Die heutige Regierungsvorlage setzt nach wie
vor die Einkommensgrenze für Kriegsbeschädigte, nach
der die Rente in Wegfall kommt, auf 5.000 Kronen für die
selbständig wirtschaftlich Tätigen und 10.000 Kronen
für jene fest, welche wirtschaftlich unselbständig sind.
Die Begründung dafür, daß der von uns als unhaltbar
bezeichnete Standpunkt in dieser Frage eingenommen wird und keine
Erhöhung zur Durchführung kommt, wie wir das wünschten
und wie wir es die ganzen Jahre hindurch bei der Behandlung gleicher
Vorlagen immer gewünscht haben, wird mit dem Hinweis auf
die wirtschaftlichen Verhältnisse gegeben, die sich nicht
geändert hätten, so daß kein besonderer Anlaß
vorliegt, an der Praxis in der Gesetzgebung über die Einkommensgrenze
der Kriegsbeschädigtentätigkeit eine Änderung vorzunehmen.
Meine Herren, wir behaupten aber - und ich glaube fest, daß
dieser Behauptung nicht wird widersprochen werden können
- daß die wirtschaftlichen Verhältnisse für die
sozial Schwachen in der Zeit, in der das Gesetz galt, das heute
erneuert wird, erschwert worden sind. Aber selbst wenn das nicht
der Fall wäre, daß es zu keiner Erschwerung der Lebensverhältnisse
der sozial Schwachen als solche dürfen wir insbesonderes
auch die Kriegsopfer ansprechen - gekommen wäre, gilt die
Argumentation der Regierung auch nicht. Unsere grundsätzliche
Meinung ist die, daß überhaupt keine Einkommensgrenze
festzusetzen ist, bei deren Erreichen die Rente des Kriegsbeschädigten
in Wegfall, kommt. Das Opfer, das der Kriegsbeschädigte gebracht
hat, das Opfer seines Lebens für die Gesellschaft, das Opfer
seiner Gesundheit oder eines Teiles seiner Gesundheit, dieses
Opfer ist gebracht und der Dank gegenüber diesen Opfern muß
grundsätzlich absolut in Funktion treten. Dieser Auffassung
sind die meisten Staaten, die eine moderne Kriegsbeschädigtengesetzgebung
führen, gefolgt. Nur Deutschland kennt noch, wenn ich recht
unterrichtet bin, eine ähnliche Bestimmung in seiner Gesetzgebung
bezüglich der Festsetzung einer Einkommensgrenze für
die Kriegsbeschädigten. Aber selbst in Deutschland sind die
Bestimmungen wesentlich milder als die Bestimmungen, die in der
heutigen Vorlage, die zur Beratung steht, enthalten sind. Wenn
aber die Regierung dennoch nicht zu bewegen ist, von ihrer europäischen
Ausnahmsstellung abzugehen, so muß die Stellung einigermaßen
haltbar gemacht werden, das heißt, die Renteneinkommensgrenze
muß zu einer solchen Höhe gebracht werden, daß
sie schließlich sich as nicht, existenziell katastrophal
auswirkt. Das Geringste, was wir fordern können, ist, daß
sich die Regierung der Differenzierung begibt, die sie zwischen
den wirtschaftlich selbständigen Kriegsbeschädigten
und zwischen den wirtschaftlich Unselbständigen macht, und
daß sie sich an jene Bestimmungen erinnert die in den neuen
Steuergesetzen über ein steuerfreies Existenzminimum enthalten
sind. Diese Bestimmungen dürfen unserer Meinung nach nicht
nachträglich sabotiert werden. Nach den neuen Steuer gesetzen,
das hat schon Herr Koll. Horpynka angeführt, beträgt
das steuerfreie Existenzminimum 7.000 Kronen. Es kann aber noch
bedeutend höher sein, wie das von einigen anderen Rednern
schon zum Ausdrucke gebracht wurde, wenn die Kinderzahl und weitere
Umstände des Einkommenträgers berücksichtigt werden.
Ein wirtschaftlich selbständiger Kriegsbeschädigter
soll aber nur 5.000 Kronen Einkommen haben dürfen, um nicht
des Rentenbezugs verlustig zu werden. Im Vorjahre haben wir mit
allen Gründen die Unhaltbarkeit der Bestimmungen des Gesetzes
über eine Einkommensgrenze bekämpft. Es schien dann,
alsob die Regierungsparteien sich endlich entschlossen hätten,
unseren Gründen recht zu geben. Zwar wurden die Initiativanträge
Zajièek,
Schubert, Èuøík
abgelehnt aber gleichzeitig mit dieser Ablehnung wurde doch eine
Resolution angenommen, welche die Regierung aufforderte, ehestens
das Gesetz über die Kriegsbeschädigtengesetzgebung zu
novellieren und dabei vor allem die in den Initiativanträgen,
Druck Nr. 549, 557, 698 ausgesprochenen Forderungen zu berücksichtigen.
