Ètvrtek 23. kvìtna 1929

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 198. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze ve ètvrtek dne 23. kvìtna 1929.

1. Øeè posl. Krumpeho (viz str. 22 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzentwurf über die Errichtung von Zwangsarbeitskolonien will unser Strafrecht in einigen Punkten ergänzen und hat in erster Linie den Zweck, im Kampfe gegen das überhandnehmende Verbrechertum genügende Mittel zur Verfügung zu stellen, um namentlich asozialen Gewohnheits- und Berufsverbrechern wirkungsvoller entgegentreten zu können. Die Gesetzesvorlage sieht nun diese Mittel in der Ausgestaltung der bestehenden Zwangsarbeitsanstalten und vor allem in der Errichtung von Zwangsarbeitskolonien.

Es fragt sich nun, ob der heutige Stand der Kriminalität neue besondere Mittel notwendig macht, um dem Verbrechertum entgegentreten zu können und ob die beantragten Mittel auch tatsächlich zweckentsprechend sind.

Die erste Frage ist unbedingt zu bejahen. Die Kriminalität ist in der Nachkriegszeit bei uns sowie in allen Staaten im Aufsteigen begriffen und es muß insbesondere festgestellt werden, daß die Kriminalität der rückfälligen Verbrecher ständig steigt. Darüber geben uns die Berichte der Tageszeitungen genügende Aufklärung, aus denen namentlich hervorgeht, daß die schwersten Angriffe auf das leben und auf das Eigentum der Mitmenschen vielfach von kurz vorher entlassenen Verbrechern ausgeübt werden. Es muß freilich gesagt werden, daß dieses Gesetz nur ein ganz schwacher Behelf sein wird und daß es notwendiger wäre, die Quellen der Kriminalität zu verstopfen, als gegen den Verbrecher mit Repressivmaßregeln vorzugehen, die Quellen der Kriminalität zu verstopfen durch eine bessere, zu sittlichem Lebenswandel anleitende Erziehung schon in der Jugend. Die Verwahrlosung der Jugend ist der beste Nährboden für die Kriminalität und es ist verfehlt, den Fehlern der verwahrlosten Jugend nur mit Zwangsarbeit und Kriminal entgegenzutreten, statt dafür zu sorgen, daß die Jugend vor der Verwahrlosung bewahrt werde. Deshalb wäre schon in der Jugend eine bessere, sittliche Erziehung notwendig.

In zweiter Linie wäre die allgemeine soziale Besserstellung zu erwähnen, denn aus dem sozialen Elendszustand wächst zum großen Teil das Verbrechertum hervor und so mancher, der heute mit Zwangsstrafanstalt und Kriminal Bekanntschaft macht, ist ein Opfer der sozialen Entwicklung, der wirksam entgegenzutreten er für sich zu schwach war. Trotzdem muß aber gesagt werden, daß immer noch durch das Strafrecht der Gesellschaft spezielle Mittel in die Hand gegeben werden müssen, um sie gerade vor dem rückfälligen Verbrechertum mehr und besser als bisher zu schützen. Denn die Gefährlichkeit des rückfälligen asozialen Verbrechertums hat gerade jetzt ein akutes Stadium erreicht. Der Staat hat einerseits einer gelinderen Beurteilung des Gelegenheitsverbrechers das Wort gesprochen und für ihn bedingte Strafverurteilung eingeführt. Über den Wert oder Unwert derselben läßt sich streiten und es zwingt sich einem die Frage auf, ob dadurch nicht ebenso viel Schatten entstanden ist, als das Gesetz Licht gebracht hat. Andererseits aber ist der Staat wieder verpflichtet, der Bevölkerung gegen die große Landplage des arbeitsscheuen rückfälligen Verbrechertums einen stärkeren Schutz als bisher zu gewähren. Die Strafe allein genügt zur Herbeiführung dieses Zweckes nicht. Die Strafe wird innerhalb des gesetzlichen Ausmaßes bemessen, sie nimmt Rücksicht auf die Tat, sie nimmt weniger Rücksicht auf die Gefährlichkeit der Person und die Strafe ist nicht im Stande, den gefährlichen Gewohnheitsverbrecher wenigstens für einen größeren Zeitraum aus der Gesellschaft auszuschalten. So sehen wir, daß sich eine große Anzahl von Individuen abwechselnd im Gefängnis und in Freiheit befindet und die kaum wiedergewonnene Freiheit zur Ausübung neuer Verbrechen benützen. Unsere Gefängnisse scheinen auch vielfach eine Art Schule oder Praktikum zur Heranbildung des berufsmäßigen Verbrechertums zu sein, das neu gestärkt und mit Kenntnissen bereichert vielfach aus dem Kriminal kommt, um die verbrecherische Laufbahn in erhöhten Masse zu betreten.

