Wir treten für den Schutzzoll der Landwirtschaft
auch als Klein- und Mittelbauern ein. Und zwar aus guten Gründen.
Es hat keiner der Herren Redner, auch im Ansschuß, nicht
irgendein Argument in folgender Richtung vorgebracht: Den Herrn
muß ganz unbekannt sein, daß 80% des Roggens und des
Hafers, der auf den Markt kommt, von Klein- und Mittelbauern geliefert
wird, weil der Großgrundbesitz im Innern des Landes doch
in erster Linie die dankbarere Handelsfrucht baut, die Zuckerrübe
und eventuell den Weizen und gute Gerste, während Roggen
und Hafer speziell für die Vorlagen der Gebirge und für
das Gebirge selbst in Frage kommen, eventuell noch Flachs- und
Kartoffelbau. Wenn wir 80% des Korn- und Hafermarktes besorgen,
dann meine Herren, haben wir schon ein Interesse daran, daß
diese Getreidegattungen mitgeschützt werden. Auf den Narrenstandpunkt
des Herrn Reichsritters von Pantz, sowie des Herrn Hochschulprofessors
Hofmeister im alten Österreich werden wir uns nicht stellen.
Denn nichts ist schlechter als Eigenbrödelei und Eigensinn,
und diese beiden Herren aus der grünen Steiermark haben geglaubt,
sie könnten einseitig als Hörndelbauern wirtschaften,
während die Körndelbauern dabei das Zusehen haben. Nein,
wir sagen Schutz der landwirtschaftlichen Produktion in einem
mäßigen Rahmen auf allen Betrieben der Landwirtschaft,
aber nicht einseitig. Infolgedessen fallen die Argumente, die
im Budgetausschuß diesbezüglich vorgebracht wurden,
ins Wasser. Einseitige Wirtschaft ist gar keine Wirtschaft und
sie hat uns auch nicht geholfen. Daß wir außerdem
am Futterbau selbst und an den Absatzmöglichkeiten unserer
milchwirtschaftlichen Produktion sowie an unserer Viehhaltung
stark interessiert sind, ist klar. Heute fehlt der Schutz. Wir
haben in Nordböhmen einen beträchtlichen Futterbau.
Die Ställe sind voll Rinder, aber wir bringen sie nicht an,
weil in den grossen Industriestädten es kein Fleischer mehr
nötig hat, auf das Dorf zum Bauern zu gehen und sich ein
Stück Rind zu kaufen. Es sind da die großen Schlachtviehhöfe
mit Geleiseanschlüssen, da kommt der fremde Händler,
wirft das fremde Vieh herein, Schutzzoll ist keiner, und jede
Beschränkung fehlt. Der Fleischer läßt das Vieh
gleich schlachten, hat keine Müh und Arbeit und wir sitzen
mit unserem Vieh da. Selbst die Ausweise vom Prager Schlachtviehmarkt
zeigen, daß zwei Drittel fremdes Vieh und nur ein Drittel
heimisches Vieh aufgetrieben wird. Wir könnten viel mehr
Vieh erzeugen, wenn wir es wegbrächten. Wir haben voriges
Jahr aus unserem Gebiete über 100 Waggons Heu ausgeführt
nach Deutschland, weil wir das Heu nicht verwerten konnten, weil
wir das Vieh nicht anbringen konnten. Irgendetwas muß man
doch verkaufen. Zwei Jahre lang ist uns der Hafer verfault infolge
der schlechten Witterung, wir mußten daher das Futter verkaufen,
weil wir es nicht ins Vieh hineinstecken konnten, weil wir es
nicht anders nutzbar machen konnten. Durch diese Absatzkrise war
ja eigentlich die schlechte Lage der landwirtschaftlichen Gebirgsgegenden
bedingt. Der Bauer im mittleren Mähren und im mittleren Böhmen,
der Zuckerrübe baut, ist verhältnismäßig
immer noch besser dran, obwohl auch hier die Krise eintritt. Das
beweist ja auch der große Rückgang der Anbaufläche,
der sich auf mehr als 30.000 ha beläuft. Es hat also auch
schon im Zuckerrübengebiet die krisenhafte Erscheinung eingesetzt,
weil der Überfluß auf dem Weltzuckermarkt bereits ebenso
gegeben erscheint und infolgedessen auch der erzeugte Zucker sich
nicht mehr so ohne weiteres absetzen läßt wie ehedem.
