Ètvrtek 9. èervna 1927
Meine Damen und Herren! Ich bitte den Herrn
Präsidenten von vornherein um Entschuldigung, daß ich
mich nicht streng an die Tagesordnung halten werde. Aber es sind
in den letzten Tagen in unserem Lande eine Anzahl Verhaftungen
vorgenommen worden, Hausdurchsuchungen bei Parteigenossen und
anderen Volksgenossen, deren Veranlassung, Form und offensichtliche
Absicht mich verpflichten, die erste Gelegenheit zu ergreifen,
um darüber von dieser Stelle aus zu sprechen.
Als Veranlassung zu diesen Verhaftungen wird
in den meisten Fällen die Teilnahme an Geheimbündeleien
oder aber die Verbindung mit Geheimorganisationen des Auslandes
angeführt, deren Ziel die Unterwühlung des èechischen
Staates, beziehungsweise der gewaltsame Sturz seiner Verfassung
sei. (Výkøiky posl. inž. Junga a dr Schollicha.)
Aus den Memoiren der èechischen
Staatsmänner und Politiker, aus der Geschichte ihrer nationalen
Revolution wissen wir, daß vor dem Umsturz jede Ihre nationale
Schutzvereinigung, der Volksrat, die Sokolvereine, im Dienste
der Freiheitsbewegung ihres Volkes gestanden
sind. Und nun setzen Sie das gleiche auch von den Schutzvereinigungen,
Turnvereinen und sonstigen nationalen Vereinigungen der Deutschen
voraus. In dieser Ihrer Sorge, in der Ängstlichkeit (Posl.
dr Schollich: Das schlechte Gewissen!) und auch Ihr schlechtes
Gewissen läßt Sie hinter jedem Abzeichen, sei es auch
nur eine einfache Knopflochnadel, hinter jedem Bändchen und
Mäschchen das Symbol einer Geheimorganisation erblicken.
Ich habe vor kurzem Veranlassung genommen,
von dieser Stelle aus ausführlich darzulegen, daß die
Organisationen, die von Ihrer Regierung und ihren Organen als
geheime Organisationen hingestellt werden, in Wirklichkeit Vereinigungen
sind, deren Aufgabe lediglich die Pflege der nationalen und kulturellen
Beziehungen unseres Volkes mit den Brüdern im Auslande oder
umgekehrt ist. Ich habe mit dem Koll. Jung neuerdings an
den Herrn Justizminister Mayr-Harting eine Interpellation
gerichtet und um klare Auskunft darüber ersucht, auf welche
Gründe oder welches Beweismaterial sich die Annahme der Regierung
stützt. (Výkøiky posl. inž.
Junga.) Wir haben
in der Interpellation die Bekanntgabe des vorliegenden Materials
im offenen Hause oder aber die Zurückziehung der von der
Regierung an die Behörden hinausgegebenen Weisungen verlangt,
falls solches Material nicht vorliegt. Der Herr Justizminister
hat uns auf unsere Anfrage die Antwort erteilt, daß die
Beurteilung, ob eine Organisation als eine Geheimorganisation
zu betrachten sei, die Beurteilung darüber, ob die Verbindung
mit solchen Organisationen oder die Betätigung darin unter
das Strafgesetz fällt, in jedem einzelnen Falle dem zuständigen
Richter obliegt (Výkøiky posl.
dr Schollicha.) und er sagt in dieser
Antwort, daß da dem Richter seine Unabhängigkeit nach
dem Staatsgrundgesetz gewährleistet erscheint, die Regierung
nicht in der Lage ist, die Stellung zu nehmen, die wir verlangen.
Das ist die Antwort des Herrn Justizministers. Wie sieht nun in
Wirklichkeit die objektive Stellungnahme der Regierung diesen
Organisationen, bzw. dem Gerichtsverfahren gegenüber aus?
Es liegt uns das Gutachten des Ministeriums
des Innern vor, das dem Kreisgericht Leitmeritz erstattet wurde.
(Výkøiky posl. inž. Junga.)
