Ètvrtek 2. kvìtna 1929

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 196. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze ve ètvrtek dne 2. kvìtna 1929.

1. Øeè posl. dr Schollicha (viz str. 10 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Ein altes deutsches Sprichwort sagt: "Gut Ding braucht Weile." Wenn man diesen Spruch auf den zur Beratung stehenden Gesetzesvorlagedruck Nr. 1938 über Zweck und Errichtung von Hilfsschulen (-Klassen) anwenden wollte, müßte man zur Meinung kommen, daß das neue Gesetz gut geraten sein muß, da es bis zur parlamentarischen Behandlung immerhin 7 volle Jahre brauchte. Schon im Jahre 1921 legte ich namens des parlamentarischen Schulausschusses im Abgeordnetenhause einen Antrag über Herausgabe eines Hilfsschulgesetzes vor, der unter Druck Nr. 2082 aufgelegt wurde. Dieser Entwurf stammte vom Verbande "Deutsche Hilfsschule" in der Èechoslovakei mit dem Sitze in Reichenberg und war in seinen Richtlinien auf der gründenden Versammlung dieses Verbandes im Jahre 1920 in Brüx beschlossen worden. Bei einer Vorsprache dieses deutschen Verbandes mit dem èechischen Hilfsschulverein und dem èechischen Schwachsinnigenfürsorgeverein machte der damalige Minister für Schulwesen und Volkskultur Dr. Šusta die Zusage, daß das Hilfsschulwesen ganz im Sinne der vorgelegten Denkschrift in der kürzesten Zeit erledigt werden wird. Richtig ist, daß damals ein Regierungsentwurf zur Ausarbeitung kam, der sich an die wichtigsten Forderungen dieser Verbände anlehnte und als gut und brauchbar bezeichnet werden muß. Er hatte nur den Fehler, daß er im Abgeordnetenhause nicht zur Behandlung vorgelegt wurde. Minister Dr. Šusta trat ab, andere Herren Minister kamen im Wechsel der Jahre und der Regierungen. Jeder neue Minister versicherte immer wieder bei Vorsprachen, daß er ehestens den Gesetzentwurf über das Hilfsschulwesen vorlegen werde, ohne allerdings selbst diesen Zeitpunkt im Amte zu erleben. Auch dem ersten Regierungsentwurf folgten noch mehrere, die leider nicht besser, sondern immer schlechter wurden. Dabei hätte man es ohne Arbeit leicht gehabt, einen vorzüglichen und modernen Entwurf vorlegen zu können, wenn man einfach den vom "Verbande deutscher Hilfsschulen" ausgearbeiteten Gesetzesantrag Druck Nr. 2082 zu dem seinen gemacht hätte. Was uns heute vorliegt, ist nicht vielleicht trotz langen Wartens besonders gut geraten, sondern ein allgemein wenig brauchbares Flickwerk verschiedenster Ansichten und Meinungen, das eigentlich von Haus aus und im ganzen wegen seiner vielen Fehler und Mängel abgelehnt werden müßte, wenn man nicht fürchten müßte, damit wieder eine Verzögerung von vielen Jahren herbeizuführen. Etwas Schlechtes ist vielleicht in diesem Fall immerhin besser als gar nichts, weil es doch die Möglichkeit bietet, wenigstens auf dieser Grundlage weiter zu bauen und unermüdlich zu verbessern. So ruft dieser Regierungsantrag schon jetzt bei seiner Gesetzwerdung nach der Novellierung, die hoffentlich nicht lange auf sich warten lassen wird. Traurig und bedauerlich genug, daß die Èechoslovakei nicht gleich etwas Erstklassiges schaffen kann, das anderen Staaten zum Muster dienen könnte, sondern wieder nur wie bei anderen Gesetzen ein vielfach lächerliches und wenig nachahmenswertes Stümperwerk in die Welt setzt.