In letzter Zeit haben wir mit einer gewissen
Genugtuung bemerkt, daß die Konsumentenkreise und die Konsumentenparteien
das Bestehen der landwirtschaftlichen Krise zugestehen. Wir schätzen
es hoch ein, daß wenigstens einmal ein solches Eingeständnis
da ist, daß sich die kleine und mittelbäuerliche Landwirtschaft
tatsächlich in einer Krise befindet. Doch sind sie nicht
dafür zu haben, uns einen Zollschutz angedeihen zu lassen,
sondern man empfiehlt uns zur Behebung der Krise in der Landwirtschaft:
1. Selbsthilfe durch Produktionssteigerung, 2 Umstellung der Produktion,
3. bessere Ausbildung der Landwirte und 4. Beschaffung moderner
Hilfsmittel.
Mit diesen vier Punkten werde ich mich jetzt
einmal ein bißchen befassen, weil ich sehe, daß das
blutige Theorie ist und daß hier Leute mitsprechen, die
keine Ahnung von der Praxis haben, die nicht mitarbeiten müssen
und die Verhältnisse nicht so einschätzen, wie der,
welcher selbst drinsteckt.
Punkt 1. Selbsthilfe durch Produktionssteigerung:
Da fehlt in erster Linie das Betriebskapital und es ist ein altes
Sprichwort: Aus nichts wird nichts. Gerade in der Landwirtschaft
muß ein verhältnismäßig großes Betriebskapital
da sein, ein ganz anderes, als beim Schuhmachermeister, das sich
aber beim Schuhmachermeister viel besser verzinst, als in der
Landwirtschaft, wo die Verzinsung höchstens 2% beträgt,
wenn es gut geht und nichts dazwischen kommt. Sie sehen, daß
wegen des Fehlens des Betriebskapitals es unmöglich ist,
eine Produktionssteigerung herbeizuführen, wenn gleichzeitig
noch die Unrentabilität des Betriebes hinzutritt. Daß
das Betriebskapital fehlt, nun, das ist sehr leicht zu erklären.
Wir haben fünf Jahre Krieg hinter uns. Durch die Nachschaffung
von Betriebsmaterial, das zwangsweise aus den einzelnen Landwirtschaften
herausgeholt worden war während des Krieges, durch Viehnachschaffungen
und dergl., durch Gebäudeherrichtungen, durch die Vermögensabgabe,
durch die Einbußen an der Kriegsanleihe, durch die elffache
Steuerbelastung usw., durch soziale Einrichtungen auf unsere Kosten,
durch die Verringerung der Arbeitszeit, Zuzahlung zur Erwerbslosenfürsorge
u. dgl., durch all das ging das bißchen Betriebskapital,
das hier gewesen ist, verloren und heute stehen wir vor der Tatsache,
daß die Landwirtschaft mit 5 Milliarden grundbücherlich
verschuldet ist. Bei einer solchen Schuldenlast, die grundbücherlich
eingetragen ist, läßt sich schwer noch Betriebskapital
aufbringen, um eine Produktionssteigerung vorzunehmen, ohne daß
man von vornherein auch eine Rentabilität gesichert hätte.
Die Selbsthilfe, die wir in der Beziehung leisten, beruht größtenteils
darauf, daß die Familie des Landwirtes samt den Kindern
noch viel mehr Arbeit leisten muß, als in früheren
Jahren, wobei heute noch der riesige Mangel an Arbeitskräften
auf dem flachen Lande hinzukommt. Wir zahlen wohl für Zehntausende
von Erwerbslosen die Erwerbslosenfürsorge, aber meine Frau
ist nicht imstande, ein Dienstmädchen zu kriegen, das melken
kann. Sie muß eben früh und abends die erste und letzte
im Stalle sein und das Vieh selbst betreuen und innen in der Stadt
kann man an jeder Straßenecke die Leute mit dem Fuß
umstoßen, weil die neuen Einrichtungen es speziell den Damen
wunderschön geschaffen haben. Entweder macht man gar nichts
und läßt sich von den Eltern durchschleppen oder man
geht bis 5 Uhr in die Fabrik und dann geht man auf den Strich.
