Senát Národního shromáždìní R. Ès. r. 1922.

I. volební období.

5. zasedání.

Pùvodní znìní.

Tisk 1331.

Antrag

der Senatoren Fahrher, K. Friedrich, Dr. Hilgenreiner, Dr. Emma Maria Herzig und Gen.

betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung.

Gesetz

vom..........................1922

über die Neuregelung der Sonntagsruhe im Handelsgewerbe.

Die Nationalversammlung der Èechoslowakischen Republik hat nachstehendes Gesetz beschlossen

Artikel I.

Das Gesetz, betreffend die Regelung der Sonn- und Feiertagsruhe im Gewerbebetriebe, vom 16. Jänner 1895, R. G. Bl. Nr. 21, in der Fassung des Gesetzes vom 18. Juli 1905, R. G. Bl. Nr. 125, wird in nachstehender Weise abgeändert:

§ 75.

Artikel IX.

Im Handelsgewerbe hat die Sonntagsruhe 36 Stunden zu dauern. Der Beginn der Ruhezeit kann frühestens von 6 Uhr abends des dem Sonntage vorhergehenden Wochentages berechnet werden.

Die Bestimmungen des vorstehenden Absatzes finden auch auf den zweiten Osterfeiertag, auf den zweiten Pfingstfeiertag und auf die beiden Weihnachstfeiertage sinngemässe Anwendung.

Artikel X.

Bezüglich der Kontor- und Büroarbeit überhaupt gelten die im Artikel IX für das Handelsgewerbe getroffenen Vorschriften. 

Artikel XI.

Ausnahmen von den Bestimmungen des Artikel IX und des Artikel X sind zulässig in den im Artikel III Punkt 3, 4 und 5 erwähnten Fällen.

Artikel XII.

Soweit nach den gesetzlichen Bestimmungen der Betrieb der Handelsgewerbe an den Sonn- und Feiertagen zu ruhen hat, dürfen auch jene Inhaber von Handelsgewerben, die keine Handlungsgehilfen, Lehrlinge und Arbeiter beschäftigen, den Gewerbebetrieb nicht ausüben, beziehungsweise die Eingangstüren zu den für den Verkehr mit dem Publikum bestimmten Geschäftsräumen nicht offenhalten.

Artikel XII a. 

Die Vorschriften über die Sonn- und Feiertagsruhe finden auch auf den dem Produktinosgewerbe zustehenden Verschleiss seiner Waren, soweit dieser Verschleiss nicht auf Grund der Artikel VI, beziehungsweise VII besonders geregelt wird ferner auf das Feilbieten im Umherziehen auf der Strasse und von Haus zu Haus (§ 60 der Gewerbeordnung) und auf den Marktverkehr Anwendung.

Artikel XII b.

Die auf Grund dieses Gesetzes bezüglich der Sonn- und Feiertagsruhe für die Handelsgewerbe im allgemeinen oder für bestimmte Handelszweige, beziehungsweise Warenkategorien in den einzelnen Gemeinden oder Gemeindeteilen erlassenen Vorschriften haben auch auf den Betrieb des Hausierhandels Anwendung zu finden.

Artikel XIII.

Die von den politischen Landesbehörden im Grunde der Artikel VII und VIlI erlassenen Vorschriften sind am Schlusse eines jeden Vierteljahres dem Ministerium für soziale Fürsorge zur Kenntnis zu bringen, welches im Einvernehmen mit den beteiligten Ministerien Abänderungen dieser Vorschriften verfügen kann.

Artikel II.

 Dieses Gesetz tritt mit dem ersten Tage des der Kundmachung folgenden vierten Kalendermonates in Wirksamheit.

Artikel III.

Mit dem Vollzuge dieses Gesetzes wird das Ministerium für soziale Fürsorge im Einvernehmen mit den beteiligten anderen Ministerien betraut.

Begründung

zum Gesetzentwurf betreffend die

Neuregelung der Sonntagsruhe im Handelsgewerbe.

In der Beurteilung der heute giltigen Vorschriften der Gewerbeordnung über die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe herrscht heute in allen einsichtigen Kreisen Übereinstimmung darüber, dass diese Vorschriften zu den allerverworrensten Zuständen geführt haben. Die Ursache hiefür ist in, jenen Bestimmungen der Gewerbeordnung gelegen, nach welchen die politischen Landesbehörden ermächtigt sind, sowohl für den Handel im allgemeinen, seine verschiedenen Zweige im besonderen, als auch für einzelne Gemeinden oder Gemeindteile die Sonntagsarbeit zu gestatten. Aus diesen Bestimmungen sind nun Verordnungen erflossen, die unter falscher Bedachtnahme auf vermeintliche Bedürfnisse das Prinzip der Sonntagsruhe vollständig durchbrochen haben. Darüber hinaus sind die einschlägigen Verordnungen in solcher Zahl erflossen, dass sich weder die Kaufleute noch die Käufer zurecht finden können.

Am 8. März 1885 wurde in die Gewerbeordnung des alten Österreich eine Bestimmung aufgenommen, die den Grundsatz der Sonntagsruhe in vollkommener Weise zum Ausdrucke brachte:

"An Sonntagen hat alle gewerbliche Arbeit zu ruhen, mit Ausnahme aller in den Gewerbelokalen und Werksvorrichtungen vorzunehmenden Säuberungs- und Instandhaltungsarbeiten, sowie der Ermächtigung, dass die zuständigen Minister bei einzelnen Kategorien von Gewerben aus den Gesichtspunkten:

1. der Untunlichkeit der Unterbrechung des Betriebes,

2. der Bedürfnisse der Konsumenten,

3. der Bedürfnisse des öffentlichen Verkehres, die gewerbliche Arbeit auch an Sonntagen gestatten können".

So grosszügig diese erste Neuregelung der Sonntagsruhe begonnen wurde, so hat sie in der Praxis nur unzureichend Anwendung gefunden. Unmittelbar nach ihr wurden in einer langen Liste 28 verschiedene Erwerbszweige mit zahlreichen Unterabteilungen für die Sonntagsarbeit freigegeben, darunter infolge "Berücksichtigung der Bedürfnisse der Konsumenten" auch der Handel.

Eine abermalige Regelung erfolgte dann durch das Gesetz vom 16. Jänner 1895, R. G. Bl. Nr. 21, dessen Artikel IX bestimmte, dass im Handelsgewerbe die Sonntagsarbeit für die Dauer von höhstens 6 Stunden gestattet sei. Die Festsetzung dieser Stunden hatte durch die Landesbehörden nach Anhörung der Gemeinden und der kaufmännischen Genossenschaften zu erfolgen. Die Landesbehörden konnten für die verschiedenen Zweige des Handels und für einzelne Gemeinden oder Gemeindeteile die Festsetzung verschieden vornehmen.

Die erste Wirkung dieses neuen Gesetzes war eine Fülle von Verordnungen der politischen Landesbehörden, die in ihrer Mannigfaltigkeit alle Begriffe überboten. Den Handlungsgehilfen war mit dem Gesetze so gut wie gar nicht gedient, denn die Auslegung der einzelnen Bestimmungen war eine derart unterschiedliche, dass sich weder die Landesbehörden, noch die Gemeinnen und kaufmännischen Genossenschaften damit zurecht finden könten.

Erst vier Jahre später bewies die niederösterreichische Statthalterei, dass sie den Sinn der Sozialgesetzgebung richtig erfasste. Sie ordnete mit Erlass vom 9. Juni 1899, L. G. Bl. 28, die völlige Sonntagsruhe für die Zeit vom 16. Juni bis zum 15. September für die offenen Verkaufsgeschäfte an. Andere Statthaltereien, wie die in Prag, folgten dem gegebenen Beispiele und schränkten in den Landeshauptstädten und in einzelnen anderen Orten die Sonntagsarbeit ein. Die niederösterreichische Statthalterei ordnete am 17. Juli 1903 mit einer sofort in Kraft getretenen Verordnung die völlige Sonntagsruhe für alle Wiener Handelsgewerbe an, mit Ausnahme des Lebensmittelgewerbes und des Zeitungsverschleisses. Einzig und allein am Sonntag vor Weihnachten durfte gearbeitet werden. Die Statthalterei ging von der sehr richtigen Annahme aus, dass sich die Käufer an die über die Hochsommermonate bestehende Sonntagsruhe vollkommen gewöhnt haben ünd es demnach auch im Herbst nicht empfinden werden, dass der vorübergehende Zustand inzwischen in einen dauernden umgewandelt worden ist. So ist es denn auch gekommen.

Am 17. Juni 1904 wurde im Abgeordnetenhause neuerlich eine Verbesserung des Gesetzes angenommen, die vor allem darin bestand, dass die Arbeitszeit an Sonntagen um zwei Stunden verkürzt und ausdrücklich auf vier Vormittagsstunden festgesetzt wurde; gleichzeitig wurde jede Beschränkung der Sonntagsruhe in den Orten mit unter 6.000 Einwohnern beseitigt. Im Herrenhause stiess das Gesetz leider auf Widerstand, trotzdem die volkswirtschaftliche Kommission des Herrenhauses die unveränderte Annahme des Gesetzes in der Fassung des Abgeordnetenhauses empfahl. Das Plenum des Herrenhauses strich über Betreiben der Sonntagsruhefeinde in seiner Sitzung vom 10. Feber 1905 die Bestimmung, dass sich die Sonntagsarbeit auf die Vormittagsstunden beschränken müsse und erhöhte das Ausmass der zulässigen Sonntagsarbeit für Orte unter 6.000 Einwohnern auf sechs Stunden. Die Vorlage wurde an das Abgeordnetenhaus zurückgeieitet und dort in der veränderten Form am 5. Juli 1905 in 3. Lesung zum Beschlusse erhoben. Sämtliche Redner erklärten, nur mit Rücksicht darauf, dass die Lebensdauer des Parlamentes zu kurz sei, um eine Stellungnahme gegen den Beschluss des Herrenhauses ohne Gefährdung des ganzen Gesetzes wagen zu dürfen, für die Vorlage in der geänderten Forin zu stimmen.

Seither sind die Bestimmungen über die Sonntagsruhe im Handelsbewerbe keiner weiteren grundlegenden Anderung unterzogen worden. Auch das Gesetz der Prager Nationalversammlung vom 19. Dezember 1918 über die achtstündige Arbeitszeit hat keine wirkliche Verbesserung der üblen Zustände gebracht. Diese Tatsache wird u. a. erhärtet durch die Masseneingaben des D. H. V. - Deutschen Handels- und Industrieangestellten-Verbandes (Sitz Aussig) und des Verbandes deutscher weiblicher Angestellter (Sitz Aussig) vom 14. November 1921, die vom Parlamente unmittelbar die reichsgesetzliche Anordnung der vollständigen Sonntagsruhe für das Handelsgewerbe fordert.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Gesetzgeber seither gewünscht hat, es möge seitens der Landesbehörden ausgiebigster Gebrauch von dem Rechte gemacht werden, das Ausmass der zulässigen Sonntagsarbeit herabzusetzen und gegebenenfalls die Sonntagsarbeit überhaupt auszuschliessen. Einzelne Landesbehörden haben nun in der Zwischenzeit ein gewisses Mass sozialpolitischer Einsicht bewiesen und weitergehende Verordnungen in der stillen Absicht herausgegeben, nach einer gewissen Übergangszeit zur völligen Sonntagsruhe im Handelsgewerbe zu kommen. Es erweist sich jedoch immer erneut, dass einerseits die von den Landesverwaltungen erlassenen Verfügungen nicht so sorgsam eingehalten werden wie die Reichsgesetze und dass anderseits die Chefs der Landesverwaltungen zwischen den widerstreitenden Empfindungen hin- und herpendeln und heute widerrufen, was sie gestern gegeben haben.

Über die Notwendigkeit, Zweckmässigkeit und Durchführbarkeit der vollkommenen Sonntagsruhe im Handel eingehend zu sprechen, erübrigt sich angesichts der Tatsache, dass sie im Wege kollektiver Vereinbarungen bereits in Städten jedes Umfanges und jeder wirtschaftlichen Struktur festgelegt wurde. Grösste und kleinste Städte, Industriezentren und Handelsplätze, sowie gemeinden mit vorwiegend bauerlicher Bevölkerung können die volle Sonntagsruhe im Handel als sozialen Fortschritt aufweisen. In diesen Orten hat sich durch die ganze Zeit her erwiesen, dass die vollständige Sonntagsruhe im Handel weder für die Verbraucher noch für die Kaufmannschaft nachteilig wirkt; wohl aber bringt sie den Dienstgebern und Dienstnehmern im Handel zahlreiche Vorteile von ausschlaggebender Bedeutung.

Wen für die vermeintlichen Bedürfnisse des flachen Landes seither besondere Massnahmen geschaffen wurden, weil angeblich die bäuerliche Bevölkerung in den Kleinstädten an den Wochentagen keine Einkaufsmöglichkeit findet, und nur der Sonntag allein für diese Kreise als Einkaufstag in Betracht kommt, so ist auch diese Behauptung durch Erfahrung und Praxis längst widerlegt. Die notwendigen Bedarfsartikel sind heute schon in den kleinsten Städten und Flecken zu haben und diese Provinzstädtchen sind nicht so dünn gesät, dass sich die bäuerliche Bevölkerung bei einigem guten Willen ihren Bedarf nicht an den Wochentagen (im besonderen an den Wochenmarkttagen) ohne namhaften Zeitverlust beschaffen könnte.

Das Handelsgewerbe ist seit langem reif für die Einführung der vollständigen_ Sonntagsruhe. Heute wünscht die Mehr_ zahl der Kaufleute selbst die Verwirkliechung dieser Forderung. Nur wenig Dienstgeber im Handel sind es, die sich dagegen stemmen; allerdings ist ihr Widerstand von einem unverhältnismässig grossen Aufwand an Lärm begleitet, sodass manche sonntagsruhefreundliche Kaufleute mit ihrer soziale Auffassung verschüchtert im Hintergrunde bleiben.

Der Landesverband der kaufmännischen Genossenschaften und Gremien (Sitz Teplitz) hat am 14. März 1920 in Karlsbad einen Kaufmannstag veranstaltet. Diese von über 400 Kaufleuten aus allen Teilen ges Landes besuchte Tagung hat sich für die gesetzliche Festlegung der ganzjähriden Sonnfagsruhe ausgesprochen. Eine 1919 vom D. H. V. - Deutschen Handelsund Industrieangestellten - Verbande (Sitz Aussig) durchgeführte Unterschriftensammlung bei den Dienstgebern des politischen Bezirkes Leitmeritz ergab, dass 97% der gesamten Kaufmannschaft in diesem Bezirke ebenfalls die vollständige -Sonntagsruhe als notwendig ansehen. Eine kürzlich abgeschlossene Rundfrage der Bezirkshauptmannschaft Komotau wiederum hat ergeben, dass sich für den gesetzlichen Sonntagsladenschluss nicht allein das Handelsgremium in Komotau sondern auch die Gewerbegenossenschaften in den kleinen Orten, wie Ulbersdorf, Sonneberg, Bielenz usw. einsetzten. Das Handelsgremium in Mährisch-Schönberg hat erst kürzlich den Antrag gutgeheissen, für das Land Mähren die einheitliche vollständige Sonntagsruhe anzustreben. - Einem gleichen Antrage wurde die einmütige Billigung des Handelsgremiums in Aussig a. Elbe zuteil. - In Sternberg bewirkte im Oktober 1921 die dortige Ortsgruppe der vorerwähnten Angestellten-Organisation eine Abstimmung unter den Kaufleuten, nach deren Ergebnis 97 für die vollständige ganzjährige Sonntagsruhe, 24 dagegen stimmten, während sich 12 der Stimme enthielten.

Der D. H. V. - Deutsche Handels- und Industrieangestellten-Verband hat kürzlich eine neuerliche Unterschriftensammlung für die Sonntagsruhe in den Kreisen der Kaufleute eingeleitet; die bisherigen 14tägigen Bemühungen erbrachten bereits gegen 1.000 Unterschriften aus den Reihen der Dienstgeber. Diese Aktien erfasst die meisten der Handelsplätze in Böhmen, Mähren und Schlesien; wir führen hier unter anderen an: Aussig (das Handelsgremium sprach sich geschlossen für die Sonntagsruhe aus), Rumburg (40 Dienstgeber für die Sonntagsruhe), Asch (84 Kaufleute für die Sonntagsruhe), Komotau-(das I-Iandelsgremium geschlossen für die Sonntagsruhe, 160 Kaufleute gaben ausserdem die Unterschrift hiefür ab), Jägerndorf (50 Kaufleute für die Sonntagsruhe), Böhmisch Leipa (64 Kaufleute für die Sonntagsruhe), Leitmeritz (die Kaufmannschaft geschlossen für die Sonntagsruhe), Mährisch - Schönberg (die Kaufmannschaft geschlossen für die Sonntagsruhe), Falkenau (die Kaufleute treten seither einmütig für die volle Sonntagsruhe ein). In Znaim, Brünn, Oderberg, Iglau, Zwickau u. v. a. O. wurde im Zuge der Aktion gleichzeitig offenbar, dass die weitesten Kreise der Kaufmannschaft die vollständige Sonntagsruhe lebhaft herbeisehnen. Bessere Zeugnisse für die Notwendigkeit und Möglichkeit der vollen Sonntagsruhe im Verkauf können wohl nicht mehr beigebracht werden.


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