Über Ersuchen des Rechtsanwaltes und
zwar betreffend die Beurteilung dieser geheimen Organisation seitens
der Regierung. Das Gutachten erstreckt sich auf den Verein für
das Deutschtum im Auslande, also den deutschen Schulverein mit
dem Sitz in Berlin. Das Gutachten des Ministeriums des Innern
über die Betätigung dieses rein kulturellen Zielen dienenden
Vereines, lautet folgendermaßen: "Das Justizministerium
hat im Einvernehmen mit dem Ministerium des Äußern
die dortgerichtliche Zuschrift vom soundsovielten, Zl. soundso
viel, betreffend die Anfrage rücksichtlich Tendenz und Wirksamkeit
des Vereins für das Deutschtum im Auslande mit dem Untertitel
"Deutscher Schulverein" mit dem Ersuchen anher"
- nämlich an das Ministerium des Innern - "abgetreten,
daß das Ministerium des Innern dem dortigen Gericht die
ersuchte Information erteile. Indem das Ministerium des Innern
diesem Ersuchen entspricht, übersendet es in der Beilage
einen Anszug aus den Statuten des genannten Vereines zur Einsichtnahme
und dies mit dem Bemerken, daß es sich um einen in Deutschland
rechtsgültig existierenden und seine Tätigkeit unter
dem Titel "Verein für das Deutschtum im Auslande (Deutscher
Schulverein)", auf welchen Titel der ursprüngliche Titel
des Vereines "Allgemeiner deutscher Schulverein zur Erhaltung
des Deutschtums im Auslande" geändert wurde, ausübenden
Verein handelt.
Und nun hört! Die Statuten enthalten zwar
die ausdrückliche Bestimmung, daß der Verein keine
politische, sozial-politische oder religiöse Tendenz verfolge,
jedoch erscheint es nötig, diese Bestimmung dahin auszulegen,
daß der Verein nicht beabsichtige, auch politisch, für
eine bestimmte politische Partei, sich zu engagieren, sondern
nur an den politischen Kämpfen der Parteien untereinander
nicht teilzunehmen, vielmehr mit der Mitarbeit des gesamten national
fühlenden Deutschtums ohne Unterschied der Partei rechnet.
In Wirklichkeit ist die Tätigkeit dieses Vereines eine ausgesprochen
politischen (Výkøiky posl. dr
Schollicha.) alldeutschen und irredentistischen
Grundsätzen huldigende. (Výkøiky
na levici.) Der
Verein ist mit irredentistischen Vereinen, besonders mit den sudetendeutschen
Heimatbünden (Výkøiky posl.
dr Koberga.) und mit dem deutschen
Schutzbund in Verbindung und veranstaltet mit denselben Kundgebungen
irredentistischen Charakters. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Slavíèek.)
Bei diesen Manifestationen kam es wiederholt zu gehässigen,
verhetzenden Kundgebungen gegen die Èechoslovakische Republik.
(Výkøiky
posl. Simma.) Von der irredentistischen
gegen die Èechoslovakische Republik gerichteten Tätigkeit
dieses Vereines zeigt sicherlich, und dies genügt, der Umstand,
daß sich in den von dem Verein veranstalteten Kundgebungen
die größten politischen Gegner der Èechoslovakischen
Republik, insbesondere der gewesene
èechoslovakische Abgeordnete Baeran betätigen. (Výkøiky
na levici.) Es
wird jedoch auch bei den Versammlungen und Veranstaltungen, bei
den Vorträgen und öffentlichen Kundgebungen, bei welchen
nur inländische Redner auftreten, gegen die Èechoslovakische
Republik losgegangen, die Zugehörigkeit zum Großdeutschtum
insbesondere der Deutschen aus der Èechoslovakischen Republik
betont, die großdeutsche Idee bekräftigt, und aus den
Kundgebungen geht als Endziel die Errichtung des großen
deutschen Staates, Großdeutschland, hervor. (Výkøiky
posl. dr Schollicha.) Der
Verein betreibt die Propaganda auch im Druck und gibt eigene Broschüren.
Zeitschriften, Flugschriften u. s. w. heraus. So wurden seitens
der "Österreichischen Südmark", die sich im
Jahre 1925 mit dem Verein für das Deutschtum im Auslande
vereinigte, die Mappe mit der Aufschrift: "Friedensverträge
sind nur Menschenwerk, Gott will es anders" herausgegeben,
darstellend Deutschland und Österreich mit den von ihnen
losgelösten Gebieten und erscheinen auf dieser Mappe auch
sämtliche in Böhmen, Mähren und Schlesien gelegenen
und von den Deutschen bewohnten Gebiete als losgelöst angeführt.