Es sind daher andere Mittel notwendig, um diese Elemente entweder einer Besserung zuzuführen oder wenn dies nicht möglich wäre, die Gesellschaft vor ihnen in wirksamerer Weise als bisher zu schützen. Diese Mittel sind nach dem heutigen Stande der Strafrechtslehre nur Sicherungsmaßnahmen, deren Dauer unbestimmt ist und die dem individuellen Charakter des Verbrechers angepaßt sein müssen. Daher brauchen wir gerade gegenüber den rückfälligen Gewohnheits- und Berufsverbrechern neue Mittel. Nun fragt es sich, ob das vorliegende Gesetz dazu geeignet ist. Da möchte ich gleich betonen, daß es nur einen Teil der Hoffnungen, die darauf gesetzt sind, erfüllen wird. Wie schon das Wort andeutet, sind Zwangsarbeitsanstalten und Zwangsarbeitskolonien dazu bestimmt, die darin angehaltenen Personen an Arbeit zu gewöhnen, um dadurch eine Besserung zu erlangen. Erst in zweiter Linie kommt der Schutzgedanke der Gesellschaft in Betracht, diese gefährlichen Elemente für längere Zeit vor dem Begehen neuer Verbrechen zu bewahren und sie unschädlich zu machen.

In diesen Anstalten und in den Zwangsarbeitskolonien soll die Arbeit keine Strafe sein, sondern sie soll als Erziehungsmittel dienen und es ist undenkbar, daß durch die reine Strafe ohne Arbeit überhaupt eine Besserung des rückfälligen Verbrechers jemals erzielt werden könnte. Deshalb ist in dieser Zwangsarbeit nicht etwa eine Erniedrigung des Arbeitsgedankens im allgemeinen zu erblicken. Auch das ist nicht zu befürchten, daß die gelieferten Arbeitsprodukte vielleicht eine unlautere Konkurrenz gegenüber den anderen Arbeitern darstellen könnten. Freilich muß das Wesen dieser Zwangsarbeit bedeutend geändert werden. Heute besteht die Zwangsarbeit in den einzelnen Strafanstalten vielfach in einer Kette sinnloser Verrichtungen, deren Sinnlosigkeit auf den Häftling von vornherein niederdrückend wirken muß, da bei den jetzigen Arbeitsmethoden gewöhnlich oft nur ein Tausendstel des Arbeitserfolges erzielt wird, der bei normalen Verrichtungen erzielt wurde. Ich erinnere nur an das unsinnige Tütenkleben, das heute noch in den Arresten eingeführt ist. Es soll Kulturarbeit geleistet werden, eine Arbeit, deren Früchte zu sehen sind, eine Arbeit, die den einzelnen befriedigt, eine Arbeit, die tatsächlich Werte schafft, Werte, die nicht vorhanden sind. Wir haben solche Arbeitsgelegenheiten bei uns in Hülle und Fülle, Arbeitsgelegenheiten, die nicht benützt werden können, weil sie im Wege der Lohnarbeit nicht rationell durchzuführen sind. Ich denke an die große Arbeit der Rekultivierung der durch den Bergbau verwüsteten Gebiete, an die Kulturmachung wegloser Gebiete in den Karpathen, in der Slowakei, Podkarpatská Rus u. s. w. Es wäre möglich, auf diese Weise wirklich Kulturarbeit zu leisten und dadurch auf die Besserung des einzelnen Individuums hinzuwirken.

