Senát Národního shromáždìní R. Ès. r. 1923.

I. volební období.

7. zasedání.

Pùvodní znìní.

Tisk 1650.

Antrag

der Senatoren Jelinek, Dr. Spiegel, Fahrner, Dr. Naegle, Dr. Mayr-Harting, Zuleger und Genossen

auf Einführung der pflichtigen Alters- und Invaliditätsversicherung für die selbständig Erwerbenden in Gewerbe und Handel.

I. Einführung und Begründung.

Die Altersversicherung der selbständig Erwerbenden in Gewerbe, Handel und Landwirtschaft bildet einen wesentlichen Bestandteil des Ausbaues der allgemeinen Sozialversicherung im Staate.

Dadurch, dass gegenwärtig an die Alters- und Invaliditätsversicherung der Arbeitnehmer geschritten wird, ist auch die Sozialversicherung der selbständig Erwerbenden in den Vordergrund der Erwägungen im Rahmen der berufständischen Organisationen, besonders aber des Handels- und Gewerbestandes getreten.

Die dem gewerblichen und kaufmännischen Mittelstande angehörenden Kreise verlangen mit Recht, dass dieses schon seit Jahrzenten anhängige Problem der Alters- und Invaliditätsversicherung ehestens, zumindest aber in dem Zeitpunkte zur Tat werde, in welchem die Alters- und Invaliditätsversicherung der Arbeitnehmer in Rechtswirksamkeit tritt.

Es kommt aber auch ein anderes wichtiges Moment dazu.

Die stetig zunehmenden sozialen Lasten des Gewerbe- und Handelsstandes, ferner die andauernd wachsenden direkten und indirekten. Steuern üben auf die Vermögensbildung der gewerblichen und industriellen Erzeugung einen stets fühlbaren Einfluss. Ist es doch hauptsächlich der Gewerbe- und Handelsstand, der nebst der Industrie in ganz ausserordentlichem Masse zu öffentlichen Zahlungen herangezogen wird, stärker als die Landwirtschaft und stärker als der Stand der Fixbesoldeten.

Wenn nun der Gewerbe- und Kaufmannsstand so viele Opfer für den Staat bringt, so ergibt sich daraus, dass er auch gegenüber dem Staate das Recht hat, zu fordern, dass nach jahrzentelanger Erwerbstätigkeit, welche dem Staate beträchtliche Einnahmsquellen beschafft hat, das Alter der mittelständischen Gewerbeu, Handelstreibenden gegen Not und Entbehrung wenigstens einigermassen geschützt sei.

Die Antragsteller halten im Hinblicke auf diese Ausführungen die Alters- und Invaliditätsversicherung der Selbständigen, besonders aber in Gewerbe und Handel, für unerlässlich.

Die Forderung auf Schaffung einer Altersversorgung für die Angehörigen des kleineren und mittleren Gewerbes ist bereits ziemlich alten Datums, schon ein im Juli 1848 in Brünn abgehaltener Gewerbetag fasste diesbezügliche Beschlüsse. Nach langer überlegung glaubte die österreichische Regierung dem, Begehren auf Schaffung einer Altersversorgung der Angehörigen des mittleren Gewerbes durch das Gesetz vom 16. Juli 1892, R.-G.-Bl. Nr. 202, betreffend die registrierten Hilfskassen entgegenkommen zu können. Das Hilfskassengesetz ist für diesen Zweck im Hinblick auf die zahlreichen Erleichterungen und Begünstigungen, die es bietet, tatsächlich bestens geeignet. Trotz aller Bemühungen der Genossenschaftsinsruktoren wurde jedoch von diesem Gesetze, welchem ein vorzüglich gearbeitetes Musterstatut beigegeben war, für Zwecke der Alters- und Invaliditätsversicherung nur ein ganz unbedeutender Gebrauch gemacht. Die österreichische Regierung legte endlich am 9. Dezember 1904 >das Programm für die Reform und den Ausbau der Arbereiterversicherung< vor, welches für die selbständig Erwerbstätigen lediglich die freiwillige Versicherung für den Fall des Alters und der Invalidität in Aussicht nahm.