Schon aus dem hier Angeführten geht hervor,
daß der Verein "Verein für das Deutschtum im Auslande"
sich nicht nur politisch betätigt und mit den politischen
Verhältnissen in der Èechoslovakischen Republik beschäftigt,
vielmehr gegen unseren Staat feindlich auftritt und gegen dessen
Selbständigkeit und Verfassungseinheit arbeitet.
Zum Schlusse wird bemerkt, daß ein ausführliches
Gutachten des Ministeriums über die Tendenz, den Titel und
die Tätigkeit des Vereines bereits im Urteile des Kreisgerichtes
Iglau am 19. Mai 1926, betreffend die Strafsache Ignatz Göth
und Genossen, enthalten ist. (Výkøiky
posl. inž. Junga.)
Das ist das amtliche Gutachten der Regierung
über den Verein für das Deutschtum im Auslande und,
wenn nun der Herr Justizminister in der Beantwortung unserer Frage
darauf verweist, daß er zu dieser Frage, ob das geheime
Organisationen sind, nicht Stellung nehmen kann, weil damit die
Unabhängigkeit des Richters tangiert würde, dann fragen
wir: Ist das keine Stellungsnahme der Regierung, ist das keine
Beeinflussung des Richters, wenn ein derartiges amtliches Dokument
vom Ministerium dem Kreisgerichte vorgelegt wird? Für den
Richter ist die weitere Durchführung eines Wahrheitsbeweises
gegenstandslos und tatsächlich lehnt der Richter auch in
solchen Fällen die Durchführung des Beweisverfahrens
ab. (Výkøiky
posl. Simma.) Im Falle Krebs,
der denselben Vorfall zur Grundlage hatte, stellte der Abg. Krebs
Beweisanträge, der Richter lehnte die Durchführung ohne
weitere Untersuchung dieser Beweisanträge mit der Begründung
ab, daß für ihn der Zeugenbeweis der Regierung maßgebend
ist, nach welchem diese Organisationen, darunter also nicht nur
der Heimatbund, das Institut für das Auslandsdeutschtum in
Stuttgart, der Verein für das Auslandsdeutschtum in Berlin
usw. als Geheimorganisationen betrachtet werden. (Výkøiky
posl. inž. Junga.) Das Beweisverfahren
wird abgelehnt und der Angeklagte zu einer wochenlangen Arreststrafe
verurteilt.
Meine verehrten Damen und Herren! Es mag sein,
daß in diesen großen Organisationen - und der Verein
für das Deutschtum im Auslande zählt Millionen Mitglieder
- in der einen oder anderen Kundgebung einzelne Vereinsmitglieder
oder Redner, die als Gäste gewonnen wurden, auftreten und
über den Rahmen des Vereinszieles hinausgehen. Kann man dafür
die gesamte Organisation verantwortlich machen, wie es in dieser
Stellungnahme der Regierung tatsächlich geschehen ist? Es
ist einfach unerhört, so große Vereinigungen, die nachweisbar
rein national-kulturellen Zwecken dienen, wie es der Verein für
das Deutschtum im Auslande ist, in solcher Weise zu stigmatisieren.
Der Verein für das Deutschtum im Auslande hat sich die kulturelle
Förderung des gesamten Minderheitsdeutschtums zur Aufgabe
gemacht, er hat eine wirklich anerkennenswerte verdienstliche
kulturelle Tätigkeit in dieser Hinsicht entfaltet, die auch
von Regierungen der Staaten anerkannt wird, die Minderheiten beherbergen
und deren Schutz die Arbeit des Vereins für das Deutschtum
im Auslande gilt. Weder in Rumänien, noch in Ungarn, noch
in Polen oder Rußland hat sich jemals jemand gefunden, eine
amtliche Stelle, den Verein für das Deutschtum im Ausland
deswegen zu beanständen, nur die Èechoslovakische
Republik, bzw. deren Regierung kommt mit einer derartigen Verfolgung.
