Pátek 15. øíjna 1926

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 43. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze v pátek dne 15. øíjna 1926.

1. Øeè posl. dr Keibla (viz str. 47 tìsnopisecké zprávy):

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind in der vergangenen Zeit oftmals in die Lage gekommen, in diesem Staate einen politischen Szenenwechsel zu erleben, ohne daß dadurch die politischen Parteien oder gar die breite Öffentlichkeit sich besonders erregt hätten, weil dergleichen stets nur einen Personenwechsel, niemals aber einen Wechsel des Systems bedeutete.

Der Ministerwechsel aber, der sieh hier nunmehr vollzogen hat, ist deswegen ein politisches Ereignis ersten Ranges, ja von historischer Bedeutung, weil das erstemal seit dem Bestehen dieses Staates zwei Vertreter der tief gehaßten, durch Minister Dr Beneš in seinem Memoire III geradezu abgeleugneten deutschen Minderheit als Mitglied des neuen Ministeriums sich der in- und ausländischen Öffentlichkeit vorstellen, so daß ein allgemeines Staunen und Aufhorchen durch die Welt geht und allüberall diese zweifellos folgenschwere Tatsache einer kritischen Beurteilung unterzogen wird, wobei deren Ergebnisse je nach der politischen Einstellung jedes Einzelnen selbstverständlich ganz verschieden ausfallen müssen.

So wollen denn auch wir, die Deutsche Nationalpartei, zu dieser eben vollzogenen Tatsache unsere Meinung äußern. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Slavíèek.)

Es hat lange gedauert, ehe das politische Intriguenspiel beendet war, ein Intriguenspiel, welches bereits während der letzten Wahlvorbereitungen unter dem Schatten des Hradschin begonnen und seither ununterbrochen gedauert hat, bis Herr Švehla seine Gesundheit endgültig wiedergefunden hat, welche er in der Zwischenzeit aus politischen Gründen mehrmals verloren hat. Nun ist Herr Švehla wieder Ministerpräsident, für uns ebenso ein alter Bekannter, wie es der verflossene Herr Ministerpräsident Èerný war. Wir kennen beide aus ihrer ruhmreichen Vergangenheit und wissen sehr wohl, alles das zu würdigen, was sie gegen uns Sudetendeutsche ins Werk gesetzt haben. Ihre Verdienste für die èechische Herrennation sind für uns gleichbedeutend mit ebensoviel offenkundigen Verletzungen unserer Rechte als Nation. Mögen diese Herren auf èechischer Seite auch als nachahmenswerte Vorbilder nationaler Seelengröße und staatsmännischer Weisheit gelten, uns allerdings erscheinen sie nur als Würger des Deutschtums und jeder Freiheit, die unbarmherzig Stück für Stück aus unserem Volksleibe rissen, als Vollstrecker des Hasses gegen alles Deutsche. ein Haß, der den maßgebenden Teil des èechischen Volkes heute wohl eben so beseelt wie vor 10, 20 und 50 Jahren.

"An ihren Taten sollt Ihr sie erkennen", heißt es, und wir haben sie wohl erkannt, daher sind sie uns bisher alle gleich sympathisch gewesen, die Herren èechoslovakischen Ministerpräsidenten von weiland Tusar angefangen bis jetzt zu Herren Švehla III. Wir konnten sie und die hinter ihnen Stehenden immer nur auf das schärfste ablehnen. Wie sollen die Deutschnationalen auch zu einem Manne vertrauen haben, der uns als Innenminister und als Ministerpräsident nur mit Gewalt gegenübertrat, der auch vor Blutvergießen nicht zurückschreckte, dem nach dem Zeugnis seiner eigenen Anhänger cäsarische Allüren anhaften und der niemals einen anderen Willen neben dem seinigen geduldet hat. Und sein Wille war auch gleichbedeutend mit dem System, das diesem Staate seinen besonderen Stempel aufdrückt, in einem Staate, in dem jeder, der anders denkt als die Regierung, in den Kerker wandert und in dem die anderen Völker außer den Èechen überhaupt keine Rolle spielten.