In gleicher Weise gab der Budgetausschuß bei der Behandlung
der Kriegsbeschädigtenfrage damals seine Meinung Ausdruck.
Es darf nicht Wunder nehmen, daß wir glauben konnten, daß
diesem theoretischen Bekenntnis beider Häuser zur Notwendigkeit,
das Kriegsbeschädigtenproblem einmal von Grund aus neu zu
betrachten, die Praxis folgen werde. Wir hielten die damaligen
Äußerungen, im besonderen jene des Herrn Abg. Zajièek,
für aufrichtig. Man hatte vonseiten der Regierungsparteien,
deren Wortführer damals Herr Koll. Zajièek
war, insbesondere im sozialpolitischen Ausschuß, geschickt
mit dem Einwand auf die Kämpfe der Opposition geantwortet,
daß man Zeit gewinnen müsse, eine Novelle zu dem Komplexe
der Kriegsbeschädigtengesetze zu einem ordentlichen Gesetzeswerke
machen zu können. Also Zeit wollte man gewinnen, so klang
es damals aus der Argumentation der die Staatsverantwortung tragenden
Regierungsparteien. Nun ist ein ganzes Jahr dahin gegangen,
ohne daß das Wort, das gegeben wurde, eine Einlösung
findet. Das muß geradezu als unverantwortliche Bagatellisierung
eines schwergeprüften Standes bezeichnet werden. Wir können
gar nicht anders, als dieses Verhalten der Regierungsparteien
als ganz unqualifiziert zu klassifizieren. Es gibt keine Ausflucht,
wie etwa die Berufung auf den Herrn Finanzminister und seine passive
und aktive Resistenz gegenüber der Regelung der rechtlichen
und materiellen Verhältnisse der Kriegsbeschädigten.
Wenn ich Regierungsmensch bin, bin ich wie der Herr Finanzminister
verantwortlich für eine Tat oder Unterlassung der Regierung.
Im übrigen ist die Begründung der Unmöglichkeit,
die Forderungen der Kriegsbeschädigten zu erfüllen,
etwa aus dem vom Herrn Finanzminister immer geführten staatsfinanziellen
kategorischen Imperativ, ein Hohn sonder gleichen. Es heißt
auch für mich, zum Überfluß zu der Kritik, die
hier geführt wurde, darauf zu verweisen, daß Milliarden
für Rüstungszwecke verausgabt werden, Jahr für.
Jahr. Ein Teil davon genügte, die finanzielle Auswirkung
eines Gesetzes zu paralisieren das etwa im Sinne der Initiativanträge
Druck Nr. 549, 557 und 689 eine Novelle zur geltenden Kriegsbeschädigtengesetzgebung
schaffte. Aber man ist bösen Willens gegenüber den Kriegsbeschädigten.
Ein Blick in die Staatsvoranschläge der letzten Jahre beweist
das, Der Gesamtaufwand für die Kriegsbeschädigten ist
von 911 Millionen im Jahre 1923 auf 566 Millionen im Jahre 1926
und auf 500 Millionen im Jahre 1927 herabgesunken. Im Staatsvoranschlag
für 1928 präliminieren wir noch ganze 491 Millionen
für die Kriegsopfer. Ich glaube dieser ständige Abstieg
der geldlichen Opfer für die Kriegsbeschädigtenfürsorge
während der letzten Jahre vom Jahre 1923 an bis zum heurigen
ist die beste Illustration der Stellung der Regierung zu diesem
ganzen Problem, das ich als eines der schwersten Staatsprobleme
eingangs meiner Äußerungen dargelegt. Lassen Sie als
Regierungsparteien wenigstens ein bischen besseren Willen walten
bei der Teilregelung, welche heute vorgenommen wird, Wir geben
Ihnen hiezu Gelegenheit. Wir brachten gleich anderen Parteien
zu der Vorlage, die heute zur Behandlung steht, einen Antrag ein,
der die den Anspruch auf Kriegsbeschädigtenrente ausschließende
Einkommensgrenze erhöht. Wir finden uns veranlaßt,
in dieser Beziehung den Forderungen der Kriegsbeschädigtenorganisationen
nachzukommen, und fixierten als eine einigermaßen erträgliche
Einkommensgrenze für die Kriegsbeschädigten den Betrag
von 16,0000 Kronen. Es ist das ein Antrag, der durchaus nicht
als demonstrativer gewertet werden kann, sondern einer, den doch
gewiß in sachlicher Hinsicht zuzustimmen ist. Es ist freilich
nicht anzunehmen, daß die Regierungsparteien sich veranlaßt
fühlen, heute etwa einem solchen Antrag zuzustimmen. Sie
präjudizierten sich ja für das Haus schon durch ihr
Verhalten in den Ausschüssen, sowohl im sozialpolitischen,
als auch im Budgetausschuß. Wenn wir trotzdem den Antrag,
den wir im sozialpolitischen und im Budgetausschuß auf Erhöhung
dieser Grenze gestellt haben, jetzt wieder stellen, so geschieht
das deswegen, weil wir den Regierungsparteien auch nicht die letzte
Probe ersparen wollen, sich zu dem Kriegsbeschädigtenproblem
zu äußern, durch Annahme oder Ablehnung eines solchen
Antrages. Die Bestimmungen über die Einkommensgrenze haben
außerordentliche Schwierigkeiten für die Kriegsopfer
zur Folge gehabt, die nicht ausschließlich darin bestehen,
daß sie eben die Rente, wenn sie die Grenze erreichen, eingestellt
bekommen. Oftmals stellt sich die Folgewirkung jenes höheren
Einkommens im Sinne des Gesetzes erst später ein, als von
dem Amte der Anfall des höheren Einkommens angenommen wird.