So wie es mit dem Verein für das Deutschtum im Ausland ist,
ist es mit den übrigen Vereinigungen,
mögen es das Auslandsinstitut in Stuttgart oder unsere sudetendeutschen
Heimatbünde sein. Ich habe bereits das letztemal von dieser
Stelle aus erklärt, daß wir nicht leugnen, daß
es eine deutsche Irredenta draußen gibt, eine sudetendeutsche
Irredenta (Výkøiky
posl. dr Schollicha.) und habe mich
zu dieser Irredenta offen und rückhaltlos bekannt. Wir scheuen
uns unserer Gesinnung nicht, wir stehen als Männer dafür
ein, und werden, wenn wir einmal vor dem Richterstuhl stehen sollten,
unsere Konsequenzen ziehen. Aber dort Verfolgungen einzuleiten,
wo eine derartige Betätigung absolut nicht vorhanden ist,
nur in der Absicht, die kulturellen und völkischen Verbindungen
zu unseren Brüdern draußen und den Volksgenossen hier
zu unterbinden, uns abzuschnüren, das weisen wir mit aller
Entschiedenheit zurück und dagegen werden wir immer und immer
ankämpfen. Ich verweise bezüglich der Tendenzen dieser
Organisationen, speziell des Heimatbundes in Wien, Berlin und
Passau, auf die letzte Tagung des Heimatbundes in Wien, auf
der zu diesen Verfolgungen durch die Èechoslovakische Regierung
Stellung genommen wurde. Die Hauptversammlung wies sie mit entschiedenstem
Protest zurück und der Präsident des Vereins, also wohl
der verantwortlichste Faktor für die Tätigkeit und die
Arbeit der Vereinigungen, hat die Ziele der
Heimatbünde klar in folgenden Worten zusammengefaßt.
"Der Heimatbund ist in allen Ländern ein auf Grund behördlich
genehmigter Satzungen aufgebauter Verein, der keinerlei Kontrolle
seiner inneren und äußeren Arbeit zu scheuen
hat. Wie in Deutschösterreich verweisen besonders auf die
am 24. November 1922 im Wiener Nationalrat abgegebene Regierungserklärung,
der zufolge die Èechoslovakei in den Bestimmungen des Artikels
IV. des Staatsvertrages von Lana" ich zitiere wörtlich
- "keinerlei Maßnahmen ergreift gegen den Bestand und
die Tätigkeit von Vereinigungen, deren Zweck die Pflege des
nationalen Charakters und die Unterstützung der wirtschaftlichen
und kulturellen Ziele ihrer Volksgenossen ist. Die Hilfe, welche
sich die beiden Staaten in Gemäßheit des fraglichen
Artikels leisten werden, erstreckt sich auf jedweden Versuch einer
gewaltsamen Änderung der gegenwärtigen Staatsform, von
welcher Seite immer dieselben kommen möge. Der Heimatbund
und ich persönlich, nämlich der Präsident desselben,
lehnen grundsätzlich die Unterstützung von Unternehmungen,
welche politische Gewalttätigkeiten und ähnliche in
Betracht der gegenwärtigen Situation geradezu kindische Gedanken
im Auge haben, ganz entschieden ab. Wir gehen den geraden Weg
des natürlichen Selbstbestimmungsrechtes eines jeden Volkes
und wollen durch wahrheitsgemäße Aufklärung des
eigenen und der gesamten Völker die moralische Unterstützung
für den schweren Kulturkampf der Heimat erringen. Fest geschlossen
ohne Unterschied der Partei und des Standes stehen wir Heimatbündler
in Liebe zu Volk und Heimat und als Verkünder und Anwalt
ihrer reinen Rechte vor dem Urteil der Geschichte und dem Gewissen
der Welt da. Das ist das klare Ziel der Heimatbewegung, das die
Hauptversammlung einmütig nicht nur festlegte, sondern sich
auch als Richtschnur der ferneren Arbeit setzte."
Nun, meine Herren, was hat die Stellungnahme
der Regierung zu diesen Auslandsverbänden, für Folgen?
Wir haben sie in so und so vielen Prozessen bereits beobachten
können. In jüngster Zeit scheint neuerlich eine Art
Razzia vorgenommen zu werden, auf Grund irgend welcher Denuntiationen,
und wie geradezu lächerlich sich der Verfolgungswahn der
Behörden auswirkt, möchte ich an dem einen oder anderen
Fall hier vorbringen.