Was hatte uns nun der neue Herr Ministerpräsident anläßlich dieses geschichtlichen Ereignisses zu sagen? Eigentlich so gut wie nichts. Aus den vielfach gewundenen Sätzen konnte man nur entnehmen, daß die Regierung die im Dezember v. J. vorgetragenen Regierungserklärungen als Grundlage ihrer Tätigkeit bezeichnet - also kein Systemwechsel, sondern die Fortsetzung des alten Systems einer Tätigkeit, welche sich auf die Genehmigung des Staatsvoranschlages, die Steuerreform, das Bauförderungsgesetz, die Militärgesetznovelle und einige nicht mehr bezeichnete andere Gesetze erstrecken soll. Es wird weiter gesagt, daß die Leistungsfähigkeit des Parlamentes erhöht werden müsse und daß aus dieser Entwicklung die neue Regierung hervorgegangen sei. Auf das Verhältnis zwischen Deutschen und Èechen wird gar nicht eingegangen, es wird nur dadurch angedeutet, daß die Regierungserklärung behauptet, daß der hiesige Staat ein klassisches Beispiel der engen Beziehungen verschiedener Volkskulturen sei und daß sich die Regierungsparteien zur gemeinsamen Arbeit zusammenschließen, um in dem Rahmen und den Grenzen des èechischen Staates und seiner großen historischen Sendung in Mitteleuropa ein harmonisch es Zusammenleben zu schaffen. Worin diese große historische Sendung des èechischen Staates besteht und wie man sich das harmonische Zusammenleben vorstellt, wird allerdings nicht verraten. Nach unseren Erfahrungen in diesem Staate glauben wir es aber zur Genüge zu kennen. Der Herr Ministerpräsident ist sich bewußt, daß die aus den verschiedenen Volkskulturen erwachsenen Differenzen nicht verschwinden werden, er hofft sie aber offenbar zu mildern. Wie, das sagt er allerdings auch nicht. Er will in dieser Richtung neue Wege einschlagen und dadurch die Aufgabe des èechischen Staates verwirklichen. So viel Worte, so viel Rätsel, Und erst recht tiefsinnig wird die Regierungserklärung, wenn sie behauptet, daß ganze lange Jahrzehnte erfüllt waren von den Versuchen, eine bessere Art des Zusammenlebens, offenbar der Völker, zu schaffen, daß diese Versuche jedoch von äußeren Faktoren unternommen worden seien, welchen die hiesigen Verhältnisse unbekannt waren und daher niemals zu einem Ziele führten. Es scheint fast, als ob der Herr Ministerpräsident damit die Friedenskonferenz von Versailles und St. Germain bezeichnen wollte, denn diese Konferenz war zweifellos ein äußerer Faktor, welcher die hiesigen Verhältnisse mächtig beeinflußte, ohne sie in Wirklichkeit zu kennen. Zu erwähnen ist noch, daß zum Schlusse eine uns Deutschnationalen seit längerer Zeit wohl bekannte Phrase von der tausendjährigen Symbiose der Deutschen und Èechen auf diesem Boden variiert wird, eine Phrase, welche wohl den Einfluß der neuen deutschen Regierungsparteien auf die Stilisierung der Regierungserklärung verrät.