In der folgenden Zeit haben sowohl auf deutscher wie auch auf èechischer Seite grosse Tagungen der Gewerbe- u. Handeltreibenden die Einführung der Alters- und Invaliditätsversicherung gefordert, so auf deutscher Seite der Reichshandwerkertag Graz 1908, der ausserordentliche Reichshandwerkertag Linz 1909, die Reichshandwerkertage Klagenfurt 1911, Komotau 1913 und die dringende Notwendigkeit nach Einführung der Alters- und Invaliditätsversicherung der Handwerker der alten österreichischen Regierung zur Kenntnis gebracht.

Das Ministerium Beck unterbreitete im Jahre 1908 eine Vorlage, in welcher eine obligatorische Altersversicherung der Selbständigen in Gewerbe, Handel und Landwirtschaft vorgesehen wurde. Verpflichtend sollte die Altersversicherung für alle jene selbständig Erwerbstätigen sein, welche das 60. Lebensjahr nicht überschritten haben, ein personalsteuerpflichtiges Einkommen von weniger als 2400 K ausweisen und nicht mehr als zwei Lohnarbeiter beschäftigen. Der Beitrag für die Selbständigen wurde regelmässig mit 1 K pro Monat bemessen, In Aussicht genommen wurde eine mit dem 65. Lebensjahre beginnende Altersrente welche einschliesslich des Staatszuschusses von 90 K jährlich je nach der Dauer und dem Betrage der Einzahlung 150 bis 250 K beträgt; überdies Kapitalsabfertigungen an die Hinterbliebenen. Im Oktober 1911 wurde eine neue Regierungsvorlage eingebracht, welche gegenüber der Vorlage vom Jahre 1908 nur unbedeutende Änderungen enthielt. Kurz vor dem Zusammenbruche des alten Österreich gab das Ministerium für soziale Fürsorge im Juli 1918 >Leitsätze für den Ausbau der Sozialversicherung< heraus, in welchen die Einbeziehung der Selbständigen in den Versicherungszwang aufgehoben wurde, zumal das Ministerium die gesetzliche Einführung der Zwangsversicherung für Selbständige wegen der kulturellen Verschiedenheit der einzelnen Kronländer für undurchführbar hielt; es wurde eine Altersversicherung nach dein sogennanten belgisch-franzözischen System mit der Begründung von Anwartschaften auf Altersrente durch fortlaufende freie Einlagen vorgesehen. Die erwähnten Leitsätze nahmen die Befriedigung, des Bedürfnisses der selbständig Erwerbstätigen durch entsprechende Einrichtungen gleichzeitig mit der Invalidenversicherung der Arbeiter in Aussicht, eine Altersrentenkassa sollte geschaffen werden, bei welcher Altersrenten durch Einlagen sichergestellt werden sollten, die in beliebigen Zeitabschnitten gemacht werden können, die Altersrente sollte zwischen dem 55. und 65. Lebensjahre angetreten werden können; für die Versicherten auf Altersrente, deren Einkommen ein bestimmtes Höchstausmass nicht überschreitet und die gewissen Voraussetzungen entsprechen, werden vom Staate die durch eigene Einlagen erworbene Anwartschaften durch Zuschüsse erhöht.

