieser Stände haben von der Erleichterung in der wirtschaftlichen Lage und von einem Gesundungsprozeß bisher nichts zu verspüren vermocht. Von demselben grünen Tische, der einem großen Stande heute die Segnungen der aus weiser Erkenntnis getätigten Verfügungen der Vorlage bringt, gingen auch für andere Stände Weisungen aus, die weit eher zu allem anderen fähig wären, als jenen Gesundungsprozeß in den wirtschaftlichen Verhältnissen, der sich ganz von selbst ergeben hätte, zu fördern, vielmehr waren es gerade immer diese Maßnahmen, die in diesen Prozeß natürlicher Rückführung der Verhältnisse in die Vorkriegszeit hemmend eingegriffen haben. Der Preisrückgang hat gewiß bei den notwendigen Lebensbedürfnissen noch nicht jenen Grad erreicht, daß er auch nur Regelungen bestehender Notgesetze in weit geringerem Maße rechtfertigte, als die Vorlage der Regierung sie vornehmen will an den durch das Gesetz vom 21. Dezember 1921 den Staatsangestellten gewährten außerordentlichen Zulagen.
Wir, die wir über Gewissen verfügen, nehmen auf das Entschiedenste Stellung dagegen, daß in dem Versuche der Einflußnahme auf die Regulierung von Nachfrage und Angebot die Staatsangestelltensch aft zum Objekte des Experimentes gemacht wird. Wir schlagen vielmehr vor, daß Herren vom Schlage des Herrn Mašata auserkoren werden, ein Objekt zu diesem Experimente darzustellen. Wir werden sehen, ob dieser Herr, wenn er dieses Experiment ein Jahr an sich ausprobieren läßt, noch den traurigen Mut aufbringen wird, uns, die wir heute das Schicksal abwehren wollen, das über den Staatsbeamten schwebt, vorzuwerfen, daß wir Komödie spielen. Der Motivenbericht sagt: "Die Staatsangestellten bilden mit ihren Haushaltsangehörigen eine große Zahl der Konsumenten, sie sind demnach ein wichtiger Faktor für die Regulierung der Nachfrage, ein um so wichtigerer, da der Konsum derselben sich zum größten Teil auf die notwendigen Lebensbedürfnisse erstreckt, bei welchen ein Preisrückgang von größter Bedeutung ist." So verdammenswert die Absicht ist, in der diese Motivierung geschieht - die Absicht geht nämlich dahin, die Einkünfte der Staatsangestellten sich dienstbar zu machen für die Beeinflußung der Preise der notwendigen Bedarfsartikel - so richtig und im Unterbewußtsein oder in der Ungeschicklichkeit der Regierung getan ist die Erkenntnis, daß die Staatsbeamten und Lehrer mit ihren augenblicklichen Bezügen in der Tat nur das zum Leben Notwendigste erstehen konnten.
An diesen Bezügen wagt man nun zu rütteln. Die Gehaltsgrenzen der Staatsbeamtenschaft sollen revidiert werden. Ich werde noch Gelegenheit haben, auf die zahlenmäßig sehr reale Wirkung der einzelnen Bestimmungen zu sprechen zu kommen. Voraussagen will ich aber, daß es meine Meinung ist, daß jeder Mensch, der sich nur einigermaßen eine soziale Einsicht bewahrte, die Absicht der Regierung als unerträglich finden werde. Wenn schon den Staatsbeamten und Lehrern in einer Zeit ungeheuren Anschwellens der Preise aller Bedarfsartikel die Bezüge nicht in dem gleichen Maße erhöht werden konnten, wenn die Anspannung der Bezüge der Staatsbeamtenschaft und Lehrerschaft an die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse niemals bis zur letzten Konsequenz durchgeführt wurde, wenn der Staat nur hinkend dem Gebote der Notwendigkeit nachkam, die ganze Kriegs- und Nachkriegszeit hindurch, so haben die Staatsangestellten in einer bewunderungswürdigen Weise trotz unendlicher Not und trotz des Elends, das sie infolge der für sie langsamen Entwicklungen ertragen mußten, alles vergessen mit jenem Aufgebote sittlicher Kraft, die dem Beamten und der Lehrerschaft des Staates die Situation desselben in der Kriegs- und ersten Nachkriegszeit verständlich und begreiflich machte.