Das ist eine Tatsache, die besteht. Wir haben leider Gottes durch
unsere Gesetzgebung in den verflossenen 6 Jahren, durch die Aufhebung
der Reglementierung der Prostituiertentes glücklicherweise
soweit gebracht, daß das Bordell schon im Straßengraben
draußen anfängt, weil alles diesem Erwerbszweig nachlaufen
kann, er ist billig und leicht ist das Geld zu verdienen.
Zu Punkt 2. Umstellung der Produktion, möchte
ich bemerken. Die Artikelschreiber in der städtischen Presse
müssen wohl gar keine Ahnung haben, wie man im Gebirge den
Acker herrichtet. Sie müßten sonst wissen, daß
man auf Lettenboden, wo höchstens 10 bis 12 cm fruchtbare
Ackererde drauf ist, wo man alle zwei bis drei Schritte mit dem
Pflug an Steine anfährt, daß man dort mit der Produktionsumstellung
nicht viel anfangen kann. Was will ich umstellen? Da kann man
nur Korn säen und vielleicht gelingt es auch, dann noch Hafer
und in den höheren Lagen Flachs, weil der Flachs die kürzeste
Vegetationsperiode benötigt. Sie sehen, das Umstellen der
Produktion ist sehr leicht gesagt. Es ist zum großen Teil
trotzdem gemacht worden, aber wie sind die Erfolge davon? Es ist
aus dem Ackerboden Wiesenboden gemacht worden, weil er weniger
Regie erfordert. Durch die Unrentabilität wurde aber dieser
Wiesenboden auch nicht entsprechend gedüngt, so daß
er zum großen Teil einschnittig ist, also wenig Ertrag gibt.
Wir haben selbst in Flachsbaugebiete gesehen, daß der Flachsbau
als nicht mehr rentabel ausgeschaltet wurde und es wurde der Getreidebau
eingeführt, der sich natürlich mit dem mageren Erträgnis
von 6 bis 10 q pro ha, erst recht nicht rentieren kann. So sehen
Sie, wo diese frommen Wünsche aus den Konsumentenkreisen
zur Hebung der Landwirtschaft ohne Schutzzölle hinführen,
weil diese Wünsche eben zum großen Teil überhaupt
nicht durchführbar sind.
Punkt 3. Bessere Ausbildung der Landwirte:
Das ist auch ein Kapitel für sich. Das sagt der Großstädter.
Wir haben nur ein- bis zweiklassige Schulen und er, der alle möglichen
Schulgelegenheiten hat, der empfiehlt mir die bessere Ausbildung
meines Sohnes. Es ist ein reiner Hohn. Wo sind denn die Sprengel-Bürgerschulen,
die uns schon im alten Österreich einmal versprochen wurden?
Wir haben sie bis heute nicht. Unsere Kinder müssen mit einklassigen,
höchstens dreiklassigen Volksschulen zufrieden sein. Bei
dem heutigen Arbeitermangel wird es auch sehr schwer fallen, daß
der einzelne Landwirt, wenn er überhaupt mit Kindern gesegnet
ist, seine Söhne in die landwirtschaftliche Fachschule schicken
kann, weil er erstens nicht die Mittel aufbringt und dann hauptsächlich,
weil ihm das Kind bei der Bewältigung der Arbeit fehlt. Das
ist sehr traurig, sage ich selbst, das ist das traurigste, was
mir auch am meisten nahegeht, aber ich sehe, daß sich dem
nicht abhelfen läßt, weil der Arbeitermangel in der
Landwirtschaft nicht zu beheben ist, es mag niemand auf das Land
hinausgehen, es ist deklassierte Arbeit, das sind minderwertige
Menschen, als solche werden wir immer behandelt und werden in
gewisser Beziehung auch bei Besprechung dieser Zollschutzangelegenheit
für die Landwirtschaft so behandelt.