Als die deutschen Gewerbetreibenden des èechoslovakischen Staates daran giagen, die Richtlinien für ein Gewerbeprogramm zu schaffen, nahm die soziale Fürsorge für den Gewerbestand einen wichtigen Teil der diesbezüglichen Verhandlungen in Anspruch. Auf dem Reichsgewerbetage in Reichenberg am 21. August 1920, bei welchem auch das Handelsministerium, das Ministerium für soziale Fürsorge und das Ministerium für öffentliche Arbeiten vertreten waren, sprach Abgeordneter Kraus über >soziale Fürsorge für das Gewerbe<. Auf Grund des Ergebnisses der Beratungen wurde vom I. allgemeinen deutschen Gewerbetage in Reichenberg das deutsche Gewerbeprogramm angenommen, welches alljährlich der Überprüfung, allfälligen Ergänzung, gegebenenfalls entsprechenden Abänderung unterzogen werden soll. Im Abschnitte IV verlangt das deutsche Gewerbeprogramm >die Einführung einer verbindlichen (pflichtigen) Kranken-, Alters-, Unfall- und Invaliditätsversicherung des selbständigen Gewerbe- und Handelsstandes<. Der mährische Landesgewerberat beschäftigte sich in der Folgezeit sehr eingehend mit diesem Problem, welchem nicht nur in Mähren, sondern auch in Böhmen und Schlesien sowohl die gewerblichen Genossenschaften wie die Gewerbevereine besonderes Interesse und Verständnis entgegenbrachten. In der Plenarsitzung vom 10. November 1920 hat der mährische Landesgewerberat den Beschluss gefasst, eingehend die Frage zu studieren. Ein reiches Material wurde auf diesem Gebiete bei der Vertreterversammlung des Verbandes mährisch-schlesischer Gewerbevereine in Jägerndorf am 16. Mai 1920 und in Nikolsburg am 5. Mai 1921 vorgeführt. Bei beiden Tagungen wurde auf Grund eingehender Referate der Standpunkt vertreten, dass die verbindliche Versicherung der selbständigen Gewerbe- und Handelstreibenden (Alters- und Invalidenversicherung, Hinterbliebenenfürsorge) gleichzeitig mit der Alters- und Invalidenversicherung durchzuführen ist: unter Einbeziehung sämtlicher Handels- und Gewerbetreibenden in die Versicherung, bei Einhebung der Versicherungsbeiträge gleichzeitig mit der Erwerbsteue und Gewährung eines Staatszuschusses und bei finanzieller Trennung von der Arbeiterversicherung.

In der Nationalversammlung ist eine Reihe, von Anträgen eingebracht worden. Wir verweisen nur auf die Anträge der Abgeordneten Johannis und Genossen (26. Oktober 1920), Slavíèek und Genossen (11. Jänner 1921), Dr. Hajn und Genossen (21. Juni 1922), Laube und Genossen (31. Mai 1921), Mlèoch und Genossen, welche den Ausbau der Sozialversicherung der selbständig Erwerbenden teils im Wege der Errichtung einer selbständigen Versicherungsanstalt, teils in Verbindung mit der Versicherung der Arbeitnehmer proponierten.

Auch im Senate hat es nicht an Anregungen auf Einführung der Alters- und Invaliditätsversicherung für Gewerbe, Händel und Landwirtschaft gefehlt, Im März 1921 wurde von den Senatoren Jelinek und Zuleger ein Antrag eingebracht, welcher diese Angelegenheit eingehend erörtert und die Vorlage eines Gesetzes für die Altersversicherung des erwerbenden selbständigen Mittelstandes verlangt.

Die Tätigkeit der Landesgewerberäte in Mähren und in Böhmen fand im Jahre 1921 ihre Fortsetzung und sowohl der mährische Landesgewerberat als auch der Landesgewerberat in Böhmen traten an die Regierung mit, der Forderung heran, es möge die Altersversicherungsfrage der Selbständigen in Handel, Gewerbe und Landwirtschaft gleichzeitig mit der der Arbeiter gelöst werden.

Der Staatsgewerberat verfolgte das Problem der Sozialversicherung der selbständig Erwerbenden in Gewerbe und Handel nachhaltig.

Unterm 3. November 1921 erfolgte die Versendung eines Fragebogens, der von den Mitgliedern des Subkomitees für die Sozialversicherung beim Staatsgewerberate ausgearbeitet worden war, an die deutschen und èechischen Zentralorganisationen des Gewerbes, ausserdem seitens der deutschen Landesgewerberatssektion an einzelne bewährte Versicherungstechniker. Mit diesem Fragebogen haben sich nun sowohl die deutschen als auch die èechischen gewerblichen Organisationen in den Monaten Dezember und Jänner (1921 resp. 1922) eingehend befasst.

Durch die Beantwortung des Fragebogens waren Richtlinien über die Wünsche und Forderungen gegeben, welche der Gewerbestand in Angelegenheit des Ausbaues der Alters- und Invaliditätsversicherung an den Tag gelegt hat.

Diese Richtlinien auf Grund der Fragebogenaktion wurden sodann vom Staatsgewerberat festgelegt, und den zuständigen Ministerien zur Kenntnis gebracht.

Rücksichtlich des organisatorischen Ausbaues der Sozialversicherung der Selbständigen hatten die deutschen gewerblichen Organisationen - vertreten durch das Mitglied des Staatsgewerberates Hans Tichi im Staatsgewerberate - ein Minoritätsvotum abgegeben.