Das Gesetz ist im Grunde genommen eine Novellierung des Gesetzes vom Jahre 1885. Freilich, es erweitert den Kreis der dadurch Betroffenen, indem das vorliegende Gesetz diejenigen Verbrechen, auf Grund welcher jemand in Zwangsarbeitskolonien angehalten werden kann, nicht mehr taxativ aufzählt, sondern allgemein umschreibt, und vor allem motiviert. Infolgedessen ist der Kreis der Verbrechen, die zur Zwangsarbeitskolonie führen, bedeutend erweitert worden. Allein es ist eingeengt durch die Hinzufügung des betreffenden Motivs, es ist ausdrücklich bestimmt, daß das Verbrechen derart sein muß, daß es als nichtswürdigt bezeichnet werden kann, ein Verbrechen, das die Verkommenheit des Verbrechers in ganz besonderer Weise dartut. Dadurch werden auch alle Bedenken ausgeschaltet, daß dieses Gesetz vielleicht dazu mißbraucht werden könnte, um politisch mißliebige Personen auf Jahre hinaus in den Zwangsarbeitskolonien unschädlich machen zu können. Das Gesetz verlangt ausdrücklich gemeine Motive und Gemeinschädlichkeit in jeder Form. Es führt einen neuen Begriff ein, nämlich die Charakterisierung dieser Verbrechen durch die Bezeichnung "nichtswürdiger Leichtsinn". Das ist in unserem Gesetzesleben eine neue Einführung. Wir brauchen aber nicht zu befürchten, daß dadurch Menschen, die gegen das Recht nicht verstoßen, ein Schaden zugefügt werden könnte. Wenn wir die Kriminalität der Nachkriegszeit näher betrachten, so sehen wir, daß gerade der nichtswürdige Leichtsinn vielfach die Triebfeder zu Verbrechen gewesen ist, welche die einzelnen dazu treibt, ehrliche Arbeit zu scheuen, um auf jede mögliche Weise und mit allen Mitteln ein bequemes Leben führen zu können. Das ist der Typus der jugendlichen Verbrecher, der Verbrecher aus nichtswürdigem Leichtsinn. Außerdem sorgt das Gesetz durch die Rückfallsklausel dafür, daß nicht etwa derjenige, der durch eine unüberlegte Handlung in die Maschen des Strafgesetzes geraten ist, der Zwangsarbeitskolonie verfallen ist. Die Rückfallsklausel als solche verlangt unbedingt das Kriterium, das Kennzeichen des Berufs- oder Gewohnheitsverbrechers. Daß dieser neue Begriff wirkungsvoll und rechtmäßig seine Anwendung findet, das müssen wir natürlich dem freien richterlichen Ermesse anheimstellen, wie ja überhaupt die Anhaltung in den Zwangsarbeitskolonien nicht etwa durch einige Paragraphen geregelt wird, sondern dem Menschen die Beurteilung des Verbrechers als Mensch überläßt. Die politischen Behörden sind nach dem Gesetz berechtigt, die Anhaltung in Zwangsarbeitskolonien auszusprechen. Die politische Behörde ist bei uns die Sicherheitsbehörde und kann nicht ausgeschaltet werden.