Gerade aber der Gegenstand, die Errichtung von Hilfsschulen für schwach befähigte Kinder, hätte wegen seiner Bedeutung die aufmerksamste und großzügigste Behandlung durch das Schulministerium erfordert. Über die Notwendigkeit und Wichtigkeit solcher Schulen und Schulklassen braucht man wohl heute nicht viel Worte zu verlieren, dank der aufklärenden Arbeit, welche der "Verband deutscher Hilfsschulen" mit seinem unermüdlichen Obmanne Marschas in den letzten Jahren geleistet hat. Das auf dem 8. Verbandstag am 2. und 3. Juli 1928 in Brünn gehaltene Referat des Herrn Hi!fsschullehrers Hudl-Aussig hat in vorzüglicher Weise alles darauf Bezughabende zusammengetragen.

In der Èechoslovakei gibt es Tausende schwachbefähigte Kinder, welche das Lehrziel der Volksschulen nicht erreichen Sie treten, vielfach mit 14 Jahren aus den untersten Klassen der Volksschule aus, ohne sich die Kenntnisse und Fähigkeiten erworben zu haben, welche der unerbittliche Lebenskampf an sie stellt. Da sie in der Volksschule nie zu einer planmäßigen Arbeit angeleitet werden konnten, sind sie meist arbeitsunfähig und arbeitsunlustig und fallen somit später der Familie, der Gemeinde und dem Staate zur Last. Millionen und Millionen kostet jährlich die Erhaltung von schwachbefähigten Insassen in Arresten, Besserungsanstalten, Arbeits- und Zuchthäusern. Großzügige Fürsorgearbeit erfordert, vorbauend Hilfsschulen und Erziehungsanstalten für solche schwachsinnige Kinder zu schaffen und damit Hunderte Menschen vor dem Versinken ins Verbrecher- und Bettlertum zu retten. Die Errichtung solcher Schulen und Anstalten macht sich durch die Ersparnisse weitaus bezahlt, die sonst die Erhaltung solcher unglücklicher Wesen, sei es in Form von Unterstützungsgeldern oder Anstaltsauslagen, kostet.

Da der Besuch der Volksschule für solche schwachsinnige Kinder für Kind und Lehrer verlorene Zeit ist, sie außerdem einen Ballast für die Normalen und Begabten bilden, ist die Zusammenfassung solcher Kinder in eigenen Klassen und Schulen und die Unterrichtserteilung unter Berücksichtigung der geistigen und körperlichen Entwicklung bzw. Defekte äußerst segensreich. Die bisher in der Èechoslovakei, besonders aber im Ausland und hier vor allem im Deutschen Reich gemachten Erfahrungen rechtfertigen die Behauptung, daß durch diese mühevolle Arbeit die wirtschaftliche, sittliche und intellektuelle Rettung der Schwachsinnigen bis auf einen verschwindend kleinen Prozentsatz verbürgt wird.

Die Hilfsschule ist somit, wie der Erfolg beweist, ebenso eine Notwendigkeit wie die Normalschule. Zwischen beiden Schulen ist nur ein Unterschied in den Zielen und in den Methoden. Der Hilfsschulunterricht muß individualisieren und jedes Kind nach seinen Schwächen und nach seiner Eigenart behandeln. Daher ist ein zweckmäßiges und erfolgreiches Unterrichten nur möglich, wenn die Schülerhöchstzahl möglichst niedrig gehalten wird. Das Schulministerium hat gerade in der Bestimmung der Schülerhöchstzahl mit 25 in einer Klasse bewiesen, daß es ganz verständnislos dem Wesen der Hilfsschule gegenübersteht. Zwar gelang es, im Senate bei der Beratung des Gesetzes die Schülerzahl auf 20 in einer Klasse herabzudrücken, doch wäre es gefehlt, anzunehmen, daß damit viel gewonnen wurde. Wir verlangen im Interesse eines gedeihlichen Unterrichtes bei normalen Volksschulen eine Schülerzahl von höchstens 25 bis 30 Schülern, da nur dadurch die Möglichkeit eines individuellen Unterrichtes gegeben ist. In einer einklassigen Volksschule dürfen aber höchstens 10, in der ersten Klasse der mehrstufigen Hilfsschule höchstens 15 Kinder sein, soll nicht jeder Unterrichtserfolg in Frage gestellt werden. Das alte Österreich zeigte wie in vielem auch hier mehr Verständnis und setzte mit Ministerialerlaß vom 7. Mai 1907 fest, daß einer Lehrkraft nicht mehr als 15 und nur in Ausnahmsfällen 20 Kinder zuzuweisen sind. So zeigt sich auch hier ein bedauerlicher Rückschritt, der umso bemerkenswerter ist, wenn man damit die Bestimmungen anderer Staaten wie z. B. Österreichs, Deutschlands und der Schweiz vergleicht.