Auf Grund aller dieser Vorarbeiten und des im Gefolge derselben zu Tage geförderten Materiales wurde mit Unterstützung des mährischen Landesgewerberates (deutsche Abteilung), welcher unter Hinzuziehung von Fachleuten auf dem Gebiete des Versicherungswesens, der Verwaltungsadministrative und der gewerblichen und kaufmännischen Organisationen im Gegenstände weiter tätig blieb, der vorliegende Gesetzentwurf ausgearbeitet, welcher nunmehr von den Gefertigten als Antrag der Nationalversammlung unterbreitet wird.

Zur Darstellung seines Inhaltes, welcher in 65 Paragraphen die näheren Details der Alters- und Invaliditätsversicherung der Gewerbetreibenden festsetzt und zum Zwecke einer wenigstens teilweisen Begründung - vorbehaltlich der Vorlage von eingehender >erläuternden Bemerkungen< zum Entwurfe in einem späteren Zeitpunkte - sei nachstehendes bemerkt:

Versicherungspflichtig ist jede Person, welche in der Republik ein Gewerbe als Inhaber oder auf Grund eines Vetragsverhältnisses betreibt und aus diesem Grunde einer der Gewerbeordnung unterliegenden Genossenschaft (Gremium) beitrittspflichtig ist. Die Begründung hiefür erscheint dadurch gegeben, dass die fabrikmässigen Gewerbe zum überwiegenden Teil im Wege privatwirtschaftlicher Vermögensbildung für eine ihnen annehmbare Altersversicherung Sorge tragen, wenn auch zugegeben werden muss, dass Fälle vorkommen können, in denen durch wirtschaftliche Ereignisse der fabrikmässige Betrieb wieder in einen gewerblichen Betrieb übergeht, in welchen Fällen jedoch wieder der Genossenschaftszwang und sohin die Versicherungspflicht eintritt. Abgesehen hieven, haben die industriellen Organisationen bisher einem solidarischen Wunsche nach der Alters- und Invaliditätsversicherung für die Industrie keinen Ausdruck gegeben.

Es käme wohl die Erwägung in Betracht, ob nicht die Erwerbstätigen in den freien Berufen der Versicherungspflicht unterliegen sollten. Diesbezüglich muss jedoch noch abgewartet werden, wie sich die Organisationen der freien Berufe zu dieser Frage stellen und welche organisatorischen Wünsche sie den politischen Parteien unterbreiten werden. Sodann könnte unschwer ein Anschluss dieser Grüppen im Rahmen des vorliegenden Gesetzentwurfes ohne wesentliche Abänderungen derselben in Erwägung gezogen werden. Beigefügt wird, dass übrigens nach den Bestimmungen des Pensionsversicherungsgesetzes für die Privatbeamten, der freiwillige Anschluss der freien Berufe an die Pensionsversicherung ohneweiters möglich ist. Die Ausnahmen von der Versicherungspflicht regelt § 2, so ist ausgenommen, wer erst nach Vollendung des 55. Lebensjahres zum ersten Male in eine der Versicherungspflicht unterliegende Erwerbstätigkeit eingetreten ist.

Bezieht sich sonach die Versicherungspflicht auf die dem Genossenschaftszwange unterstehenden Handels- und Gewerbetreibenden, so ist sohin keinesfalls gesagt, dass nicht eine Erweiterung auch auf andere Kreise der selbständig Erwerbenden stattfinden könnte. So sei insbesondere auf die Landwirtschaft verwiesen.

Auch in diesem Belange wird zuzuwarten sein, bis die landwirtschaftlichen Organisationen mit Forderungen an die politischen Parteien und an die Nationalversammlung herantreten.

Gegenstand der Versicherung ist die Anwartschaft auf Invaliditätsrente, Altersrente, Witwenrente, Erziehungsbeiträge, Begräbnisgeld und die einmalige Abfertigung. Die Wartezeit beträgt 60 Beitragsmonate.