Aber die sittliche Kraft, welche die Staatsbeamten zu solchem Tun aufbrachten, gibt ihnen heute das von allen vernünftigen Menschen anerkannte Recht, sich einer Aktion des Staates gegenüber zur Wehre zu setzen, deren Effekt der Rückwurf in gleiche Verhältnisse der Not und Sorge sein wird, wie solche nur schwer in abnormalen Zeiten des Krieges und der unmittelbaren Zeit nach dem Kriege verhütet werden konnten, heute aber verhütet werden müssen. Die Gehälter der Staatsbeamten und Lehrer stellen heute nicht einmal das Existenzminimum dar, nämlich die Gehälter des Großteils der Beamtenschaft - es ist freilich schon von den privilegierten Beamten gesprochen worden, über deren Remunerationen wir bisher nicht unterrichtet sind. Ich glaube auch nicht, daß die vom Herrn Abgeordneten Kostka eingebrachte Interpellation erfolgreich sein wird. Ich erinnere hier daran, daß im Hause schon vor Jahresfrist eine Interpellation eingebracht wurde, die von der Regierung genaue Aufklärung über die Größe der im Vorjahr an einzelne Beamte erteilten Remunerationen und Weihnachtsgaben verlangte. Wir haben bisher keine Antwort bekommen, und ich glaube auch nicht, daß die Interpellation Kostka glücklicher sein wird. (Výkøiky posl. Kostky.) Es gibt in diesem Staate gewisse Privilegien, aber ich spreche heute nicht von denen, weil ich hiefür nicht genügend Zeit habe. Aber ich spreche von einem Großteil der Beamten- und Lehrerschaft, die durch das Gesetz hart betroffen werden soll. In jener Zeit, wo in den wirtschaftlichen Verhältnissen für die Konsumenten durchaus noch keine Erleichterung eingetreten ist, in einer Zeit, wo die für das Leben notwendigsten Bedarfs artikel sich im Preise gleich geblieben sind, einzelne Artikel sich wohl im Preise senkten, die aber von den Staatsbeamten und Lehrern nicht erstanden werden können, in einer Zeit, in der andere Dinge sogar in der Ausgabepost der Staatsbeamten- und Lehrerschaft höher figurieren, als früher - ich erwähne nur die Miete - in einer solchen Zeit kommt man mit Reformen, wie dem Verhalten zur Zahlung der vollen Personaleinkommensteuer vom 1. Juli an, vom 1. Jänner sollen bekanntlich 50 %, vom 1. April angefangen 75% gezahlt werden. In einer solchen Zeit kommt man mit dem höheren Pensionsbeitrag, der deshalb höher ist, weil er nunmehr von der um 75 % vermehrten Grundlage gezahlt werden muß. Dann kommt man vom 1. April angefangen mit einem 20 %igen Abstrich von dem Reste der Teuerungszulage, deren weiteres Schicksal in die Hand einer Regierung nach dem Geschmacke des Herrn Rašín gelegt wird. Und da kommt man mit vielen anderen Dingen, von denen jedes einzelne geeignet erscheint, der Existenz der Staatsangestellten zu schaden.
Wir haben seit langem kein Gesetz in diesem Hause vorliegen gehabt, das so schwer gerade diejenigen trifft, die zu schonen wären, das sozial umfaßbar ist. Ich erwähne nur die Bestimmungen über die Kinderzulage. So ideal die Institution ist, einer solchen Kinderzulage und so begreiflich es wäre, wenn mann aus sozialen Erwägungen heraus solche Einrichtungen ausgestaltete, so sozial unverständlich und unbegreiflich und auch vom Standpunkte einer gesunden Bevölkerungspolitik aus unfaßbar ist es, daß diese Zulage den vom 31. Dezember 1922 an neu eingestellten Staatsangestellten und Lehrern für nach diesem Zeitpunkte geborene Kinder nicht mehr gebühren soll, wie sie auch den vor dem 31. Dezember 1922 eingestelten Staatsangestellten für nach diesem Zeitpunkte geborene Kinder nicht mehr zur Auszahlung gelangt. Wir sagen hier, daß das von der Regierung angestrebte System der Arbeitszahlung, das anstelle des Alimentationssystems treten soll, solcher Art ein Verbrechen am Menschtum ist. Es wäre uns ganz selbstverständlich und begreiflich, wenn angesichts dieser Dinge die Regierung nichts schleunigeres zu tun hätte als, wie Kollege Patzel schon sehr richtig bemerkt hatte, den Antrag der Frau Landa-Štych der Verwirklichung zuzuführen.