In Troppau wurde ein gewisser Huber Glässer
verhaftet. Die Staatsanwaltschaft Troppau hat unter dem 8. Feber
1927 gegen diesen Glässer die Anklage erhoben, daß
er der Ortsgruppe Neiße des sudetendeutschen Heimatbundes
angehört. Die Anklage gründet sich auf die Tatsache
der Mitgliedschaft des Glässer und auf die angebliche Tatsache,
er habe sich im Sinne dieser anerkannt staatsfeindlichen und geheimen,
den Bestand der Èechoslovakischen Republik unterbindenden
Organisation betätigt, hört, wie betätigt:
Weil er am 7. Mai 1925 als Musiker bei einem Heimatfest dieser
Organisation mitgewirkt (Rùznì výkøiky.
Hluk. - Místopøedseda Slavíèek
zvoní.) und
auf diese Weise die Organisation in ihren unterwühlerischen
Bestrebungen unterstützt hat. Die Anklage behauptet,
die Organisation sei notorisch eine geheime staatsfeindliche Organisation,
welche den Zweck hat, die Selbständigkeit und verfassungsmäßige
Einheit der Èechoslovakischen Republik zu unterwühlen
und welche ihre Tätigkeit im Endziel auch auf die Gebiete
der Èechoslovakischen Republik erstreckt.
Ein weiterer Fall: Drei Mitglieder des Turvereins
Samthübel u. zw. verantwortliche Vorstandsmitglieder wurden
verhaftet und sitzen seit Jänner dieses Jahres in Untersuchungshaft,
weil der Turnverein Samthübel an einer Kundgebung des Heimatbundes
teilgenommen hat und dort turnerische Übungen veranstaltet
hat. Der Turnverein wurde aufgelöst und die drei Vorstandsmitglieder
sitzen seit Jänner 1927 in Untersuchungshaft. (Rùzné
výkøiky. Hluk -Místopøedseda
Slavíèek zvoní.) Vor
einigen Tagen wurde beim Bürgermeister von Röchlitz,
unserem Parteigenossen Kleinert, eine Hausdurchsuchung vorgenommen.
Die Privatwohnung wurde umgestülpt, das genügte nicht,
man fand dort nichts, also ging es in das Amtslokal des Bürgermeisters,
man eröffnete die Schreibtische im Bürgermeisteramt
und stöberte dort die Korrespondenz nach weiß Gott
wie staatsfeindlichen Dokumenten oder Beweismaterial durch. Man
durchschnüffelte natürlich auch die Privatkorrespondenz
und irgendein Anhaltspunkt, der sich in einem Briefe fand, führte
dazu, daß eine hochnotpeinliche Untersuchung eingeleitet
wurde. Bei Kleinert fand man beispielsweise in der Schublade einen
harmlosen Brief von mir, in dem ich mich entschuldigte, daß
ich ein Schreiben Kleinerts erst nach einigen Tagen beantwortete,
weil ich in Budapest gewesen bin und erst zurückgekehrt war.
Sofort fragte man: "Was hat der Abgeordnete in Budapest gemacht?"
(Výkøiky na levici.)
Nun - der Zweck der Übung -
die Korrespondenz wird zusammengepackt und nun wird dieser Briefwechsel
natürlich zum Gegenstand einer hochnotpeinlichen Untersuchung
gemacht. Wenn es nicht in diesem Falle der Bürgermeister
Kleinert gewesen wäre, sondern irgendein Volksgenosse draußen,
würde er vom Fleck weg verhaftet worden sein und würde
4 Wochen und noch länger in Untersuchungshaft sitzen, bis
herauskommt, was der Abg. Knirsch in Budapest gemacht hat.
(Místopøedseda Slavíèek
zvoní.) Ich
bin gleichfertig. (Výkøiky na levici.)
Der Kreisjugendführer Schwarz des Gablonzer
Kreises wurde vorgeladen und einer hochnotpeinlichen Einvernahme
unterzogen. Man hielt ihm eine photographische Aufnahme irgendeiner
Tagung vor, ein Gruppenbild von draußen im Reiche. Sie war
klein, so daß die Köpfe oder die Gesichter nicht ganz
kenntlich waren, und nun hat man sich darauf versteift, daß
der eine von den Hundert oder Zweihundert, die photographiert
sind, unser Kreisjugendführer Schwarz sein müsse. (Hluk.)