Dann kommt der große Auftrag, die Rückzahlung der empfangenen
Übergenüsse zu allem Übel der eingestellten Rente
hinzu. Die Praxis ist so, daß die Einschätzung des
Kriegsopfers in seinem Einkommen durch die Finanzämter oft
zu hoch geschieht. Ein Rekurrieren nützt nicht immer, das
Einkommen wird vom Finanzamt eben angenommen und die Steuer in
diesem Verhältnis diktiert. Die Kriegsbeschädigtenämter
schließen sich an, oft nach langer Zeit des Rekurslaufes,
bzw. seines Entscheidens. Dann kommt das Diktat, die Übergenüsse
zurückzuzahlen, und in dieser Beziehung erfolgt ein geradezu
katastrophaler Eingriff in die Lebensverhältnisse des einzelnen
Kriegsbeschädigten. Die Rückzahlungsaufträge sind
für die Kriegsbeschädigten ein doppeltes Unglück.
Wir müssen die Regierung ersuchen, auch diese Praxis etwa
zu kontrollieren. Wir fordern dies auch deshalb, weil Mehrempfänge
von Renten auch aus anderen Ursachen vorgekommen sind, Die Ämter
selbst haben oftmals Fehler in den Berechnungen gemacht. Diese
Fehler muß nun der Kriegsbeschädigte büßen.
Denn wenn er aus einer solchen Fehlrechnung heraus eine Zeitlang
einen Übergenuß an Rente erlebte, muß er dann
auch zurückzahlen. Meist ist aber der Kriegsbeschädigte
in gutem Glauben Empfänger des Mehrgenusses gewesen. Mir
sind in der letzten Zeit eine ganze Reihe von Fällen bekannt
geworden und ich erwähnte schon im Ausschuß bei der
Verhandlung der Regierungsvorlage eine Reihe von Fällen,
in denen geradezu eine traurige Komplikation der Lebensverhältnisse
der Kriegsopfer dadurch entstand, daß diese Praxis besteht.
Ich bringe namens meiner Partei einen Antrag ein, der die Regierung
auffordert in diese Sache etwas Ordnung zu bringen. Dieser Antrag
wurde, wie die gesamten laufenden Anträge, zur Regelung der
Kriegsbeschädigten-Gesetzgebung im Jahre 1926 von den Abgeordneten
der heutigen Regierungsparteien mitgezeichnet. Dieselben werden
auch wenn sie diesen Antrag ablehnen, schuldig, so wie sie schuldig
werden, wenn sie jenen Antrag, den wir zur Verbesserung der Kriegsopferfürsorge
stellten ablehnen. Ein Jammer ist es auch, daß viele Rentenbezugsberechtigte
heute noch ohne Rentenbezug leben. Die streng eingehaltene Frist
zur Anmeldung ist ein Unglück für die Ärmsten,
die aus verständlichen Gründen heraus den Fehler begangen
haben, daß sie sich nicht rechtzeitig als Rentenempfänger
meldeten. Wir beantragen, daß eine neue Anmeldefrist festgesetzt
wird, die solange zu bemessen ist, daß innerhalb derselben
die letzte Aufklärung über das Recht, ein Rentenempfänger
sein zu können, ermöglicht wird. Welcher Jammer pflegt
sich auch bei der Behandlung der Kriegsopfer zu begeben, welche
bis jetzt noch die Rente beziehen. Sie werden regelmäßig
überprüft, dabei wird mit einer Strenge vorgegangen,
die gerade das Kriegsopfer aufs tiefste verletzen muß. Es
ist unglaublich, welche Fälle sich bei den Überprüfungen
ereignen. Es wurde gestern im Ausschuß bemerkt, daß
ein Beinamputierter noch froh sein mußte, mit 20% erwerbsunfähig
klassifiziert zu werden. Die Auffassung der Kommission ging dahin,
seine Erwerbsunfähigkeit als eine höhere anzuzweifeln,
weil er einen Beruf ausübte, der nicht gerade mit den Beinen
ausgeführt werden muß. Hier muß größte
Menschlichkeit walten, Die Organe, welche die Untersuchung der
Kriegsverletzten vorzunehmen haben, müssen sich jeder verletzenden
Art enthalten. Sie müssen stets eingedenk sein, daß
Kriegsopfer vor ihnen stehen, die infolge ihrer Verletzung und
Schädigung ihrer Gesundheit und ihrer ganzen seelischen Veranlagung
nach empfindlicher sind als etwa der gesunde, der robuste Mensch.