Sehr hart sind auch die Bestimmungen des Punktes 1 des § 6. Hier heißt es, daß die Ansprüche auf Teuerungszulagen streng überprüft werden müssen. Für Kinder sollen solche Ansprüche nur bis zum 18. Lebensjahre bestehen. Nach diesem Zeitpunkte käme die Teuerungszulage für Kinder nurdann in Betracht, wenn sie mit ordnungsgemäßem Fortgang an einer Lehranstalt studieren. Wir hoffen, daß diese an und für sich schon strenge Bestimmung durch den zweiten Absatz des § 6 nicht noch weiter illusorisch werde. Im § 6, zweiter Absatz, heißt es nämlich, daß für Familienangehörige, die sich im Auslande aufhalten, keine Teuerungszulage gezahlt werden soll. Eine Ausnahme muß da unbedingt für die im Auslande studierenden Kinder gemacht werden. Ich gebe zu, daß das vielleicht mehr deutsche als èechische Studierende treffen wird, aber nur aus dem Grunde, weil wir leider gezwungen sind, unsere Kinder ins Ausland zu senden, weil wir gewisse Kategorien von Schulen überhaupt noch nicht besitzen. Ich erwähne hier nur, daß wir schon seit Jahren die Handelshochschule fordern, und zwar mit vielleicht mehr Berechtigung, als manche andere, die sie schon besitzen. (Posl. Patzel: Auch die Bergakademie, Tierarzneihochschule u. s. w.!) Jawohl.
Ein Monstrum des vorliegenden Gesetzes ist der Punkt 3 des § 6. Ich sprach davon, daß ich die sehr reale Wirkung des Gesetzes an einzelnen durch dieses Gesetz Betroffenen noch darstellen werde. Mein unmittelbarer Herr Vorredner hat die ziffermäßige Wirkung des Gesetzes an einzelnen Fällen schon aufgezeigt. Auch mir sei es gestattet, einen Fall hier - weil ja doch aus der Fülle der Fälle nur einige herausgegriffen werden können - anzuführen, der durchaus kein sogenannter Grenzfall ist, sondern ein Fall, der sich in hunderten von Beispielen wiederholen wird, der aber wieder ganz besonders die furchtbare Wirkung des Gesetzes für die einzelnen Beamten zeigt. Wir zeigen die ziffermäßige Wirkung des Gesetzes deshalb auf, damit sich nicht wiederum, wie im Vorjahr, einige politische Parteien nach Beschlußfassung des Gesetzes etwa darauf ausreden, sie hätten die Wirkung dieses Gesetzes nicht vorausgesehen. Von dieser Ausrede haben einige Abgeordnete der èechischen sozialistischen Parteien, denen in Volksversammlungen hart zugesetzt worden ist, Gebrauch gemacht. Es soll auch der Herr Unterrichtsminister Bechynì hievon ein Stückchen zu erzählen wissen.
Ich nehme also den Fall eines Beamten der VIII. Rangsklasse, III. Gehaltsstufe an, der vier Kinder hat, davon 2 über 18 Jahre alt, die also aus der Teuerungszulage ausscheiden. Dieser Mann wird nach dem neuen Gesetze beiläufig folgendes beziehen: an Gehalt 11.916 Kronen, Ortszulage 3408 Kronen, einheitliche Teuerungszulage 10.092 Kronen, Zulagen für 2 Kinder 2400 Kronen, zusammen 27.816 Kronen. Hievon werden in Abzug gebracht: der Pensionsbeitrag, schon für das ganze Jahr voraus gerechnet, 1089 Kronen, Personaleinkommensteuer 1600 Kronen und 20% Abzug vom einheitlichen Teuerungsbeitrag per 2018 Kronen, zusamme also 4707 Kronen, so daß ihm von seinem Einkommen von 27.816 Kronen nach diesen Abzügen 23.109 Kronen verbleiben. Das ist das Jahreseinkommen einer sechsköpfigen Beamten- bzw. Lehrerfamilie, also ein Monatseinkommen für 6 Köpfe von nicht ganz 2000 Kronen. Derselbe Mann hatte nach den alten Bestimmungen: Gehalt 6804 K, Ortszulage 3408 K, an gesamten Teuerungszulagen 20.004 K, in Summa 30.216 K, von welcher Summe ihm auf Grund der alten Bestimmungen nur 680 Kronen Pension und etwa 400 Kronen Einkommensteuer in Abzug gebracht wurden, so daß ihm nach den Bestimmungen des alten Gesetzes 29.136 Kronen verbleiben. Früher also 29.136 Kronen, jetzt 23.109 Kronen. Sie sehen also ein ganz außerordentlicher Verlust von rund 6000 Kronen, oder etwa 20%.
Dabei ist das Schicksal der Beamten in die Hand der Regierung gelegt, die auch den Rest der Teuerungszulagen abbauen kann, ohne Nationalversammlung, ohne Parlament, so daß dieser Mann, gesetzt den Fall, der gar nicht ausgeschlossen ist, daß die Regierung im Jahre 1923 von der ganzen Ermächtigung dieses Gesetzes Gebrauch macht, am Ende des Jahres eine Gehaltseinbuße von 47% zu erleiden hat. Das ist ein Fall, ich bemerke nochmals, kein sogenannter Grenzfall, sondern ein Fall, der sich in Hunderten von Beispielen wiederholen läßt, wenn man sich einigermaßen Mühe nimmt, in die Tabelle Ch nachzusehen.