Er war in der Lage, den Nachweis
zu erbringen, daß er an diesen Tagen gar nicht draußen,
sondern anderswo gewesen ist; man glaubte ihm nicht, und nun war
es interessant, die Art der Verhandlung zu beobachten. Der eine
Polizist oder Staatsanwalt behauptete, das müsse er sein,
denn das Bild stimme beiläufig mit ihm überein. Der
andere sagte, es sei nicht so ganz sicher, es könne auch
ein anderer sein. Weil man nicht so ganz sicher war, wurde der
Kreisjugendführer wieder entlassen. (Výkøiky
na levici.)
Vor einigen Tagen hat man den Führer unserer
Ordnertruppe Richter in Schutzhaft genommen. Der Grund ist bis
heute nicht bekannt. Angeblich soll auch eine Verbindung mit einer
geheimen Organisation mit Spionagegrundlage vorhanden sein. Mit
ihm wurden zwei weitere Parteigenossen verhaftet, Kretschmer und
Köttner in Gablonz, wahrscheinlich, weil sie Windjacken trugen
und sich wo als Ordner betätigten. Bei einem hat man eine
Hakenkreuzfahne beschlagnahmt und sie zum Beweismaterial gemacht.
Ein Prager Student wurde vor einigen Tagen mitten aus der Unterrichtsstunde
von Staatspolizisten geholt, zum Gericht geschleppt und dort einem
hochnotpeinlichen Verhör unterzogen, eine Hausdurchsuchung
wurde vorgenommen. (Výkøiky
posl. dr Schollicha, Simma a dr Koberga.) Und
was ist der Zweck dieser Hausdurchsuchungen? Um aus der Privatkorrespondenz
nicht nur verschiedene Anhaltspunkte für politische Verfolgungen
zu bekommen, sondern auch die politische Arbeit der einzelnen
Parteien kennen zu lernen. Das ist der Zweck der Hausdurchsuchungen
in Sekretariaten, bei einzelnen Parteigenossen, mögen sie
welcher politischen oppositionellen Richtung angehören, weil
man aus diesem Material Schlüsse für die Betätigung
der Parteien draußen zieht. Anstatt, daß sich die
Organe, die mit der Hausdurchsuchung betraut werden, wirklich
nur mit dem Material befassen, das gesucht werden soll, oder mit
dem Gegenstände, dessentwegen die einzelnen unter Anklage
gestellt sind, wird die gesamte Korrespondenz durchschnüffelt
und werden stoßweise Privatbriefe und Privatkorrespondenz
politischer Natur einfach mit auf das Amt genommen. Dagegen müssen
wir uns verwahren.
Was ist weiters der mögliche Zweck der
Übung? Ich spreche vom Verein für das Deutschtum im
Auslande. Unsere sudetendeutschen Schutzvereine, der Bund der
Deutschen, der Kulturverband, andere Schutzvereinigungen, ja,
Regierungsparteien, Abgeordnete derselben und vielleicht die Parteien
in ihrer Gesamtheit stehen in schriftlichen und persönlichen
Verbindungen mit diesem deutschen Schulverein draußen, und
auch unsere Zentralen in Prag. Ja, wenn dieser Verein für
das Deutschtum im Ausland vom Ministerium des Innern, beziehungsweise
von unserer Regierung als eine irredentistische Geheimorganisation
hingestellt wird, kann es morgen oder übermorgen denn erstbesten
Staatsanwalt einfallen, morgen die Deutschpolitische Arbeitsstelle,
übermorgen den Kulturverband und den Turnverband mit der
Begründung aufzulösen, daß sie mit ausländischen
irredentistischen Geheimorganisationen Verbindungen haben.
Wir protestieren daher von dieser Stelle aus
gegen dieses System, gegen diese Verhängung der Untersuchungshaft
in ganz belanglosen Fällen, die sich oft auf Wochen erstreckt,
ferner, daß die Hausdurchsuchung in solcher Form vorgenommen
wird, wie ich sie geschildert habe, und verlangen die Richtigstellung
dieser ministeriellen Informationen an die Gerichte. Wir appellieren
in dieser Hinsicht in erster Linie an die deutschen Regierungsparteien,
die mit ihrem Namen ein solches reaktionäres Schandsystem,
das sich gegen die Volksgenossen richtet, nicht decken dürfen.
Wir werden den Kampf dagegen aufnehmen und uns in unserer Arbeit
für Freiheit und Volkstum nicht durch ein derartiges System
hindern lassen. (Potlesk poslancù nìm.
nár. socialistické strany dìlnické.)