Ich habe gesagt, daß die Arbeit nicht Straf-, sondern Erziehungsmittel sein soll. Das wird aber abhängen von dem Geist, in welchem die Zwangsarbeitskolonien geführt werden. Der Buchstabe des Gesetzes allein ist tot, der Geist macht ihn erst lebendig und dieses Ziel wird verfehlt sein, wenn diese Zwangsarbeitskolonien von Bürokraten geleitet werden, denen alles nur eine Aktennummer ist und bei denen alles Geschehen sich durch Zeitablauf erledigt. Dieses Ziel wird verfehlt sein, wenn die Zwangsarbeitskolonien verwaltet werden von Gefängniswärtern, den Verwandten des alten Feldwebels, der in den Häftlingen nur ein Objekt einer mißliebigen Amtshandlung erblickt. Dieses Ziel wird verfehlt sein, wenn neben der leiblichen Arbeit nicht gleichzeitig auch seelische Wiedererneuerung des Häftlings in Betracht gezogen wird. Deshalb wünschen und verlangen wir, daß gerade zum Zwecke der seelischen Wiedergeburt derjenigen, die zur Zwangsarbeit in den Kolonien angehalten werden, auch dem sittlichen Einfluß der Religion der breiteste Raum gewährt werde. Denn die Religion schafft nicht nur für sich allein Kulturwerte, sie ist auch imstande, sittlich Entgleiste wieder auf die Höhe der Arbeit, zur Höhe des Kulturmenschen zu erheben, damit sie Werte schaffen für die menschliche Gesellschaft. In diesem Sinne und in dieser Überzeugung stimmen wir für das Gesetz. (Potlesk poslancù nìm. strany køes. sociální.)

2. Øeè sl. Blatné (viz str. 24 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Gestatten Sie, daß ich, bevor ich mich mit der uns vorliegenden Novelle befasse, unserer Entrüstung über die Methoden Ausdruck gebe, die die Regierung beliebt, dem Hause gegenüber anzuwenden Am Dienstag früh, also gleich am Morgen nach dem zweiten Pfingstfeiertag wurde der Gesundheitsausschuß einberufen, um zwei Gesetze durchzuberaten, die sich mit der ärztlichen Praxis und mit den Ärztekammern befassen. Dieser überstürzte Arbeitseifer der Regierung wir sind ja überzeugt, daß es rein technisch gar nicht möglich war, alle Ausschußmitglieder von der Sitzung rechtzeitig zu verständigen - stammt sicherlich aus der großen Verlegenheit der Regierung, die auf der einen Seite dem Plenum Material zum Arbeiten vorbereiten muß, auf der anderen Seite aber in jeder Gesetzesvorlage eine Fülle von Konflikten wittert. Vielleicht hat die Osmièka geglaubt, daß bei diesen Vorlagen, deren Inhalt von der Regierungsseite unbestritten sei, rascheste Arbeit möglich wäre. Darum diese Überstürzung. Aber der Arbeitseifer der Regierung ist sehr rasch verschwunden. Er ist verschwunden, als eine Stunde nach Beginn der angesagten Sitzung die Mitglieder der Regierungsmajorität gegenüber den Mitgliedern der Opposition noch immer in einer hoffnungslosen Minorität waren. Trotzdem der Ausschuß zahlenmäßig beschlußfähig war, wurde die Sitzung vertagt. Gegen diese Methode der Einberufung und Vertagung von Ausschüssen erheben wir hier energisch Protest. Es geht nicht an, daß die Regierung dem Hause mit einem solchen Mangel an Achtung gegenüber tritt. Hier läßt die Regierung auch die äußere Form der Demokratie vollständig außer Acht. Wir wissen ja, daß die wahre Demokratie in diesem Hause noch keinen Eingang gefunden hat.

Und nun zu der Regierungsvorlage. Die Vorlage war an den Rechts- und Verfassungsausschuß zurückgewiesen worden und hat dort wesentliche Veränderungen erfahren. Sie hat dort wirklich einige Verbesserungen erfahren, aber der reaktionäre, gehässige Grundcharakter des Gesetzes ist geblieben, wie er es gewesen war. Wir geben ohneweiters zu, daß nun die Bestimmung, daß die Zuweisung zur Zwangsarbeitskolonie nach den §§ 1 bis 6 des Vagabundengesetzes nunmehr zulässig ist, wenn der Täter schon zweimal wegen desselben Verbrechens verurteilt wurde, eine Verbesserung ist. Eine Verbesserung ist es auch, daß die Zuweisung zur Arbeitskolonie wegen Verbrechen, die aus den Motiven der Arbeitsscheu, der groben Gewinnsucht, aus dem Motiv des nichtswürdigen Leichtsinns - diese Perle ist uns nämlich erhalten geblieben - begangen wurden, nur möglich ist, wenn dabei tatsächlich fremdes Eigentum gefährdet worden ist. Nach der Darstellung des Rechts- und Verfassungsausschusses findet also diese Bestimmung keine Anwendung mehr auf politische Verbrecher. Wir hätten die Fassung dieser Bestimmung weit klarer gewünscht, so klar, daß es nicht möglich wäre, daß etwa ein öffentlich tätiger Mensch, der den maßgebenden Faktoren mißliebig geworden ist, sich in den Fängen dieses Gesetzes verstrickt.