Punkt 4. Anschaffung moderner Hilfsmittel:
Das ist überhaupt eine moderne Frozzelei. Man soll sich den
gegenwärtig bestehenden Zolltarif an schauen! Wenn ich meiner
Frau eine moderne Zentrifuge kaufen will, habe ich den 45fachen
Zollsatz zu zahlen gegen früher, wogegen meine Produkte ungeschützt
sind. Wo bleibt die Parität? (Posl. Wünsch: Da dürfet
Ihr das System nicht stützen!) Aber hättet Ihr doch
längst schon angefangen, die Intelligenz der Städter
hat sich bis jetzt nicht gerührt, an diese Frage heranzutreten.
Jetzt auf einmal wirft man uns vor, wir hätten dieses Zollsystem
stürzen sollen. Wir sind dazu bereit, es zu stürzen,
wir werden sehen, wie weit Ihre Mithilfe gehen wird. Wir werden
die Parität herbeiführen und dann werden wir sehen,
wo Ihre Liebe bleiben wird. Bitte, ich werde Sie daran erinnern.
Wenn man heute für solche Sachen so ungemessene Wucherzölle
verlangt, die es uns einfach nicht möglich machen, etwas
anzuschaffen, dann werden auch moderne Hilfsmittel nichts nützen
und wir werden primitiv und extensiv weiter wirtschaften.
Alle diese Vorschläge, mögen sie
gut gemeint sein - das will ich zugeben, daß sie gut gemeint
sind - lassen sich nicht durchführen und speziell für
die Gebirgswirtschaft, für die Klein- und Mittelbauern nicht.
Auf dem Großgrundbesitz läßt sich eher etwas
machen, weil durch die Ausnützung der Maschinen und der technischen
Hilfsmittel, durch Ersparung von Arbeitskraft das wettgemacht
werden kann. Auf unseren Bergen sind diese Hilfsmittel mehr, oder
weniger überflüssig, weil man mit ihnen einfach nicht
hantieren kann. Es wird gesagt, daß auch andere Länder
diese Umstellung und dergleichen vorgenommen hätten. Es wird
auf Dänemark verwiesen. Das ist tausend und eine Nacht. Wenn
man heute Dänemark uns als Muster hinstellt und uns das anpreisen
will und sagt, ich müsse dasselbe machen, so ist das ein
Wahnsinn! Dänemark mit seinem ausgesprochenen ozeanischen
Klima, mit seiner flachen Lage, seiner Bauernbevölkerung,
mit seiner geringen Industrie, konnte das durchführen, vom
Getreideland zum Wiesenland überzugehen, weil dort Wiesenland
infolge des ozeanischen Klimas noch ertragreicher ist als Getreideland.
Das ist das eine wirtschaftliche Moment, und das zweite Moment
ist, daß die Regierung in Händen von Leuten war, die
für die Ausbildung der Bauern gesorgt haben. Es waren infolgedessen
auch die Mittel vorhanden, um die Ausbildung der Landwirtschaft
energisch und durchgreifend zu betreiben. Die Konsumentenkreise
haben leider Gottes immer noch die fixe Idee vom reichen Bauern,
der das Geld in Säcken mißt. Das ist ein Stumpfsinn
der Intelligenz, sage ich. Wenn das tatsächlich wahr wäre,
müßte ja geradezu eine Stadtflucht eintreten, die Leute
müßten sich ja darum reißen, aufs Land zu kommen,
um gleichfalls das Geld in Säcken messen zu können.
Wir sehen aber das gerade Gegenteil, daß die Landflucht
in bevölkerungspolitisch erschreckender Weise auftritt und
die Landbevölkerung in die Städte geht. Die Sache muß
also hier einen Haken haben und diese stumpfsinnige Idee muß
wirklich nur noch im Gehirn einzelner Menschen leben, die sie
immer wieder einmal gewissermaßen breitschlagen.