Die Regierungserklärung ist ein Musterbeispiel dafür, wie man Worte stellen kann, um scheinbar viel und in Wirklichkeit nichts zu sagen, um seine Gedanken nicht auszusprechen, sondern zu verbergen. Festgestellt muß nur werden, daß sogar die Tatsache, daß mehrere Völker diesen Staat bewohnen, dadurch verschleiert wird, daß man anstatt von Völkern von Volkskulturen spricht, etwas, was uns für die nächste Zukunft nur Anlaß zum schärfsten Mißtrauen geben kann. Viel wichtiger als diese nichtssagende Regierungserklärung ist und bleibt die Tatsache, daß nunmehr zwei große deutsche Parteien nicht nur im stillen, sozusagen Incognito die neue Regierung stützen, sondern daß sie dadurch, daß sie ihre Vertreter ins Ministerium entsendet haben, offen vor aller Welt auch bekunden, daß sie die volle politische Verantwortung für alles das übernehmen und tragen wollen, was hier unter dem neuen Ministerium künftig geschehen oder auch nicht geschehen wird. Wir wissen genau, daß der Eintritt der deutschen Minister die notwendige und letzte Etappe ihrer jahrelangen Politik ist und daß sie durch die Härte der Tatsachen zu diesem Eintritt in Bälde gezwungen worden wären, wenn sie es jetzt nicht schon für geraten gehalten hätten, die Folgerungen ihres Tuns zu ziehen. Und trotzdem, behaupte ich, ist noch der wichtigste Teil dieser an und für sich logischen Entwicklung in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt, in ein Dunkel, welches die politische Atmosphäre merklich trübt. Das ist das Verhältnis der Deutschen zu den èechischen Regierungsparteien das ist die Frage: Was wollen die zwei deutschen Parteien in der Regierung, was erwarten sie von ihr, worin besteht bei beiden Teilen Leistung und Gegenleistung? Die Regierungserklärung schweigt sich bezeichnender Weise darüber vollkommen aus. Bei der außerordentlichen Tragweite des Ereignisses muß doch angenommen werden, daß zwischen den zwei deutschen Parteien und dem èechischen Regierungsblock ein fester Vertrag zustande gekommen ist, der beide Teile bindet, beiden Pflichten, aber auch Rechte verleiht. Denn es hat sich dadurch das politische Leben grundlegend verändert u. zw. so stark, daß wohl noch vor wenigen Monaten an diese Möglichkeit niemand denken konnte. In jedem anderen Staate hätte der verantwortliche Ministerpräsident unter solchen Umständen klipp und klar die Gründe einer so gewichtigen Neueinstellung sowie auch ihre zu gewärtigenden Auswirkungen der Volksvertretung und damit der gesamten Öffentlichkeit mitgeteilt.

Die gesamte Öffentlichkeit hat wohl ein begründetes Recht zu erfahren, was für Dinge sich zugetragen haben, die es plötzlich u. zw. gerade jetzt für gerade notwendig erscheinen lassen, aus einer rein èechischen Regierung eine gemischt-nationale zu machen. Denn auf das müßte es letztenendes hinauslaufen, wenn alles mit richtigen und lauteren Dingen zugegangen ist und wenn wirklich der Eintritt der zwei deutschen Parteien in die Regierungsmehrheit sich in der Gesetzgebung und in der Staatsverwaltung auswirken sollte. Und diese Auswirkungen müssen, so meinen wir, vorbesprochen und vorher festgelegt sein, sie müssen den Inhalt eines Vertrags ausmachen, der zwischen hüben und trüben geschlossen worden ist und der der Öffentlichkeit von beiden Vertragsteilen bisher absichtlich verheimlicht wird. In einer Republik sind die Minister nur die Bevollmächtigten ihrer Parteien. Daher regieren eigentlich nicht sie selbst, sondern die hinter ihnen stehenden Parteien. So müssen wohl diese Parteien alle in Betracht kommenden Fragen unter einander ins reine gebracht haben, ehe sie ein gemeinsames Ministerium bilden können, benötigen doch auch die einzelnen Minister feste Bürgschaften dafür, daß sie im Ministerrate in grundlegenden Fragen nicht überstimmt werden können. Sonst wären sie ja binnen kürzester Zeit gezwungen abzudanken oder sie wären zu einer so traurigen Statistenrolle verurteilt, daß sie jedem Amtsdiener aufrichtig leid tun müßten, andererseits glaube ich doch, daß zwischen den Deutschen, im allgemeinen wenigstens, und dem èechischen Staatssystem so manches strittig ist und zu bereinigen wäre. Ich will da nur auf einiges zu sprechen kommen, was Herr Minister Dr Spina am 18. Dezember 1925 im Abgeordnetenhaus und Herr Sen. Luksch im Senate als programatische Erklärung des deutschen Verbandes verkündet haben. Es heißt dort: "Als gewählte Vertreter des sudetendeutschen Volkes erneuern wir im Namen des Bundes der Landwirte, der deutschen christlichsozialen Volkspartei, der deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei und der deutschen Gewerbepartei bei Beginn der zweiten Session in feierlicher Weise die Erklärung, die wir am 2. und 4. Juni 1920 im Parlamente abgegeben haben. Gleichzeitig erstrecken wir den Protest gegen die Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes des deutschen Volkes auf das Hultschiner Land, Ostschlesien und die ehemals niederösterreichischen Gebiete. Wir entbieten den Volksgenossen dieser Gebiete unsere brüderlichen Grüße. Wir erklären neuerlich, die Friedensverträge von Versailles, St. Germain und Trianon als Rechtsquelle nicht anzuerkennen. Die während des siebenjährigen Bestandes des èechoslovakischen Staates gemachten Erfahrungen haben gezeigt, daß sein Nationalstaatlicher Aufbau und sein einseitiges nationalistisches Regierungssystem für die ihm einverleibten Völker unerträglich sind. Wir klagen dieses System an, seinem Wesen und seiner Absicht nach unserem Volke schweres Unrecht und unermeßlichen Schaden zugefügt zu haben. Wir erblicken in der inneren. Unwahrheit dieses Regierungssystems die Wurzel aller Übel, an denen dieses Staatswesen krankt. Wir sehen darin vor allem ein mit der Sicherheit und Wohlfahrt der sudetendeutschen Volkes unvereinbares Prinzip, fest auf dem Boden unserer angestammten Heimat stehend, erklären wir dieses System und seine Auswirkung rücksichtslos gemeinsam bekämpfen zu wollen. Diesen gemeinsamen Kampf werden wir führen, bis das erlittene Unrecht wieder gutgemacht und in allen staatlichen Einrichtungen der. Tatsache Rechnung getragen ist, daß die Grenzen dieses Staates mehrere gleich zu wertende und gleich berechtigte Völker umfassen. Zwangsweise einverleibt in einem nationalgemischten Staat erklären wir unbeschadet des grundsätzlichen Festhaltens an dem Rechte der freien nationalen Selbstbestimmung unsere Gleichberechtigung in Sprache, Arbeitsplatz, Schule und Scholle als unser innerpolitisches Ziel."