Es hat in den Pfingstfeiertagen in Teplitz der Vierte Deutsche Juristentag stattgefunden. Und es war sicherlich der Höhepunkt der Tagung, als sie sich mit den politischen Delikten beschäftigte und einstimmig Richtlinien schuf, einstimmig eine Resolution faßte und Forderungen aufstellte, die von größter Wichtigkeit sind. Der Deutsche Juristentag hat gefunden, daß Delikte, deren Endziel die Beeinflussung öffentlicher Angelegenheiten ist, und die nicht aus unehrenhaften Beweggründen und nicht mit besonders verwerflichen Mitteln begangen werden, einer gesetzlichen Sonderbehandlung unterliegen, mit einer besonderen, durch die Art ihres Vollzuges als ehrenvolle Haft gekennzeichneten Strafart belegt werden, an welche Strafe keinerlei Ehrenfolgen geknüpft werden dürfen. Für politische Delikte wird das Asylrecht gefordert. Die Auslieferung muß verweigert werden, wenn das Gericht sie als unzulässig erklärt. Wird sie als zulässig erklärt, so kann trotzdem die Justizverwaltung aus staatspolitischen Gründen die Auslieferung ablehnen.

Meine Herren und Frauen! Wenn eine Körperschaft, wie der Deutsche Juristentag, der so heterogene Elemente umfaßt, eine Körperschaft, die aus Menschen mit den verschiedenartigsten Anschauungen, den verschiedensten politischen Bekenntnissen besteht, wenn eine so vorsichtige Körperschaft, eine zum Teil konservative Körperschaft, sich zu einer solchen Forderung entschließt, eine Körperschaft, der unser Justizminister beigewohnt hat, dann muß es doch klar sein, und zwar auch für unseren Herrn Justizminister, daß die Frage der politischen Gefangenen eine brennende Frage der Zeit ist, deren humane Lösung unbedingt gefordert werden muß.

Die Worte "nichtswürdiger Leichtsinn" sind uns also im Gesetz erhalten geblieben, sie bereichern als neues Wort den Sprachschatz unserer Rechtswissenschaft, sie sind ein Novum in unserer Judikatur. Herr Krumpe hat versucht, diesen Begriff auszudeuten, er hat uns aber absolut nicht davon überzeugen können, daß dies kein unklarer, kein dehnbarer Begriff ist. Wenn wir wissen, welche Urteile insbesondere in der letzten Zeit vom Brünner Obersten Gerichtshof erflossen sind, ist es uns schreckhaft klar geworden, wie notwendig es ist, daß der Gesetzgeber die Gesetze so eindeutig und klar faßt, als es nur irgendwie möglich ist, so eindeutig, daß es den Gerichten nicht mehr möglich ist, die Tatbestände willkürlich auszudeuten. Wir haben neuerlich beantragt, diese Worte zu streichen und ich bitte Sie, meine Herren und Frauen, diesen Antrag zu unterstützen. Es ist nur eine scheinbare Verbesserung, wenn der Verfassungsausschuß diesen Antrag insofern abgeändert hat, als eine bedingte Entlastung aus der Strafarbeitskolonie nun nicht mehr abhängig ist von der Zustimmung der politischen Instanzen, sondern daß sie lediglich von deren Äußerung abhängig ist. Es ist aber eine ganz positive Verschlechterung des Gesetzes, daß die Probezeit bei der Entlassung aus der Zwangsarbeitskolonie nunmehr in den Gebieten des ungarischen Rechts auf zwei bis fünf Jahre verlängert werden soll, während bisher in Karpathorußland und in der Slovakei bei bestimmten Fällen eine einjährige bedingte Probezeit zulässig war. Wir haben anläßlich der ersten Beratung darauf hingewlesen, und insbesondere der èechische Genosse Dr Meissner hat an geradezu grotesken Beispielen die Unmöglichkeit dieses Gesetzes aufgewiesen, das in Bezug auf die Bewährungsfrist in den historischen Ländern eine ganz andere Auswirkungsmöglichkeit hat, als in der Slovakei und Karpathorußland. Aber nun ist die Unifizierung herbeigeführt und die Gleichstellung da. Das Empörende dabei ist nur, auf welcher Basis diese Gleichstellung erfolgt ist. Es ist aufreizend, daß die Unifizierung zum Schlechteren erfolgt ist.

