§ 28.

(1) Wenn der Angestellte ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder wenn ihn ein Verschulden an der vorzeitigen Entlassung trifft, steht dem Dienstgeber der Anspruch auf Ersatz des ihm verursachten Schadens zu.

(2) Für die schon bewirkten Leistungen, deren Entgelt noch nicht fällig ist, steht dem Angestellten ein Anspruch auf den entsprechenden Teil des Entgeltes nur in- soweit zu, als sie nicht durch die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses für den Dienstgeber ihren Wert ganz oder zum grössten Teile eingebüsst haben.

§ 29.

(1) Wenn der Dienstgeber den Angestellten ohne wichtigen Grund vorzeitig entlässt oder wenn ihn ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritte trifft, kann der Angestellte unbeschadet allfälliger weiterer Schadenersatzansprüche ausser dem seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil des Entgeltes das ihm vetragsmässg gebührende Entgelt für den Zeitraum verlangen; der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit oder durch ordnungsmässige Kündigung hätte verstreichen müssen. Der Anspruch auf die dem Angestellten gebührende Abfertigung (§ 23) bleibt unberührt.

(2) Das ganze Entgelt wird mit der Auflösung des Dienstverhältnisses fällig. (Persönliche Vorstellung.)

§ 30.

Fordert der Dienstgeber den Angestellten auf, zum Zwecke der persönlichen Vorstellung oder des persönlichen Vertragsabschlusses bei ihm zu erscheinen, so gebührt dem Angestellten der Ersatz aller damit verbundenen Auslagen.

§ 31.

(1) Ist der Angestellte unter der ausdrücklichen Bedingung aufgenommen, dass er den Dienst genau an einem festbestimmten Tage anzutreten hat, so kann der Dienstgeber vom Vertrage zurücktreten, wenn der Angestellte, aus welchem Grunde immer, den Dienst an dem bestimmten Tage nicht antritt.

(2) Ausser diesem Falle kann der Dienstgeber vor Antritt des Dienstes vom Vertrage zurücktreten, wenn der Angestellte, ohne durch ein unabwendbares Hindernis gehindert zu sein, den Dienst an dem vereinbarten Tage nicht antritt oder wenn sich infolge eines unabwendbaren Hindernisses der Dienstantritt um mehr als vierzehn Tage verzögert. Das gleiche gilt, wenn ein Grund vorliegt, der den Dienstgeber zur vorzeitigen Entlassung des Angestellten berechtigt.

(3) Der Angestellte kann vor Antritt des Dienstes vom Vertrage zurücktreten, wenn ein Grund vorliegt, der ihn zum vorzeitigen Austriit aus dem Dienstverhältnis berechtigt. Das gleiche gilt, wem sich der Dienstantritt infolge Verschuldens- des Dienstgebers oder infolge eines diesen treffenden Zufalles um mehr als vierzehn Tage verzögert. Tritt der Angestellte im letzteren Falle ungeachtet der Verzögerung den Dienst an, so gebührt ihm das Entgelt von dem Tage, an dem der Dienst hätte angetreten werden sollen.

(4) Wird vor Antritt des Dienstes über das Vermögen des Dienstgebers der Konkurs verhängt, so kann sowohl der Masseverwalter als der Angestellte vom Vertrage zurücktreten.

§ 32.

(1) Ist der Dienstgeber ohne wichtigen Grund vom Vertrage zurückgetreten oder hat er durch sein schuldbares Verhalten dem Angestellten zum Rücktritt begründeten Anlass gegeben, so hat er dem Angestellten das Entgelt zu ersetzen, das diesem für den Zeitraum gebührt, der bei ordnungsmässiger Kündigung durch den Dienstgeber vom Tage des Dienstantrittes bis zur, Beendigung des Dienstverhältnisses hätte verstreichen müssen. Wenn das Dienstverhältnis auf bestimmte Zeit eingegangen wurde, hat der Dienstgeber dem Angestellten, falls die vereinbarte Dienstdauer drei Monate nicht übersteigt, das für die ganze Dauer entfallende Entgelt, falls die vereinbarte Dienstdauer dagegen drei Monate übersteigt, den für drei Monate entfallenden Teilbetrag des Entgeltes zu ersetzen. Allfällige weitere Schadenersatzansprüche werden durch die vorstehenden Bestimmungen nicht berührt.