Das Ministerium für Schulwesen und Volkskultur zeigt auch sonst, was die Arbeitsleistung der Hilfsschullehrkräfte anbelangt, eine bemerkenswerte Unkenntnis bzw. Geringschätzung dieser Tätigkeit. Während in anderen Staaten alle Sonderlehrkräfte den Bürgerschullehrern gleichgestellt sind, wird ihre besondere Arbeitsleistung in der Èechoslowakei durch eine Zulage von 1500 Kè und nach zehnjähriger Dienstzeit von 2100 Kè honoriert. 125 bis 175 Kè im Monat mehr ist der lockende Lohn für die besondere aufreibende Arbeit in solchen Schulen. Dabei werden außer der normalen Lehrbefähigung besondere Fachprüfungen und Fähigkeiten auf Grund eingehender Studien verlangt. Wie die Entlohnung der èechoslovakischen Staatsbeamtenschaft und Lehrerschaft im allgemeinen eine miserable und durchaus ungenügende ist, so werden auch die Hilfsschulkräfte auf Gotteslohn vertröstet. Die Gleichstellung mit den Taubstummenlehrern in Bezug auf Gehalt, wie in Bezug auf die besonderen Zulagen ist, da gerechtfertigt, ehestens vorzunehmen und eine Forderung meiner Partei.

Auch sonst fordert noch manche Bestimmung des neuen Gesetzes zur Kritik heraus. Während der Staat auf der einen Seite durch das neue Gemeindefinanzgesetz den Gemeinden ihre Einnahmen beschneidet und die Höhe der Gemeindeumlagen festlegt, bürdet er ihnen auf der anderen Seite immer neue Lasten auf. So schiebt er auch im vorliegenden Fall die Kosten solcher Hilfsschulen einfach den Gemeinden zu, ohne sich darum zu kümmern, wie diese bei dem heutigen Stande der Gemeindefinanzen den Aufwand decken sollen. Aus dieser Bestimmung geht wohl mit Klarheit hervor, daß es sich dem Staate mit diesem Gesetze nicht darum handelt, möglichst viele neue Hilfsschulen zu schaffen, da leider die wirtschaftliche Situation der Gemeinden dies nicht zulassen wird. Und doch ist es in erster Linie Pflicht des Staates, für solche schwachsinnige Kinder zu sorgen und die Gemeinschaft vor den sozialen, sittlichen und wirtschaftlichen Gefahren zu schützen, die geistig Minderwertige verursachen. Statt alle Bestrebungen auf diesem Gebiete einheitlich und nutzbringend zusammenzufassen, wird auch die Errichtung privater Hilfsschulen begünstigt und damit eine planmäßige Zusammenarbeit verhindert.

Es ist müßig, die einzelnen Bestimmungen des Gesetzentwurfes eingehend zu beleuchten und vielleicht Abänderungsanträge zu stellen, weil sie keine Aussicht auf Annahme haben und daher zwecklos sind.

Ich brauche wohl nicht zu betonen, daß die vom sozialpolitischen Ausschuß gefaßten Entschließungen zum Gesetze aus dem sicheren Gefühle, daß das Gesetz durchaus mangelhaft ist, hervorgegangen sind und daß man mit diesen Entschließungen das Niveau des Gesetzes heben wollte. Es steht wohl zu erwarten, daß diese Entschließungen auch vom Abgeordnetenhaus angenommen und von der Regierung durchgeführt werden. Von ganz einschneidender Bedeutung sind die drei ersten Entschließungen: Die erste fordert die Regierung auf, Mittel und Wege für eine angemessene entsprechende Fortbildung und für eine berufliche Ausbildung der ehemaligen Hilfsschulkinder zu finden. Wird dieser Forderung nicht entsprochen, so kann sich auch das schönste Gesetz für Hilfsschulen nicht entsprechend auswirken. Die zweite Entschließung ist für die Entwicklung des Hilfsschulwesens außerordentlich wichtig Es ist eine selbstverständliche Forderung, daß für Hilfsschulen eigene Fachinspektoren angestellt werden, welche aus dem praktischen Hilfsschuldienst hervorgegangen sind. Dies ist notwendig, damit die Entwicklung des Hilfsschulwesens gleichförmig nach aufwärts vor sich geht. Dazu nützt aber keineswegs nur theoretisches Wissen und Können, das sich unsere ohnehin schwer überlasteten Bezirks- und Landesschulinspektoren erwerben können. Und ebenso wichtig ist noch die dritte Entschließung bezüglich der Übernahme der Hilfsschulen laut § 20. Hier handelt es sich um beschleunigte dauernde Anstellung der Hilfsschullehrkräfte, welche schon 10 und mehr Jahre für den Hilfsschuldienst beurlaubt sind, aber es handelt sich auch um die Vorbeugung eines Verfalles der Hilfsschulen, welche durch das Gemeindefinanzgesetz sehr bedroht sind.

Ich komme zum Schlusse. Das Gesetz bedeutet also keine Verbesserung des jetzigen Zustandes, teilweise sogar eine Verschlechterung, wobei die Besorgnis nicht von der Hand zu weisen ist, daß auf Grund der höheren Festsetzung der Kinderzahl sogar heute bestehende Hilfsschulklassen aufgelassen werden können. Auch sonst enthält der Gesetzentwurf zahlreiche Zweideutigkeiten und ungenaue Fassungen. Er müßte daher von meiner Partei in seiner heutigen Fassung abgelehnt werden. Trotzdem werden wir dafür stimmen, um überhaupt nur erst einmal ein Hilfsschulgesetz zu schaffen, werden aber nicht erlahmen, immer wieder auf die Mängel des Gesetzes hinzuweisen und seine eheste Novellierung zu verlangen. (Souhlas a potlesk poslancù nìm. strany národní.)

2. Øeè posl. Kirpalové (viz str. 27 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Gestern haben in der Èechoslovakei Tausende und Abertausende Arbeiter und Arbeiterinnen für ihre Forderungen demonstriert. Überall sind diese Demonstrationen in voller Würde und Ruhe verlaufen. Nur in Marienbad gefiel es der Staatspolizei, den würdigen Verlauf der Demonstration dadurch zu stören, daß sie die Kinder, die in Obhut und Obsorge ihrer Eltern an der Demonstration teilnahmen, gewaltsam aus dem Zuge entfernt hat. Wir können das Vorgehen der Staatspolizei nicht genug verurteilen, die sicherlich über höheren Auftrag diesen Gewaltakt vollbracht hat. In diesem Staat wird wie immer mit zweierlei Maß gemessen. Während man z. B. bei Prozessionen am Fronleichnamstag die Kinder ruhig mitmarschieren läßt, ihnen womöglich noch den Schutz der Staatspolizei angedeihen läßt, entfernt man bei unseren Demonstrationen die Kinder gewaltsam aus dem Zuge. Wir erklären heute mit aller Energie, daß wir nicht gewillt sind, uns in Zukunft in unsere Rechte, in unsere Elternrechte eingreifen zu lassen.

Bevor ich mich mit dem Gesetz über die Hilfsschulen selbst beschäftige, muß ich mich mit aller Energie gegen den reaktionären Er laß des mährischen Landesschulrates vom 20. Feber 1929, Z. 134 wenden. Dieser Erlaß enthält Winke für die Durchführung des Qualifikationsverfahrens und ist eine unerhörte Provokation nicht nur der Lehrerschaft, sondern der gesamten freidenkenden Bevölkerung. Man erkennt die Initiatoren und Inspiratoren des Erlasses, man erkennt den Geist unserer Schulverwaltung. Die wenigen freiheitlichen Errungenschaften, welche nach dem Kriege die Lehrerschaft erhielt, sollen wieder abgebaut werden. Im alten Österreich war die Lehrerschaft politisch und persönlich unfrei. Die dienstlichen Qualifikationen wurden in vertraulichen Sitzungen durchberaten, das Wort "durchberaten" in Anführungszeichen - und die Lehrpersonen hatten keine Möglichkeit, sich gegen eine ungerechte, einseitige, oft von persönlichem und parteipolitischem Haß beeinflußte Qualifikation zu wehren. Nachdem die Qualifikation die Grundlage zur Besetzung von Lehrstellen war, zwang man einen Teil der Lehrerschaft zur knechtischen Unterwürfigkeit und vielfach zur politischen Prostitution. Nun will man wiederum diesen Geist zwangsweise unter die Lehrerschaft tragen, da man auf eine andere Art und Weise die Lehrer, deren Freiheit jetzt durch § 4 des Gesetzes 306/20 teilweise gesichert ist, nicht botmäßig und politisch unfrei machen kann. Die Lehrpersonen sollen wieder willenlose Lakaien ihrer Vorgesetzten sein. Vor der Zurückrevidierung der revolutionären Errungenschaften macht man auch hier nicht halt. Altösterreich lebt wieder auf. Die Bezirksschulinspektoren erhielten für die Ausfüllung der Qualifikationstabellen u. a. folgende Anleitungen: "In diesem Punkte ist besonders das Benehmen des Lehrers in der Öffentlichkeit zu beurteilen. Es ist notwendig darauf zu sehen, inwieweit und ob das Verhalten des Lehrers im Einklang mit den Bestimmungen der Lehrerdienstpragmatik steht und ob sein Verhalten in der Öffentlichkeit nicht Ärgernis erregt. Auf die politische Tätigkeit der Lehrer ist hiebei nicht zu achten, sofern sie im Einklang mit den Bestimmungen des vorangehenden Absatzes steht. Jede gegen den Staat gerichtete Tätigkeit ist jedoch strengstens zu beurteilen."

Es fehlt nur eines in diesen Bestimmungen: Denunzianten erhalten Prämien! Diese Verordnung ist nichts anderes als eine Mausefalle für die Lehrerschaft. Sie erklärt die Lehrerschaft vogelfrei. Was erregt in diesem Staate nicht alles Ärgernis? Der Kampf um die Schulautonomie, der Kampf gegen die willkürlichen Schuldrosselungen, gegen die Verpfaffung der Schule, um die Verbesserung der Lebensverhältnisse, der Kampf gegen Willkür und Vorherrschaft kann Ärgernis bei einzelnen Vorgesetzten hervorrufen und dazu führen, daß die eine oder andere Lehrperson eine schlechte Qualifikation erhält. Die bürgerlichen Zöllner, an der Spitze die Klerikalen, hetzen ohnedies schon planmäßig und zielbewußt gegen die freie Lehrerschaft Das Schulprogramm der Klerikalen ist nicht nur allein auf die Verfassung der Schule einige stellt, sondern ist auch gegen die freie Lehrerschaft gerichtet, denn es wird das Verbot des Vortrages irgendeiner antichristlichen Anschauung im Unterricht verlangt und eine dementsprechende Kontrolle der Lehrer. Die Lehrer sollen also wieder unter die Botmäßigkeit der Katecheten gestellt werden. Und das nennt man Reform!

Es ist ein offenes Geheimnis, daß noch heute viele Lehrpersonen schikaniert werden, nur weil sie den Mut haben, eine eigene Meinung zu haben und aus ihrer politischen Gesinnung kein Hehl zu machen. Statt, daß man alles dazu beitragen würde, um das Verhältnis zwischen Lehrer und Schulbehörde auf Freundschaft und Vertrauen aufzubauen, will man wieder knechtische Unterwürfigkeit schaffen und berechtigtes Mißtrauen säen. Dieser neue Gewaltstreich muß die Empörung der gesamten Lehrerschaft auslösen und sie zum gemeinsamen Kampfe gegen derart reaktionäre und undemokratische Maßnahmen zusammenzuschließen. Eines wollen wir aber der Lehrerschaft sagen: Auf die Mithilfe und Unterstützung der bürgerlichen Parteien werden sie bei ihrem Kampfe nicht rechnen können, denn die schul- und lehrerfreundliche Gesinnung des Bürgertums werden sie wohl schon zur Genüge kennen gelernt haben. Wir brauchen demgegenüber aber nicht zu erklären, daß die sozialdemokratische Partei immer eine warme und energische Verfechterin der Lehrerinteressen war, ist und bleibt. Wir werden auch diesen Kampf mit ungeteilter Kraft weiter führen.

Nun zum Gesetze selbst.

Das zur Beratung stehende Gesetz ist wieder nur ein Stückwerk. Wie wenig ernst es der Regierung, vielmehr den Koalitionsparteien mit der Regelung des Hilfsschulwesens ist, beweist, daß die Beratungen seit dem Jahre 1920 dauern. Wenn es um ein arbeiterfeindliches Gesetz geht, wenn es gilt, Zölle zu beschließen, die Kongrua zu erhöhen, den Zuckerbaronen Millionen Kronen von Handelssteuern zu refundieren, da haben es die Herren sehr eilig. Es ist kennzeichnend, wie bei uns so wichtige Fragen von pädagogischem, gesundheitlichem und sozialem Zweck behandelt und erledigt werden. Seit dem Jahre 1920 unternahm der Verband der deutschen Hilfsschullehrer gemeinsam mit dem èechischen Vereine für Schwachsinnigen-Fürsorge Schritte beim Ministerium für Schulwesen und Volkskultur, damit ein Gesetz geschaffen werde, durch welches das Hilfsschulwesen einheitlich organisiert und auf eine feste Grundlage gestellt werde. Man verwies mit Recht darauf, daß in England seit dem Jahre 1899 ein Hilfsschulgesetz besteht und in Frankreich seit dem Jahre 1909. In Alt-Österreich erschienen wohl seit dem Jahre 1869 Erlässe und Verordnungen, die die Errichtung von Sonderklassen für Schwachsinnige ermöglichen, vielfach befürworten, doch eine gesetzliche Regelung erfolgte nicht Wohl wurden in einzelnen Orten Hilfsklassen errichtet, doch waren ihrer viel zu wenig. Eine kleine Erweiterung des Hilfsschulwesens und Errichtung neuer Klassen brachte im Jahre 1919 ein Erlaß des Landesschulrates für Böhmen, demzufolge der Landesverwaltungsausschuß dem Ministerium für Schulwesen und Volkskultur mitteilt, daß er in konkreten Fällen die Vertretungskosten für die zum Hilfsschuldienst beurlaubten Lehrpersonen auf Rechnung der Bezirksschulfonde übernehmen werde. Es ist ein unbestrittenes Verdienst jener Gemeinden und Ortsschulräte, die den Wert der Hilfsschulen einsahen und vielfach nicht nur für sachliche Erfordernisse ausreichende Beträge in die Schulvoranschläge einsetzten, sondern den Hilfsschulen Zulagen bewilligten und die Differenzbeträge der Hilfsschullehrer auf den Gehalt gleichdienstaltriger Fachlehrer erhöhten. Wenn man jedoch bedenkt, daß es nach der im Jahre 1921 durchgeführten Zählung der deutschen geistig zurückgebliebenen Kinder 6000 Schulkinder gibt, von denen 5.400 hilfsschulbedürftig sind, und wenn man bedenkt, daß im deutschen Sprachgebiet nur in 30 Orten 59 Hilfsschulklassen bestehen, so sieht man mit Entsetzen, daß bei einer Schülerhöchstzahl von 15 Kindern in einer Klasse nur für 885 Kinder der Besuch einer Hilfsschule möglich ist, während 4.515 Kinder gezwungen sind, entweder dem Schulunterrichte fernzubleiben oder die ohnedies überfüllten Klassen der Normalschulen zu besuchen. Im èechischen Gebiet sieht es nicht viel anders aus. Das bedeutet in der Praxis, daß bei geistig schwachen Kindern, die gezwungen sind, Normalschulen zu besuchen, kein Lernerfolg zu erzielen ist, denn die Lehrpersonen können sich trotz besten Willens diesen Kindern nicht widmen, denn das geistig zurückgebliebene Kind braucht eine individuelle Behandlung. Diese Kinder bedeuten aber auch eine Hemmung der Tätigkeit des Lehrers und es leidet dadurch die Schulung der normalen Kinder. Für gesonderte Schulen und Klassen spricht auch noch ein weiteres erzieherisches Moment. Diese armen bedauernswerten, von der Natur stiefmütterlich bedachten Kinder - die Ursachen dieser Erscheinung will ich heute nicht aufrollen und untersuchen - leiden doppelt, den in sie sind meist der Stein des Anstoßes und werden vielfach von den normalen Kindern oft ohne böse Absicht am Wege zur oder von der Schule verlacht und verspottet. Soziale und wirtschaftliche Gründe sprechen für die Errichtung und Förderung der Hilfsschulen. Die geistig Minderwertigen zu nützlichen Gliedern der Gesellschaft, zur Selbsterhaltung zu erziehen, ist die vornehmste Aufgabe. 70 bis 80% dieser Kinder wären sicher zu retten, wenn sie rechtzeitig einer fachgemäßen Erziehung und Behandlung zugeführt werden. Der Mehraufwand für diese Schulen bedeutet im wahren Sinne des Wortes eine Ersparnis. Unter den Prostituierten befindet sich ein großer Prozentsatz schwachsinniger Mädchen, die vielfach hätten gerettet werden können, wenn man ihnen den Weg zur Selbsterhaltung nicht verschlossen hätte. Gefängnisse, Armenhäuser würden weniger gefüllt sein, mancher Schwachbegabte auf seine alten Tage nicht als sogenannter Dorftrottel herumlaufen, wenn diese Bedauernswerten nicht in der Kinder- und Jugendzeit dem Zufall überlassen worden wären und wenn für sie Vorbedingungen geschaffen worden wären, durch die sie die Fähigkeit erlangt hätten, den schweren Kampf ums Dasein im späteren Leben bestehen zu können.

Ich will nun zum Gesetz selbst etwas sagen. Es bietet uns durchaus keine Gewähr für eine grundlegende Änderung des Hilfsschulwesens. Das Gesetz ist mit sehr vielen Mängeln behaftet und trägt den sozialen und kulturellen Notwendigkeiten nicht Rechnung. Vor allem verlangen wir, daß die Hilfsschulen staatliche Einrichtungen sein sollen, das heißt, daß der Staat dem gesamten Aufwand Rechnung tragen solle. Wir verlangen weiters, daß die Hilfsschulen unter eigener fachmännischer Leitung stehen und in eigenen Gebäuden und mit eigenen Turnsälen, Spielplätzen und Werkstätten ausgestattet sind. Was sagt aber in dieser Beziehung der § 3? Auf Grund des § 3 kann dort, wo die örtlichen Umstände die Errichtung einer selbständigen Hilfsschule nicht ermöglichen, die Hilfsklasse als eine besondere Abteilung der Normalschule mit dieser vereint werden. Um was geht es der Regierung? Nach dem Erlasse des Ministeriums für Schulwesen und Volkskultur vom 25. September 1925 soll jetzt schon der Hilfsschullehrer an der einzelnen angegliederten Hilfsklasse ein eigenes Kabinett haben, eigene, dem Unterrichte angepaßte Lehrmittel, eine eigene Schülerbibliothek, eine besondere Lehrerbibliothek mit heilpädagogischen Schriften. Der Hilfsschullehrer soll eine eigene Hilfsschullehrerchronik führen und alle Arbeiten leisten, die ein Leiter einer selbständigen einklassigen Hilfsschule verrichten muß. Die Absicht der Regierung ist durchsichtig. Es wird wieder am unrichtigen Orte gespart. Das Unterrichtsministerium verlangt alle diese Arbeiten, will sie aber nicht bezahlen. Den Antragstellern geht es um nichts anderes als um die Ersparung der Funktionszulagen.