Auch die Polizeiaufsicht ist uns geblieben. Und doch haben wir schon bei der ersten Behandlung der Frage an krassen Beispielen nachgewiesen - wir könnten diese Beispiele ins Endlose erweitern - daß die Polizeiaufsicht noch niemanden gebessert hat, daß sie aber immer und immer wieder Leute, die sich bessern wollen, daran verhindert, sich sozial wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Auch Juristen, namhafte Kriminalisten haben darauf hingewiesen, daß die Polizeiaufsicht nicht geeignet ist, Menschen zu bessern und vor allen Dingen auch nicht die Gesellschaft vor gefährlichen Individuen zu schützen. Sie haben wiederholt darauf hingewiesen, daß zur Polizeiaufsicht Funktionäre gehören, die eine besondere psychologische und soziale Vorbildung haben, denn gerade zu dieser Funktion gehörtem Höchstmaß von Diskretion, Taktgefühl, Klugheit und schließlich auch Menschenliebe. Trotzdem wir durch die neue Verhandlung im Verfassungsausschuß einige Resolutionen vorgelegt erhielten, besteht auch heute noch so wie früher die Gefahr, daß die Sträflinge in den Zwangskolonien zu Lohndrückern benützt und als billige Arbeitskräfte mißbraucht werden und darum wiederholen wir auch heute unseren Antrag, den wir Sie, meine Herren und Frauen, anzunehmen bitten, daß auch die Insassen der Strafarbeitskolonien der Sozialversicherung teilhaftig und die Löhne auch dieser Gruppe von Arbeitern den Löhnen der freien Arbeiter angepaßt werden sollen.

Erhalten ist uns auch die Bestimmung über die Einzelhaft geblieben. Der Bericht des Rechts- und Verfassungsausschusses weist geradezu darauf hin, daß es sich nicht etwa um die Einzelhaft selbst handelt, sondern lediglich um die Beseitigung der begünstigten Einrichtung. Es sollen nun so wie in den historischen Ländern, auch in der Slovakei und Karpathorußland nicht mehr, wie es bisher festgesetzt war, zwei in der Einzelhaft verbrachte Tage als drei gelten. Die Einzelhaft zermürbt den Menschen, sie zehrt an dem Seelenleben und den Nerven des Menschen und eine langausgedehnte Einzelhaft verbraucht den Menschen ganz und gar. Aus diesen Erwägungen hat schon vor mehr als einem halben Jahrhundert das alte Österreich, das kaiserliche, schwarze Österreich beschlossen, daß zwei in der Einzelhaft verbrachte Straftage als drei zu gelten haben. Der Regierung einer demokratischen Republik blieb es vorbehalten, diese Bestimmung zu beseitigen und wenn es nun heißt, daß bei Inkrafttreten des Gesetzes die Wirksamkeit dieser Bestimmung auch auf die bereits verbüßten Strafen ausgedehnt werden soll, so steht das im Widerspruch zu allen Rechtsgründen und wir weisen das zurück.

Das dunkelste Kapitel in dem dunklen Gesetz ist wohl die Bestimmung, daß die Gerichtsbarkeit aus den Händen des aburteilenden Gerichtes genommen werden soll, daß die Entscheidung, wer den Zwangsarbeitskolonien zugewiesen werden soll, der politischen Behörde zugewiesen wird. Also das Gericht, das den Menschen kennen gelernt hat in seinen menschlichen Bedingtheiten, der Richter, der ihm gegenübergestanden ist, der hat nun nicht mehr das Beschlußrecht, über das Schicksal dieses Menschen, sondern die Entscheidung über das Schicksal dieses Menschen ist nunmehr den politischen Bürokraten überwiesen, die nicht mehr den lebendigen Menschen, sondern den toten Akt sehen. Wir weisen diese Bestimmung, die wir in keinem anderen Land finden, nicht einmal im dunkelsten schwärzesten Österreich, als gehässig und reaktionär zurück. Es ist auch gesetzes-technisch unmöglich, da nun ein neues Element, neue Ideen über den Strafvollzug auf ein ganz altes Gesetz aufgepropft werden und dieses einigende Band, dieser rote Faden, der die auseinanderstrebenden Bestimmungen zusammenhält, soll die reaktionäre gehässige Gesinnung sein; das macht uns das Gesetz unannehmbar.

Wir lehnen das Gesetz in allen Einzelnbestimmungen ab, weil es reaktionär ist, weil es den Rechtsgrundsätzen widerspricht, weil es gehässig ist. Wir lehnen es in seiner Gänze ab, und einer Regierung, die seit drei Jahren Verbrechen auf Verbrechen an der werktätigen Bevölkerung verübt, die durch ihre Zoll- und Steuerpolitik das Leben der Menschen nahezu zur Unmöglichkeit macht, einer Regierung, die den Selbstverwaltungskörpern, welche diesen Leuten zur Hilfe kommen wollten, in den Arm fällt, indem sie das Gemeindefinanzgesetz verbrach, einer Regierung, die den Menschen nun das letzte, das Dach über dem Kopf rauben will und dafür freundlichst die Tür zu den Gefängnissen öffnet, die Zwangsarbeitskolonien schafft, einer solchen Regierung sagen wir unseren schärfsten Kampf an. (Potlesk poslancù nìm. strany soc. demokratické.)

3. Øeè posl. Geyera (viz str. 33 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Es liegt heute der Druck Nr. 1700 dem Hause zur Beschlußfassung vor. Einer der Vorredner hat diesen Gesetzesantrag einen demokratischen Fortschritt genannt, der zur Besserung der Rückfälligen und zur Hintanhaltung von Schäden an fremdem Eigentum dienen soll. Der Motivenbericht selbst nennt die Vorlage einen Unifizierungsversuch zwischen der Gesetzgebung in den historischen Ländern und der Gesetzgebung der ehemals ungarischen Länder. Er gibt selbst zu, daß die Unifizierung nicht vollständig gelungen ist und daß die endgültige Reform erst der Neuordnung der gesamten Strafgesetzgebung vorbehalten werden soll, an der gearbeitet wird. Im großen ganzen kann man sagen: wenn dieser Gesetzentwurf ein Mittel zur Besserung sein soll, so paßt er sehr schlecht in das Zeitalter des Humanismus, den der Staatspräsident vertritt. Er paßt auch sehr schlecht in die Praxis des Alltags. An Tausenden und Abertausenden Beispielen ließe sich darlegen, daß vor allem diejenigen, die nach diesem neuen Gesetzentwurf mitberufen werden, an der richterlichen Gewalt teilzunehmen, sich in sie einzumengen, an diesem Wechselbalg von richterlicher Gewalt und von Administrative mitzuwirken, durchaus nicht dazu beitragen, die Ruhe und Sicherheit im Staate zu vermehren. Wohin wir schauen, finden wir, daß ein Großteil der sogenannten Vergehen, daß Strafen und Strafprozesse direkt von den Organen des Staates provoziert werden, und es vergeht keine Woche, ja oft kein Tag, an welchem nicht die Presse über Verhaftungen aus kleinlich en und schikanösen Anlässen oder sonstige Übergriffe berichten müssen, die den Behörden das denkbar schlechteste Zeugnis ausstellen. Wenn dieses Gesetz einen Sinn haben sollte, so müßte es zu allererst auf die ausübende Administrative im Staate angewendet werden.


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