Sehr schwierig ist bei der Invalidenversicherung selbständig Erwerbstätiger die Aufstellung eines Masstabes für die Feststellung der Invalidität, welcher sich bei den unselbständig Erwerbstätigen naturgemäss auf dem Lohnverhältnis begründen lässt. (Siehe Begründung zum österreichischen Regierungsentwurf e von 1909, Seite 134.) Die vom österreichischen Bundesministerium für soziale Verwaltung im Jänner 1922 veröffentlichten >Leitsätze für eine Altersversicherung der selbständig Erwerbstätigen< definieren Invalidität als Zustand, der nach der Lage des Falles danach angetan erscheint, den Unterhalt des Versicherten zu gefährden<. Mit dieser Kautschukdefinition ist kaum etwas anzufangen. Die deutsche Reichsversicherüngsordnung § 1255 und § 9 des österreichischen Entwurfes eines Invaliditätsversicherungsgesetzes regeln die Voraussetzungen für das Entstehen des Anspruches auf Invaliditätsrente in der Weise, dass die Erzielung oder besser gesagt, Unmöglichkeit der Erzielung eines gewissen Mindestverdienstes als Bedingung der Gewährung der Invalidenrente gestellt ist. Eine solche auf der Höhe des Verdienstes beruhende Lösung ist hier, wie früher bemerkt, nicht möglich. Der § 5 erklärt daher:

Als invalid im Sinne dieses Gesetzes gilt, wer infolge eines körperlichen oder geistigen. Gebrechens nicht imstande ist, das zulezt von ihm betriebene oder ein anderes Gewerbe, dessen Ausübung ihm bei billiger Berücksichtigung seiner Fähigkeiten, seiner wirtschaftlichen Lage und seiner Familienverhältnisse zugemutet werden kann, zu betreiben.

Der Antrag, welcher sich der hier vorliegenden Schwierigkeiten voll bewusst war, glaubt dadurch einen für die Feststellung der Invalidität, die in jedem einzelnen Falle der Entscheidung der im Gesetzentwurfe vorgesehenen Rentenkommission überlassen werden wird, brauchbaren Masstab vorzuschlagen. Die Höhe der Invaliditätsrente richtet sich nach der Höhe und dem Zeitpunkte der Beitragsleistungen und dem Alter des Versicherten; sie beginnt bei Vollendung der Wartezeit mit einem Mindestbetrag und steigt für jedes weitere volle Beitragsjahr um 3% dieses Mindestbetrages bis zu dem Zeitpunkte, wo die Altersrente anfällt, welche bei Vollendung des 65. Lebensjahres ohne Nachweis der Invalidität gebührt.

Anspruch auf Witwenrente hat nach § 11 jede Witwe, deren Gatte zur Zeit des Ablebens im Genusse einer Rente stand oder Anwartschaft auf eine solche hatte. Die Höhe der Witwenrente beträgt die Hälfte, die Höhe der mindestens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu zahlenden Erziehungsbeiträge ein Viertel der Rente beziehungsweise Anwartschaft des Versicherten.

Im Belange der Witwenrente wird hier im Gegensatze zu den Bestimmungen der Deutschen Reichs-Versicherungsordnung und des österreichischen Entwurfes über eine Altersversicherung der Selbständigen, welche den Bezug der Witwenrente lediglich auf die erwerbsunfähige Witwe ein schränken, die Witwenrente für jede Witwe in Aussicht genommen.

Die Verfasser dieses Entwurfes hielten sich vor Augen, dass bei den breiten Massen der Arbeiterschaft, die verheiratete Frau in sehr vielen, vielleicht in den meisten Fällen, auch während der Lebenszeit des Gatten, selbständig erwerbstätig ist, während beim Handels- und Gewerbestand die Gattin zwar oft im Geschäfte mitzuhelfen pflegt, meistens nur gelegentlich und auf vorübergehende Zeit, bei Lebzeiten des Gatten jedoch fast nie selbständig erwerbstätig ist. Die Verfasser des Entwurfes glaubten, den tatsächlichen Lebens- und Wirtschaftsverhältnissen jener Kreise, für welche die Versicherung bestimmt ist, Rechnung tragen zu müssen. Zu bemerken wäre noch, dass in dem Falle der Beschränkung der Zuerkennung der Witwenrente an die erwerbsunfähige Witwe jene so zahlreichen Witwen schwer geschädigt würden, welche zwar arbeitsfähig sind, aber durch den Umstand, dass sie für mehrere noch der Wartung bedürftige Kinder zu sorgen haben, an der Ausübung eines selbständigen Erwerbes verhindert sind.