Gegen die Angliederung an eine normale Schule spricht noch ein wichtiges Moment. Kann man von den Schulleitern der Volksschulen verlangen, daß sie den Hilfsschullehrern pädagogische Ratgeber sein sollen? Nein. Denn dies zu sein, muß man nicht nur praktische Erfahrungen haben, sondern dies bedarf auch eines eifrigen Studiums heilpädagogischer Fragen. Man kann aber keinen Leiter zwingen, dieses Fachstudium zu betreiben, zumal den meisten Schulleitern die Zeit hiezu fehlen dürfte. Eine angegliederte Hilfsschule an ein Normalschule muß mit der Zeit zu einem Ballast werden. Auch das Verhöhnen und Verspotten der geistesschwachen Kinder von den normalen Kindern, von denen ich schon vorher sprach, ist ein wichtiges Argument und spricht ganz entschieden gegen die Angliederung der Hilfsschulen an eine normale Schule.

Eine der wichtigsten Fragen ist die Festsetzung der Schülerzahl für eine Klasse. Nach dem Regierungsentwurf ist die größte Anzahl von Kindern in einer Klasse mit 20 bestimmt. Es drängt sich da mit Recht die Frage auf, ob es der Regierung mit der Erziehung und der unterrichtlichen Behandlung der geistig zurückgebliebenen Kinder ernst ist. Das Wort "schwer erziehbar" sagt schon, daß jedes Kind anders behandelt sein will und muß. Nur in den seltensten Fällen wird es aber einem Lehrer gelingen, einen Lernerfolg zu erzielen, wenn er 20 Kinder unterrichten muß. Nur Menschen ohne Verantwortungsgefühl können ihre Zustimmung zum § 5 geben. Wir haben zu diesem Paragraphen einen Abänderungsantrag eingebracht und verlangen die Herabsetzung der Schülerzahl von 20 auf 15 Kinder.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf eine weitere Gefahr aufmerksam machen. Nicht nur allein, daß die Lehrperson, die auch bei der kleinsten Anzahl von Kindern eine furchtbar schwere, nervenaufreibende Arbeit vollbringen - man muß dem Unterricht in einer Hilfsschule einmal beigewohnt haben, um dies zu ermessen - es droht das ganze Hilfsschulwesen, das erst in der Entwicklung begriffen ist, in Mißkredit zu geraten. Müßten die Eltern dieser Kinder nicht das Vertrauen zu der Schule verlieren, wenn sie sehen würden, daß der Lehrer außerstande ist, Lernerfolge bei den Kindern zu erzielen? Nur bei einer geringen Anzahl von Schülern kann die Schule leistungsfähig sein. Es ist auch unverantwortlich, von den Lehrern zu verlangen, daß sie über ihre physischen und psychischen Kräfte arbeiten. Über kurz oder lang müssen sie zusammenbrechen. Von der Annahme oder Ablehnung dieses Paragraphen hängt nicht nur das Wohl Tausender und Abertausender bedauernswerter Geschöpfe ab, sondern es hängt auch die Entwicklung des Schulwesens davon ab.

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