(2) Die gleichen Ansprüche stehen dem Angestellten zu, wenn der Masseverwalter vom Vertrage zurückgetreten ist.

(3) Ist der Angestellte ohne wichtigen Grund vom Vertrage zurückgetreten oder hat er durch sein schuldbares Verhalten dem Dienstgeber zum Rücktritte begründeten Anlass gegeben, so kann der Dienstgeber Schadenersatz verlangen.

§ 33.

Trifft beide Teile ein Verschulden an dem Rücktritt oder der vorzeitigen Lösung des Dienstverhältnisses so hat der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt Konkurs.

§ 34.

(1) Wird nach Antritt des Dienstverhältnisses über das Vermögen des Dienstgebers der Konkurs eröffnet, so tritt die Masse in den Vertrag ein. Innerhalb eines Monates vom Tage der Konkurseröffnung kann jedoch das Dienstverhältnis vom Dienstnehmer ohne Kündigung, vom Masseverwalter unter Einhaltung der gesetzlichen oder vereinbarten kürzeren Kündigungsfristen gelöst werden.

(2) Wird das Dienstverhältnis durch die Kündigung des Masseverwalters vor Ablauf der bestimmten Zeit gelöst, für die es eingegangen war, oder war im Vertrage eine längere Kündigüngsfrist vereinbart, so kann der Dienstnehmer den Ersatz des ihm verursachten Schadens verlangen. Insoweit die vom Angestellten auf Grund der §§ 20, 23, 29 und 32 geltend gemachten Forderungen den Betrag des für ein Jahr entfallenden Entgeltes nicht übersteigen, gehören sie in die erste Klasse der Konkursforderungen und im Ausgleichsverfahren zu den ein Vorrecht geniessenden Forderungen.

Frist zur Geltendmachung der Ansprüche.

§ 35.

(1) Ersatzansprüche wegen vorzeitigen Austrittes oder vorzeitiger Entlassung im Sinne der §§ 26 und 27, ferner Ersatzansprüche wegen Rücktrittes vom Vertrage im Sinne des § 32 mässen bei sonstigem Ausschlusse binnen sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht werden.

(2) Die Frist beginnt bei Ansprüchen der erstgenannten Art mit dem Ablaufe des Tages, an dem der Austritt oder die Entlassung stattfand, bei Ansprüchen der letzgenannten Art mit dem Ablaufe des Tages, an dem der Dienstantritt hätte erfolgen sollen.

Kaution.

§ 36.

Ist vom Angestellten Kaution geleistet, so ist die Kaution und ebenso der Versicherungsschein über eine abgeschlossene Kautionsversicherung beim zuständigen Gerichte zu hinterlegen. Ansprüche an die Kaution können nur im gerichtlichen Wege erhoben werden.

Konkurrenzklausel.

§ 37.

Eine Vereinbarung, durch die der Dienstnehmer für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit beschränkt wird (Konkurrenzklausel), ist unwirksam.

Zeugnis.

§ 38.

(1) Der Dienstgeber ist verpflichtet, bei Beendigung des Dienstverhältnisses dem Angestellten auf Verlangen ein schriftliches Zeugnis über die Dauer und Art der Dienstleistung auszustellen. Eintragungen und Anmerkungen im Zeugnisse, durch die dem Angestellten die Erlangung einer neuen Stelle erschwert wird, sind unzulässig. Das Zeugnis ist auf Verlangen des Angestellten auch auf die Führung und auf die Leistungen auszudehnen.

(2) Verlangt der Angestellte während der Dauer des Dienstverhältnisses ein Zeugnis, so ist ihm ein solches auf seine Kosten auszustellen.

(3) Zeugnisse des Angestellten, die sich in der Verwahrung des Dienstgebers befinden, sind ihm auf Verlangen jederzeit auszufolgen.

§ 39.