Ich will also zunächst voraussetzen, daß bezüglich aller oder doch der schwerstwiegenden Beschwerden, welche damals die genannten Herren als programmatische Erklärung vorgebracht haben, ein günstiges Einvernehmen zwischen den deutschen und èechischen Regierungsparteien zustande gekommen ist, daß wir also sicher sein können, daß das erlittene Unrecht demnächst wieder gutgemacht und in allen staatlichen Einrichtungen der Tatsache Rechnung getragen wird, daß die Grenzen dieses Staates mehrere gleich zu wertende und gleichberechtigte Völker umfassen, daß also nunmehr der Kampf, auf den sich die Parteien des deutschen Verbandes am 18. Dezember 1925 eingeschworen haben, überflüssig geworden ist.

Warum, so frage ich, sagt man uns das nicht von berufenster Seite? Sollte meine Annahme der Wirklichkeit entsprechen, dann allerdings wäre die jetzige Regierung wirklich und wahrhaftig keine rein èechische mehr, sondern eine gemischtnationale, da ja selbst von den Slovaken abgesehen unter den deutschen Regierungsparteien sich auch eine stattliche Anzahl von Vertretern der ungarischen Nation befinden, deren Volksrechte nunmehr von Regierungswegen wahrzunehmen wären. Von jetzt an hätte die Regierung die Pflicht, mit derselben peinlichen Sorgfalt, mit der sie bisher nur die Ansprüche der èechischen Herrennation gewahrt hat, auch die Rechte der anderen Minderheitsvölker zu wahren.