Die Belastung durch den Agrarzollschutz, die
auf die konsumierende Bevölkerung entfällt, müßte
sich eigentlich nicht voll auswirken. Ich gebe zu, daß sie
sich teilweise auswirken wird, bin aber der Meinung, daß
auch ein anderes Wort von Karl Marx Berechtigung hat: "Wenn
kein Zollschutz ist und die Landwirtschaft ruiniert wird, bekomme
ich letzten Endes auch nichts mehr". Beim Industriezoll hat
das gewissen Leuten noch nicht geschadet, da ist es noch nicht
ein einziges Mal aufgefallen, wie hier die Arbeiter hergenommen
werden, die Beamten und der Mittelstand, genau so wie wir. Denn
auch meine Frau und meine Kinder brauchen beispielsweise Baumwollstrümpfe,
und die haben in der Vorkriegszeit einen Zollsatz von 285 Kronen
gehabt, gegenwärtig einen solchen von 8550. Also um soviel
kaufe ich die Strümpfe für meine Familie teurer, wie
auch der Arbeiter sie teurer kaufen muß. Da hat sich sonderbarer
Weise noch niemand gerührt. Wenn aber der dreifache Koeffizient
auf Weizen kommt, rühren sich alle. Das ist das Sonderbare.
Beim dreißigfachen Koeffizienten rührt sich nichts,
obwohl die Valorisation der Krone nur das Siebenfache beträgt.
Wenn damals in der Vorkriegszeit bei dem alten Zollsatz niemand
verhungert ist, wo auf Getreide dieser und dieser Zollsatz war,
und wenn damals die Industrie mit diesem geringen Zollsatze leben
konnte, warum können wir nicht auch die Valorisation der
Krone beanspruchen, warum wird nur der Industrie die 30fache Bewertung
der Krone zugebilligt und der Landwirtschaft nichts? Wo bleibt
hier die Parität, wo bleibt die Gleichberechtigung? Es soll
jeder Stand geschützt werden. Nach Beendigung des Krieges,
als gewisse Kreise sich mit allen Mitteln gegen die Aufhebung
der Zwangswirtschaft gestellt haben, sagten sie, sie könnten
nicht mehr weiterleben, wenn die Zwangswirtschaft aufgehoben sein
wird, und siehe da, was trat ein? Es war dreiviertel Jahre später
und die Sachen waren billiger als vorher und sie waren da in ausreichender
Menge. Die Befürchtungen, die heute von einzelnen Kreisen
wegen der Verteuerung der Lebensmittel geäußert werden,
können gerechtfertigt sein, sie brauchen es aber nicht zu
sein.
Wenn Sie anfangen werden, die unangemessen
vielen Bedarfsartikelzölle abzubauen, werden wir sehr dankbar
sein und werden tüchtig mithelfen, damit hier eine Gleichkeit
der Bewertung herauskomme. Für uns bedeutet der Schutzzoll
nicht gerade ausgerechnet eine Verteuerung der Preise. Für
uns kommt hauptsächlich nebst dem rein ethischen Moment der
Gleichberechtigung in Betracht, das Moment einer gewissen Stabilisierung
des Absatzes. Ich habe bereits vorhin erwähnt, daß
wir unter einer Absatzkrise leiden, daß wir zwar Vieh und
Getreide haben, daß es aber nicht wegzubekommen ist. Den
Beweis kann ich jederzeit erbringen und als vollwertigen Zeugen
dafür führe ich auch den Herrn Direktor der landwirtschaftlichen
Schule in Böhm. Leipa an, mit den zusammen ich dieses Experiment
durchführen mußte. Weil wir das Korn nicht verkaufen
konnten, haben wir es mahlen müssen, um wenigstens Kleie
für unser Vieh zu haben. (Výkøiky:
Warum haben Sie es nicht verkaufen können?) Weil
es nicht weggegangen ist. (Výkøiky: Nein,
weil die Konsumenten kein Geld haben!) Hören
Sie doch damit auf, ich werde es Ihnen gleich erzählen, wie
ich meine Arbeiter vor dem Kriege bezahlt habe und wie meine Arbeiter
jetzt gestellt sind. In der Vorkriegszeit habe ich meinen landwirtschaftlichen
Kutscher, einen selbständigen Arbeiter mit 20-24 Kronen bezahlt,
gegenwärtig mit 240-300 Kronen, also das Zehnfache. Ich vergönne
es ihm, er verdient es sich. Auch meinem landwirtschaftlichen
Mädel, der Melkerin habe ich früher 16-20 Kronen pro
Monat gezahlt, dazu natürlich auch die Verpflegung, heute
180-220 Kronen, also ebenfalls das Zehnfache. Ich vergönne
es ihnen. (Výkøiky: Ist das wöchentlich?)