Analog den Bestimmungen des Pensions-Versicherungsgesetzes ist die Einleitung eines Heilverfahrens auf Kosten des Trägers der Versicherung, um die drohende Invalidität abzuwenden oder die Erwerbsfähigkeit wieder herzustellen, vorgesehen.

Die Aufbringung der Mittel regelt § 29 in der Weise, dass durch die Prämien, die Mittel zu der nach versicherungstechnischen Grundsätzen erforderlichen Bedeckung der aus diesem Gesetze fliessenden Anwartschaften, zur Bestreitung der Verwaltungsauslagen und zur Bildung einer >Sicherheitsreserve< aufgerbracht werden sollen. Als Finanzsystem ist also hier das >Anwartschaftsdeckungsverfahren< gewählt, bei dem die Beiträge für die ganze Versicherungsdauer so festzusetzen sind, dass in ihnen die künftigen versicherungsleistungen ihre volle versicherungstechnische Bedeckung voraussichtlich finden werden. Bei diesem Finanzsystem sind nicht nur die bereits flüssigen Renten, sondern auch die Anwartschaft der noch aktiven Versicherten auf künftige Versicherungsleistungen kapitalisch zu bedecken. Das Finanzsystem des >Anwartschaftsdeckungsverfahrens< wurde von den Fachmännern gewählt, weil sich dieses vom fachwissenschaftlichen Standpunkte aus am meisten empfiehlt und ohne Zweifel das verlässlichste und solideste ist, allerdings stellt es bezüglich der Art der Aufbringung der Mittel gleich vom Anfange an grosse Anforderungen. Das Aufwandbedeckungsverfahren bringt die Mittel zur Deckung der Kosten erst im Zeitpunkte der Fälligkeit der Leistung auf, beim Kapitaldeckungsverfahren müssen für alle innerhalb eines bestimmten Zeitraumes eingetretenen Versicherungsfälle, die nach versicherungstechnischen Grundsätzen zur dauernden Sicherstellung der angefallenen Rentenleistungen erforderlichen Deckungswerte aufgebracht werden. Das Finanzsystem ist ohne Einfluss auf die Höhe der tatsächlichen Kosten der Versicherung, es regelt lediglich die Art der Aufbringung der Mittel zur Deckung dieser Kosten und ist entscheidend für die Form der Beitragsleistung sowie für die Art der Bedeckung der Leistungen der Versicherung.

Für die Versicherung wird eine Mindestprämie festgesetzt, die Zahlung höherer Prämien und einmalige Einzahlungen sind vorgesehen.

Die Organisation des Betriebes ist in den §§ 34 bis 47 geregelt.

Der Gesetzentwurf steht auf dem Standpunkte, dass die Anstalt für die Alters- und Invaliditätsversicherung der selbständig Erwerbenden von der gleichartigen Einrichtung des Sozialversicherungsinstitutes für die Arbeitnehmer zu trennen ist.

Hiefür sprechen einerseits Gründe organisatorischer Natur, andererseits Gründe, welche in dem Verhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, deren wirtschaftliche Interessen sehr oft auseinander gehen, liegen. Hievon wird noch später die Rede sein.

Vom organisatorischen Standpunkte sei bemerkt, dass die Verbindung der Versicherung der Selbständigen mit der der Arbeitnehmer jedenfalls eine ungeheuere Anzahl Versicherter zeitigen würde, deren versicherungstechnische und administrativrechtliche und rechnungsmässige Bearbeitung auch für den Fall der Errichtung von Bezirks- und Landesanstalten in einwandfreier Weise nicht zu bewältigen ist. Abgesehen hievon, würde der Einfluss der selbständig Erwerbenden (deren Anzahl im Vergleiche zur Zahl der Arbeitnehmer nur einen verhältnismässig kleinen Teil beträgt) in einer gemeinsamen Versicherungsorganisation der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausserordentlich gering sein, und würden in der Verwaltung Widersprüche und vielfach Differenzen zwischen den wirtschaftlich entgegengesetzten Interessen und Interessentengruppen entstehen, welche der Entwicklung der Sozialversicherung sehr schädlich wären. Auch sei bemerkt, dass die gewerblichen und kaufmännischen Organisationen sowohl auf deutscher Seite wie auch zum überwiegend grössten Teil auf èechischer Seite, eine derartige Verbindung unter keinen Umständen wünschen, wobei noch die Erwägung hinzutritt, dass bei der Arbeitersozialversicherung die Krankenversicherung mit in Verbindung mit der Sozialversicherung steht, bei der Versicherung der Arbeitseber jedoch die Krankenversicherung, die bei denselben auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruht, gar nicht in Betracht kommt. Wir haben es sohin in beiden Fällen mit grundverschiedenen Versicherungsorganisationsformen zu tun. Aus diesem Gesichtspunkte heraus erschien es in Übereinstimmung mit dem Landesgewerberate für Mähren den Antragstellern nicht zweckmässig, die Versicherungsorganisation der selbständig Erwerbenden mit der der Arbeiter zu verknüpfen.

Ein ausgezeichneter Fachmann auf dem Gebiete des Versicherungswesens, welcher bei der Verfassung des vorliegenden Gesetzentwurfes in hervorragender Weise mitgearbeitet hat, führt hinsichtlich der ausserordentlich bedeutsamen Organisationsfrage in zutreffender Weise folgendes aus:

Als wichtigste Forderungen werden zu berücksichtigen sein: a) Vollkommene Gewährfürdie Erfüllungder gesetzlichen Versicherungsleistungen; b) Sicherung einer rein sachlicher Beurteilung der zwischen der Versicherungsanstalt einerseits und den Versicherten und deren anspruchsberechtigten Familienmitgliedern andererseits bestehenden Verpflichtungen und Sicherung sachlich richtiger Entscheidungen etwaiger Stritte; c) Schaffung eines möglichst einfachen Verkehrs zwischen den Verwaltungsorganen der Anstalt einerseits und den Versicherten und deren Angehörigen andererseits; d) möglichst geringe Kosten der Durchführung (Verwaltungskosten, Regie).

Die Erfüllung der ersten Förderung verlangt eine gewisse Mindestgrösse der Versicherungsanstalt zur Verteilung der Gefahr, d. h. zum möglichst vollkommenen Ausgleiche der dem Verlaufe der einzelnen Versicherungen anhaftenden Zufälligkeiten. Je grösser das Mass dieser ist, desto grösser muss die Basis für die Verteilung sein. In dieser Beziehung steht die Sache bei der Sozialversicherung der Gewerbetreibenden sehr günstig, weil die Versicherungsleistung im einzelnen Falle von mässiger Grösse ist und eine Häufung der Versicherungsfälle praktisch als nahezu ausgeschlossen gelten kann; rein theoretisch ist allerdings zuzugeben, dass durch eine Epidemie Todes- oder auch Invaliditätsfälle in grosser Zahl in einer kurzer Zeit eintreten können.

Die in Rede stehende Sozialversicherung ist in ihrem Wesen nur sehr wenig von der Pensionsversicherung der Angestellten verschieden. Vergleicht man nun die Zahl der in Betracht kommenden selbständig Erwerbstätigen oder auch nur der Selbständigen der einzelnen grossen Hauptberufsgruppen mit der Zahl der bei der Allgemeinen Pensionsanstalt versicherten Angestellten, ganz abgesehen von den weit kleineren Ersatzinstituten, so erkennt mann sofort, dass eine Anstalt zur Versicherung einer der Hauptgruppen der selbständig Berufstätigen über eine vollkommen ausreichende Basis für die Verteilung des Risikos verfügen würde.

Bei der Volkszählung im Jahre 1910 (die einschlägigen Daten aus der letzten Volkszählung im èechoslovakischen Staate stehen im Zeitpunkte der Einbringung des vorliegenden Antrages nicht zur Verfügung) wurden nämlich in Böhmen, Mähren und Schlesien zusammengenommen gezählt selbständig Erwerbstätige in der Hauptberufsgruppe:

A. Landwirtschaft 662.578, davon mit deutscher Umgangssprache 184.613;

B. Industrie und Gewerbe 283.450, davon mit deutscher Umgangssprache 121.289;

C. Handel und Verkehr 205.318, davon mit deutscher Umgangssprache 83.218; in allen drei Gruppen zusammen 1,151.346,

davon mit deutscher Umganssprache 389.120;

in den Gruppen B und C zusammen 488.768, davon mit deutscher Umganssprache 204.507.


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