Dann allerdings gehört der èechische Nationale Einheitsstaat, für den Masaryk, Beneš und viele andere, die ins Ausland flüchteten und viele andere die größten Entbehrungen auf sich nahmen und den sie alle miteinander mit bewundernswerter fanatischer Liebe aufbauten und erfüllten, der Vergangenheit an. Dann allerdings hätte die Einsicht in die Macht der gegebenen Tatsachen gesiegt, denn hätte man den Rebellen, mit denen man 1918 nicht verhandelte, die Bruderhand gereicht und sie als gleichberechtigte Teilhaber an der Staatsmacht zu sieh herangezogen, denn hätte man Frieden gemacht im Innern und mit dem nächstliegenden Auslande, mit dem man seit der Staatsgründung in stetem offenen wirtschaftlichen und versteckten politischen Kampfe lag. Ich sehe schon die Frage der Kriegsanleihe wieder aufgenommen, die gesperrten deutschen Schulen wieder geöffnet, eine funkelnagelneue deutsche Universität, Technik, Berg-, Handels-, Kunst- und Forsthochschule, ich sehe die Zentralstellen, insbesondere das Bodenamt und die Zentralversicherungsanstalt national geteilt, mit deutschen Beamten besetzt, die entlassenen deutschen Beamten, Angestellten, Lehrer und Arbeiter zurückgerufen, entschädigt, die Verbrauchssteuern fast abgeschafft, die Arbeitslosigkeit, von der merkwürdigerweise der Herr Finanzminister nichts wissen will, die überhandnehmende Teuerung und den Hunger gebannt, kurz, jetzt beginnt die goldene Zeit des neuen Aufbaues, aus Nacht wird Tag. Oder sollte ich mich am Ende getäuscht und eine falsche Voraussetzung angenommen haben? Der Umstand, daß der Pakt zwischen den deutschen Regierungsparteien und der èechischen Regierungsmehrheit offiziell nicht bekanntgegeben wird, gibt schließlich doch allerlei zu denken. Man hat scheinbar kein ganz reines Gewissen, man schämt sich des neuen Verhältnisses - die èechischen Regierungsparteien oder die deutschen Parteien, oder gar alle beide?

Über all diesen Verhältnissen liegt ein undurchdringliches Dunkel. Gleich dem Chor in der antiken Tragödie begleitet der Chor der Presse den Gang dieser Ereignisse. Und aus ihm heraus hört man die verschiedensten Töne. Da behauptet die èechische Presse, daß den deutschen Regierungsparteien in keinem völkisch wichtigen Punkte etwas versprochen worden sei, niemals würden die Èechen von ihrer politischen Methode gegen die Minderheitsvölker ablassen. Heftig wird da mit der weiß-rot-blauen Flagge gewedelt und die Herren um Dr Kramáø geben ihren Unmut über die neue Lage der Dinge dadurch Ausdruck, daß sie ihrerseits keinen Parlamentarier in das neue Ministerium entsendet haben.

Wenn in früheren Zeiten die Parteien der allèechischen Koalition miteinander verhandelten, dann allerdings wurde alles klar und deutlich abgemacht. Die deutschen Parteien behandelt man scheinbar anders. Es ist ja, noch gar nicht so lange her, daß man ihnen für ihre Dienstbereitschaft eine ganze Menge schöner Dinge versprochen hat, über die in der Öffentlichkeit allerhand Märchen verbreitet wurden, aber man hat es geflissentlich unterlassen, diese Versprechen einzulösen. Und so behaupten auch wiederum jetzt die èechischen Blätter, daß der Lohn der deutschen Regierungsparteien sozusagen in der guten Tat selbst gelegen sein soll. Dadurch, daß sie diesen Staatskarren vorwärtsschieben helfen, die Staatsmaschine vor dem Stillstande bewahren, werden sie eben von selbst anteilnehmen an allen Vorzügen und Vergünstigungen, welche üblicherweise hierzulande Regierungsparteien zukommen, es sei daher gar nicht notwendig, daß da ein förmlicher Vertrag gemacht werde, der diese Guttat außerdem noch belohnt.

Merkwürdigerweise äußerten sich die beiden deutschen Minister in ganz ähnlicher Weise einigen Journalisten gegenüber während der Rückfahrt aus Topolèianky. Sie sagten nach der "Bohemia", das Ziel sei und bleibe die praktische Verwirklichung der nationalen Gleichberechtigung, die schon jetzt äußerlich in der Teilnahme Deutscher an der Regierung ausgedrückt, in der schrittweisen Durchsetzung der nationalen, kulturellen und wirtschaftlichen Forderungen der Deutschen bestehen müssen. Welcher Art diese Forderungen sein werden, darüber schwiegen sie sich allerdings wohlweislich aus.