Nein, monatlich! (Výkøiky:
Dafür kann er sich viel kaufen!) Reden
Sie mir doch nicht nur so etwas vor, ich selbst bin 20 Jahre lang
landwirtschaftlicher Arbeiter gewesen. Sie werden mir nichts erzählen,
zuerst müssen Sie etwas selbst mitgemacht haben, dann können
Sie erst dreinreden! Da will mir jemand etwas dreinreden, der
keine Ahnung von diesem Arbeiten hat.
Wir zahlen auch Bauarbeiter. Ich habe im Jahre
1913 vor dem Kriege etwas bauen müssen und habe damals dem
Bauarbeiter pro Stunde 36 Heller gezahlt. Ich habe heuer einen
Schupfen bauen müssen und habe pro Stunde 5.20 Kronen gezahlt,
d. i. also das 14 1/2fache. Die Valorisation der Arbeitslöhne,
die wir Bauern zahlen, ist nicht so schlecht. Was die Knöpfelfabrikanten
zahlen, das geht mich nichts an, das muß sich die Arbeiterschaft
mit den Fabrikanten selber ausmachen, dafür kann man mich
als Bauern nicht verantwortlich machen. Wir zahlen anständig.
Der beste Beweis, für die ganz hinfällige Argumentation
ist auch, daß der staatliche Lebensmittelindex selbst ergibt,
daß sich die Lebensmittelerhöhung zwischen 800 und
900% bewegt. Das gebe ich ruhig zu. Ich sage Ihnen nur, ich als
Bauer habe blos 600 bis 800% davon, weil die übrigen Prozente
wieder den Zwischenhändlern in die Hände fallen. Ich
bin also nicht persönlich verantwortlich für die eventuelle
Erhöhung des Lebenstandards. Man könnte an einem kleinen
Beispiele das treffend herausrechnen, ob ich so viel besser davonkomme
als früher, ob es mir so glänzend geht. Mir wäre
es viel lieber, ich hätte die Vorkriegszeit in wirtschaftlicher
Beziehung. Wenn ich damals ein Kalb für 60 Kronen verkauft
habe, habe ich mir davon einen Anzung, ein paar Stiefel, ein Hemd,
Unterhosen und einen Hut kaufen können und wenn ich heute
das Kalb für 450 Kronen verkaufe, dann kriege ich kaum einen
Anzug, und der ist noch schlechter als vor dem Kriege. Wo kommt
die Besserung her für uns? Ich weiß, was ich früher
für mein Geld bekommen habe und was ich jetzt dafür
bekomme. Ich habe bereits gesagt, daß daraus zu ersehen
ist, daß auch der kleine und mittlere Bauer ein Interesse
an der landwirtschaftlichen Schutzzollbewegung hat, nicht allein
um des erzielbaren höheren Preises willen, d. i. eines teilweise
höheren Preises, sondern hauptsächlich um eine Stabilisierung
des Absatzes zu ermöglichen, der heute durch die wilde Einfuhr
vollkommen unterbunden ist. Wir Klein- und Mittellandwirte kommen
uns vor, als würden wir in einem Sack stecken, in den alles
hineingegossen wird, damit wir drin ersaufen, obwohl genügend
Lebensmittel in dem Sack wären, um uns selbst zu ernähren.
Unsere heutige Produktion könnte ausreichen, wenn wir sie
nicht verfüttern müßten, weil die Kleie genau
so teuer ist wie das Korn, teilweise noch teurer. Das Lagerhaus
bot uns 120 Kè für das Korn, wenn
wir es nicht bringen, ist es dem Lagerhaus lieber, weil es das
Getreide nicht anbringt. (Rùzné výkøiky
na levici.) Ich rede von Nordböhmen,
dort sind die Preise etwas höher als anderswo, dafür
sage ich auch keine falschen Ziffern.