Die Verweigerung der Rentenbewilligung in solchen Fällen,
in denen Todesursache oder Erwerbsunfähigkeit nicht als unmittelbare
Kriegsfolgen erkannt werden, die Härten, die sich bei der
Verweigerung von Renten ergeben, sind so ungeheuerlich, daß
wir die Regierung bitten, auch in diese Praxis etwas zu leuchten
und sie etwa in dem Maße abzustellen, daß sie etwas
erträglicher, wird.
Wir haben noch viel zu diesem Kapitel zu sagen.
Aber ich betonte schon im Budgetausschuß, daß uns
mit jenen parlamentarischen Drosselungsmethoden auch bei der Verhandlung
dieses Gesetzes aufgewartet wird, wahrscheinlich hier in diesem
Falle aus dem Grunde besonders, um der Regierung die Schande zu
ersparen, daß ihr Gewissen schläft. Es könnte
das möglich sein, wenn wir den letzten Fall der unglücklichen
Kriegsverletzten besprechen.
Alles in allem fordern wir jene Neuregelung
der Gesetzgebung über die Kriegsbeschädigten, die seit
1922 fällig ist und die in den von uns seit Jahr und Tag
verkündeten Grundlinien sich kennzeichnet, mit welchen
dann die Èechoslovakische Republik in ihrer Kriegsbeschädigtenfürsorge
nichts anderes als Erfolg für sich hätte,
als daß sie an die Seite jener Staaten tritt, die die Kriegsbeschädigtengesetzgebung
seit Beginn des Friedens in moderner und für die Kriegsopfer
tragbarer Weise geregelt haben. Die Regierung und die Parteien
haben im Interesse des Staates die Zeichen der Zeit zu hören.
Wenn sie schon kein anderes Interesse haben, so im Interesse des
Staates selbst. Vielleicht darf ich an die deutschen Regierungsparteien
besonders appellieren. Im Lande bricht die Verzweiflung bei hunderttausenden
Menschen aus, wenn nicht Hilfe kommt. Das Ausland aber gewinnt
einen immer eigentümlicheren Eindruck von Staat und Staatsführung,
wenn dieser Verzweiflungsschrei auch zu ihm dringt. Es ist das
sehr zum Schaden des Staates schon geschehen. Ich erinnere an
die Debatte auf den internationalen Tagungen der Kriegsbeschädigten,
insbesondere jene Debatte, von welcher Koll. Horpynka einen
Abriß in Form einer Entschließung dieser Tage vorgelesen
hat, wobei die Èechoslovakische
Republik sehr schlecht wegkam. Die Regierung muß alles tun,
und das in Hinkunft zu verhüten. Sie stellt sich selbst eine
letzte Frist, wie sie angibt, der Kriegsbeschädigtengesetzgebung
grundsätzlicher an den Leib zu rücken. Diese letzte
Frist läuft mit 30. Juni ab. Wir hoffen, daß dieses
Argument der letzten Frist zu grundsätzlicher Regelung nicht
ein fauler Zauber ist, wie das Argument des Koll. Zajièek
im Dezember des Vorjahres in der Form der bekannten Resolution,
mit der Zeit gewonnen werden sollte. Zum vorliegenden Gesetzentwurf
haben wir zu bemerken " daß er für uns nicht tragbar
ist, wir können für ihn nicht stimmen. Unsere Abänderungsanträge
verfolgen keinen anderen Zweck, als die Vorlage tragbar zu machen.