Von Seite der deutschen Regierungsparteien ertönte in der jüngsten Vergangenheit laut und mächtig der Schrei nach der Teilnahme an der Macht in diesem Staate. Sie wollen damit ihren Besitz erhalten. Wie sie das meinen, ist nicht recht klar, denn vorläufig wenigsten ist der bäuerliche Klein- und Mittelbesitz in diesem Staate unmittelbar z. B. durch Enteignung nicht gefährdet. Meinen sie aber damit etwa die immer elender werdende Lebensmöglichkeit des Bauern, so bitte ich nicht zu vergessen, daß da der Bauer eine Menge Leidensgenossen hat, die alle dasselbe Klagelied berechtigter Weise singen können: Der Gewerbsmann, der Handelsmann, das Heer der Angestellten und Arbeiter und nicht zuletzt die Arbeitslosen selbst.

Wollen die deutschen Regierungsparteien da anpacken, da rühren sie allerdings am gewaltigen Probleme der jetzigen Wirtschaftskrise, die alle Stände ergriffen hat und nicht nur eine Erscheinung dieses Staates, sondern ein europäisches Problem ist, in dessen Hintergrunde als letzte Ursache die Friedensverträge auftauchen. Dieser Hydra an den Leib zu rücken, könnten wohl alle Parteien, selbst dieses Parlamentes, bereit sein, und es ist da wahrhaftig eine so überlaute Betonung des Gegensatzes zwischen Sozialisten und Nichtsozialisten, sowie es von den deutschen Regierungsparteien beliebt wird, nicht am Platze. Aber gerade die überlaute Betonung dieses Gegensatzes, ja die geradezu wütende Kampfansage gegen alle sozialen Einrichtungen der neuen Zeit muß in uns Deutschnationalen wie in jedem sozialempfindenden Menschen den Verdacht erwecken, daß die deutschen Regierungsparteien für die allgemeinen nationalen deutschen Interessen, für das, was dem Volke als Ganzes zugute kommen soll, herzlich wenig übrig haben und von dem Wahn befallen sind, jetzt - anno 1926 - mit Hilfe der ihnen nahestehenden èechischen Standesparteien eine reaktionäre manchesterliberale Wirtschaftspolitik, übersetzt ins Agrarische, beginnen zu können. In dieselbe Kerbe haut scheinbar der Herr Ministerpräsident selbst, indem er in seiner Regierungserklärung den Satz einfließen ließ, daß für die Lösung großer Aufgaben Ruhe und Ordnung eine unerläßliche Bedingung sei. So selbstverständlich dieser Satz auch klingen mag, für den Eingeweihten aber erscheint hinter den Worten "Ruhe und Ordnung" der Gendarm mit dem aufgepflanzten Bajonette.

Aus allem dem scheint hervorzugehen, daß die deutschen Regierungsparteien ohne sichere Zusagen sich den èechischen Regierungsparteien zur Verfügung gestellt haben. Sie fühlen auch selbst die Schwäche ihrer Stellung und versuchen auf alle mögliche Weise eine Stimmung in der deutschen Bevölkerung herbeizuführen, welche es nach ihrer Ansicht ermöglichen soll, daß die èechischen Regierungsparteien sich des geduldigen lammfromm gewordenen deutschen Volkes endlich erbarmen und ihm aus Gnade und Barmherzigkeit das angelegte Korallenhalsband etwas locker lassen.

Nur so kann ich den Ausspruch eines führenden Staatsmannes der deutschen Regierungsparteien verstehen, welcher vor kurzem sagte: "Eine Verhinderung der Neuauflage der èechischen chauvinistischen Politik kann nur erreicht werden, wenn auch die radikalsten Èechen die Überzeugung gewinnen, daß die Deutschen nicht gegen den Staat eingestellt sind." So weit also soll das deutsche Volk durch diese Art von Politik gebracht werden, daß es auf alles, was es bisher dulden mußte, in christlicher Liebe und Demut vergesse. Demütig sollen wir nach jedem empfangenen Backenstreiche auch die andere Wange hinhalten und gleich einem geprügelten Hund die Hand lecken, die uns gestraft hat. Von einer Neuauflage der èechischen chauvinistischen Politik spricht dieser Herr! Als ob diese Politik schon jemals aufgehört hätte zu bestehen! Es ist Metternichscher Geist, der da wieder einmal umgeht und der dem Volk in seiner Not nichts anderes zu sagen weiß, als "Ruhe ist des Bürgers erste Pflicht".