Ich habe 100 kg Korn zur Mühle
gebracht und es ausmahlen lassen. Wir bekamen 50% Brotmehl, 48
kg a 2.20 Kè, zusammen 105.60 Kè, 10 kg Futtermehl
a 1.40 Kè, zusammen 14 Kè, 39 kg Kleie a 1.10 Kè,
zusammen 42.90 Kè, so daß ich im ganzen 162.50 Kè
löste, wovon ich 15 Kè Mahllohn zahlte,
so daß mir für den q Korn immer noch 147.50 Kè
verblieben. Die Fracht in die Mühle mußte ich tragen,
aber auch zum Händler muß man das Getreide bringen.
Die Differenz von 27.20 Kè fließt dem Börsen-
und Kettenhandel zu, sie macht beinahe 24% des Kornpreises
aus. Dort liegt der Hebel, dort wäre er anzusetzen. Nicht
an der Teuerung des Korns liegt es, sondern am Zwischenhandel,
am unlauteren Zwischenhandel, viel zu viele Hände mengen
sich ein, oft 5 Hände und wenn jede nur 5% wegschleppt, ohne
etwas zu produzieren, ist das Getreide teuer. Der Bäcker
kommt nur glatt heraus, aus den 48 kg Mehl macht er höchstens
66 bis 67 kg Brot a 2.56 Kè, so daß ihm nur etwas
über 70 Kè verbleibt. Die Hauptsache wird also sein,
beim Börsen- und Kettenhandel den Hebel anzusetzen,
der das einzelne Produkt verteuert. Nicht der Bauer und nicht
der Schutzzoll belasten uns so, wie diese Zwischenstellen.
Die èechischen Sozialisten sind gegen eine Verteuerung
der Lebensmittel. Ich will dazu ein paar Worte sagen. Diese Partei
hatte bis jetzt das Eisenbahnministerium in
der Hand, hat aber nie Maßnahmen getroffen, um ebenfalls
etwas zur Verbilligung der Lebensmittel beizutragen, obwohl der
Eisenbahnminister doch der berufene Faktor ist, der ein gewichtiges
Wort bei der Erstellung der Frachtentarife dreinzurefen
hat. Es ist horrend, wenn wir hören, daß ein Meterzentner
Getreide von Triest nach Prag 15.70 Kè Fracht kostet und
ein Meterzentner Getreide von Kaschau nach Prag 29.10 Kè!
Das ist ja die Auspowerung des eigenen Staates. Wo sind
denn die Parteien der Konsumenten, die Herren, die immer vorgeben,
daß Wohl der Konsumenten zu hüten? Der Transport für
ein Stück Rind kostet von Triest nach Prag 56.59 Kè
und von Kaschau nach Prag 258 Kè. Erlauben Sie mir, es
wird immer auf die Landwirtschaft geschimpft,
aber es sind noch viele andere Faktoren da, die ebenfalls an der
Verteuerung mitwirken, und zwar in ziemlich ausreichendem Maße.
Wie gesagt, schaffen Sie uns Rentabilität,
dann wird es möglich sein, eine Produktionssteigerung herbeizuführen,
uns vom Auslande unabhängig zu machen. Dann wird auch der
Vorwurf des Koll. Krebs in sich selbst zusammenfallen,
der heute schon befürchtet, daß der Staat viel zu viel
durch die Zolleinnahmen in die Hand bekommt. Ist die Rentabilität
gegeben, dann kommt die Produktionssteigerung von selbst, dann
werden wir jederzeit genügend Korn haben und werden den Weizenimport
auf ein Minimum herabdrücken können. Im Vergleich zur
Vorkriegszeit ist die Weizen- und Roggenanbaufläche um 317.394
ha gesunken. Bei einem Minimalertrag von 10 q Weizen per ha wären
also dem Lande 3 Mill. q Weizen mehr zur Verfügung gestanden.