Wir empfehlen, auch wenn wir erklären, für dieses Gesetz
nicht zu stimmen, diese Abänderungsanträge zur Annahme.
(Souhlas a potlesk poslancù nìm. strany
nár. socialistické.)
Hohes Haus! Die Fürsorge für die
Kriegsbeschädigten ist nicht nur in diesem, sondern auch
in anderen Staaten ein großes finanzielles und soziales
Problem. In jedem Staate wurde diese Fürsorge nach anderen
Grundsätzen durchgeführt. Weder in anderen Staaten,
noch bei uns ist man mit den betreffenden Gesetzen zufrieden.
Das alte Gesetz über die Einkommensgrenze
von 5.000 bzw. 10.000 Kronen entspricht nicht den Wünschen
der Kriegsbeschädigten und ich füge hinzu, auch nicht
den Wünschen der einzelnen politischen Parteien. Sie werden
mir darauf vielleicht antworten: Wenn mit, diesem Gesetz auch
die Regierungsparteien nicht einverstanden sind, dann hätten
sie heute Gelegenheit, das alte Gesetz abzuändern. Wir tun
dies heute aus zwei Gründen nicht: Wir sind uns darüber
einig, daß die beiden Grenzen in eins zu verschmelzen sind.
Die betreffenden Minister haben gestern erklärt, daß
sie diesem Antrage vollkommen zustimmen. Nicht einig sind wir
über die Höhe dieser einheitlichen Grenze. Vielleicht
wäre es gerechter, die Invaliden analog dem Gesetz über
die Einkommensteuer zu behandeln, und zwar so, daß man jenem
Invaliden, der keine Einkommensteuer zahlt, eine Rente gibt, nicht
aber jenem, der verpflichtet ist, die Einkommensteuer zu bezahlen.
(Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda inž. Dostálek.)
Aber selbst wenn wir über diese Frage
einig wären, so können wir einer Teilreform des Invalidenversorgungsgesetzes
nicht zustimmen. Unsere Partei wünscht nach wie vor eine
Reform, bei der auch andere Fragen behandelt werden. Sie haben
sowohl in der heutigen Debatte als gestern in den Ausschüssen
gesagt, wir hätten genug Zeit gehabt, diese Reform durchzuführen.
Sie haben uns an die Initiativanträge erinnert, die wir im
Juni 1926 hier im Hause eingebracht habe. Sie haben weiter an
die Reden erinnert, die ich und andere Kollegen meines Klubs gehalten
haben. Sie haben endlich auf jene Resolution verwiesen, die ich
am 30. November 1926 im Sozialpolitischen Ausschuß gestellt
habe, eine Resolution, in der die Regierung aufgefordert wurde,
das Kriegsbeschädigtengesetz ehestens zu novellieren und
hiebei die Initiativanträge Èuøík,
Schubert und Zajièek
weitestgehend zu berücksichtigen.
Aus der Tatsache, daß die Regierung diese
Resolution nicht durchgeführt hat und daß während
dieses Jahres die Novelle noch nicht vorgelegt wurde, wird gefolgert,
daß wir unsere ehemaligen Anträge und Forderungen verraten
hätten.
Gestatten Sie mir ein offenes Wort! Daß
unser Resolutionsantrag nicht respektiert worden ist, billigen
wir ganz und gar nicht, und wir haben keine Lust, die Novellierung
noch mehr hinausschieben zu lassen. Darum haben wir das Gesetz
nicht, wie es in der Regierungsverordnung hieß, auf ein
Jahr, sondern nur um ein halbes Jahr verlängern lassen. Wenn
im Druck, der gestern verteilt wurde, als Datum der 31, Dezember
angeführt ist, so ist das ein Druckfehler, der bei der Abstimmung
korrigiert werden wird.
Es ist aus verschiedenen Gründen bisher
noch nicht zur Novelle gekommen. Es handelt sich hier um ein gewaltiges
Problem, das die einzelnen vor allem maßgebenden Stellen
in manchem Punkte verschieden, oft entgegengesetzt lösen
wollen. Die finanziellen Kosten dieser oder jener Änderung
lassen sich keineswegs so leicht bestimmen, als angenommen wird.
In jeder Regierung müssen sich die Regierungsparteien und
die maßgebenden Ministerien über jeden einzelnen Gesetzentwurf
einigen. Das dauert oftmals lang; ich erinnere da nur an andere
Gesetze z. B. an die Steuerreform, an die Abschaffung der Visa
u. dgl. (Výkøiky nìm. soc. demokratických
poslancù. - Posl. de Witte: Sie
machen noch mehr Kriegsverletzte!) Ich erinnere Sie, Herr
Kollege, nur an die Julirevolution in Wien. (Výkøiky
nìm. soc. demokratických poslancù.)
Unsere Gegner haben gesagt, die Regierungsparteien
wollen im Jahre 1927 das Kriegsbeschädigtengesetz verschlechtern.
(Hluk. - Místopøedseda inž.
Dostálek zvoní.) Wenn
Sie uns vorwerfen, wir hätten unser Versprechen nicht eingelöst,
dann könnten wir Ihnen vorwerfen, daß Ihre Prophezeiung
nicht in Erfüllung gegangen ist. Der Herr Finanzminister
Dr Engliš hat vor einem Jahre erklärt, ohne Reform
des Kriegsbeschädigtengesetzes könne unser Budget nicht
aktiv werden. Es freut uns, daß das Budget aktiv geworden
ist, trotzdem die Invaliden die alten Renten erhalten. (Hluk.
- Výkøiky nìm. soc. demokratických
poslancù.)
Místopøedseda inž. Dostálek
(zvoní): Prosím o klid.
Posl. Zajièek
(pokraèuje): Es freut
uns, daß das Budget trotz der Steuerreform aktiv ist, die
eine wesentliche Verringerung der Staatseinnahmen mit sich bringen
wird, Und es freut uns, daß der Herr Finanzminister in seinem
heurigen Exposé von diesen Ersparnissen nicht mehr gesprochen
hat. Das Invalidengesetz wurde nicht verschlechtert. "Aber"
- sagt man - "die Auslegung des Gesetzes!" Zum Beweise
für diese Behauptung ist heute angeführt worden, daß
in den Jahren 1923, 1924 und 1925 für die Invaliden mehr
ausgegeben worden ist als in den Jahren 1926 und 1927. Warum?
Erstens waren in diesen drei Jahren mehr Invalide als heute (Výkøiky
nìm. soc. demokratických poslancù.) und
zweitens wurden in diesen Jahren viele Nachzahlungen ausgezahlt,
die in den Jahren vorher hätten angewiesen werden sollen.
Ein Redner hat heute darauf verwiesen, daß durch die Teuerung
die Lebenshaltung der Invaliden wesentlich verschlechtert worden
ist. Wir stellen die Teuerung nicht in Abrede, wenn wir auch hinzufügen
müssen, daß die Teuerung in gewisser Beziehung doch
eine internationale Erscheinung ist. (Výkøiky
nìm. soc. demokratických poslancù.) Vor
1 1/2
Jahren war es billig, aber damals gab es eine Armee von Arbeitslosen,
heute ist es teuerer geworden, aber Sie müssen zugestehen,
daß die Zahl der Arbeitslosen heute wesentlich geringer
ist als vor 1 1/2
Jahren. Und, meine sehr Verehrten wenn wir uns fragen, wieso die
Fabriken heute mehr Beschäftigung haben als früher,
so können wir darauf hinweisen, daß hier vor allem
maßgebend war die sparsame Wirtschaft oder sagen wir die
sparsamere Wirtschaft im Staatshaushalt und die Handelsverträge.
Und diese Handelsverträge hätten wir nicht schließen
können, wenn wir nicht das so sehr gelästerte Gesetz
über die Lebensmittelzölle beschlossen hätten.
(Hluk.)
Bei dieser Gelegenheit habe ich namens unseres
Klubs neuerdings die Leitsätze zu nennen, nach welchen wir
unsere Arbeit für die Invaliden fortzusetzen entschlossen
sind. Wir verlangen vor allem, daß die trostlose Lage der
Schwerstinvaliden gebessert werde. Im armen Österreich erhält
ein 75%iger Invalider 120 Schilling im Monat. Ein Hilfloser erhält
monatlich 252 Schilling und ein Blinder erhält in der ersten
Ortsklasse 318 Schilling monatlich. Wenn wir damit die Ziffern
vergleichen die in unserem Gesetze enthalten sind.... (Posl.
Grünzner: Schämen Sie sich!) Jawohl, wir
müssen uns schämen, aber das Gesetz stammt aus einer
Zeit, wo der Minister für soziale Fürsorge ein èechischer
Sozialdemokrat gewesen ist. (Hluk.) Die
zweite Forderung, die wir stellen, betrifft die Rückzahlung
von Überzahlungen. Wir stellen fest, daß das Ministerium
für soziale Fürsorge und das Finanzministerium in diesem
Punkte im heurigen Jahre liberaler vorgegangen sind als in den
früheren Jahren. Die dritte Forderung betrifft die Festsetzung
von neuen Anmeldefristen. Es sind 38.000 Invalide, die sich zu
spät angemeldet haben. Von diesen 38.000 Personen ist sicherlich
ein ziemlich großer Prozentsatz, bei denen man bei der Untersuchung
feststellen wird, daß sie unter die 20%ige Invalidität
fallen. (Výkøiky nìm. soc. demokratických
poslancù.) Aber selbst wenn die
Anerkennung der neuen Invaliden einen Betrag von 20 Millionen
Kè erfordern würde, sind wir der Ansicht, daß
für diese Leute dieser Betrag einfach
gefunden werden muß. Die vierte Forderung betrifft die Unifizierung
der Einkommensgrenze. Darüber habe ich schon anfangs gesprochen.