Die Rechte, die dem Angestellten auf Grund der Bestimmungen der §§ 8 - 9 - 10, lezter Absatz 12 - 14, Absatz 2 -15 -16-17 -18 -19, Absatz 2 -20, Absatz 2 - 5 - 21 - 22 -23 - 24 - 29 - 31, Absatz 3 und 4 - 32, Absatz 1 - 35 - 36 - 37 - 38 zustehen, können durch den Dienstvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden.

§ 40.

Für Streitigkeiten aus den in diesem Gesetze geregelten Dienstverhälnissen sind die Gewerbegerichte zuständig.

§ 41.

(1) Insoweit dieses Gesetz nicht etwas anderes bestimmt, finden die Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechtes über den Dienst- und Lohnvertrag auf die in diesem Gesetze geregelten Dienstverhältnisse Anwendung.

(2) Desgleichen bleiben, insoweit dieses Gesetz nicht etwas anderes bestimmt, die Vorschriften der Gewerbeordnung, mit Ausnahme der §§ 72, 77, 80 bis 80 i, 81, 84, 85 für die in diesem Gesetze geregelten Dienstverhältnisse, auf welche die Gewerbeordnung Anwendung findet, aufrecht.

Artikel II.

Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auch auf das Dienstverhältnis von Personen Anwendung, die im Betriebe von Kriegs- und Übergangswirtschaftsstellen vorwiegend zu kaufmännischen oder höheren, nicht kaufmännischen Diensten oder zu Kanzleiarbeiten angestellt sind, sofern das Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit des Angestellten hauptsächlich in Anspruch nimmt.

Artikel III.

Dieses Gesetz tritt ami 1. Juni 1922 in Wirksamkeit. Es findet auf die an diesem Tage bestehenden Dienstverhältnisse auch dann Anwendung, wenn die Kündigung nach Kundmachung des Gesetzes erfolgt ist.

Artikel IV.

Mit der Durchführung dieses Gesetzes wird das Justizministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium für soziale Fürsorge betraut.

Begründung.

Für die Regelung der Dienstverhältnisse der Handlungsgehilfen und anderer zu höheren Diensten angestellter Personen ist das Handlungsgehilfengesetz (HGG.) vom 16. Jänner 1910 massgebend. Das Hand lungsgehilfengesetz (HGG.) wurde zu einem wesentlichen Teile auf Gesetzesbestimmungen aufgebaut, die vor 50, ja vor weit über I00 Jahren geschaffen wurden, also auf Bestimmungen, die sich. zwar durch ein ehrwürdiges Alter, nicht aber in jedem Falle durch ihre Anpassungsfähigkeit an die gegebenen Verhältnisse auszeichnen. Wenn das Handlungsgehilfengesetz immerhin im Zeitpunkte seiner Schöpfung als ein ganz gewaltiger Fortschritt gewürdigt weden musste, so trug es darum doch von Haus aus viele Halbheiten und Mängel in sich, die die Organisationen der Angestellten immer wieder veranlassten, die Forderung nach einer gründlichen Neuformung des HGG, geltend zu machen.

Es kann nicht bestritten werden, dass das Handlungsgehilfengesetz in vielfacher Hinsicht den gegenwärtigen Ansprüchen keineswegs mehr genügt und dass seine zeitgemässe Ausgestalltung ein tief empfundenes Bedürfnis ist. Die Verhältnisse, die bei der szt. Vorlage zum Handlungsgehilfengesetz massgebend waren, können mit den heutigen Verhältnissen auch nicht entfernt in eine Linie gestellt werden.

Der vorliegende Entwurf macht es sich nun zur Aufgabe, den dringensten Erfordernissen auf dem Gebiete der Neuregelung des Dienstvertragsrechtes der Angestellten zu genügen. Seine Bestimmung ist den sozialen Schutz im notwendigsten Ausmasse zu erweitern gewisse Schutzbestimmungen zur zwingenden Norm für alle Arbeitgeber zu gestallten; vielfache, aus der bisherigen unzulänglichen Fassung des Handlungsgehilfengesetzes entstandene Unklarheiten zu beseitigen; zur Schaffung eines einheitlichen selbstständigen Rechtes für die verschiedenen Berufskreise der Privatangestellten (Privatbeamten) beizutragen.

Der Entwurf dient lediglich der Neuregelung der privatrechtlichen Seite des Dienstverhältnisses. Grundsätzlich hält er daran fest, dass er nur für jene Dienstnehmer-Kreise Geltung erlangen soll die wirkliche Angestellten - Dienstleistungen verrichten, also für Handlungsgehilfen und Dienstnehmer, die zwar nicht kaufmännische, jedoch ähnliche, bezw. höhere Dienste leisten. Die Gründe hiefür liegen so durchaus nahe, dass sich das Eingehen in Einzelheiten von vornherein erübrigt.

Im besonderen sei noch betont, dass die im vorliegenden Antrage enthaltenen Forderungen zur Neugestaltung des Dienstvertragsrechtes der Privatangestellten lediglich das Mindestmass des Notwendigen bilden. Sie können keinesfalls als Ausfluss einseitig egoistischer Interessenpolitik angesehen werden, da sie unabweisebaren Bedürfnissen entspringen. Ihre Durchführbarkeit ist erwiesen durch die Praxis, in der sie im Wege freier Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und dem einzelnen Angestellten oder durch kollektive Abkommen längst vielfach zur Anwendung gelangten. Im Übrigen wurde von der Erwägung ausgegangen, dass durch die Beschränkung auf das Mass der unbedingten Notwendigkeit sowohl der Gesetzgebung als auch den anderen beteiligten Kreisen die Annahme des Entwurfes in seinem vollen Umfange erleichtert wird.

Die von allen Gesichtspunkten aus äusserst wünschenswerte Hebung der sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Lage des Privatangestelltenstandes ist Ausgangspunkt dieses Antrages Seine Verwirklichung muss daher als sehr wertvoller sozialer Fortschritt bezeichnet werden.

Zu § 1. Anwendungsgebiet.

Der Entwurf beabsichtigt, den persönlichen Geltungsbereich des Gesetzes in wirksamer Weise abzugrenzen, als dies bisher durch das Handlungsgehilfengesetz erfolgt ist. Die Absicht kommt dadurch zum Ausdruck, dass der Entwurf zunächst einmal eine Aufzählung von diesem Gesetze unterstehenden Unternehmungen und Anstalten bringt, die ausführlicher als jene des HGG. gehalten ist. Dann zielt der Entwurf darauf ab, auch solche Angestelltenschichten zu erfassen, deren Dienstverhältnisse bisher durch andere Gesetze ganz oder teilweise geregelt wurden. (Angestellte im Bergbau, im Schiffahrtswesen, Zahntechniker usw.). Die Erweiterung des persönlichen Anwendungsgebietes ist auf das Bestreben der Angestelltenschaft zurückzuführen, zu einem möglichst alle Schichten des Berufsstandes der Privatangestelltenschaft einschliessenden einheitlichen Dienstvertragsrecht für die Privatangestellten (Privatbeamten) zu gelangen.

Als weiteres Merkmal zur Beurteilung, ob ein Dienstverhältnis diesem Gesetze unterliegt, ist die Leistung von >Kanzleiarbeiten< angefügt. Es wird ausdrücklich bemerkt, dass durch diesen Zusatz das bisherige Anwendungsgebiet des Handlungsgehilfengesetzes ebenso wenig eingeengt werden soll, wie durch diesen Zusatz, keineswegs Personen dem Angestellten-Gesetz unterstellt werden sollen, die zwar in einer Kanzlei tätig sind, jedoch lediglich untergeordnete Arbeiten verrichten (Kanzleidiener, Handelshilfsarbeiter, Aufräumerinnen u ä.). Die in Rede stehende Ergänzung bezweckt nur, den wirkliche Angestellten-Dienste leistenden Dienstnehmern möglichst ausnahmslos und ohne zeitraubende Rechtsstritte den Schutz dieses Gesetzes angedeihen zu lassen.

Zu § 6. - Inhalt des Dienstvertrages.

Die Unzulänglichkeit des § 6, Absatz 1, des Handlungsgehilfengesetzes hat dahin geführt, dass Angestellte vielfach Dienstleistungen in mehr oder weniger beträchtlichem Umfange verrichten müssen, die mit ihrer eigentlichen Berufstätigkeit oder gar mit jenen besonderen Diensten, für die sie aufgenommen wurden, nicht den mindesten Berührungspunkt haben. Es wird deshlb Gewièht darauf gelegt, nunmehr unzweideutig zum Ausdruck zu bringen, dass der Angestellte zu Dienstleistungen, die ausserhalb der beøuflichen Ausbildung und der bisherigen Art seiner Berufstätigkeit liegen, nur mit seinem ausdrücklichen Einverständnis herangezogen werden kann. Dadurch allein wird Klarheit auf einem Gebiete geschaffen, das sich bislang wegen der sehr abweichenden Beurteilung der Angemessenheit durch die völlige unsicherheit des Rechtszustandes wenig rühmlich hervorhob.

Einem fühlbaren Bedürfnis entspringt das Verlangen, dass der Dienstgeber in jedem Falle verpflichtet ist, dem Angestellten nach, Abschluss des Dienstvertrages eine schriftliche Aufzeichnung über die wesentlichsten der gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Dienstvertrage auszufolgen.

Zu §§ 8 und 9. - Ansprüche bei Dienstverhinderung.

Der Entwurf dehnt den Anspruch auf Entgelt (Geld- und Naturalbezüge) im Falle der Krankheit oder eines sonstigen Unglücksfalles über die bisher bestimmte Dauer von sechs Wochen aus, wobei die seither im Betriebe zurückgelegte Dienstzeit besonders berücksichtigt wird. Dadurch wird eine Forderung der Angestellten erfüllt, die zweifellos vollauf berechtigt und nichts mehr denn billig ist.

Die von Seite einiger Unternehmer immer wieder geltend gemachte Einwendung, dass durch die angestrebte Verbesserung der gegenwärtig wirksamen einschlägigen Vorschriften des HGG. die Dienstnehmer veranlasst, würden, in Fällen leichten Unwohlseins aus Gründen der gleichzeitigen Erlangung des Entgeltes und des Krankengeldes ihre Arbeit einzustellen, entbehrt ebenso jeglicher sachlicher Berechtigung, wie die aus denselben Kreisen kommende Behauptung, die Dienstgeber würden schon durch die seitherigen Bestimmungen zu drückenden, ja unerträglichen, Doppelleistungen dadurch gezwungen, dass sie einen Teil der Versicherungsbeiträge und überdies das Entgelt für die Dauer der ersten sechs Krankenheitswochen leisten müssen.

Diesen Einwänden gegenüber ist vorerst festzustellen, dass die Dienstgeber die Las ten der Versicherungen keineswegs tragen. Wenn sie auch gesetzmässig die Hälfte zu den Versicherungsbeiträgen beischiessen müssen, wenn darüber hinaus sozialgesitinte Dienstgeber, die Versicherungsbeiträge freiwillig auch zur Gänze aus Eigenem bestreiten, so bezahlen die Amgestellten die Prämien in Wirklichkeit doch immer selbst. Jeder Dienstgeber rechnet erklärlicherweise von Haus aus mit jenen Beiträgen, die er für die Sozialversicherung der Angestellten zu entrichten hat, und bemisst demgemäss die Gehaltsbezüge, bezw. bürdet die damit verbundenen geldlichen Verpflichtungen durch Einrechnung auf die Gestehungs- oder Geschäftsunkosten auf die Allgemeinheit wieder ab Angesichts dieser bekannen Tatsache ist es durchaus unangebracht, von einer drückenden Doppelbelastung der Dienstgeber gegenüber den Dienstnehmern zu sprechen.

Ebenso wenig ist die angedeutete Behauptung begründet, dass in den Fällen leichten Unwohlseins mit. dem Doppelbezuge des Entgeltes und des Krankengeldes ein die Arbeitslust hemmender Vorteil verbunden wäre. Die Haltlosigkeit dieser längst abgetanen, aber von gewissen rückständigen Unternehmern immer wieder hervorgeholten Behauptung wird im besonderen durch die bisherigen reichen Erfahrungen mit der Anwendung des § 8 des Handlungsgehilfengesetzes erhärtet, die zur Genüge erwiesen haben, dass die Angestellten den sozialen Charakter der Vesicherungseinrichtungen gebührend zu würdigen wissen. Ganz abgesehen davon bringt es die Natur der Berufstätigkeit der Angestellten mit sich, dass. sie selbst bemüht sein müssen, ihre Dienstleistung zeitlich so wenig wie möglich zu unterbrechen. Zudem ist zu bedenken, dass sich der Erkrankte, sofern er Anspruch auf Krankengëld erheben will, in ärztliche Behandlung begeben muss; es liegt alsdann beim Kassenarzt, also einem Vertrauensmanne des Versicherungsträgers, festzustellen, ob die Arbeitsunfähigkeit gegeben ist oder nicht. Überdies sieht der Entwurf die Verpflichtung vor, dass der Angestellte auf Verlangen des Dienstgebers einen einwandfreien Nachweis über die Arbeitsunfähigkeit zu erbringen hat, widrigenfalls er des Anspruches auf das Entgelt verlustig geht.

Jede ernsthafte, mit Arbeitsunfähigkeit verbundene Erkrankung verursacht unbestritten grössere Geldaufwendungen. Dieser Umstand ist schon bei der Fassung des § 8 des HGG. Anlass gewesen, dem erkrankten oder durch einen Unglücksfall an der Leistung seiner Dienste verhinderten Angestellten den Anspruch auf das volle Entgelt bis zur Dauer von sechs Wochen einzuräumen.

Es ist eine Erfahrungstatsache, dass nicht wenige Dienstgeber die Erkrankung eines Angestellten benützen, diesen zu kündigen. Solchen ungerechten Kündigungen einigermassen entgegenzuwirken, ist Absicht des Entwurfes, soweit er dem erkrankten Angestellten das Entgelt über die bisherige Höchstdauer von sechs Wochen hinaus sichern will. Diese Schutzmassnah me erfasst im wesentlichen jene Angestellten, die längere Jahre in einem Betriebe beschäftigt sind und die meist im vorgeschrittenen Lebensalter stehen.

Es ist im weiteren ein Gebot der Selbstverständlichkeit, dass auch den niederkommenden Frauen ein besonderer Schutz zuteil wird. Hiebei muss nachdrücklich darauf hingewiesen werden, dass sich der bisherige Mangel ähnlicher Fürsorgebestimmungen bitter fühlbar macht und seine Beseitigung eine der wichtigsten Forderungen ist, die an die Sozialgesetzgebung überhaupt gestellt werden müssen.

Schliesslich treffen ähnliche Gründe, wie sie für den Fortbezug des Entgeltes im Falle einer durch Krankheit oder eines Unglücksfalles herbeigeführten Verhinderung an der Dienstleistung auch dann zu, wenn die Verhinderung durch militärische Pflichtdienstleistungen herbeigeführt wird. Unter Zugrundelegung dieser Auffassung hat deshalb schon das Handlungsgehilfengesetz vom Jahre 1910 einschlägige Vorschriften vorgesehen.

Zu §§ 10 und 11. - Provision

Die vorgeschlagenen Ergänzungen zu den seitherigen Bestimmungen gehen ebenfalls auf praktische Bedürfnisse zurück. Wichtig erscheint vor allem, restlose Klarheit darüber zu schaffen, welche Geschäfte als im Namen des Dienstgebers vom Angestellten mit dem Dritten abgeschlossenen zu gelten haben. Gleiche Bedeutung kommt der Neuregelung der Frage zu, inwieweit vom Dienstgeber dem Dritten gewährte Nachlässe bei der Berechnung der Provision berücksichtigt werden dürfen. Das HGG. hat bislang festgelegt, dass die Abrechnung über die Provision mangels Vereinbarung mit finde Juni und Ende Dezember eines jeden Jahres stattzufinden hat; beantragt wird, dass die Abrechnung fortan mangels einer Abrede mit Ende eines jeden Kalendervierteljahres erfolgt.

Zu § 15. - Zahlungsfrist.

Der Antrag folgt einem vielfach geübten Vorgange. Ob die Gehaltszahlung monatlich einmal oder zweimal erfolgen soll, bleibt nach wie vor der freien Vereinbarung überlassen, doch soll dem wirtschaftlich schwachen Angestellten damit das Recht gesichert werden, die Entlohnung nach Bedarf in kürzeren Abständen zweimal monatlich beanspruchen zu können.

Zu § 16. - Remuneration.

Bei fast allen Unternehmungen ist seit langen Jahren die Gewährung eines Neujahrsgeldes (auch Weinachts-Gratifikation o. a. genannt) an die Angestellten üblich, dessen Höhe in der Regel dem vollen Entgelt für einen Monat entspricht. Diese Tatsache erhellt u. a. auch aus den Kollektivverträgen, die die Angestellten-Organisationen abgeschlossen haben und von denen die übergrosse Mehrheit aller Angestellten in den verschiedenen Wirtschaftszweigen erfasst wird. Es steht sonach ausser Zweifel, dass die allgemein übliche Neujahrs- (Weinachts-) Remuneration einen vom. Dienstgeber im voraus in Rechnung gezogenen festen Bestandteil der Bezüge des Angestellten bildet, wenngleich manche Dienstgeber aus sehr. naheliegende Gründen noch immer den längst unhaltba gewordenen Standpunkt verfechten, die Remuneration sei eine freiwillige Zuwendung, Demgegenüber ist auch auf das Handlungsgehilfengesetz zu verweisen, nach dessen § 16 Remunerationen als fester Bestandteil der Bezüge gewertet werden müssen. Die aus dem augenblicklichen Rechtszustande noch erwachsenden Schwierigkeiten ein für allemal zu beseitigen, weiters die wenigen Firmen, die sich bislang zur Gewährung der Neujahrsremuneration nicht verstehen wollen, und dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern meinen, auf den Weg der sozialer handelnden anderen Unternehmungen zu führen, ist Zweck der beantragten Ergänzung.

Zu § 17. Urlaub.

Vieljährigen Bemühungen der Angestellten um die Einführung des gesetzlichen

Urlaubes wurde durch das Handlungsgehilfengesetz zu einem namhaften Teile entsprochen. Allerdings wurden damit lediglich - wie der Motivenbericht der Regierung ausdrücklich selbst besagte - Urlaubsfristen festgelegt, die nur dem allernotwendigsten Bedürfnis angepasst und die daher von vornherein nur als das Geringstausmass zu betrachten waren. Wenn der szt. Regierungsentwurf zum HGG. die gesetzliche Sicherstellung des Urlaubes für die Angestellten als die Erfüllung einer dringenden sozialpolitischen und hygienischen Forderung in sehr treffender Weise mit dem Hinweise begründete, dass die immer intensivere Ausnützung der Arbeitskraft, die gesteigerte Tätigkeit und die sanitären Verhältnisse das Bedürfnis nach hinreichender Erholungsmöglichkeit namentlich bei den ausschliesslich oder doch zum grossen Teile geistig tätigen Arbeitnehmérn besonders stark empfunden wird, so ist dem nur anzufügen, dass diese Begründung von sicherlich vorurteilsfreier Seite inzwischen an durchschlagender Beweiskraft bloss erheblich gewonnen hat.

Das gesetzliche >Geringstausmass< wird leider seitens mancher Unternehmer noch immer als das Höchstausmass angesehen. Obschon in fast allen Kollektivverträgen längere Urlaubsfristen denn die gesetzlichen vereinbart worden sind und obgleich zahlreiche andere Arbeitgeber aus eigenem denselben Vorgang einhalten, meinen rückständige Unternehmerkreise, über das gesetzliche Mindestausmass nicht hinausgehen zu sollen. Ihre Haltung birgt die ständige Gefahr in sich, dass auch die sozial gesinnten Arbeitgeber aus naheliegenden Rücksichten veranlasst werden ebenso zu verfahren. Nur durch die Gesetzgebung ist es also zu erreichen, dass der Urlaub im ausreichendem Umfange Gemeingut aller Angestellten wird. Darauf zielt der vorliegende Entwurf ab, in dem überdies die Dauer der Dienstleistung, also des Dienstalters, in dem betreffenden Betriebe besonders berücksichtigt erscheint.