Man mag welchen Standpunkt immer einnehmen, eines ist sicher, daß der um seine Existenzgrundlage betrogene Beamte auch seine Qualität verlieren wird. Die Auswirkungen für den Apparat des Staates werden ganz entsetzliche sein. Die tiefe Resignation, die den Stand der Staatsangestellten und Lehrer erfüllt, wird von Tag zu Tag größer. Jede Freude, jedes schöpferische Schaffen wird unterbunden in dem Falle der Erkenntnis der ungeheuren Absichten einer im Solde reaktionärer kapitalistischer Interessen arbeitenden Regierung, die die Menschen in zeitlang begraben gewesene Abhängigkeitsverhältnisse neuerlich zurückversetzen will.
Wir müssen bei Gelegenheiten, wie der gegenwärtigen, auf die Wahnsinnigkeiten hinweisen, durch die alle Maßnahmen der Regierung gekennzeichnet sind, die ungescheut Milliarden für den unersättlichen Militarismus ausgibt, die durch eine wahnwitzige Wirtschaftspolitik tausende Menschen, die Träger der Wirtschaft sind, an den Rand des Verderbens bringt, deren wirtschaftliche Roßkuren eine zeitlang wohl Fieber verdeckten, aber nur, um dasselbe stärker als vorher ausbrechen zu lassen. Es ist richtig bemerkt worden, es ist wie ein Menetekel, wenn man die gestrige und die heutige Züricher Notierung der èechischen Krone sich vor Augen hält, die glänzend jene Konsolidierung des Staates, die noch weiterhin nach dem Motivenberichte fortschreiten soll, beweist, jene wirtschaftliche Konsolidierung, die Berechtigung geben soll zu den Bestimmungen dieses Gesetzes. Die Regierung hätte nur eines zu tun, und das haben wir als deutsche Abgeordnete in diesem Hause oft und oft betont, die skandalöse Korruptions- und Protektionswirtschaft auszurotten, den Abbau des stehenden Heeres zu vollziehen, das dieser Staat nicht ertragen kann, zur Sparsamkeit in der Repräsentanz zu kommen, in dem unseligen Verfangen, durch die Millionen verschlingende Propaganda, der Welt das wahre Gesicht zu verbergen, einzuhalten u. s. w.
In der Stunde der verkehrten Maßnahmen, wie der durch die Regierungsvorlage vorbereiteten, rufen wir lauter als sonst nach Beseitigung all dieser Übelstände und dieser kostspieligen Einrichtungen dieses Staates, die keine Lebensberechtigung haben. Mit der Befolgung dieser unseren Forderungen wäre eine entscheidende Entlastung im Haushalte des Staates in Wirksamkeit gesetzt. Ist es Ihnen mit der Entlastung der Ausgabenseite des Budgets ernst, dann müssen Sie das tun, was wir Ihnen auftragen und fordern.
Der Herr Finanzminister hat in der Sitzung des Budgetausschusses vom 6. Dezember viel vom Preisabbau gesprochen, den ich schon widerlegt habe, viel davon gesprochen, daß die Zahl der Staatsbeamten für diesen Staat eine zu große sei. Ich meine, hierüber wollen wir nicht streiten, die Zahlder Staatsbeamtenschaft ist wirklich groß. Aber wir bedenken, wenn wir dieser Behauptung des Herrn Finanzministers Recht geben, daß sich in der Zahl der Staatsbeamten tausende Offiziere befinden, eine Unzahl von Beamten, überflüssige Ämter, die zu liquidieren wären, die, wenn sie nicht ins Leben gerufen worden wären, dem Staate zum Heile gedient hätten. Es sei nur das Außenhandelsamt mit seinen Zweigstellen, wie der berüchtigten Eisenbroder Expositur erwähnt, die sich nicht genug tun kann mit der Chikanierung des Gablonzer Exportwesens. Eines gilt: Der Staatsbeamte ohne Korruption ist heute bei den alten Bezügen ein Hungerleider, ein Stehkragenproletarier. Bedenkt die Regierung nicht, daß der Mensch, vor das Verderben gestellt, zu allem greifen muß? Verschlechterung der Lebensbedingungen dder Staatsbeamtenschaft und der Lehrerschaft, schließt in sich die Gefahr einer Korrumpierung dieses Standes ein, deren Kosten dann gewiß der Allgemeinheit höher zu stehen kommen werden, als jene Beiträge zum Staatshaushalte, die durch eine anständige Bezahlung der Beamten entstünden.