Warum besteht diese Getreideanbaufläche nicht mehr? Weil
sie unrentabel geworden ist, andere Kulturgattungen werden auf
dem Boden gepflegt. Zugenommen hat die Kleefläche um mehr
als 100.000 ha, die Wiesenfläche um 61.000 ha, die Waldungen
um 74.000 ha, die Teiche um über 18.000 ha und verbaut und
unproduktiv liegen über 90.000 ha. Leider stehen die genauen
Daten aus Karpathorußland nicht zur Verfügung, sodaß
angenommen werden muß, das die letzten 21.000 ha in jenem
Gebiete ebenfalls Weide geworden sind oder unfruchtbar liegen.
Wenn wir Weizen und Roggen im Vorkriegsausmaße anbauen würden,
könnten wir uns jährlich 700 Mill. Kè ersparen,
welche ins Ausland hinausgehen, unsere Handelsbilanz
belasten und selbstverständlich nicht zum Wohlergehen des
Staates beitragen. Daß die Möglichkeit vorhanden ist,
sah man an Deutschland vor und während des Krieges. Weil
Deutschland durch seine Zollschutzgesetzgebung die Landwirtschaft
auf jene Höhe gebracht hat, die eigentlich normal sein sollte
in den übervölkerten Ländern Mitteleuropas, darum
erntet man dort mindestens 20 q per ha und nicht 12 oder 13 q
per ha, wie bei uns. Dann werden wir mehr erzeugen und unabhängig
werden vom Ausland, auch die Arbeiterschaft wird nicht mehr fürchten
müssen, daß ihr durch das eingeführte Getreide
die Semmel verteuert wird.
Der Kollege vor mir hat ein Diagramm angeführt,
welches in der heurigen landw. Ausstellung in Prag zu sehen war,
aber nicht die Nutzanwendung daraus gezogen. Wenn im Feber
1925 der Weizen 275 Kè kostete und im Feber 1926 nur 184
Kè, ist er um 43% gesunken. Die Semmel aber hat denselben
Preis behalten. Man schimpft trotzdem nur auf die Landwirtschaft.
Wenn ich die 30 Kè Weizenzoll
dazuschlage, resultiert ein Preis von 214 Kè und noch lange
keine 275 Kè. Warum muß die Semmel teurer werden?
Erkläret mir, Graf Örindur, diesen Zwiespalt der Natur!
Wenn die Semmeln bei einem Getreidepreis von 275 Kè einen
bestimmten Preis haben, so können
sie doch denselben Preis auch bei einem Getreidepreis von 214
Kè halten. Wer mir das wegleugnet, ist ein Demagog. Beim
Korn ist die Sache natürlich viel ärger. Denn das hat
im Feber des Jahres 1925 234 Kronen und im Feber des Jahres 1926
nur 121 Kronen gekostet. Das ist ein Preisrückgang
von 48%, wogegen bei einem Kilogramm Brot bloß ein Rückgang
von 3% eingetreten ist. Auch hier wirkt sich das nicht in dem
Maße aus, als sich der Preisrückgang beim Getreide
auswirkt, resp. wie er die Notlage der Landwirtschaft verschärft.
Im Jahre 1925 haben wir für 1 kg Rindfleisch Lebendgewicht
8.50 Kè erhalten, während wir im Feber des Jahres
1926 6.20 Kè erhielten, ein Preisrückgang von 30%.
Der Rückgang beim Fleischer beträgt ebenfalls bloß
4%. Sie sehen daraus, daß nicht die Schuld
am Bauern liegt, sondern daß sie zum Teil wo anders liegt
und daß man es nicht nur uns allein überlassen kann,
diesen Übelstand zu beseitigen. Wenn die Konsumentenkreise
der Städte, die an und für sich manchmal auf ihre Intelligenz
so pochen, wenn die hier das Heft in die Hand nehmen, wir mit
unserer Kraft werden schon schieben helfen und die Sache auf ein
anderes Geleise bringen. Aber der gute Wille muß auf Seite
der Konsumentenkreise da sein, um den Börsen- und Kettenhandel
etwas zu reinigen.