Das sind unsere Leitsätze. Nur Menschen, die das ABC des
Parlamentarismus nicht kennen und jene, die es nicht kennen wollen,
können uns dafür verantwortlich machen, wenn diese Forderungen
der Kriegsbeschädigten nicht zur Gänze durchgeführt
werden. Wir haben das ehrliche Bestreben hiezu und wir lassen
diesen guten Willen von niemand anzweifeln. (Hluk. - Výkøiky
nìm. soc. demokratických poslancù.) Unsere
Partei ist nur ein Teil der Koalition. (Výkøiky
nìm. soc. demokratických poslancù.) Die
deutschen Sozialdemokraten erinnern uns fortgesetzt an die Anträge,
die wir gestellt haben. Nun, meine Herren, es wird einmal die
Zeit kommen, wo die deutschen sozialdemokratischen Abgeordneten
in der Regierung sitzen werden und dann werden wir schon aus purer
Kameradschaftlichkeit einmal die vielen Anträge hervorbringen
und vorlesen, die Sie im Laufe von 10 Jahren hier im Hause vorgebracht
haben und wir werden sehen, wieviel Anträge Sie durchgesetzt
haben. (Výkøiky nìm. soc. demokratických
poslancù.) Meine Herren!
Ich habe schon im Vorjahre von dieser Stelle aus darauf hingewiesen,
daß volle 8 Jahre hindurch alle Minister für soziale
Fürsorge èechischen sozialistischen Parteien entnommen
waren, ich habe darauf hingewiesen, daß volle 8 Jahre hindurch
alle Berichterstatter im Budgetausschuß und im Sozialpolitischen
Ausschuß über dieses Gesetz immer èechische
Sozialdemokraten, èechische Sozialisten
waren. Durch volle 8 Jahre sind immer Antrage gestellt worden,
die auf eine Verbesserung der Invalidengesetzgebung hingezielt
haben und ich stelle nur fest, daß diese èechischen
sozialistischen Minister und Berichterstatter
alle diese Anträge konsequent abgelehnt haben. Heute kommen
die Herrschaften und spielen sich als die großen Retter
der Invaliden auf. (Rùzné výkøiky
na levici.) Die Versorgung der Invaliden
darf nicht vom rein fiskalischen Standpunkt aus beurteilt werden.
Wenn in der letzten Zeit den Eisenbahnern 100 Millionen
Kè, die wir ihnen vollkommen gönnen, bewilligt worden
sind und wenn im armen Österreich vor ein paar Wochen 15
Millionen Schillinge zur Aufbesserung der Renten
bewilligt worden sind, dann müssen auch für die Erfüllung
unserer Hauptforderungen die nötigen Summen gefunden werden.
(Potlesk.)
Hohes Haus! Der heutigen Nationalversammlung
wurde ein Antrag betreffend das Gesetz über den Feingehalt
und die Punzierungskontrolle von Platin-, Gold- und Silberwaren,
kurz gesagt, das Punzierungsgesetz vorgelegt. Wir sehen aus der
Vorlage, daß gegenüber dem früheren Gesetze nunmehr
wesentliche Abänderungen geplant sind. Aus dem I. Teil, §
1, geht hervor, daß sowohl die im Inlande verfertigten,
als auch die aus dem Auslande eingeführten Platin-, Gold-
und Silberwaren, die hier zum Verkauf und in den Handel gebracht
werden, der Punzierungskontrolle unterliegen. Prüfen wir
das Gesetz des nähern, so finden wir, daß an eine wesentlich
ganz andere Organisation für alle Zukunft gedacht ist. Die
geplanten Änderungen sind so gewaltig, daß naturgemäß
die interessierten Kreise zu dem vorliegenden Regierungsentwurfe
Stellung genommen haben.
Insbesondere im VI. Teile, "Organisation
des Punzierungsdienstes", ist unter § 42, Abs. 6 eine
Umnormierung festzustellen, die für einzelne Gruppen der
Goldschmiede und Silberschmiede und der Gold- und Juwelenhändler
einen gewaltigen Eingriff in ihre bisherigen Verhältnisse
bedeutet. Es soll nunmehr das Hauptpunzierungsamt in Prag und
alle Punzierungsstätten aufgehoben und deren Agenda der Direktion
des Punzierungsdienstes in Prag und den neuerrichteten Punzierungsämtern
und deren Exposituren zugewiesen werden. Die detaillierte Organisation
des Punzierungsdienstes hat die Regierung im Verordnungswege zu
bestimmen.
Nun haben die Organisation der Uhrmachergenossenschaften,
der Landesverband mit dem Sitz in Teplitz, sowie auch die Organisation
der Gold- und Silberschmiede, der Verband als solcher, Informationen
eingeholt. Es wurde von Seite der Regierung mitgeteilt, daß
künftighin Punzierungsstellen allein nach Prag und Brünn
verlegt werden sollen. Diese Bestimmung hat natürlich für
die gesamte einschlägige Produktion eine einschneidende Bedeutung.
Alles, was gewerblich hergestellt wird, sowie alle Gegenstände,
die in dieser Form in den Handel kommen, werden dadurch wesentlich
verteuert. Wir sehen aus dem Regierungsentwurfe, daß dadurch
sämtliche Interessenten der Platin-, Gold- und Silberwarengruppen
nunmehr gezwungen sind, alle Gegenstände zur Punzierung durch
die Post zu senden. Dadurch entsteht logischer Weise eine ganz
gewaltige Überlastung bei der Ausübung dieser Berufe.
Wie geradezu oberflächlich diese Vorlage behandelt wurde,
geht daraus hervor, daß sie wohl dem Rechtsausschuß,
nicht aber dem Ausschuß für Handel, Industrie und Gewerbe
zur Behandlung zugewiesen wurde. Und gerade vom rein gewerblichen
Standpunkte wäre dies notwendig gewesen, um entsprechend
den Wünschen, die z. B. der "Reichsverband der Gewerbegenossenschaftsverbände
mit deutscher Geschäftssprache in der Èechoslovakischen
Republik" geäußert hat, das Gesetz entsprechend
zu beeinflussen. Daß die Vorlage den gesamten Gewerbestand
interessiert, der für die Organisation der Gold- und Silberwarenschmiede
solidarisch eintritt, geht daraus hervor, daß die letzte
Reichsgewerbetagung, die am 15. August in Jägerndorf stattfand,
sich mit diesem Problem beschäftigte. Es wurde unter anderem
darauf verwiesen, daß durch das Inkrafttreten dieser Bestimmungen
allen Goldschmieden eine erhebliche Erschwerung der Erwerbsverhältnisse
erwächst, weil bei Durchführung dieser Punzierung die
Erzeugung von Gold-, Silber- und Platingegenständen wesentlich
erhöhte Kosten erfordern wird, u. zw. außer viel mehr
Zeit auch erhebliche Mehrkosten für hohe Wertversicherung
für den Posttransport. Bisher konnte der Goldschmiedemeister
einfach persönlich zur nächsten Nebenpunzierungsstelle
gehen und dort gleich auf die Punzierung warten, wodurch er in
der Lage war, seiner Kundschaft prompte Lieferung des bestellten
Gegenstandes zuzusichern und die Zusicherung auch einzuhalten.
Der Reichsverband der Genossenschaftsverbände sagt das in
seiner Zuschrift, die meiner Überzeugung nach an alle parlamentarischen
Vertretungen gegangen ist.... (Posl. inž. Jung:
Hat er sie auch an die deutsche Gewerbepartei geschickt?)
Ohne Zweifel, weil ja die Abgeordneten
der Gewerbepartei die Führer des Reichsverbandes der Genossenschaftsverbände
sind und Präsident des Reichsverbandes ist Herr Senator Tschapek.
Wir müssen uns geradezu wundern, daß derselbe Reichsverband
an alle politischen Parteien die Aufforderung richtet, sich vor
allem gewissenhaft mit der Vorlage zu befassen, aber selbst sich
mit der Gesetzesvorlage ohne Abänderung abgefunden hat, der
Antrag lag nicht einmal dem Ausschuß für Handel und
Gewerbe vor. Die deutsche nationalsozialistische Arbeiterpartei
hat zu dieser Vorlage Stellung genommen, weil es ein Wunsch dieser
Wirtschaftsgruppen ist, wie dies in der Zuschrift des Reichsverbandes
der Gewerbegenossenschaften hervorgeht. Wir haben deshalb den
Antrag gestellt, daß die Vorlage von der Tagesordnung abgesetzt
und die Vorlage zuerst zur Beratung in den Ausschuß für
Handel, Gewerbe und Industrie kommen solle. (Potlesk
poslancù nìm. strany nár. socialistické.)