Die Anrechnung der in anderen Unternehmungen zugebrachten Dienstzeit, sowie der Studienzeit innerhalb gewisser Grenzen ist so selbstvertändlich, dass sich eine eingehende Beweisführung erübrigt.

Es war vorauszusehen, dass die nicht erschöpfend gehaltene Fassung des § 17 HGG. viele Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen würde. Muss es doch als ausser Frage stehend bezeichnet werden, dass dem Angestellten für die Dauer des Urlaubes der Anspruch auf das ganze Entgelt, also auch auf die Naturalbezüge zusteht, die unbestritten einen massgeblichen Bestandteil der Bezüge bilden. Sehr richtig führt zu diesem Gegenstande das Rechtshandbuch des >D. H. V. - Deutschen Handels - und Industrieangestellten-Verbandes< (Sitz Aussig) aus:

>Wenn die Fürsorgebestimmung auf Erteilung eines Jahresurlaubes, die sogar als zwingendes Recht festgelegt ist, ihren Zweck erfüllen soll, dann darf man auf der anderen Seite den Betreffenden wirtschaftlich nicht so schädigen, dass es unmöglich ist; die vom Gesetze beabsichtigte Wohltat zu geniessen. Der Gesetzgeber war keinen Augenblick darüber im Zweifel, dem Angestellten für die Dauer des Urlaubes das Gehalt zuzusprechen. In den Stellungen mit freier Station ist die verabreichte Kost und Wohnung ein wesentlicher Teil des Einkommens, das gerade in diesen Stellungen sehr oft kaum an ein Existenzminimum heranreicht. Es wird einem solchen Angestellten ganz unmöglich, von seinen kargen Geldbezügen den Unterhalt für die Dauer seines Urlaubes zu bestreiten, Dadurch würde es ihm ganz unmöglich, von seinem Urlaubsrechte, das ihm der Gesetzgeber >zwingend< zuerkennen will, Gebrauch zu machen.<

Die bisherige Fassung der erwähnten Gesetzesstelle einwandfrei zu gestalten, ist weiterer Zweck des Antrages.

Die Vorschrift, dass ein Verzicht oder eine Verweigerung des gebührenden Urlaubes unzulässig ist, ist durchaus im Sinne der seitherigen Bestimmung gelegen, weil auch sie den Anspruch auf Urlaub in den Charakter des zwingenden Rechtes einkleidet. Diese Eigenschaft ist aber zu wenig nachdrücklich hervorgehoben worden, welcher Umstand noch immer des öfteren dazu verleitet, dem Angestellten den Urlaub ungebührlich vorzuenthalten. Der alte Erfahrungssatz, dass nachgiebiges Recht die Neigung erweckt Recht zu beugen oder zu brechen, tritt auch in der trage der Urlaubsgewährung stets erneut in Erscheinung. Durch die Annahme der vorgeschlagenen Fassung würde dem Rechtsbruch zu ungunsten des Angestellten wirksam ein fester Riegel vorgeschoben.

Schlieslich sei an der Stelle wiedergegeben was der mehrfach angezogene Wiener Regierungsentwurf zum HGG, über die wohltätigen Folgen des Urlaubes für alle Beteiligten und über die Durchführungsmöglichkeit sagt:

>Der Urlaub ist keine Belastung für den Dienstgeber, denn erfahrungsgemäss wird die Frische und Spannkraft gerade des qualifizierten Arbeiters durch eine Erholungspause gestärkt und belebt und der Arbeitsverlust der Urlaubszeit durch die gesteigerte Arbeitsenergie leicht wettgemacht. Auch haben die im Staatsdienste wie in Privatanstalten gemachten Erfahrungen gezeigt, dass selbst bei stark reduzierten Personalstand ohne grosse Schwierigkeiten die laufenden Geschäfte durch gegenseitige Aushilfe fortgeführt werden können.<


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