Und wie sieht denn eigentlich die Macht aus, welche nunmehr die deutschen Regierungsparteien inne haben? Von 14 Ministerstellen besitzen sie nur zwei. Sie sind also in einer kläglichen Minderheit, wenn sie sich nicht irgendwie vor Überraschungen bereits gesichert haben. Diese Macht ist wahrlich nicht allzuweit her! Du glaubst zu schieben und du wirst geschoben! So beläufig wird ihr Verhältnis zur Gegenseite ausschauen. Daher wiederhole ich nochmals: Die Öffentlichkeit und das deutsche Volk insbesondere haben ein Recht zu wissen, was zwischen den èechischen und deutschen Regierungsparteien vereinbart wurde. Jetzt darf es keine Heimlichkeit mehr geben, es geht ums Ganze, ist alles ehrlich und sauber zugegangen, braucht niemand das Licht der Sonne zu scheuen. Wird jedoch die Geheimnistuerei fortgesetzt, so kann es niemandem verübelt werden, wenn er dahinter ein schmutziges Geschäft vermutet. (Výkøiky na levici.) Wir Deutschnationalen blicken auf alle diese Dinge mit einem tiefen Mißtrauen. Die Vergangenheit war uns eine zu strenge und zu gute Lehrmeisterin, als daß wir uns leichtfertig von dem Wandel der Ereignisse beeinflussen lassen könnten. Wir kennen den Herrn Ministerpräsidenten zu gut, als daß wir glauben könnten, daß er und seinesgleichen über Nacht aus einem Saulus ein Paulus werden könnte, daß er und seinesgleichen es zulassen könnte, daß aus dem èechischen Einheitsstaat automatisch mit der Zeit ein Bündnisstaat der ihn bewohnenden Völker wird, wir kennen auch die Beweggründe und die geistige Einstellung der deutschen Regierungsparteien und können uns daher schwerwiegender Zweifel an dem Gelingen ihrer vielleicht auch guten Absichten nicht erwehren.

Wir werden daher gegen die Regierungserklärung stimmen. Klar sehen wir allerdings eins: Durch den Eintritt der deutschen Parteien in die èechische Regierung haben sie den èechischen Staat innerlich so erneuert, daß er mit seinem alten uns sattsam bekannten Gewaltsystem fester steht als je zuvor.

Die deutschen Regierunggsparteien, welche noch am 18. Dezember 1925 das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen wenigstens im Munde führten, dann sich auf die Forderung einer stets nebulosen Autonomie zurückgezogen haben, haben nunmehr auch dieses letzte fallen gelassen. Sie sehnen sich nicht mehr nach Freiheit, haben keinen Sinn mehr für einen großdeutschen Gedanken, starr sind ihre Augen nach dem Hradschin gerichtet, Besitz, Macht erreichen und erhalten dünkt ihnen als das höchste Gut. Und wofür? Für sich selbst und ihre Parteien, das Volk als ganzes, die andern Stände, sind vergessen und abgetan. Uns Deutschnationalen aber obliegt es nunmehr, die den andern entglittene Fahne der deutschen Freiheit, des Selbstbestimmungsrechtes erst recht hoch zu halten, unser weiteres politisches Verhalten trotz der neuen Verhältnisse nicht nach kleindeutschen, sondern nach großdeutschen Gesichtspunkten einzurichten, weil wir uns, mag geschehen was wolle, nicht den Glauben rauben lassen wollen, daß einmal eine Zeit kommen wird, in der es dem deutschen Volk beschieden ist, sein geschlossenes Siedlungsgebiet, zu dem, wir wenigstens, auch Sudetendeutschland rechnen, zu einem einheitlichen Staatsgebilde zu gestalten. Hiezu und nicht zur Konsolidierung eines Staates beizutragen, der naturnotwendigerweise stets ein deutschfeindlicher sein und bleiben muß, halten wir für unsere heilige völkische Pflicht. (Souhlas na levici.)


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP